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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des PflanzenschutzmittelG über das gleichzeitige Erlöschen der Zulassungen von zu verschiedenen Zeitpunkten zugelassenen Pflanzenschutzmitteln mit gleichem Wirkstoff angesichts der ausschlaggebenden Bedeutung des Wirkstoffes bei der Beurteilung der Gefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels; Abweisung des Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Pflanzenschutzmittel-WirkstoffVSpruch
1. Der zweite Satz des §35 Abs3 sowie die Worte "mit gleichem Wirkstoff" und "und zweiter" in §35 Abs8 des Bundesgesetzes vom 5. Juli 1990 über den Verkehr mit Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelgesetz - PMG), BGBl. Nr. 476, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Der Antrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die antragstellenden Gesellschaften hatten gemäß Art140 Abs1 und 139 Abs1 B-VG die Aufhebung des zweiten Satzes in §35 Abs3 des Bundesgesetzes vom 5. Juli 1990 über den Verkehr mit Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelgesetz - PMG), BGBl. 476, in eventu des ersten und zweiten Satzes in §35 Abs3 PMG wegen Verfassungswidrigkeit, sowie der §§1 Z2, 2 Z2 und 3 Z2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über das Erlöschen der Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit gleichem Wirkstoff (Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffverordnung), BGBl. 626/1992, in eventu der §§1 Z2, 2 Z2 und 3 Z2 dieser Verordnung iVm der Anlage zu diesen Bestimmungen, in eventu der gesamten Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit begehrt. Für den Fall der Zurückweisung des Gesetzesprüfungsantrages hatten die Antragstellerinnen die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich des zweiten Satzes in §35 Abs3 PMG bzw. des ersten und zweiten Satzes in § 35 Abs3 PMG im Zuge des Verordnungsprüfungsverfahrens angeregt.
2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat in seiner im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung beantragt, die Beschwerde (gemeint offenkundig: den Antrag im Sinne des Art139 Abs1 B-VG) als unbegründet abzuweisen.
3. Mit Beschluß vom 8. März 1994, G276/92, V120/92, wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG mangels Legitimation als unzulässig zurück. Hingegen unterbrach er das Verfahren über den - vorläufig als zulässig erachteten - Antrag gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG und beschloß die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des §35 Abs3 sowie der Worte "mit gleichem Wirkstoff" und "und zweiter" in §35 Abs8 PMG von Amts wegen zu prüfen.
II. Zur Rechtslage:
1. Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes - PMG:
"Zulassung
§8. (1) Einem Antrag auf Zulassung ist vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid stattzugeben, wenn das Pflanzenschutzmittel
1. nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung unter Bedachtnahme auf Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes hinreichend wirksam ist und
2. nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung oder als Folge einer solchen Anwendung
a) keine unmittelbar schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben und zu keinen Beeinträchtigungen führen kann, mit denen schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, insbesondere über die Nahrung, über die Nahrungskette oder über das Trinkwasser verbunden sind,
b) zu keinen unvertretbaren Beeinträchtigungen der Umwelt führen kann und
c) keine schädlichen Auswirkungen auf zu schützende Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse haben kann und
3. keine gemäß §7 Abs1 ausgeschlossene Handelsbezeichnung aufweist.
(2) Die Zulassung ist, soweit es zur Erreichung der im Abs1 genannten Zulassungsvoraussetzungen erforderlich ist, mit Bedingungen und Auflagen, die insbesondere die Zusammensetzung und Beschaffenheit, die Anwendungsbestimmungen, die Einstufung nach den gefährlichen Eigenschaften des Pflanzenschutzmittels gemäß §2 Abs5 ChemG, allfällige weitere toxische und ökotoxische Wirkungen, die Reinheit der Wirkstoffe, die sonstige Kennzeichnung und die Handelspackungen betreffen können, zu erteilen. Überdies ist im Zulassungsbescheid die Pflanzenschutzmittelregister-Nummer (§16 Abs1) anzugeben.
...
Erneuerung der Zulassung
§13. (1) Ein Antrag auf Erneuerung der Zulassung ist vom Zulassungsinhaber spätestens ein Jahr, frühestens zwei Jahre vor Erlöschen der Zulassung durch Zeitablauf bei sonstiger Zurückweisung zu stellen. Der bisherige Zulassungsbescheid gilt bis zur rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf Erneuerung weiter.
...
Übergangsbestimmungen
§35. (1) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes nach dem Pflanzenschutzgesetz oder nach dem Forstgesetz 1975 genehmigten und im bei der Bundesanstalt für Pflanzenschutz geführten Register der zugelassenen Pflanzenschutzmittel eingetragenen Pflanzenschutzmittel sind nach Maßgabe der Abs2 bis 4 gemäß §8 Abs1 zugelassen.
