TE Vwgh Beschluss 2022/1/25 Ra 2021/19/0343

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des H Z, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2021, W189 2238775-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein russischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Mai 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, dass er befürchte, im Herkunftsstaat inhaftiert zu werden, da er als Anwaltsgehilfe bezüglich eines Freundes Kontakt mit der russischen Staatsanwaltschaft gehabt habe. Danach sei er von der russischen Polizei vier Tage lang festgehalten worden. Im Gefängnis befürchte er, zu sterben. Außerdem habe er einem Freund, der mit einer Rechtsschutzorganisation zusammengearbeitet habe, von Menschenrechtsverletzungen sogar bei Gerichten erzählt. Der Freund sei entführt und gefoltert worden und der Revisionswerber sei aus diesem Grund ebenfalls zum Feind geworden.

2        Mit Bescheid vom 18. Dezember 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Verfahrensführung und die Beweiswürdigung des BVwG und bringt dazu zusammengefasst vor, der Revisionswerber habe die Hintergründe und Umstände einer aufrechten Bedrohung gegen ihn bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nachvollziehbar dargelegt. Es sei zu keiner ausreichenden Prüfung der Gründe gekommen, die gegen eine Rückkehr und für eine Bedrohung des Revisionswerbers sprechen würden, sowie der Auswirkungen einer Rückkehr in ein anderes Gebiet der russischen Föderation. Die Feststellungen zur realen Bedrohungssituation in Tschetschenien seien unvollständig, weil das BVwG einen aktuellen Länderbericht über schwere Menschenrechtsverletzungen nicht berücksichtigt habe.

8        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 8.11.2021, Ra 2021/19/0390, mwM).

9        Das BVwG setzte sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers in seiner Gesamtheit auseinander, erachtete dieses jedoch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Hinblick auf die vagen, widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Aussagen des Revisionswerbers nicht als glaubwürdig. Die Revision zeigt mit ihren allgemein gehaltenen und die Richtigkeit der Angaben des Revisionswerbers betonenden Ausführungen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre.

10       Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit diverse Ermittlungs- und Feststellungsmängel behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 1.9.2021, Ra 2021/19/0247, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Revision nicht zu entnehmen.

11       Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auch gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFA-VG). Der Revisionswerber habe in Österreich in einem ersten Schritt Deutsch erlernt, sich bereits integriert und dies im Verfahren ausreichend belegt. Es bestehe ein aufrechtes Familienleben des Revisionswerbers in Österreich.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn kein revisibler Verfahrensmangel vorliegt und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. erneut VwGH Ra 2021/19/0390, mwN).

13       Die Ausführungen der Revision, eine Rückkehr sei aufgrund des aufrechten Familienlebens des Revisionswerbers in Österreich unzulässig, stehen im Widerspruch zu den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach der Revisionswerber in keinem - auch nicht finanziellen - Abhängigkeitsverhältnis zu seinen im Bundesgebiet lebenden Verwandten, nämlich einem Bruder, zwei Cousins und der Stiefmutter, stehe. Das BVwG bezog außerdem sämtliche - auch die vom Revisionswerber angesprochenen - fallbezogen für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände hinreichend in seine Entscheidung mit ein und berücksichtigte insbesondere, dass der Revisionswerber lediglich über deutsche Sprachkenntnisse im Anfängerbereich verfüge, im Bundesgebiet nicht gearbeitet habe, keine freiwilligen gemeinnützigen Arbeiten verrichtet habe, keine Kurse besucht habe, kein Vereinsmitglied sei und ausschließlich mit den Freunden seines Bruders Kontakt habe. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen nicht auf, dass die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar wäre.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021190343.L00

Im RIS seit

17.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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