Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin I* M*, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner C* B*, vertreten durch Dr. Andreas Öhler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. September 2021, GZ 44 R 266/21z-27, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Oktober 2021, GZ 44 R 266/21z-34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Mai 2021, GZ 98 Fam 6/20g-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.369,70 EUR (darin enthalten 394,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die im Februar 2008 geschlossene Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 30. 8. 2019 aus dem alleinigen Verschulden des Mannes geschieden. Die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte – unstrittig – am 31. 10. 2018. Der Mann war während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die ein Unternehmen betreibt, und ist dies nach wie vor. Er hat „in den Jahren vor dem [Aufteilungs]Stichtag“ Gewinne in der GmbH thesauriert. Er tat dies nicht, um die Gewinne dem Aufteilungsverfahren zu entziehen, sondern deshalb, weil er aufgrund vergangener Erfahrungen „in sehr schlechten Geschäftszeiten“ Rücklagen im Unternehmen belassen wollte.
[2] Strittig ist nach Abschluss eines Teilvergleichs der Parteien über die restliche Aufteilungsmasse nur noch die (von der Frau angestrebte) Aufteilung der in der GmbH thesaurierten Gewinne bzw der Ausschüttungsansprüche des Mannes gemäß § 82 GmbHG.
[3] Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag der Frau, mit der sie eine Ausgleichszahlung für die in der GmbH thesaurierten Gewinne anstrebt, ab. Weder stehe eine Umgehungsabsicht des Mannes fest, noch liege eine Umwidmung von Unternehmensgewinnen oder ein Fall des § 91 Abs 2 EheG vor. Der Anspruch nach § 82 GmbHG sei nicht anders zu behandeln wie sonstige noch nicht umgewidmete Unternehmenserträge. Zwar erwerbe der Mann als Gesellschafter grundsätzlich einen unbedingten Auszahlungsanspruch, jedoch komme es darauf an, ob er die Gewinne privaten Zwecken gewidmet habe. Das bloße Unterlassen eines Beschlusses auf Gewinnvortrag oder einer darauf gerichteten Satzungsänderung erfülle nicht den an schlüssige Rechtshandlungen anzulegenden strengen Maßstab. Thesaurierte Unternehmensgewinne seien nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, wenn der Unternehmer sie nicht zumindest schlüssig umgewidmet oder in Umgehungsabsicht gehandelt hat. Das sei hier nicht der Fall. Ob es betriebswirtschaftlich notwendig, zweckmäßig oder auch nur vertretbar gewesen sei, von einem derart hohen zukünftigen Kapitalbedarf auszugehen, sei unerheblich. Eine „Anspannung auf Entnahmen“ entspreche nicht dem Gesetz.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau nicht Folge, schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an und führte rechtlich ergänzend aus, die Frau habe eine Umwidmung der Unternehmenserträge der GmbH nicht behauptet; eine solche sei auch nicht festgestellt worden. Die Regelung in § 94 ABGB über den Ehegattenunterhalt während aufrechter Ehe sei weder unmittelbar noch sinngemäß auf das Aufteilungsverfahren anzuwenden. § 83 EheG bilde keine Grundlage für die Beantwortung der Vorfrage, ob eine Sache der Aufteilungsmasse zuzurechnen sei. Weder aus § 94 ABGB noch aus den §§ 81 ff EheG sei eine „Anspannungsverpflichtung“ eines Ehegatten abzuleiten, Ersparnisse zu bilden oder Vermögenswerte zu schaffen. Mangels einer solchen „Sparverpflichtung“ scheide eine allfällige aufteilungsrechtliche „Sanktion“ in Form einer Anspannung auf fiktive Ersparnisse aus. Dass die Eheleute eine Gestaltung der Ehe dahin vereinbart hätten, dass Unternehmensgewinne nicht zu thesaurieren, sondern privaten Zwecken zuzuführen und entsprechend umzuwidmen seien, behaupte die Frau nicht. Sie habe zu den in der GmbH erzielten Gewinnen nur vorgebracht, dass diese thesauriert worden und im Unternehmen verblieben seien. Damit seien die Gewinne weiterhin unternehmenszugehörig und nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen. Die Zurechnung thesaurierter Erträge zur Aufteilungsmasse erfordere auch im Zusammenhang mit § 82 GmbHG eine – hier nicht behauptete und nicht nachgewiesene – Umwidmung.