(2) Die Nummern, unter der die im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel in das bei der Bundesanstalt für Pflanzenschutz geführte Register der zugelassenen Pflanzenschutzmittel eingetragen sind, gelten als Pflanzenschutzmittelregister-Nummern nach diesem Bundesgesetz. Die auf Grund des Pflanzenschutzgesetzes oder des Forstgesetzes 1975 oder darauf beruhender Verwaltungsakte vorgeschriebene chemische und physikalische Beschaffenheit der im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel gilt als zugelassene Zusammensetzung und Beschaffenheit, die auf Grund dieser Vorschriften festgesetzten Anwendungsbestimmungen gelten als zugelassene Anwendungsbestimmungen nach diesem Bundesgesetz. Die der Genehmigung nach dem Pflanzenschutzgesetz oder dem Forstgesetz 1975 entsprechende Bezeichnung der im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel gilt als Handelsbezeichnung nach diesem Bundesgesetz. Die in Genehmigungsbescheiden nach dem Pflanzenschutzgesetz oder dem Forstgesetz 1975 vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen gelten als Bedingungen und Auflagen gemäß §8 Abs2 dieses Bundesgesetzes, insoweit sie nicht den Bestimmungen der §§2 Abs5, 17, 18, 23, 24, 27 und 33 ChemG und den darauf beruhenden Verwaltungsakten widersprechen. In jedem Fall sind die im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel bis zu ihrer Einstufung auf Grund des §8 Abs2 entsprechend den §§2 Abs5 und 17 ChemG und den darauf beruhenden Verwaltungsakten einzustufen und entsprechend dieser Einstufung gemäß §14 Abs1 und 4 zu kennzeichnen.
(3) Die Zulassung erlischt für die im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel mit den Pflanzenschutzmittelregister-Nummern
1.
1 bis 500 drei Jahre,
2.
501 bis 1000 sechs Jahre,
3.
1001 bis 1500 acht Jahre und
4.
ab 1501 bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes vergebenen Pflanzenschutzmittelregister-Nummern zehn Jahre
nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes.
Wenn jedoch ein Pflanzenschutzmittel einer höheren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer den gleichen Wirkstoff wie ein Pflanzenschutzmittel einer niedrigeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer hat, so erlischt die Zulassung bereits mit dem Zeitpunkt, der für das Pflanzenschutzmittel der niedrigeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer im ersten Satz festgesetzt ist, sofern nicht §13 in Verbindung mit Abs4 erster Satz anderes bestimmt. ...
(4) Im übrigen gelten für die im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit der Maßgabe, daß für Anträge auf Erneuerung der Zulassung §6 im vollen Umfang anzuwenden ist. Solange die Zulassung noch nicht erneuert wurde, hat die Kennzeichnung einen Hinweis zu enthalten, daß die Kennzeichnungselemente des §14 Abs1 Z2, 5 bis 11 und 17 nicht nach diesem Bundesgesetz bewertet wurden. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits im Handel befindliche Pflanzenschutzmittel dürfen ohne diesen Hinweis noch innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes verkauft werden.
...
(8) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat die im Abs1 genannten Pflanzenschutzmittel mit gleichem Wirkstoff unter Angabe der Handelsbezeichnungen und der Pflanzenschutzmittelregister-Nummern sowie unter Angabe des im Abs3 erster und zweiter Satz vorgesehenen Zeitpunktes des Erlöschens ihrer Zulassung im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
...
2. Zur Systematik des PMG:
Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist die Zulassung. Im Zulassungsverfahren werden nicht nur die schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt geprüft; vielmehr wird auch untersucht, ob im Hinblick auf die genannten Einsatzzwecke eine hinreichende Wirksamkeit gegeben ist. Hiebei enthält das PMG in seinem §35 Übergangsbestimmungen für die gemäß den Bestimmungen des III. Teiles des Pflanzenschutzgesetzes, BGBl. 124/1948, zugelassenen Pflanzenschutzmittel: Wesentlich ist im gegebenen Zusammenhang, daß diese Zulassungen gemäß §35 Abs3 erster Satz PMG abhängig von der Höhe der Pflanzenschutzmittelregister-Nummer in einer bestimmten zeitlichen Stufenfolge erlöschen, sofern der Zulassungsinhaber nicht spätestens ein Jahr, frühestens zwei Jahre vor Erlöschen der Zulassung durch Zeitablauf einen Antrag auf Erneuerung der Zulassung stellt (§35 Abs4 erster Satz iVm §13 Abs1 letzter Satz PMG); für derartige Anträge auf Erneuerung der Zulassung sind materiell die Bestimmungen des PMG über die erstmalige Zulassung anzuwenden.
