Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2016 verstorbenen E* H*, zuletzt wohnhaft *, über den Revisionsrekurs des Erben W* H*, vertreten durch Urbanek & Rudolf Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Juli 2021, GZ 44 R 53/21a-105, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Nach § 166 Abs 1 AußStrG dient das Inventar als vollständiges Verzeichnis der Verlassenschaft (§ 531 ABGB), nämlich aller körperlichen Sachen und aller vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen und ihres Werts im Zeitpunkt seines Todes. Nach Abs 2 dieser Bestimmung hat das Gericht, wenn die Behauptung bestritten wird, dass eine zuletzt im Besitz des Verstorbenen befindliche Sache zum Verlassenschaftsvermögen zählt, darüber zu entscheiden, ob die Sache in das Inventar aufgenommen bzw ausgeschieden wird.
[2] Allzu komplizierte Eigentumsfragen sollen die Abhandlung nicht verzögern (RS0121985). § 166 Abs 2 AußStrG beschränkt das Verfahren über die Einbeziehung oder Ausscheidung von Nachlassgegenständen daher auf ein reines Urkundenverfahren (6 Ob 287/08m; 2 Ob 60/18i; RS0121985 [T2]). Befand sich die Sache zuletzt im Besitz des Verstorbenen, so ist sie nur auszuscheiden, wenn durch unbedenkliche Urkunden bewiesen wird, dass sie nicht zum Verlassenschaftsvermögen zählt.
[3] 2. Der Begriff „unbedenkliche Urkunde“ iSd § 166 Abs 2 AußStrG wird so verstanden wie in § 40 EO; dieser muss eine besondere Glaubwürdigkeit zukommen (2 Ob 178/13k; RS0121985 [T7]). Unbedenkliche Urkunden iSd § 166 Abs 2 AußStrG sind etwa Kontoauszüge und Ein- und Auszahlungsbelege des Wertpapier-Verrechnungskontos, Postaufgabescheine, gerichtliche Entscheidungen usw (2 Ob 178/13k; RS0121985 [T14]; RS0001391). Bei Privaturkunden dürfen keine Zweifel daran bestehen, dass sie von jener Person stammen, die darin eine sie belastende Erklärung abgegeben hat (4 Ob 166/14m mwN; 2 Ob 75/17v).
[4] 3. Hier ist das ursprüngliche Bestehen der Darlehensforderung der Erblasserin gegenüber dem Rechtsmittelwerber, deren Aufnahme in das Inventar er bekämpft, unbestritten und überdies durch eine von ihm unterschriebene Urkunde belegt. Wenn daher die Vorinstanzen davon ausgingen, dass der Revisionsrekurswerber iSd § 166 Abs 2 AußStrG seinerseits mittels unbedenklicher Urkunden hätte nachweisen müssen, dass die Forderung nicht mehr zum Verlassenschaftsvermögen zählt, und dass dafür seine bloße Behauptung, das Darlehen bereits zurückgezahlt zu haben, nicht ausreichend ist, begegnet dies keinen Bedenken.
[5] 4. Die vom Revisionsrekurswerber zitierte Entscheidung 3 Ob 136/60 = RS0033812, wonach der Besitz des Schuldscheines durch den Gläubiger keine rechtliche Vermutung dafür begründet, dass die Schuld noch nicht getilgt ist und sich nachteilige Folgen gegen den Schuldner, der den Schuldschein nicht zurückerhalten hat, an diesen Umstand von Rechts wegen nicht knüpfen, ist zu den Voraussetzungen des § 1428 ABGB ergangen und daher nicht einschlägig. Sie vermag daher an den Inventarisierungserfordernissen nach § 166 Abs 2 AußStrG nichts zu ändern.
[6] 5. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
[7] 6. Ein Kostenersatz findet gemäß § 185 AußStrG im Verlassenschaftsverfahren – abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall des Verfahrens über das Erbrecht – nicht statt (RS0123203).
Textnummer
E133871European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00166.21G.1214.000Im RIS seit
18.02.2022Zuletzt aktualisiert am
18.02.2022