Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* H*, vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M* Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 14.914,65 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. November 2021, GZ 1 R 144/21h-27.1, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Tochter der Klägerin ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung im Land Salzburg. Die Eigentümergemeinschaft hat die beklagte Genossenschaft mit dem Winterdienst auf den Allgemeinflächen der Wohnhausanlage beauftragt. Die in Deutschland wohnhafte Klägerin rutschte anlässlich eines Besuchs bei ihrer Tochter zum Zweck der Übernahme einer Möbellieferung auf einem Weg in der Wohnhausanlage auf einer Eisschicht aus, stürzte und verletzte sich.
[2] Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von rund 15.000 EUR für die unfallkausalen Schäden (darunter Schmerzengeld, fiktive Haushaltshilfekosten, Kosten für Heilbehandlung) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schadensfolgen.
[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1. Es trifft zwar zu, dass allen vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen – anders als im vorliegenden Fall – Mietverhältnisse zu Grunde lagen (2 Ob 70/12a; 4 Ob 223/10p; 2 Ob 137/11b; 6 Ob 163/18s; 5 Ob 82/19y; 6 Ob 146/04w; 6 Ob 155/04v). Diese Entscheidungen befassen sich im Wesentlichen mit der Abgrenzung, wie weit der Kreis von (vom Bestandnehmer verschiedenen) Personen zu ziehen ist, die sich im Schutzbereich der vertraglichen Pflicht des Bestandgebers gegenüber dem Bestandnehmer, auf den allgemeinen Flächen für den Winterdienst zu sorgen, befinden. Es ist aber nicht erkennbar, warum in einer im Wohnungseigentum stehenden Wohnhausanlage bei der Abgrenzung des – über den Wohnungseigentümer hinaus – geschützten Personenkreises im Rahmen des Winterdienstes (als Verwaltungsangelegenheit der Eigentümergemeinschaft iSd WEG, vgl RS0108020 [T10]), andere Kriterien gelten sollten.
[6] 2. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der zitierten Judikatur die Klägerin als nicht in den Schutzbereich des Winterdienstvertrags fallend beurteilt (vgl auch RS0023168 [T4, T5, T10]; RS0020884 [T6, T9]).
[7] 3. Für die Abgrenzung des geschützten Personenkreises kommt es nicht darauf an, ob Familienangehörige von Miteigentümern einer Liegenschaft im konkreten Fall den Miteigentümer „repräsentieren“. Damit meint die Revisionswerberin offenbar, dass sie von der Wohnungseigentümerin beauftragt und bevollmächtigt war, für diese eine Möbellieferung entgegenzunehmen. Denn die erwähnte Abgrenzung richtet sich nach der Rechtsprechung nicht nach vertraglichen Beziehungen zwischen Bestandnehmer (hier: Wohnungseigentümer) und Dritten, sondern primär danach, ob es sich bei den Dritten um Mitbewohner oder bloße Besucher (Gäste, Lieferanten, Handwerker), die sich nur kurzfristig in der Wohnung aufhalten, handelt (RS0023168 [T4, T5, T10]; RS0020884 [T6, T9]).
[8] 4. Soweit die Revision einen Widerspruch der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu oberstgerichtlicher Judikatur behauptet, unterlässt sie jegliches Zitat solcher Entscheidungen. Insoweit ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043650).
[9] 5. Die Relevanz des einzigen in der Revision zitierten Rechtssatzes RS0027526 („Der Zweck der Schutznorm ist auf den Schutz solcher Personen beschränkt, die befugterweise in den Gefahrenbereich gelangen.“) ist nicht erkennbar, weil die Revisionswerberin keine Schutznorm nennt, deren Zweck zu prüfen wäre.
[10] 6. Soweit die Revisionswerberin die unfallkausale schuldhafte mangelhafte winterdienstliche Betreuung der Allgemeinflächen ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass sie ein Vorbringen dahingehend, die Beklagte treffe ein Organisationsverschulden (vgl RS0023138 [T3]) oder der mit dem Winterdienst betraute Gehilfe sei untüchtig gewesen, weshalb die Beklagte für diesen gemäß § 1315 ABGB hafte (vgl RS0023938), in erster Instanz nicht erstattet hat.
Textnummer
E133841European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00216.21K.1214.000Im RIS seit
16.02.2022Zuletzt aktualisiert am
16.02.2022