Die in §35 Abs3 erster Satz PMG (grundsätzlich) angeordnete Reihenfolge des Erlöschens der Zulassungen durch Zeitablauf wird gemäß §35 Abs3 zweiter Satz PMG durchbrochen; danach erlischt die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels einer höheren (also jüngeren) Pflanzenschutzmittelregister-Nummer, das den gleichen Wirkstoff wie ein Pflanzenschutzmittel einer niedrigeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer enthält, bereits mit dem Zeitpunkt, der für das Pflanzenschutzmittel der niedrigeren (also älteren) Pflanzenschutzmittelregister-Nummer in §35 Abs3 erster Satz PMG festgesetzt ist; wird ein Antrag auf Erneuerung der Zulassung gestellt, so verlängert sich jedoch auch in diesem Fall die Wirkung der Zulassung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag (§35 Abs3 zweiter Satz iVm den §§13, 35 Abs4 erster Satz PMG).
3. Bestimmungen der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffverordnung (von einer Wiedergabe der Anlagen wird abgesehen):
"Auf Grund des §35 Abs8 und des §38 Abs1 Z3 des Pflanzenschutzmittelgesetzes - PMG, BGBl. Nr. 476/1990, wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz und dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie verordnet:
§1. Es erlöschen die Zulassungen der
1. in Anlage 1 Teil A genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 erster Satz Z1
2. in Anlage 1 Teil B genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 zweiter Satz
mit Ablauf des 31. Juli 1994.
§2. Es erlöschen die Zulassungen der
1. in Anlage 2 Teil A genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 erster Satz Z2
2. in Anlage 2 Teil B genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 zweiter Satz Pflanzenschutzmittelgesetz
mit Ablauf des 31. Juli 1997.
§3. Es erlöschen die Zulassungen der
1. in Anlage 3 Teil A genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 erster Satz Z3
2. in Anlage 3 Teil B genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 zweiter Satz Pflanzenschutzmittelgesetz
mit Ablauf des 31. Juli 1999.
§4. Es erlöschen die Zulassungen der in Anlage 4 genannten Pflanzenschutzmittel gemäß §35 Abs1 in Verbindung mit Abs3 erster Satz Z4 Pflanzenschutzmittelgesetz mit Ablauf des 31. Juli 2001."
III.1. Im zitierten Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen wie folgt dargelegt:
a) Mit der Erlassung des PMG verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, sicherzustellen, daß nur solche Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden, die biologisch wirksam sind und bei sachgerechter Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben sowie zu keinen unvertretbaren Beeinträchtigungen der Umwelt führen können (s. Vorblatt der Erl 317 BlgNR 18. GP, 16). Die bestehenden Rechtsvorschriften wurden vom Gesetzgeber als unzureichend angesehen; dazu wird im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1317 BlgNR 18. GP, 17) ausgeführt:
'Der immer größer gewordene Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und das verstärkte Gesundheits- und Umweltbewußtsein führen zu Konfliktsituationen. Das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 491/1984 verpflichtet alle Gebietskörperschaften zum umfassenden Umweltschutz. Hiezu gehören insbesondere auch Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers und zum Schutz des Bodens. Zur Erreichung dieser Ziele, zur Sicherung des Wettbewerbes und zum Schutz der Anwender von Pflanzenschutzmitteln sowie zur Sicherstellung einer landwirtschaftlichen Produktion von einwandfreien Nahrungsmitteln, ist es erforderlich geworden, den III. Teil des Pflanzenschutzgesetzes, der nur sehr dürftige Regelungen aufweist, einer Neufassung zu unterziehen. Insbesondere ist es erforderlich, die durch das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz, seit 1987 durch das Bundeskanzleramt, erfolgte toxikologische und ökotoxikologische Bewertung von Pflanzenschutzmitteln auf eine umfassende gesetzliche Grundlage zu stützen.
Pflanzenschutzmittel sollen nicht nur biologisch wirksam sein, sondern auch keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen sowie auf die zu schützenden Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse ausüben und zu keinen unvertretbaren Beeinträchtigungen der Umwelt führen.'
Vor diesem Hintergrund hält der Verfassungsgerichtshof - ebenso wie die Antragstellerinnen - das durch §35 Abs3 erster Satz PMG bewirkte stufenweise Erlöschen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die am 1. August 1991 genehmigt und registriert waren, für verfassungsrechtlich unbedenklich, da auch die Prüfung nach dem Pflanzenschutzgesetz zugelassener Pflanzenschutzmittel auf ihre Vereinbarkeit mit den strengeren Vorschriften des PMG als im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit von Menschen und der Umwelt liegend gewertet werden kann. Der Eingriff erscheint auch deswegen nicht unverhältnismäßig, weil der Zulassungsinhaber das Erlöschen der Zulassung zu den in dieser Bestimmung festgelegten Zeitpunkten zunächst dadurch abwenden kann, daß er einen Antrag auf Erneuerung der Zulassung stellt.
