Kopf
Das Landesgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht hat durch die Richterin Mag. Schirnhofer als Vorsitzende sowie die Richter MMag. Dr. Sengstschmid und Mag. Wöber in der Rechtssache der Antragstellerinnen 1. K***** und 2. Mag. M*****, beide 1030 Wien Geusaugasse 17/2/3.3, beide vertreten durch Gabriel Wutti, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin B***** GmbH, 1130 Wien, Gobergasse 17, vertreten durch Schiefer Rechtsanwalt GmbH in Wien, und die Nebenintervernientin auf Seiten der Antragsgegnerin D***** GmbH, 1150 Wien, Diefenbachgasse 5/4, vertreten durch Sunder-Plaßmann, Loibner & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, sowie die Einschreiterin L***** GmbH, 1230 Wien, Talpagasse 1a/C1, vertreten durch Andreas Ladstetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beweissicherung, über den Kostenrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 17.6.2021, 26 Nc 30/21z-16, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Kostenbestimmungsantrag der L***** GmbH zurückgewiesen wird.
Die L***** GmbH ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit EUR 94,81 (darin EUR 15,80 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit EUR 141,72 (darin EUR 23,62 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Antragstellerinnen begehrten die Beweissicherung durch Aufnahme eines Befundes über den Zustand der Reihenhäuser Top G1 und Top G2 in *****. Sie brachten vor, dass sie die genannten Wohnungseigentumsobjekte von der Antragsgegnerin als Bauträgerin erworben hätten. Nunmehr seien Wassereintritte erfolgt und es sei zu massiven Feuchtigkeitsschäden gekommen.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 17.5.2021 die beantragte Beweissicherung durch Bestellung eines Sachverständigen.
Die Antragsgegnerin verkündete am 18.5.2021 der Einschreiterin als ausführendes Bauunternehmen, der Nebenintervenientin als ÖBA und der T***** GmbH als Statikerin den Streit. Sie kündigte jeweils für den Fall des Unterliegens im Rechtsstreit Regressansprüche an.
Das Erstgericht richtete am 20.5.2021 folgende Note an den Antragstellervertreter, den Antragsgegnervertreter, an den bestellten Sachverständigen und die drei streitverkündeten Gesellschaften: „Da der Beitritt eines Nebenintervenienten nach der Rechtsprechung auch im Beweissicherungsverfahren zulässig ist, wird die Streitverkündung … den im Schriftsatz der Antragsgegnerin … genannten drei Unternehmen zugestellt. Diese Unternehmen mögen vom Sachverständigen zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs vom Termin der Befundaufnahme verständigt werden. Eine Beteiligung wird den Unternehmen freigestellt. Diese Note ergeht zur Kenntnisnahme auch an die Verfahrensparteien und den Sachverständigen.“
Die Nebenintervenientin erklärte mit Schriftsatz vom 2.6.2021 ausdrücklich ihren Streitbeitritt.
Der Sachverständige legte am 7.6.2021 seinen Befund vor, in dem festgehalten ist, dass die Befundaufnahme am selben Tag stattgefunden hat. Für die Einschreiterin war deren Vertreter anwesend.
Mit Kostenbestimmungsantrag vom 8.6.2021 beantragte die Einschreiterin, ihr EUR 503,84 an Kosten für die Beteiligung an der Befundaufname zuzusprechen. Der Sachverständige habe sie zur Befundaufnahme eingeladen und sie habe bei dieser erklärt, dass sie dabei (durch ihren Rechtsanwalt) interveniere.
