Entscheidungsdatum
09.12.2021Norm
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch den Vergabesenat 4 unter dem Senatsvorsitz des Richters Mag. Warum, mit den weiteren Richtern Mag. Dr. Goldstein (Berichterstatter) und HR Mag. Röper (Beisitzer) sowie den Laienrichtern DI Fröch und DI Fischer über den Antrag von Rechtsanwalt A, ***, ***, ***, vom 16.10.2021 auf Nichtigerklärung der „Ausscheidensentscheidung“ der B, ***, ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, laut Schriftsatz vom 12.10.2021 in der Vergabesache „Rechtsberatungsleistungen ***“, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
1. Die Entscheidung der B vom 12.10.2021, den Bewerber Rechtsanwalt A nicht zum weiteren Verfahren zuzulassen, wird für nichtig erklärt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§§ 1, 4, 6, 8, 13, 16 und 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz – NÖ VNG
§ 123 Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1 Nachprüfungsantrag
Mit dem am 18.10.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Nachprüfungsantrag vom 16.10.2021 begehrt der Antragsteller, die Ausscheidensentscheidung der B vom 12.10.2021, mit welcher sein Teilnahmeantrag betreffend das Vergabeverfahren „Rechtsberatungsleistungen ***“ mangels Eignung bzw. nicht behobener Mängel vom weiteren Verfahren ausgeschieden worden ist, für nichtig zu erklären und der Antragsgegnerin den Ersatz der Pauschalgebühren aufzutragen.
Begründend führt der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die von ihm vorgelegten Referenzen entgegen der Ansicht der Auftraggeberin die in der Teilnahmeunterlage formulierten Anforderungen erfüllten. Die Referenzen 10, 4 und 1 würden die Voraussetzungen für die Referenzart c) erfüllen und die Referenzen 1 und 4 (auch) die Voraussetzungen für die Referenzart a) erfüllen. Das Ausscheiden sei daher ausschreibungswidrig und zu Unrecht erfolgt.
Insbesondere genüge nach den Ausschreibungsbedingungen ein Referenzauftrag im Bereich des Rechts im Zusammenhang mit Forschung (sei es auch außerhalb des Bereiches life science) bzw. ein Referenzauftrag im Bereich life science. Die vorgelegten Referenzen 4 und 10 würden jeweils Arbeiten im Zusammenhang mit Forschung und gerade im Forschungsbereich essentiellen IP und lizenzrechtlichen Belange betreffen. Hinsichtlich der Referenz 1 seien zudem auch Gesundheitsaspekte eminent relevant gewesen.
Der Antragsteller erachte sich in seinen Rechten auf Unterlassung des Ausscheidens mangels Vorliegens von Ausscheidungsgründen, Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens, Zulassung zum weiteren Vergabeverfahren bei Erfüllung der Vorgaben der Ausschreibung, Vergabe nach den Grundsätzen eines freien und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter sowie auf rechtskonforme Anwendung der bestandsfesten Ausschreibungskriterien verletzt.
Der Antragsteller habe ein massives wirtschaftliches und rechtliches Interesse am Abschluss eines den vergaberechtlichen Bestimmungen unterliegenden Vertrages. Ihm drohe durch die aufgezeigten Rechtswidrigkeiten ein unmittelbarer, gravierender Schaden, falls er nicht für das weitere Vergabeverfahren berücksichtigt werden sollte. Dieser Schaden ergebe sich aus den bisherigen Aufwendungen für den Teilnahmeantrag und die Fragenbeantwortung von zumindest 30 Arbeitsstunden korrespondierend gut EUR 10.000. Der weiter drohende Schaden umfasse unter Beachtung der von der Auftraggeberin prognostizierten Beratungstage jedenfalls einen Verdienstentgang (Deckungsbeitrag), zumindest in der Größenordnung von EUR 100.000. Überdies ergebe sich aus der Ausführung von rechtskonform erteilten Aufträgen eine bedeutende Referenzwirkung, die ihm im Falle der rechtswidrigen Ausscheidung entgehen würde.
Der Antragsteller beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Antragsgegnerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution.
1.2 Einstweilige Verfügung
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. Oktober 2021 wurde dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung insofern Folge gegeben, als der Auftraggeberin im Vergabeverfahren „Rechtsberatungsleistungen ***“ für die Dauer des beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (zu LVwG-VG-12/002-2021) anhängigen Nachprüfungsverfahrens untersagt wurde, die Bewerber betreffend Los 4 zur Angebotslegung einzuladen.
1.3 Stellungnahme der Auftraggeberin
Die Auftraggeberin beantragte mit Schriftsatz vom 28.10.2021 die Anträge des Antragstellers auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung als unbegründet zurück- bzw. abzuweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nicht die Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit erfülle und daher nicht zur zweiten Verfahrensstufe einzuladen gewesen sei. Sowohl eine systematische Auslegung, eine Auslegung nach dem Zweck der Festlegungen der Auftraggeberin als auch eine gesetzeskonforme Auslegung der Teilnahmeunterlage würden zu dem Ergebnis führen, dass die Referenzen des Antragstellers nicht den bestandsfesten Vorgaben der Ausschreibung entsprechen.