Der Verfassungsgerichtshof ist auch nicht der Ansicht, daß es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen an sich verwehrt wäre, vom in §35 Abs3 erster Satz PMG gewählten System des Erlöschens der Zulassungen nach deren zeitlicher Reihenfolge etwa dann abzuweichen, wenn bei einem einzelnen Pflanzenschutzmittel Gründe für die Annahme vorliegen, daß dieses Pflanzenschutzmittel Auswirkungen auf die Gesundheit oder Umweltbeeinträchtigungen im Sinne des §8 Abs1 Z2 PMG (siehe oben unter Pkt. II.1.) haben könnte.
b) §35 Abs3 zweiter Satz PMG knüpft jedoch das vorzeitige Erlöschen der Zulassung eines bestimmten Pflanzenschutzmittels nur daran, daß ein Pflanzenschutzmittel einer niedrigeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer den gleichen Wirkstoff hat, ohne daß dabei die - bei Untersuchungen der früheren Stufe allenfalls festgestellte - Toxizität oder Ökotoxizität dieses Wirkstoffes (gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Stoffen) rechtlich von Bedeutung wäre. Dies hat zur Folge, daß auch die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit unter den Gesichtspunkten der Gesundheit und des Umweltschutzes (relativ) unbedenklichen Wirkstoffen nur deswegen vorzeitig erlöschen, weil ein Pflanzenschutzmittel mit einer niederigeren (älteren) Pflanzenschutzmittelregister-Nummer einen dieser Wirkstoffe enthält. Gerade zu diesem Problem bietet die Äußerung der Bundesregierung offenbar keine Antwort (auch nicht auf ihrer S 10).
In solchen Fällen scheinen also die - nach der Toxizität bzw. Ökotoxizität des Wirkstoffes nicht differenzierende - Regelung des §35 Abs3 zweiter Satz PMG sowie die damit im untrennbaren Zusammenhang stehenden und daher ebenfalls in Prüfung gezogenen Worte im Abs8 dieses Paragraphen unsachlich zu sein. Der Umstand, daß ein Pflanzenschutzmittel einer jüngeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer den gleichen Wirkstoff wie ein Pflanzenschutzmittel einer älteren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer aufweist, dürfte für sich allein ein vorzeitiges Erlöschen der Zulassung durch Zeitablauf nicht rechtfertigen. Daß der bisherige Zulassungsinhaber auch in diesem Fall das sofortige Erlöschen durch Stellung eines Antrages auf Erneuerung der Zulassung - falls er eine solche überhaupt erwirken will - abwenden kann, dürfte dem schon wegen der damit wesentlich früher als ansonsten eintretenden Kosten nicht entgegenstehen.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird weiters zu erörtern sein, ob und gegebenenfalls wie sich der Prüfungsstandard bei Pflanzenschutzmitteln während der Geltung der Rechtslage vor dem PMG geändert hat und allenfalls, welche Bedeutung einem solchen Umstand zukäme.
Der Verfassungsgerichtshof meint daher vorläufig, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mit dem dem Gleichheitssatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot nicht in Einklang stehen.
c) Aus den oben angeführten Gründen scheint die in Prüfung gezogene Regelung auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit zu verstoßen (vgl. zu diesem Grundrecht zB VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988)."
2. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet und beantragt auszusprechen, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind, für den Fall der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen. In ihrer Äußerung führt sie ua. aus:
"1.2.3. Zur zentralen Stellung des Wirkstoffes bei der Beurteilung der Gefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels:
Nach Auffassung der Bundesregierung sind das 'Alter' oder der 'Zeitpunkt' (vor dem Inkrafttreten des PMG) einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel als Gradmesser für die Gefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels nur beschränkt geeignet. Die Gefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels wird hingegen entscheidend durch die Identität bzw. die Eigenschaften des Wirkstoffes bestimmt. Daran ändert es auch nichts, daß der tatsächlich gehandhabte Prüfungsmaßstab für beantragte Pflanzenschutzmittel im Laufe der Geltung des Pflanzenschutzgesetzes sukzessive - wenn auch nicht auf gesetzlich verankerte Art und Weise, so doch in der in Praxis - verschärft wurde. Im Mittelpunkt der Gefährlichkeitsbewertung für ein Pflanzenschutzmittel steht, sowohl was gesundheitliche Belange als auch Umweltschutzbelange betrifft, der Wirkstoff. Dieser ist der eigentliche Träger der Wirksamkeit gegen den zu bekämpfenden Schadorganismus (zB Unkraut) und daher die eigentliche biozide Komponente des Präparates. Im Präparat selbst sind neben dem Wirkstoff noch weitere Formulierungshilfsstoffe, sog. Beistoffe, enthalten. Diese erhöhen die Löslichkeit, Stabilität, Haltbarkeit, Haftungsfähigkeit, Oberflächenspannung udgl., verbessern somit die Wirksamkeit des Präparates oder ermöglichen eine praktikable Ausbringung und Verteilung. Zwar ist es nicht ausgeschossen, daß auch Beistoffe die Umweltgefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels verändern, eine derartige Veränderung ist aber von untergeordneter Bedeutung.