Die Antragstellerinnen beantragten die Abweisung dieses Antrags, weil die Einschreiterin dem Verfahren nicht als Nebenintervenientin beigetreten sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Antragstellerinnen ua zur Zahlung von EUR 264,38 an die Einschreiterin. Die (ältere) Rechtsprechung erachte die Nebenintervention im Beweissicherungsverfahren für zulässig, was auch von Schneider vertreten werde. Demgegenüber halte Rassi die Nebenintervention im selbstständigen Beweissicherungsverfahren für überflüssig, weil in diesem Verfahren nach der Rechtsprechung ohnehin der materielle Parteibegriff gelte, wonach diejenigen Parteien seien, deren materielle Stellung als Anspruchsgegner sich aus den Behauptungen des Antrags iVm den Behauptungen des Gegners ergebe. Diese Gegner hätten das Recht bei der Befundaufnahme dabei zu sein. Rassi halte es demnach zwar für zulässig, dass sich dritte Personen (quasi Streitgenossen) im Beweissicherungsverfahren beteiligten, führe aber weiter aus, dass diese keinen Kostenersatzanspruch aus dem Gesetz ableiten könnten. Letzterem schließe sich der Erstrichter nicht an: Wenn ausgehend vom materiellen Parteibegriff im selbstständigen Beweissicherungsverfahren all jene Gegener seien, deren materielle Stellung als Anspruchsgegner sich aus dem (Bestreitungs-)Vorbringen ergebe, so müssten diese auch denklogisch als Gegner iSd § 388 Abs 3 ZPO (der den Kostenersatz des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens regle) verstanden werden. Auf Basis des materiellen Parteibegriffs könne es bei der Beurteilung der Kostenersatzansprüche nicht darauf ankommen, ob eine formale Beitrittserklärung als Nebenintervenient erfolgt sei oder nicht. Die Parteistellung sei nach der materiellen Stellung ausgehend vom Vorbringen zu prüfen. Demnach ergebe sich aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin nachvollziehbar unter Hinweis auf mögliche Regressansprüche, dass die im Kopf als Nebenintervenienten genannten Unternehmen ein rechtliches Interesse an der Teilnahme am Beweissicherungsverfahren hätten, woraus ihre Parteistellung folge. Ob diese als weitere Antragsgegner oder als Nebenintervenienten zu bezeichnen seien, sei für den Kostenersatzanspruch irrelevant.
Dagegen richtet sich der rechtzeitige Kostenrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im den Antrag der Einschreiterin abweisenden Sinn abzuändern.
Die Einschreiterin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung:
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerberin führt aus, der Judikatur zum materiellen Parteienbegriff im selbstständigen Beweissicherungsverfahren liege die Entscheidung 2 Ob 81/99x zugrunde. In diesem Fall seien die später hinzu gekommenen Antragsgegnerinnen auch tatsächlich als solche der Antragstellerin in Betracht gekommen. Hier aber mache die Antragsgegnerin allfällige eigene Regressansprüche gegenüber Dritte geltend. Davon, dass diesen die materielle Stellung als Anspruchsgegner der Antragstellerinnen zukomme, könne keine Rede sein. Schließlich lasse niemand der Verfahrensbeteiligten erkennen, dass er direkte Ansprüche der Antragstellerinnen gegen die Nebenintervenientin oder die Einschreiterin für möglich erachte. Die Judikatur zum materiellen Parteienbegriff im Beweissicherungsverfahren sei daher nicht einschlägig. Soweit es um mögliche Ansprüche zwischen der Antragsgegnerin und den von ihr beauftragten Firmen gehe, stehe den im Rahmen dieses Anspruchsverhältnisses Beteiligten die selbstständige Antragstellung auf Beweissicherung offen. Demnach käme hinsichtlich der Einschreiterin ein Kostenzuspruch nur im Falle des formellen Beitritts als Nebenintervenientin in Betracht. Ein solcher sei nicht erfolgt, weshalb der Einschreiterin keine Kosten zuzusprechen gewesen seien. Die materielle Stellung als Antragsgegnerin komme der Einschreiterin nur gegenüber der Antragsgegnerin zu. Im Übrigen sei der Ansicht von Rassi beizupflichten, wonach dritten Personen kein gesetzlicher Kostenersatzanspruch zukomme. Es wäre unbillig, die Antragstellerinnen im Beweissicherungsverfahren jedenfalls mit Kosten der Beweissicherung für ein allfälliges nachfolgendes Verfahren zu belasten, an denen sie nicht beteiligt seien.