Die Bewerber hätten für die erforderlichen Unternehmensreferenzen der Referenzarten a) und c) Referenzprojekte mit dem Gegenstand „Recht im Zusammenhang mit Forschung, genauer gesagt Life Science“ und/oder Medizin- bzw. Pflegerecht“ nachzuweisen.
Ein Themenschwerpunkt „Recht im Zusammenhang mit Forschung“ (ohne Bezugnahme zu Life Science) sei demgegenüber nicht ausreichend.
1.4 Replik des Antragstellers
Mit Schriftsatz vom 16. November 2021 brachte der Antragsteller zusätzlich vor, dass die vorgelegte Referenz 1 jedenfalls auch den Themenschwerpunkt Pflegerecht umfasse und die Referenzen 4 und 10 nicht nur Forschung, sondern auch life science (insbesondere Umwelttechnik und Gefahrenabwehr/Unfallvermeidung) betreffen würden.
2. Feststellungen:
Die B führt unter der Bezeichnung „Rechtsberatungsleistungen ***“ ein in 5 Lose unterteiltes Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss mehrerer Rahmenvereinbarungen durch.
Nach den Festlegungen der Teilnahmeunterlage prüft die Auftraggeberin in der ersten Stufe des Verfahrens die fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträge der Bewerber anhand der festgelegten Eignungskriterien. Von den geeigneten Bewerbern werden gemäß den in den Unterlagen der ersten Verfahrensstufe aufgestellten Auswahlkriterien je Los die fünf Bestqualifizierten zur Angebotslegung und somit zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verfahrens eingeladen (Punkte 2.2 und 5 der Teilnahmeunterlage).
Der Antragsteller hat noch vor Ablauf der Teilnahmeantragsfrist am 20.08.2021 einen Teilnahmeantrag zu Los 4 „Gesundheitsrecht“ eingereicht. Das Leistungsbild zu diesem Los wird unter Punkt 2.2.4. der Teilnahmeunterlage wie folgt beschrieben:
„2.2.4. Leistungsbild Los 4 „Gesundheitsrecht“
In diesem Los wurden die folgenden zwei inhaltlichen Themenschwerpunkte des Leistungsbildes festgelegt:
a) Themenschwerpunkt 1: Medizinrecht inklusive Recht der Pflege2
b) Themenschwerpunkt 2: Recht iZm Forschung / life science
Im Rahmen beider Themenschwerpunkte sind gleichermaßen folgende aus der abzuschließenden Rahmenvereinbarung abrufbaren Leistungen vorgesehen:
? Beratungsleistungen:
o Klärung und Erörterung von medizinrechtlichen Fragestellungen inklusive solchen aus dem Bereich des Pflegerechts und im Bereich der Forschung (life science) unter Berücksichtigung europäischer und nationaler Vorgaben und im Bereich aller damit zusammenhängender Rechtsgebiete (etwa ÄrzteG, KAKuG bzw NÖ KAG, DSG, DSGVO, MPG, MDR/IVDR, AMG, FOG, etc.)
o laufende Beratung zu diversen medizinrechtlichen Fragestellungen inklusive solchen aus dem Bereich des Pflegerechts und dem Bereich der Forschung (life science) unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Organisation der B, ihrer Gesundheitseinrichtungen und der mit ihr verbundenen Unternehmen einschließlich betriebswirtschaftlicher und datenschutzrechtlicher Aspekte
o Erstellung von Stellungnahmen und Gutachten zu diversen medizinrechtlichen Fragestellungen inklusive solchen dem Pflegerecht entstammenden sowie iZm Forschung (life science) mit unterschiedlichem Umfang unter Berücksichtigung europäischer und nationaler Vorgaben bzw. aller damit zusammenhängenden Rechtsgebiete
o beratende Begleitung und laufende Unterstützung bei der Umsetzung von Projekten inklusive Forschungsprojekten (life science) und Studien sowie bei der Einführung oder Änderung von Prozessen durch die B, durch ihre Gesundheitseinrichtungen und durch die mit ihr verbundenen Unternehmen
o Vortragstätigkeit zu den obig genannten Rechtsgebieten für MitarbeiterInnen der B, ihrer Gesundheitseinrichtungen und der mit ihr verbundenen Unternehmen
? Beratung und Vertretung in Vertragsangelegenheiten und iZm sonstigen Unterlagen:
o Konzeptionierung, Erstellung und Bereitstellung von (Muster)unterlagen und –Verträgen (wie etwa für Studien), Formularen und sonstigen Vorlagen sowie von Vertragsentwürfen einschließlich deren Verhandlung (Einwilligungserklärungen, Aufklärungsbögen, Kooperationsverträge, Studienverträge, etc.) im entsprechenden Corporate Design der B und in Entsprechung der nationalen und europäischen Vorgaben (etwa ÄrzteG, KAKuG bzw NÖ KAG, DSG, DSGVO, MPG, MDR/IVDR, AMG, FOG, etc.)