§35 Abs3 zweiter Satz PMG trägt insofern der herausragenden Bedeutung des Wirkstoffes, die dieser für die gefährlichen Eigenschaften des Gesamtpräparates besitzt, und der Datenlage über alte Wirkstoffe Rechnung.
Um die einschneidenden Veränderungen darstellen zu können, die durch das Inkrafttreten des PMG herbeigeführt wurden, erscheint es zunächst zweckmäßig, auf die Entwicklung des Prüfungsstandards bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln einzugehen.
1.2.4. Entwicklung des Prüfungsstandards für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln:
Rechtliche Grundlage für die Beurteilung von Pflanzenschutzmitteln auf der Basis des Pflanzenschutzgesetzes war die Pflanzenschutzmittelverordnung, BGBl. Nr. 147/1949. Gemäß §4 Abs1 dieser Verordnung hatte die Bundesanstalt (für Pflanzenschutz) das Ergebnis der Untersuchung dem Antragsteller in Form eines Gutachtens bekanntzugeben. In diesem Gutachten waren 'auch die Bedingungen und Auflagen anzuführen, die der Bundesanstalt durch das Bundesministerium für soziale Verwaltung auf Grund des gepflogenen Einvernehmens mitgeteilt wurden'. Weder das Pflanzenschutzgesetz noch die Pflanzenschutzmittelverordnung wurden in ihrem hier maßgeblichen Teil bis zum Inkrafttreten des neuen PMG novelliert.
Auf Basis dieser Rechtsgrundlage wurde in den 60er Jahren ein Anforderungsprofil für die Prüfung und Bewertung von beantragten Pflanzenschutzmitteln ua auf Toxizität des Pflanzenschutzmittels (einschließlich des Wirkstoffes) zum Schutz der Gesundheit der Anwender dieser Mittel und der Konsumenten rückstandsbelasteter Lebensmittel entwickelt und den Antragstellern als fachliche Voraussetzung für die Erlangung einer Genehmigung vorgeschrieben. Anforderungen an die Wahrnehmung des Schutzes der Umwelt waren darin nur in untergeordnetem Umfang enthalten.
Zu Beginn der 80er Jahre wurde bei unveränderter Rechtsgrundlage (§4 Abs1 der Pflanzenschutzmittelverordnung) die 'Anlage 2' (vgl. Beilage 2) durch das neue Anforderungsprofil der 'Checkliste' (vgl. Beilage 3) abgelöst. In der 'Checkliste' wurden die Anforderungen an Untersuchungen der Toxizität (des Pflanzenschutzmittels und des Wirkstoffes) gegenüber denen der 'Anlage 2' ebenso wie die Daten der Ökotoxizität des Wirkstoffes um einige Anforderungspunkte erweitert - die anderen Inhaltsstoffe (Beistoffe) und das jeweilige Pflanzenschutzmittel (als Mischung von Wirkstoffen und Beistoffen) mußten auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf ihre schädigenden Auswirkungen auf die Umwelt im einzelnen geprüft werden.
Gegen Ende des Jahres 1988 wurde die oz. 'Checkliste' durch eine Art von 'Mängelliste' (vgl. Beilage 4) - jeweils getrennt für Wirkstoff und Präparat - ersetzt. Die für die Prüfung der Toxizität des Wirkstoffes ab diesem Zeitpunkt erforderlichen Angaben und Unterlagen wurden allerdings nur unwesentlich erweitert. Gleichzeitig wurden auch die Datenanforderungen an die Prüfung der Ökotoxizität des Wirkstoffes nur inhaltlich spezifiziert. Dabei waren die erwähnten Anforderungsprofile stets als Maximalanforderungen verstanden worden. Bei der praktischen Handhabung wurde hingegen je nach Anwendungsart des Pflanzenschutzmittels und nach den beantragten Indikationen der tatsächliche Anforderungsumfang 'flexibel gestaltet'.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die bis Anfang der 80er Jahre erstellten Studien auf Grund fehlender harmonisierter Tierversuchs-Methoden nicht nach heutigen Maßstäben bewertet werden können. Die Aussagekraft der bis zu diesem Zeitpunkt ermittelten Toxizitätsdaten entspricht daher auch nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Entscheidende Änderungen der Rechtslage erfolgten erst durch das PMG, insbesondere dessen §8 Abs1 Z2 lita. Die auf Grund dieser Bestimmung geforderten Angaben und Unterlagen zur Prüfung der Toxizität des Wirkstoffes waren gegenüber den früheren Anforderungen um wesentliche Punkte erweitert (zB Mutagenitätstests auch in Form von In-vivo-Säugetiertests, Erfordernis einer zweiten subakuten Toxizitätsprüfung, Prüfung der Toxikokinetik an einer weiteren Tierart, Prüfung auf verhaltensstörende Eigenschaften; zu den in Österreich nunmehr geforderten Angaben und Unterlagen hinsichtlich der Toxizität und Ökotoxizität des Wirkstoffes vgl. Beilage 5).