[5] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob ein einem Ehegatten nach § 82 GmbHG zustehender Anspruch – ohne Umwidmung – als eheliche Ersparnis zu beurteilen sei und der nachehelichen Vermögensaufteilung unterliege, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs der Frau ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) gegenteiligen Ausspruchs des Rekursgerichts – nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt wird.
[7] 1. Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, das heißt das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RIS-Justiz RS0057486 [T1]). Von der Aufteilung auszuscheiden sind alle Sachen, die zu einem Unternehmen gehören (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG; RS0057528) oder Anteile an einem Unternehmen sind (§ 82 Abs 1 Z 4 EheG)
[8] Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wertet Erträge eines Unternehmens solange als unternehmenszugehörig und damit nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen, als sie nicht für unternehmensfremde (private) Zwecke umgewidmet wurden; erst mit der Umwandlung in eheliches Vermögen oder der Umwidmung in Ersparnisse gehören sie als eheliche Ersparnisse zur Aufteilungsmasse (RS0057486 [T14]; RS0057713 [T1]; RS0057752; 3 Ob 122/04v = SZ 2005/62; 2 Ob 98/07m; 1 Ob 188/16b [Punkt 5.2.], jeweils mwN). So werden etwa nicht ausbezahlte Gewinne eines Unternehmens (GmbH), die einverständlich – von den Gesellschaftern und Eheleuten – zur Rücklagenbildung verwendet werden, unabhängig von der (allfälligen) Erhöhung des Werts des Geschäftsanteils nicht in die Aufteilungsmasse einbezogen (6 Ob 555/84 = RS0057779). Nicht ausgeschütteter Gewinn fällt in der Regel nicht in die Aufteilungsmasse, wenn er reinvestiert, in Unternehmensrücklagen angelegt oder einfach „stehengelassen“ wird (6 Ob 555/84; 3 Ob 122/04v; Kalss/Probst, Familienunternehmen Kap XIX, Rz 19/32 [Stand April 2013, rdb.at]; Gitschthaler, Aufteilungsrecht2 [2017] Rz 367; Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft13 [2019] 153).
[9] 2. Gemäß § 81 Abs 3 EheG sind eheliche Ersparnisse Wertanlagen, gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind. Der Ausdruck „angesammelt haben“ verweist darauf, dass ein bloß möglicher, nicht tatsächlich erzielter Ertrag nicht zu den ehelichen Ersparnissen gehört (RS0057331 [T23]).
[10] 3.1. Solange die Gesellschaft besteht, haben die Gesellschafter Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschaft von der Verteilung ausgeschlossen ist (§ 82 Abs 1 GmbHG). In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags erfolgt die Verteilung des Bilanzgewinns nach dem Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen (§ 82 Abs 2 GmbH). Vorbehaltlich der Ausschüttungssperre nach § 82 Abs 5 GmbHG und abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag ist demnach der gesamte Bilanzgewinn auszuschütten (6 Ob 216/18k mwN = SZ 2019/23; Vollausschüttungsgebot).
[11] Der Beschlussfassung der Gesellschafter unterliegen die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Verteilung des Bilanzgewinns, falls letzterer im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlussfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten ist. Diese Beschlüsse sind in den ersten acht Monaten jedes Geschäftsjahres für das abgelaufene Geschäftsjahr zu fassen (§ 35 Abs 1 Z 1 GmbHG).
[12] Mit der Feststellung des Jahresabschlusses wird dieser gesellschaftsintern unter anderem für die Gewinnbemessung verbindlich. Da der festgestellte Gewinn – wenn der Fall des § 82 Abs 5 GmbHG nicht gegeben ist – voll auszuschütten ist, ist ein gesonderter Gewinnverteilungsbeschluss nach Feststellung nur notwendig und zulässig, wenn eine Satzungsregelung eine Beschlussfassung über Ausschüttung, Thesaurierung oder Aufteilung vorsieht (6 Ob 216/18k mwN).