o Prüfung und Bearbeitung bestehender Unterlagen (z.B. Checklisten, SOPs, Einwilligungserklärungen, Vereinbarungen, Muster, Formulare, Prozesse uäm) im Bereich Medizinrecht, Bereich des Pflegerechts und dem Bereich der Forschung (life science) unter Berücksichtigung europäischer und nationaler Vorgaben und im Bereich aller damit zusammenhängender Rechtsgebiete
? Begleitung bzw. Vertretung in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren:
o Beratung und Begleitung von Verfahren vor Behörden oder Gerichten, in welchen Fragen aus dem Bereich Medizinrecht, Bereich des Pflegerechts und dem Bereich der Forschung (life science) zumindest zum Teil zu klären sind
o Vertretungsleistungen in streitigen / außerstreitigen Verfahren sowie in Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren und in Strafverfahren iZm Medizinrecht, Bereich des Pflegerechts und dem Bereich der Forschung (life science)
o Erstellung von Schriftsätzen und aller sonst erforderlichen Eingaben in enger Abstimmung mit den seitens der B bekanntgemachten Ansprechpersonen
o Erhebung von Rechtsmitteln und sonstigen Rechtsbehelfen in enger Abstimmung mit den seitens der B bekanntgemachten Ansprechpersonen
2 Recht der Pflege beinhaltet hier nicht lediglich GuKG, sondern vielmehr sämtliche in Zusammenhang mit dem Betrieb eines Pflege-, Betreuungs- oder Förderzentrums (wie etwa SHG, Pflegeheimverordnung, KSchG, HeimAufG, VereinsG) stehenden Rechtsmaterien.“
Hinsichtlich der erforderlichen Eignungskriterien für alle Lose führt die Teilnahmeunterlage unter Punkt 4.4.2. aus:
„4.4.2. Unternehmensreferenzen (Eignungsreferenzen)
Im Rahmen der Eignungsprüfung ist als Mindestanforderung die Erfahrung des Bewerbers / der Bewerbergemeinschaft durch Referenzaufträgen (MUSS-Referenzen) nachzuweisen.
Für die Bescheinigung von Referenzen sind die dafür vorgesehenen Referenzblätter in der Beilage ./4.1 bis ./4.5 zu verwenden. Dabei ist die Bestätigung der zu den Referenzen gemachten Angaben durch den Bewerber / durch die Bewerbergemeinschaft mittels ausfüllen bzw. ankreuzen des betreffenden Feldes iS einer Eigenerklärung ausreichend.
Der Auftraggeber macht darauf aufmerksam, dass allfällige Verbesserungen nur im Hinblick auf Referenzaufträge zulässig sind, die zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit als Eignungsreferenz angegeben wurden (dh „behebbarer Mangel“). Eine Verbesserung von Referenzaufträgen, die als Referenzauftrag für die Auswahl der Bewerber angegeben wurden (Auswahlreferenz) ist nicht zulässig (dh „unbehebbarer Mangel“).
4.4.2.1. Allgemeine Mindestanforderungen an Unternehmensreferenzen
Die nachfolgend angeführten allgemeinen Anforderungen an Referenzen gelten sowohl für Eignungs- als auch für Auswahlreferenzen (vgl. Pkt. 5):
? Die geltend gemachten Referenzaufträge müssen zum Zeitpunkt des Endes der Teilnahmefrist alle festgelegten Anforderungen erfüllen. Aktuell laufende Referenzaufträge werden zugelassen, sofern die bereits erbrachten Leistungen den geforderten Anforderungen entsprechen.
? Referenzaufträge, die nicht in der Referenzzeit von 01.01.2016 bis Ende der Teilnahmefrist erbracht wurden oder die mangels Detailangaben nicht überprüfbar sind, werden nicht berücksichtigt. Bei Referenzaufträgen, die aus mehreren Teilen / Modulen bestehen, beginnt dieser Zeitraum mit der Erbringung / Abnahme des letzten Teils/Moduls zu laufen.
? Namhaft gemachte Referenzen werden im Rahmen der Eignungsprüfung und der Auswahlbewertung nur dann berücksichtigt, wenn der Bewerber (bzw. das betreffende Mitglied der Bewerbergemeinschaft bzw. das mit ihm verbundene Unternehmen oder der allenfalls namhaft gemachte Dritte) selbst Auftragnehmer oder Mitglied der beauftragten Arbeitsgemeinschaft bzw. Subunternehmer des Auftragnehmers war („Referenzauftrag“). Eine Leistungserbringung einer lediglich auf Werkvertragsbasis beim Bewerber / bei einem Mitglied der Bewerbergemeinschaft des Referenzauftrags beschäftigten Person – welche im Referenzauftrag weder als Mitglied der Bewerbergemeinschaft noch als Subunternehmer geführt wurde – kann nicht als Unternehmensreferenz angeführt werden.
? Eigenreferenzen (dh Leistungen des Bewerbers für sich selbst) sowie Referenzen für verbundene Unternehmen werden nicht berücksichtigt. Als verbundene Unternehmen gelten dabei Mütter-, Töchter- und Großmuttergesellschaften unabhängig vom Umfang der Beteiligung oder dem Erfordernis der Erstellung eines konsolidierten Konzernabschlusses. Sonstige Beteiligungen hindern nicht an der Wertbarkeit der Referenz.