Ein Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels muß gemäß §6 Abs3 PMG nunmehr mit Unterlagen eingebracht werden, die eine Beurteilung der Zulassungsvoraussetzungen gemäß §8 Abs1 Z2 litb PMG erlauben. Das PMG ermöglicht es, die Zulassung und Registrierung eines Pflanzenschutzmittels abzulehnen, wenn es nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Verwendung oder als Folge einer solchen Anwendung zu unvertretbaren Beeinträchtigungen der Umwelt kommen kann. Auf Grund des oben erwähnten erweiterten Anforderungsprofils hat sich der Stand des Wissens um mögliche Gefahren für die Umwelt seit 1989 beträchtlich erhöht. Durch das Inkrafttreten des PMG mit 1.8.1991 hat in dieser Hinsicht eine weitere Verschärfung des Aufwendungsprofils, nicht nur in tatsächlicher sondern auch in rechtlicher Hinsicht stattgefunden. Der Prüfungsstandard von Pflanzenschutzmitteln war nach den Vorgaben des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl. Nr. 124/1948, (auch noch knapp) vor dem Inkrafttreten des PMG niedrig. Daher lassen die vorhandenen Daten über 'alte' Pflanzenschutzmittel in der Regel keine dem Standard des PMG auch nur annähernd entsprechenden Aussagen über deren Gesundheits- bzw. Umweltverträglichkeit zu. Die Auffassung, daß ein Präparat, welches knapp vor 1991 zugelassen worden ist, bereits Anforderungen erfülle, die dem PMG gleichwertig wären, trifft deshalb nicht zu.
1.2.5. Befreiung des Pflanzenschutzmittelregisters von 'Altlasten' und wesentliche Reduzierung von Tierversuchen:
§35 Abs3 zweiter Satz PMG soll in sachlich begründbarer Art und Weise sicherstellen, daß sämtliche alten Präparate mit demselben Wirkstoff, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft beurteilt werden. Gerade dadurch, daß die Regelung nicht nur auf das Zulassungsdatum, sondern auch auf die Identität des Wirkstoffes abstellt, trägt sie Sachgegebenheiten Rechnung und führt dazu, daß Gleiches (identische Wirkstoffe als Charakteristika der Pflanzenschutzmittel) auch gleich behandelt wird. In Entsprechung des erst durch das PMG eingeführten Prinzips der befristeten Zulassung (auf maximal 10 Jahre), das eine ständige Anpassung der Gefahrenabschätzung an die sich zukünftig verändernden Kenntnisse in Toxikologie und Ökotoxikologie sicherstellen soll, dient die in Prüfung gezogene Regelung auch dazu, das Pflanzenschutzmittelregister, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des PMG ca. 2000 Präparate mit im wesentlichen ca. 280 Wirkstoffen als zugelassen und registriert enthielt, systematisch von 'Altlasten' zu befreien. Durch die Anordnung des gleichzeitigen Erlöschens aller Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit identischem Wirkstoff wird ferner sichergestellt, daß nicht für Pflanzenschutzmittel mit identischen Wirkstoffen (innerhalb weniger Jahre) mehrere Überprüfungen durchgeführt werden müssen. Jede dieser Überprüfungen erfordert nämlich - wenn nicht ausreichend Literatur vorhanden ist - die Durchführung von aufwendigen Tierversuchen. Die einmalige Aufarbeitung jedes Wirkstoffes stellt daher eine wichtige Voraussetzung für die dem Ziel des Tierversuchsgesetzes 1988 entsprechende Einsparung von Tierversuchen dar. Würde eine Wiederbegutachtung auf alleiniger Grundlage des chronologischen Erlöschens nach der Höhe der Pflanzenschutzmittelregister-Nummer erfolgen, wäre es denkbar, daß Unterlagen zu einem einzigen Wirkstoff bis zu viermal vorgelegt werden müssen (vgl. die vier Zeitstaffeln in §35 Abs3 Z1 bis 4 PMG). Dadurch würde die Zahl erforderlicher Tierversuche im Durchschnitt beträchtlich erhöht. Eine Vermeidung unnötiger Tierversuche bewirkt die Regelung auch dadurch, daß unter Annahme eine zehnjährigen Zulassung für sämtliche Mittel mit identischem Wirkstoff bei gleichzeitiger Aufarbeitung eine Wiederbegutachtung ebenfalls gleichzeitig stattfinden kann. Daß damit auch eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes verbunden ist, sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt.