[13] Mangels gesellschaftsvertraglichen Beschlussvorbehalts entstehen mit der Feststellung des Jahresabschlusses, der einen Bilanzgewinn ausweist, die Einzelansprüche der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung (6 Ob 216/18k mwN).
[14] 3.2. Der Mann hat also zwar als Alleingesellschafter den Anspruch, dass der festgestellte Gewinn an ihn voll ausgeschüttet wird, jedoch zählt dieser Anspruch – anders als die Frau meint – nicht zu den ehelichen Ersparnissen, wurde er vom Mann doch nicht – durch Einforderung und Übertragung des Geldes ins Privatvermögen – realisiert. Die thesaurierten Gewinne sollen vielmehr in der GmbH zur Bewältigung wirtschaftlicher Notlagen bleiben; die betreffenden Finanzmittel sind daher weiterhin Sachen, die zu einem Unternehmen gehören (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG) bzw den der Aufteilung ebenfalls nicht unterliegenden (§ 82 Abs 1 Z 4 EheG) Unternehmensanteilen des Mannes zuzuordnen.
[15] 3.3. Entgegen der Ansicht der Frau ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 94 ABGB und auch von § 83 EheG keine „Pflicht zur Anspannung eines Ehegatten auf Bildung von ehelichen Ersparnissen aus thesaurierten Gewinnen seines Unternehmens, auf das er maßgeblichen Einfluss hat“. Die Frau vermag keine Bestimmung in §§ 81 ff EheG anzuführen, aus der sich eine solche „Anspannungsobliegenheit“ ergeben könnte. Ihr Postulat, dass Gewinne in die Aufteilung einzubeziehen seien, auch wenn sie nur fiktiv vorhanden sind, weil sie „pflichtwidrig“ nicht in das Privatvermögen übernommen wurden, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt, dem kein „pflichtwidriges“ Verhalten des Mannes zu entnehmen ist. Zwar gilt im Bereich des Unterhaltsrechts der sogenannte Anspannungsgrundsatz; für die Ansicht der Frau, „die Einheit der Rechtsordnung“ verlange in der nachehelichen Vermögensaufteilung „eine Gleichbehandlung“ findet sich aber keine Rechtsgrundlage.
[16] Der Mann beließ die Gewinne der „letzten Jahre“ vor der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er ist. Grund dafür ist, dass er aufgrund der Erfahrungen in „sehr schlechten Geschäftszeiten“ Rücklagen im Unternehmen belassen will. Damit dienen die nicht ausbezahlten Gewinne seines Unternehmens der Rücklagenbildung und sind jedenfalls – mangels Umwidmung zu privaten Zwecken – nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen. Ob eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit besteht, die nicht ausgezahlten Gewinne im Unternehmen „stehen zu lassen“, ist für die Einbeziehung in die Aufteilungsmasse nicht relevant, wenn keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vorgangsweise des Mannes bestehen.
[17] Warum die thesaurierten Gewinne in der GmbH – nach Ansicht der Frau – „als umgewidmet anzusehen sind“, vermag sie nicht nachvollziehbar darzulegen. Dadurch, dass die erzielten Gewinne nicht ausgeschüttet werden, sondern als Rücklage dienen, sind sie gerade nicht vom Mann zu gesellschafts- und unternehmensfremden Zwecken umgewidmet worden. Ob der Mann eine unmittelbare Reinvestition der Gewinne plant, ist für die Einbeziehung von Unternehmenserträgen in die nacheheliche Aufteilung nicht maßgeblich, wenn er – wie im vorliegenden Fall – einen plausiblen Grund hat, warum er sich die Gewinne nicht auszahlen lässt.
[18] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist daher der Revisionsrekurs der Frau zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[19] 5. Der Mann hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels der Frau hingewiesen. Ihm steht daher gemäß § 78 Abs 2 AußStrG der Ersatz der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entstandenen Kosten zu (RS0122774). Der Verdienstansatz nach TP 3c RATG beträgt bei der Bemessungsgrundlage von 100.000 EUR nur 1.315,10 EUR (anstatt verzeichnet 1.315,60 EUR).
Textnummer
E133853European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00211.21T.1214.000Im RIS seit
16.02.2022Zuletzt aktualisiert am
16.02.2022