? Für den Fall, dass der Bewerber / das Mitglied einer Bewerbergemeinschaft bei der angegebenen Referenz lediglich Subunternehmer des Auftragnehmers ist (war), hat der Bewerber in der Kurzbeschreibung der betreffenden Referenz iS einer Eigenerklärung schriftlich zu bestätigen, dass er die Leistungen selbst durchgeführt hat.“
Hinsichtlich der erforderlichen Eignungskriterien für das Los 4 führt die Teilnahmeunterlage unter Punkt 4.4.2.5 aus:
„4.4.2.5. Losspezifische Mindestanforderungen an Unternehmensreferenzen zu Los 4 (Gesundheitsrecht)
Der Bewerber / die Bewerbergemeinschaft muss zu diesem Los zumindest folgende Referenzaufträge mit den nachfolgenden Anforderungen – neben den allgemeinen Anforderungen gemäß Punkt 4.4.2.1 – verfügen
a) zumindest 2 (zwei) Referenzaufträge jeweils mit den nachfolgenden kumulativen Anforderungen:
? der Referenzauftrag umfasste zumindest einen der beiden Themenschwerpunkte dieses Loses (dh Medizin- bzw. Pflegerecht und/oder Recht iZm Forschung bzw. life science)
? der Referenzauftrag umfasste die Erstellung und Bereitstellung von Vertragsunterlagen und allen dabei anfallenden sonstigen Unterlagen (z.B. Muster Einwilligungserklärung uäm) unter Berücksichtigung der europäischen bzw. nationalen Vorgaben
UND
b) zumindest 1 (ein) Referenzauftrag mit den nachfolgenden kumulativen Anforderungen:
? der Referenzauftrag umfasste eine Fragestellung aus dem Themenschwerpunk Medizin- bzw. Pflegerecht unter Berücksichtigung der europäischen bzw. nationalen Vorgaben
? der Referenzauftrag umfasste die Erstellung eines Gutachtens / einer gutachtlichen Stellungnahme unter Berücksichtigung der europäischen bzw. nationalen Vorgaben
UND
c) zumindest 1 (ein) Referenzauftrag mit den nachfolgenden kumulativen Anforderungen:
? der Referenzauftrag umfasste eine Fragestellung aus dem Themenschwerpunk Recht iZm Forschung bzw. life science
? die Erstellung eines Gutachtens / einer gutachtlichen Stellungnahme unter Berücksichtigung der europäischen bzw. nationalen Vorgaben
Der Bewerber / die Bewerbergemeinschaft hat sohin zu diesem Los über zumindest 4 (vier) Unternehmensreferenzen zu verfügen. Der Bewerber / die Bewerbergemeinschaft hat die Unternehmensreferenzen zu diesem Los in Beilage ./4.4 zu bescheinigen.“
Der Antragsteller hat mit seinem Teilnahmeantrag mehrere Referenzen vorgelegt und hierbei das von der Auftraggeberin bereitgestellte Formblatt verwendet (Beilage ./4.4 zur Teilnahmeunterlage). Hinsichtlich der Referenzen 1, 4 und 10 hat er hierbei sämtliche obligatorischen Felder ausgefüllt. Im Feld „Name / Firma des Referenz-Auftraggebers“ hat er jedoch den Referenz-Auftraggeber nicht bekanntgegeben, sondern nur „ö GmbH Struktur“ eingetragen. Im Feld „Ansprechperson bei Referenz-Auftraggeber samt Erreichbarkeiten“ hat er zudem nur „nach Rücksprache“ eingetragen.
Die inhaltliche Beschreibung zur Referenz 1 wurde wie folgt angegeben:
„Investor für in österreichisches Unternehmen, welches innovative Technologien im Pflegebereich entwickelt und vermarktet
Formulierung und Verhandlung Beteiligungsverträge und weiterer rechtlicher Unterlagen unter Beachtung der entwickelten und zu entwickelnden Technologien und deren Verwertung“
Die inhaltliche Beschreibung zur Referenz 4 wurde wie folgt angegeben:
„Konsortialvertrag
Lizenzvereinbarungen“
Die inhaltliche Beschreibung zur Referenz 10 wurde wie folgt angegeben:
„Beurteilung Lizenz/Verwertungsrechte bei internationalem Forschungsprojekt“
Mit Aufklärungsschreiben vom 27.09.2021 wurde der Antragsteller von der Auftraggeberin zu Aufklärungen bzw. Nachreichungen aufgefordert. Hinsichtlich der vorgelegten Referenzen wird hierin ausgeführt:
„Wir ersuchen um ergänzende Aufklärung betreffend folgender Punkte Ihres Teilnahmeantrages:
? Die von Ihnen vorgelegten Referenzprojekte können mangels ausreichender Angaben nicht auf ihre Mindest- sowie Auswahlanforderungen überprüft werden. Wir ersuchen um Bekanntgabe der verschwiegenen Angaben.
Bezugnehmend auf die in Ihrem Teilnahmeantrag zu den namhaft gemachten Referenzprojekten getätigten Angaben und die dazu erwähnte Verschwiegenheitspflicht verweisen wir auf § 85 Abs 2 BVergG 2018, wo jene Mindestangaben festgelegt sind, welche bei Referenzen jedenfalls angegeben werden müssen.