1.2.6. Die Rechtslage nach dem EWR-Abkommen und in der Europäischen Union:
Gemäß der im Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr. 909/1993, enthaltenen 'gemeinsamen Erklärung zum Pflanzenschutz' (vgl. S. 7647 des zitierten BGBl.) stellen die Vertragsparteien fest, daß die bestehenden Rechtsakte der Gemeinschaft auf diesem Gebiet gegenwärtig überprüft werden, daß sie daher nicht von den EFTA-Staaten übernommen werden und daß neue Regelungen gemäß den Art99 und 102 des Abkommens behandelt werden. Da eine Beschlußfassung über neue Regelungen gemäß den Art99 und 102 des Abkommens bislang nicht erfolgt ist, wird davon auszugehen sein, daß die einschlägigen Rechtsakte der Europäischen Union für Österreich derzeit noch nicht wirksam geworden sind. Dies würde sich freilich mit einem Beitritt Österreich zur Europäischen Union ändern.
Die Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, 91/414/EWG, sieht in Art8 Abs2 ein Review-Programm für Wirkstoffe, nicht aber für Pflanzenschutzmittel und auch nicht nch Maßgabe des Alters der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, vor. Dieses Arbeitsprogramm zur Aufarbeitung aller im Gebiet der Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie im Handel befindlichen Wirkstoffe ist auf 12 Jahre ausgerichtet. Detailbestimmungen über die Durchführung dieses Programmes enthalten die Verordnung Nr. 3600/92 der Kommission vom 11. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogrammes gemäß Art8 Abs2 der Richtlinie 91/414/EWG des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verordnung Nr. 933/94 der Kommission vom 27. April 1994 über die Festsetzung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln und die Bestimmung der berichterstattenden Mitgliedstaaten zur Durchführung der Verordnung Nr. 3600/92.
Auf Grund der Verordnung (EWG) Nr. 3600/92 sollen die
einzelnen Wirkstoffe, die einer Wiederbegutachtung zugeführt
werden, von verschiedenen Antragstellern gleichzeitig und
koordiniert beantragt werden können. In der Präambel zu dieser
Verordnung wird als Begründung für dieses koordinierte Vorgehen
angeführt: 'Die Kommission beginnt mit einem Arbeitsprogramm zur
schrittweisen Prüfung der Wirkstoffe, die zwei Jahre nach dem
Zeitpunkt der Bekanntgabe der RL 91/414/EWG bereits im Handel
sind. ... Es ist ein Antragsverfahren festzulegen, durch welches
die interessierten Hersteller der Kommission ihr Interesse an der
Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I der RL 91/414/EWG bekunden
können. ... Um Doppelarbeit und vor allem unnötige Versuche an
Wirbeltieren zu vermeiden, sind insbesondere Bestimmungen zu erlassen, die Hersteller dazu bewegen sollen, gemeinsame Antragsunterlagen einzureichen.'
Diese Übersicht über die Rechtslage in der Europäischen Union zeigt, daß sich das PMG einschließlich seines Übergangsregimes durchaus im Gleichschritt mit der internationalen Rechtsentwicklung befindet. In diesem Zusammenhang erscheint es auch erwähnenswert, daß in den Vereinigten Staaten von Nordamerika im Federal Insecticide, Fungicide and Rodenticide Act 1988 (FIFRA, §152 Pkt. 60 ff) ein stufenweises, neun Jahre dauerndes Wiederregistrierungsverfahren ausschließlich über Wirkstoffe mit einem Österreich bzw. der Europäischen Union vergleichbaren Anforderungsprofil an Toxizitäts- und Ökotoxizitätsdaten vorgesehen ist."
