Entscheidungsdatum
09.12.2021Norm
GewO 1994 §74Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat
Dr. Kindermann-Zeilinger über die Beschwerde der A GmbH, ***, ***, nunmehr vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 07.01.2021, Zl. ***, betreffend die über Ansuchen der C GmbH, ***, ***, erfolgte Erteilung der gewerberechtlichen Generalgenehmigung für die Errichtung einer neuen Halle mit Pultdach samt Photovoltaikanlage auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, Gemeinde ***, (Spruchteil I.) gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77, 356e und 359 Abs.1 1.und 2.Satz der Gewerbeordnung 1994 (GewO) sowie gemäß § 93 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG)
zu Recht:
I.
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Spruchteil I. des Bescheides vom 07.01.2021, Zl. ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Amstetten als zuständige Gewerbebehörde der C GmbH die gewerberechtliche Generalgenehmigung für die Errichtung einer neuen Halle mit Pultdach samt Photovoltaikanlage auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, Gemeinde ***, (Spruchteil I.) gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77, 356e und 359 Abs.1 1.und 2.Satz der Gewerbeordnung 1994 (GewO) sowie gemäß § 93 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnen-schutzgesetzes (ASchG) nach Maßgabe der mit einer Bezugsklausel versehenen Projektunterlagen und der im Bescheid enthaltenen Projektbeschreibung unter Auflagen erteilt.
Dagegen hat die A GmbH, ***, ***, vertreten durch D per E-Mail vom 21. Jänner 2021 Beschwerde erhoben.
Ausgeführt wird in dieser Beschwerde in der Sache wie folgt:
„Seitens Herrn E und seinem Projektleiter Herrn F gab es ein Plangespräch jedoch konnten die Höhenpunkte bis Dato nicht vorgelegt oder fixiert werden.
Ich verweise auf unser Mail von Montag, 11. Jänner 2021 10:42 wo wir um Info zu unseren Anliegen gebeten
hatten.“
Das angeführte Mail vom 11. Jänner 2021 hat folgenden Inhalt:
Aufgrund der aktuell per heute gestarteten Bautätigkeiten (Bagger, Schubraupe) und der fehlenden Info durch die BH bzw. Herrn E oder der Bauplanung, Baufirma bitte ich um Info zu folgenden Punkten.
Bis dato keine Abklärung der Höhenpunkte vom neuen Projekt zu unserer Baulichen Situation. Wie im Bescheid *** in der Stellungnahme des ASV für Wasserbautechnik festgehalten ist aufgrund des dichten Untergrundes und der damit verbundenen schlechten Sickerfähigkeit mein Anliegen die Grundflächen an unsere Bauliche Situation anzupassen und auch gleiche Höhe zu stellen! Herr E kennt die genauen Höhenunterschiede leider nicht und es fand bis dato keine Begehung statt!
Zum Retentionsbecken und anschließender Böschung zu unserer Grundgrenze haben wir noch keine Info erhalten ob, wieviel und wenn dieser Überläuft wo das Wasser sich seinen weg sucht. Sollte und darf nicht auf unseren Grund entwässern!
Ebenfalls möchte ich festhalten das in diesem Becken für uns keine Geruchsbildung oder auch „Stechmückenzucht“ entstehen soll, darf !
Zum ASV der Verkehrstechnik:
Wie im Bescheid angeführt ist aus verkehrstechnischer Sicht nicht abgeklärt bezüglich der verbunden Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs mit öffentlichen Straßen. Zu diesen Punkt kann ich meinerseits erläutern, wie auf der Polizei *** und der Gemeinde mehrfach per Mail und Persönlich beschwert ist aktuell ein Permanenter Rückstau auf der Straße *** im Bereich der Einfahrt zum ***, sodass einen Rückstau bis zum Kreisverkehr und auch zu unserer Firma zur Folge hat. Bis zur Lösung dieses Problems, sodass die Zufahrt und Abfahrt zu uns und den
anderen Betrieben im Betriebsgebiet reibungslos und im *** Kurvenbereich ohne Gefährdung dargestellt werden kann bitte ich um keine weitere Beeinträchtigung durch Baufahrzeuge oder andere zusätzliche Firmen!! Ebenfalls beim Be- und Entladen der LKWs des *** wird furch parkende LKW die mittels Kran laden, die
Zufahrtstraße im Kurvenbereich beeinträchtigt und Gefahrensituationen herbeigeführt! (Es ist im Kranladebereich kein ausreichender Abstand zu vorbeifahrende PKW s und LKWs und beim Laden fallen teils Äste auf die Fahrbahn!