In diesem Zusammenhang weisen wir außerdem darauf hin, dass Sie durch die Abgabe Ihres Teilnahmeantrags die bestandfesten Festlegungen der Teilnahmeunterlage und sohin auch die Verpflichtung zur Nennung der zu den Referenzaufträgen in der Unterlage festgelegten Angaben akzeptiert haben. Wir ersuchen daher um Verständnis, dass Referenzen, bei denen die Angaben des Bewerbers / der Bewerbergemeinschaft nicht ausreichen, um die in der Unterlage definierten Mindest- sowie Auswahlanforderungen zu überprüfen, keiner Prüfung unterzogen werden können.“
Der Antragsteller hat am 04.10.2021 fristgerecht über das Vergabeportal eine Nachreichung bzw. Aufklärung übermittelt. Hinsichtlich der Referenz 1 wird hierin der Auftraggeber sowie eine Ansprechperson bekanntgegeben. Zudem wurde der Inhalt des Referenzauftrages näher ausgeführt (Beteiligung eines internationalen strategischen Partners, Ausgliederung bestimmter Geschäftsfelder in eine andere Gesellschaft der Unternehmensgruppe).
Hinsichtlich der Referenzen 4 und 10 wurde in diesem Schreiben der (selbe) Auftraggeber und eine Ansprechperson bekannt gegeben. Inhaltlich nähere Angaben zum Referenzauftrag finden sich in diesem Schreiben nicht.
Die Möglichkeit zur Fragestellung über das elektronische Beschaffungsportal war zum Zeitpunkt des Aufklärungsschreibens bereits geschlossen. Gemäß den Festlegungen unter Punkt 3.7. in der Teilnahmeunterlage war vorgesehen, dass jegliche Korrespondenz zwischen dem Auftraggeber und den Interessenten während des Vergabeverfahrens ausschließlich über das elektronische Beschaffungsportal abgewickelt wird.
Mit Schreiben vom 12.10.2021 teilte die Auftraggeberin dem Antragsteller mit, dass sein Teilnahmeantrag im Los 4 des Vergabeverfahrens wegen mangelnder Eignung bzw. nicht behobener Mängel ausgeschieden werden musste. Es wurde festgehalten, dass die vorgelegten Referenzen Nr. 1, 2 und 4 nicht die Mindestanforderungen der Referenzart a) erfüllen würden und die vorgelegte Referenz Nr. 10 nicht die Mindestanforderungen der Referenzart c) erfülle. Im Ergebnis liege daher nur eine Referenz der Referenzart a) und keine Referenz der Referenzart c) vor. Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit betreffend die Unternehmensreferenzen sei daher nicht erbracht worden.
Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde für das gegenständlich angefochtene Los 4 noch nicht versendet.
3. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen unter Punkt 4 sind als unstrittig anzusehen und beschränken sich im Wesentlichen auf die jeweils genannten schriftlichen Angaben in der Teilnahmeunterlage, dem Teilnahmeantrag des AST samt Beilagen, dem Aufklärungsschreiben der Auftraggeberin vom 27.09.2021, dem diesbezüglichen Antwortschreiben des Antragstellers vom 3.10.2021 (eingereicht über das Vergabeportal am 4.10.2021) sowie in der Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2021. Diese Dokumente befinden sich jeweils im Gerichtsakt und wurden im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung am 17.11.2021 mit den Parteien erörtert.
Die ergänzende Feststellung, dass die Möglichkeit zur Fragestellung über das elektronische Beschaffungsportal zum Zeitpunkt des Aufklärungsschreibens vom 27.09.2021 bereits geschlossen war, ergibt sich aus der unwidersprochenen Angabe des Antragstellers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Die ergänzende Feststellung, wonach eine Aufforderung zur Angebotsabgabe für das gegenständlich angefochtene Los 4 noch nicht versendet worden ist, ergibt sich aus der Stellungnahme der Auftraggeberin vom 19.10.2021.
4. Rechtslage:
Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65/2018 idF BGBl. II Nr. 91/2019 lauten auszugsweise:
„(…)
Grundsätze des Vergabeverfahrens(1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
(…)
Zeitpunkt des Vorliegens der EignungUnbeschadet des § 21 Abs. 1 muss die Eignung spätestens
1.
beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung,
2.
beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist,
3.
beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe,
4.
beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, beim wettbewerblichen Dialog und bei der Innovationspartnerschaft grundsätzlich zum Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist,
(…)
Eigenerklärung, Verlangen der Nachweise durch den öffentlichen Auftraggeber(1) Der öffentliche Auftraggeber hat festzulegen, mit welchen Nachweisen gemäß den §§ 81 bis 87 ein Unternehmer, der an einem Vergabeverfahren teilnimmt, seine
1.
berufliche Befugnis,
2.
berufliche Zuverlässigkeit,
3.
finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie
4.
technische Leistungsfähigkeit
zu belegen hat. Nachweise dürfen nur so weit festgelegt werden, wie es durch den Gegenstand des Auftrages sachlich gerechtfertigt ist. Falls erforderlich und sofern dies sachlich gerechtfertigt ist, kann der öffentliche Auftraggeber besondere Festlegungen treffen, wie Arbeits- und Bietergemeinschaften die Anforderungen an die Eignung zu erfüllen haben.