3. Die antragstellenden Gesellschaften haben auf diese Äußerung repliziert.
IV. Zum Gesetzesprüfungsverfahren:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 18. März 1994 auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens die Legitimation der antragstellenden Gesellschaften gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG vorläufig bejaht (s. Pkt. III.2.b) des Beschlusses). Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts vorgebracht worden oder hervorgekommen, was gegen diese vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes spräche. Der Antrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist daher - im Umfang des Primärantrages - zulässig.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des Gesetzesprüfungsverfahrens offenkundig vorliegen (auch diesbezüglich wurde im Gesetzesprüfungsverfahren nichts eingewendet und ist auch nichts hervorgekommen), ist auch das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof vermag seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des PMG im Ergebnis nicht aufrecht zu erhalten:
a) Der Verfassungsgerichtshof hielt es im Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens für verfassungsrechtlich bedenklich, daß §35 Abs3 zweiter Satz PMG das vorzeitige Erlöschen der Zulassung eines bestimmten Pflanzenschutzmittels nur daran knüpfe, daß ein Pflanzenschutzmittel einer niedrigeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer den gleichen Wirkstoff habe, ohne daß dabei die bei Untersuchungen der früheren Stufen allenfalls festgestellte Toxizität oder Ökotoxizität dieses Wirkstoffes (gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Stoffen) rechtlich von Bedeutung wäre. In solchen Fällen scheine die - nach der Toxizität bzw. Ökotoxizität des Wirkstoffes nicht differenzierende - Regelung unsachlich zu sein. Der Umstand, daß ein Pflanzenschutzmittel einer jüngeren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer den gleichen Wirkstoff wie ein Pflanzenschutzmittel einer älteren Pflanzenschutzmittelregister-Nummer aufweise, dürfte für sich allein ein vorzeitiges Erlöschen der Zulassung durch Zeitablauf nicht rechtfertigen.
b) Die Regelung über das Erlöschen von Berechtigungen stellt nicht bloß auf den Zeitpunkt der Zulassung des einzelnen Pflanzenschutzmittels ab, sondern auf den Zeitpunkt der Zulassung bestimmter Wirkstoffe. Dies ist nicht unsachlich: Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nämlich im hier zu betrachtenden Zusammenhang die ausschlaggebende Bedeutung des Wirkstoffes deutlich gemacht: Der Verfassungsgerichtshof vermag der Bundesregierung nicht entgegenzutreten, wenn diese in ihrer Äußerung die - auch von den antragstellenden Gesellschaften als solche nicht in Abrede gestellte - "zentrale" Stellung des Wirkstoffes bei der Beurteilung der Gefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels betont: Denn wenn der Wirkstoff der eigentliche Träger der Wirksamkeit gegen den zu bekämpfenden Schadorganismus und die eigentliche biozide Komponente des Präparates ist und Veränderungen der Umweltgefährlichkeit eines Pflanzenschutzmittels durch Beistoffe, so sie überhaupt eintreten, nicht von entscheidender Bedeutung sind, dann ist ein gleichzeitiges Erlöschen der Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit gleichem Wirkstoff verfassungsrechtlich unbedenklich.
Es ist (zumal bei einer Durchschnittsbetrachtung) nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber auf den gemeinsamen Wirkstoff einer Gruppe von Pflanzenschutzmitteln als Indikator für den Grad ihrer Toxizität bzw. Ökotoxität abstellt und dabei im Einzelfall nicht auszuschließende, durch Beistoffe verursachte Veränderungen der Eigenschaften und Wirkungen dieser Pflanzenschutzmittel zunächst außer Acht läßt. Denn es handelt sich dabei bloß um eine - zeitlich befristete - Übergangsregelung, die zwar für Pflanzenschutzmittel mit gleichem Wirkstoff ein gleichzeitiges Erlöschen der Zulassungen vorsieht, dem einzelnen Zulassungsinhaber jedoch die Möglichkeit einräumt, nicht nur das Erlöschen der Zulassung durch Stellung eines Antrages auf Erneuerung der Zulassung vorläufig abzuwenden (§35 Abs3 zweiter Satz iVm den §§13, 35 Abs4 erster Satz PMG), sondern auch im Verwaltungsverfahren die (im Vergleich zu anderen Pflanzenschutzmitteln dieser Gruppe signifikant höhere) Umweltverträglichkeit des eigenen Pflanzenschutzmittels darzutun.
c) Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere, umfangreiche Parteienvorbringen, welches zur Lösung der hier allein maßgebenden (im Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens umrissenen) verfassungsrechtlichen Frage nicht relevant ist.
3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mit dem dem Gleichheitssatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot nicht in Einklang stünden, haben sich somit nicht bestätigt; auch ein Verstoß der in Prüfung gezogenen Regelung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ist (aus denselben Gründen) zu verneinen.
Es ist daher auszusprechen, daß der zweite Satz des §35 Abs3 sowie die Worte "mit gleichem Wirkstoff" und "und zweiter" in §35 Abs8 PMG nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
V. Zum Verordnungsprüfungsverfahren:
1. Der Antrag ist zulässig (s. oben Pkt. IV.1).
2. Zur Gesetzmäßigkeit der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffverordnung verweisen die antragstellenden Gesellschaften auf ihre gegen §35 Abs3 (erster und) zweiter Satz PMG dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken, welche auch auf die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung durchschlagen würden. Diese Bedenken haben sich jedoch, wie oben unter Pkt. IV. dargelegt, als unzutreffend erwiesen.
Der Antrag gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist daher abzuweisen.
VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 letzter Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Pflanzenschutz, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G170.1994Dokumentnummer
JFT_10058996_94G00170_00