Diese Ausführungen sind berechtigt. Nach der bisher einzigen höchstgerichtlichen Entscheidung, die sich mit dem materiellen Parteienbegriff im selbstständigen Beweissicherungsverfahren befasst, 2 Ob 81/99x, ist nicht nur derjenige als „Gegner“ und damit als Partei anzusehen, der vom Antragsteller als solcher bezeichnet wird, sondern auch derjenige, dessen materielle Stellung als Anspruchsgegner sich aus den Behauptungen des Antrags im Zusammenhang mit den Behauptungen des später oder erstmalig im Rechtsmittel einschreitenden „Gegners“ ergibt. Für die Parteistellung ist es daher nicht erforderlich, dass der „Gegner“ tatsächlich im Verfahren auch bereits formell als Partei bezeichnet oder als solcher einbezogen worden ist.
Nach Ansicht des Rekursgerichts ist dies aber nicht dahin zu verstehen, dass jegliche drohende Inanspruchnahme aus der Sache für die Begründung der Parteistellung hinreicht. Dafür ist vielmehr Voraussetzung, dass der Einschreiter als unmittelbarer Gegner des Antragstellers in Betracht kommt. Eine angekündigte Inanspruchnahme im Wege des Regresses durch einen Anspruchsgegner reicht sohin zur Begründung der Parteistellung nicht aus.
Da die Einschreiterin im gegenständlichen Fall lediglich mit angekündigten Regressansprüchen durch die Antragstellerin konfrontiert ist, mit den Antragstellerinnen aber in keiner direkten Beziehung steht, kommt ihr sohin auch bei materieller Betrachtung keine Parteistellung zu. Auf eine solche kann sie daher ihren Kostenersatzanspruch nicht stützen. Schon aus diesem Grund bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der von Rassi (unter Hinweis auf eine Entscheidung des LG ZRS Wien) vertretenen Rechtsansicht, dass auch eine solche Parteistellung keinen Kostenersatzanspruch begründen könnte.
Die Einschreiterin ist jedenfalls auch nicht vor der Befundaufnahme dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetreten, weshalb sie auch darauf keinen Kostenersatzanspruch stützen kann. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob im selbstständigen Beweissicherungsverfahren die Nebenintervention überhaupt zulässig wäre oder nicht.
Entgegen den Ausführungen in der Kostenrekursbeantwortung kann daran auch der Umstand nichts ändern, dass die Einschreiterin vom Sachverständigen über Anordnung des Erstgerichts zur Befundaufnahme beigezogen wurde und dies von den anderen Parteien widerspruchslos hingenommen wurde. Dies kann nämlich weder eine Parteistellung begründen noch einen Streitbeitritt ersetzen.
Da der Einschreiterin sohin keine Parteistellung zukommt und sie auch nicht als Nebenintervenientin anzusehen ist, war der angefochtene Beschluss im Sinne der Zurückweisung des Kostenbestimmungsantrags abzuändern.
Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, jene des Rekursverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Nach Ansicht des Rekurssenats betrifft § 388 Abs 3 ZPO nur das Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner (ob auch Nebenintervenienten davon erfasst sein können, bleibt dahingestellt), nicht jedoch einen Zwischenstreit über die Parteistellung eines einschreitenden Dritten, wenn der Antragsteller erfolgreich der Intervention widerspricht. In der gegenständlichen Situation kann es nämlich nicht zu einem Folgeprozess zwischen den Antragstellerinnen und der Einschreiterin kommen, sodass eine vorläufige Tragung von Kosten nicht in Betracht kommt. Für den Schriftsatz vom 9.6.2021, ON 12, ist jedoch nur der von der Einschreiterin begehrte Kostenzuspruch von EUR 503,84 als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (§ 11 RATG), weshalb der Ansatz nach TP 2 RAT nur EUR 43,70 beträgt.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ist in § 528 Abs 2 Z 3 ZPO begründet.
Textnummer
EWN0000035European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00239:2021:01900R00043.21S.1022.000Im RIS seit
17.02.2022Zuletzt aktualisiert am
17.02.2022