(…)
(3) Der öffentliche Auftraggeber kann die Vorlage, Vervollständigung bzw. Erläuterung bestimmter Nachweise binnen einer angemessenen Frist von bestimmten Bewerbern oder Bietern bzw. Parteien der Rahmenvereinbarung verlangen, sofern dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. Bei der Vergabe von Aufträgen und beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen im Oberschwellenbereich hat der öffentliche Auftraggeber vor Zuschlagserteilung bzw. vor Abschluss der Rahmenvereinbarung die Vorlage der festgelegten Nachweise vom Zuschlagsempfänger bzw. von der bzw. den Parteien der Rahmenvereinbarung jedenfalls zu verlangen; bei einer Vergabe in Losen gilt dies nur, wenn der geschätzte Wert des einzelnen Loses den in § 12 Abs. 1 genannten jeweiligen Schwellenwert erreicht.
(…)
Teilnehmer im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, beim wettbewerblichen Dialog und bei Innovationspartnerschaften(1) Teilnahmeanträge haben jene Informationen zu enthalten, die der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Eignung und die Auswahl der Bewerber verlangt hat.
(2) Unter Bedachtnahme auf die Abs. 4 bis 7 ist nur geeigneten Bewerbern, die aufgrund der Bekanntmachung rechtzeitig Teilnahmeanträge gestellt haben, Gelegenheit zur Beteiligung am Vergabeverfahren zu geben.
(3) Der öffentliche Auftraggeber darf vom Inhalt der Teilnahmeanträge erst nach Ablauf der Frist für deren Einreichung Kenntnis erhalten. Die Prüfung der Teilnahmeanträge ist so zu dokumentieren, dass alle für die Beurteilung der Teilnahmeanträge wesentlichen Umstände nachvollziehbar sind. Der Bewerber kann die Übermittlung oder Bereitstellung des Teiles der Dokumentation verlangen, der seinen Teilnahmeantrag betrifft.
(…)
Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote(1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.
(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.
(…)
Ausscheiden von Angeboten(1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
1.
Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Vergabeverfahren gemäß § 25 auszuschließen sind, oder
2.
Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, oder
3.
Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, oder
4.
Angebote, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten, oder
5.
Angebote, bei denen ein Vadium verlangt wurde, dessen Nachweis bei Angebotsöffnung jedoch fehlt, oder
6.
verspätet eingelangte Angebote, oder
7.
den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder
8.
rechnerisch fehlerhafte Angebote, die gemäß den Festlegungen in der Ausschreibung nicht weiter zu berücksichtigen sind, oder
9.
Angebote von nicht aufgeforderten Bietern, oder
10.
Angebote von Bietern, die nachweislich Interessen haben, die die Ausführung des Auftrages beeinträchtigen können, oder
11.
Angebote von Bietern, bei denen dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung bzw. des Ablaufes der gemäß § 131 Abs. 3 gesetzten Nachfrist
a)
keine für die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich erforderliche behördliche Entscheidung, oder
b)
kein Nachweis darüber, dass die gemäß einer Entscheidung nach lit. a notwendige Berufsqualifikation erworben wurde, oder
c)
kein Nachweis darüber, dass vor Ablauf der Angebotsfrist ein auf Einholung einer Entscheidung nach lit. a gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist, oder
d)
eine behördliche Entscheidung, die die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich ausschließt,
vorliegt.
(2) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung kann der öffentliche Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärungen einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. Von einem Bieter, der im Gebiet einer anderen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder in der Schweiz ansässig ist, können auch Aufklärungen über die Zulässigkeit der Ausübung der Tätigkeit in Österreich verlangt werden.
(3) Der öffentliche Auftraggeber hat den Bieter vom Ausscheiden seines Angebotes unter Angabe des Grundes zu verständigen.
(…)“
5. Erwägungen:
5.1 Zur Zuständigkeit und Rechtzeitigkeit
Die öffentliche Auftraggeberin im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren ist die B.
Gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG) unterliegt das gegenständliche Vergabeverfahren somit dem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des NÖ VNG iVm den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018).
Die Ausscheidensentscheidung wurde von der Auftraggeberin gegenüber dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.10.2021 bekannt gegeben. Die 10-tägige Anfechtungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 NÖ VNG endet für den Antragsteller mit Ablauf des 22.10.2021, sodass der am 18.10.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangte Antrag auf Nachprüfung fristgerecht gestellt wurde.
5.2 Zum Anfechtungsgegenstand
Der Antragsteller begehrt die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2021.
Mit dieser Entscheidung hat die Auftraggeberin dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Teilnahmeantrag im Los 4 des Vergabeverfahrens wegen mangelnder Eignung sowie einem nicht behobenen Mangel ausgeschieden werden musste.
Diese Mitteilung stützt sich ausdrücklich auf § 141 BVergG 2018, welcher die Tatbestände normiert, bei deren Vorliegen Angebote aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden sind.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antragsteller jedoch noch gar nicht zur Angebotslegung eingeladen und hat dementsprechend noch kein Angebot gelegt, welches gemäß § 141 BVergG 2018 hätte ausgeschieden werden können.
Gemäß § 123 Abs. 2 BVergG 2018 ist nur geeigneten Bewerbern, die aufgrund der Bekanntmachung rechtzeitig Teilnahmeanträge gestellt haben, Gelegenheit zur Beteiligung am Vergabeverfahren zu geben. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass Bewerbern, die nicht als geeignet anzusehen sind, keine Gelegenheit zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zu geben ist. Diesem Mangel an Eignung ist der ungenügende Nachweis im Zuge der Prüfung der Teilnahmeanträge gleich zu halten. Der Auftraggeber bringt dieses Ergebnis der Prüfung der Teilnahmeanträge durch die Entscheidung zur Nicht-Zulassung zur Teilnahme zum Ausdruck (vgl. BVwG 23.02.2018, W138 2182130-2).
Auch nach den Festlegungen der Teilnahmeunterlage prüft die Auftraggeberin in der ersten Stufe des Verfahrens die fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträge der Bewerber anhand der festgelegten Eignungskriterien. Von den geeigneten Bewerbern werden gemäß den in den Unterlagen der ersten Verfahrensstufe aufgestellten Auswahlkriterien je Los die fünf Bestqualifizierten zur Angebotslegung und somit zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verfahrens eingeladen.
Das Anführen des § 141 BVergG 2018 in der Mitteilung der Auftraggeberin war daher als ein Vergreifen in der Rechtsgrundlage zu bewerten. In einer Gesamtbetrachtung handelt es sich bei der Mitteilung der Auftraggeberin um eine nach außen in Erscheinung getretene Willenserklärungen mit dem objektiven Erklärungswert, dass der Teilnahmeantrag des Antragstellers ausgeschieden worden ist und er daher nicht zur Angebotslegung bzw. zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens zugelassen wird.
Gegen diese, gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. dd BVergG 2018 gesondert anfechtbare Entscheidung, richtet sich der Antrag auf Nachprüfung des Antragstellers.
5.3 Auslegungsmaßstab
Vorauszuschicken ist, dass die Teilnahmeunterlage, der zufolge in der ersten Verfahrensstufe die Teilnahmeanträge auf die Erfüllung der Eignungskriterien zu prüfen waren, bestandfest geworden ist. Der Auftraggeber ist bei der Eignungsprüfung an seine bestandfesten Festlegungen gebunden (VwGH 27.02.2019, Ra 2019/04/0019; 15.3.2017, Ra 2014/04/0052).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen und anderen Willenserklärungen des Auftraggebers der objektive Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt maßgebend (VwGH 18.01.2021, Ra 2019/04/0047; 30.03.2021, Ra 2019/04/0068 mwN). Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (VwGH 30.03.2021, Ra 2019/04/0068 mwN). Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an (VwGH 22.03.2019, Ra 2018/04/0176).
Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung eines Bieters (VwGH 22.03.2019, Ra 2018/04/0176).
5.4 Zur Nicht-Zulassung zur Teilnahme wegen mangelnder Eignung
Die Auftraggeberin begründete die Nicht-Zulassung zur Teilnahme wegen mangelnder Eignung im Wesentlichen damit, dass lediglich eine Referenz der Referenzart a) und keine Referenz der Referenzart c) vorliege.
Die Referenzen 4 und 10 seien nicht im Bereich des Medizin- bzw. Pflegerechts und/oder des Rechts iZm Forschung bzw. life science erbracht worden, weil die jeweiligen Referenzauftraggeber laut ihrem Produktportfolio nicht im Gesundheitsbereich tätig seien. Der Referenzauftraggeber zur Referenz 1 sei zwar uA im Gesundheitsbereich tätig, der referenzierte Auftrag sei jedoch nicht in diesem Bereich erbracht worden.
Der Antragsteller begründete seinen Antrag auf Nachprüfung insbesondere damit, dass diese Referenzen jedenfalls dem Bereich „Recht iZm mit Forschung“ zuzuordnen seien und daher die in der Teilnahmeunterlage formulierten Mindestanforderungen erfüllt seien. Das Wort „bzw.“ zwischen „Recht iZm Forschung“ und „life science“ sei im Sinne von „oder“ zu verstehen, sodass auch Referenzaufträge aus dem Bereich „Recht iZm Forschung“ ohne Bezug zu „life science“ die Anforderungen gemäß Punkt 4.4.2.5 der Teilnahmeunterlage erfüllen.
Die Auftraggeberin bringt demgegenüber vor, dass das Wort „bzw.“ zwischen „Recht iZm Forschung“ und „life science“ im Sinne von „genauer gesagt“ zu verstehen sei. Dies gehe aus einer systematischen Auslegung in Zusammenhang mit Punkt 2.2.4. der Teilnahmeunterlage (Leistungsbild Los 4 „Gesundheitsrecht“) hervor, worin sich die Wortfolge Forschung – life science mehrfach befinde, allerdings anstelle von „bzw.“ einerseits mit einem Querstrich „/“ und andererseits an mehreren Stellen mittels life science in einem Klammerausdruck. Während dem Querstrich kein völlig eindeutiger Erklärungswert entnommen werden könne, bringe die Klammer klar zum Ausdruck, dass life sciene als eingeklammerter Zusatz den Begriff Forschung erläutere und konkretisiere.
Dieser Argumentation kann nach Ansicht des erkennenden Senates nicht gefolgt werden:
Hinsichtlich der Anforderungen an die Unternehmensreferenzen wird gemäß Punkt 4.4.2.5 der Teilnahmeunterlage jeweils zu sämtlichen Referenzarten dieselbe Wortfolge verwendet (Hervorhebung nicht im Original):
? der Referenzauftrag umfasste zumindest einen der beiden Themenschwerpunkte dieses Loses (dh Medizin- bzw. Pflegerecht und/oder Recht iZm Forschung bzw. life science)
Die Abkürzung „bzw.“ wird in diesem Aufzählungszeichen zwei Mal verwendet. Die erste Verwendung zwischen „Medizin-“ und „Pflegerecht“ ist hierbei eindeutig im Sinne von „oder“ zu verstehen. Aus der Teilnahmeunterlage geht ausdrücklich hervor, dass sowohl Referenzen aus dem Bereich Medizinrecht als auch aus dem Bereich Pflegerecht stammen können.
Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass der durchschnittlich fachkundige Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt davon ausgehen kann, dass dasselbe Wort innerhalb eines Aufzählungszeichens einheitlich und nicht in geradezu entgegenstehender Weise verwendet wird. Im gegenständlichen Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Auftraggeber von einem anderen Verständnis ausgegangen ist, oder einen anderen Erklärungswert beilegen wollte.
Dieser systematische Zusammenhang innerhalb eines Aufzählungszeichens überwiegt dem von der Auftraggeberin erblickten Zusammenhang, wonach eine der drei in der Teilnahmeunterlage verwendeten Schreibweisen der Wortfolge „Forschung – life science“ 17 Seiten vor den Eignungsreferenzen zum Ausdruck bringe, dass life sciene als eingeklammerter Zusatz den Begriff Forschung erläutere und konkretisiere.
Nach dem objektiven Erklärungswert der Teilnahmeunterlage ist die erste Anforderung zu den Unternehmensreferenzen zu Los 4 daher auch dann erfüllt, wenn die Referenzaufträge „nur“ Recht iZm Forschung (ohne Zusammenhang mit life science) umfassen. Die Teilnahmeunterlage normiert auch nicht, dass der Referenzauftraggeber im Gesundheitsbereich tätig sein muss.
Diese Auslegung widerspricht auch nicht dem Zweck der Festlegung der Auftraggeberin, zumal die beabsichtigten Beratungsleistungen zum Beispiel auch beratende Begleitung und laufende Unterstützung bei der Umsetzung von Forschungsprojekten umfasst. In diesem Zusammenhang kann dem Antragsteller etwa nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausging, dass die Erstellung eines Konsortialvertrages im Rahmen eines Forschungsprojektes die in der Teilnahmeunterlage formulierten Mindestanforderungen erfüllt, auch wenn der konkrete Vertrag keine spezifisch medizinrechtlichen Fragestellungen betrifft. Schließlich können forschungsrechtliche Aspekte auch materienübergreifend von Relevanz sein, sodass es sich hierbei auch um sachlich gerechtfertigte Nachweise im Sinne des § 80 Abs. 1 BVergG 2018 handelt.
Insoweit der Antragsteller vorbringt, dass für die von ihm genannten Referenzen auch immanent Gesundheitsaspekte relevant waren bzw. auch den Bereich Pflegerecht betreffen, kann dies auf Grundlage des Teilnahmeantrages nicht abschließend beurteilt werden (siehe die folgenden Erwägungen).
5.5 Zur Nicht-Zulassung zur Teilnahme wegen nicht behobener Mängel
Gemäß § 79 Z 4 BVergG 2018 muss beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung die Eignung grundsätzlich zum Zeitpunkt des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist vorliegen.
Gemäß § 80 Abs. 3 BVergG 2018 kann der öffentliche Auftraggeber die Vorlage, Vervollständigung bzw. Erläuterung bestimmter Nachweise binnen einer angemessenen Frist von bestimmten Bewerbern oder Bietern bzw. Parteien der Rahmenvereinbarung verlangen, sofern dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist.
Der gegenständlichen Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2021 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller sowohl wegen mangelnder Eignung, als auch wegen nicht behobener Mängel nicht zur weiteren Teilnahme am Vergabeverfahren zugelassen worden ist. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konkretisierte die Auftraggeberin dahingehend, dass die inhaltlichen Angaben zu den Referenzaufträgen mangelnd gewesen seien. In diesem Sinne findet sich auch in der Ausscheidensentscheidung die Ausführung, dass die Beschreibung zu den erbrachten Leistungen sehr kurz gehalten worden sein, sodass eine abschließende Überprüfung der Erfüllung von Anforderungen nicht mö