Ebenfalls möchte ich erwähnen unsere Untere Betriebsausfahrt zum *** muss frei Zu und Abfahrbar gehalten werden! Aktuell ist diese durch *** Container nicht mit LKW aus oder einfahrbar!“
Aufgrund dieser Beschwerde, die sich gegen den angefochtenen Bescheid insgesamt, somit auch gegen den Spruchteil II. (Erteilung der baurechtlichen Bewilligung unter der Zl. ***) richtet, hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 01. Dezember 2021 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der Beweis erhoben worden ist durch
? Verlesung des behördlichen Verwaltungsaktes der belangten Behörde,
? Einsichtnahme in das mit Schriftsatz vom 30.11.2021 erstattete ergänzende Vorbringen der Beschwerdeführerin und
? Befragung des Vertreters der Beschwerdeführerin.
Im Schriftsatz vom 30.11.2021 („Ergänzendes Vorbringen“) wird unter Bezugnahme auf die Bestimmung des § 54 NÖ Bauordnung 2014 – zumal mit dem angefochtenen Bescheid auch die Baubewilligung erteilt worden ist (Spruchteil II. des Bescheides) - eine unzulässige Bebauung durch das gegenständliche Bauvorhaben geltend gemacht, da die Gebäudehöhe der Halle der Konsenswerberin aufgrund des bestehenden Niveauunterschiedes zum Betriebsgebäude der Beschwerdeführerin von rund 1,6 m zu hoch ist. Zudem weiche die zwischenzeitlich erfolgte Bebauung auch von den Einreichunterlagen ab, in welchen ein Höhenunterschied von 40-50 cm vorgesehen sei, gegen den sich die Beschwerdeführerin auch nicht ausgesprochen hätte.
Durch den Höhenunterschied von rund 1,6 m und der freien Einsehbarkeit vom Grundstück der Konsenswerberin auf das Grundstück und die Hallen der Beschwerdeführerin sei letztere gefährdet, Aufträge zu verlieren, welche strengen Geheimhaltungsvorgaben unterliegen würden.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht im verfahrensrelevanten Zusammenhang Folgendes fest:
Mit Schreiben vom 16. Juli 2020, bei der Behörde am 27. Juli 2020 eingelangt, hat die C GmbH, ***, ***, um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung und den
Betrieb einer neuen Halle mit Pultdach samt Photovoltaikanlage im Standort ***, ***, KG ***, Grst.Nr. ***, Gemeinde ***, angesucht.
Nach Vorbegutachtung der Einreichunterlagen und Einholung von Gutachten von Amtssachverständigen aus den Fachgebieten der Bautechnik, Maschinenbautechnik, Elektrotechnik, Verkehrstechnik und Wasserbautechnik wurde der Konsenswerberin, dem Arbeitsinspektorat NÖ ***, der Marktgemeinde *** und den Nachbarn der geplanten Betriebsanlage mit Schreiben der Behörde vom 16.12.2020 das Ergebnis der erfolgten Beweisaufnahme zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt.
Von der Beschwerdeführerin, deren gewerbliche Betriebsanlage auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, welches unmittelbar an das hier gegenständliche Betriebsgrundstück Nr. ***, KG ***, angrenzt, situiert ist, ist innerhalb der eingeräumten Frist eine Stellungnahme nicht erstattet worden.
Der daraufhin erlassene und mit Beschwerde vom 21. Jänner 2021 angefochtene Bescheid vom 07.01.2021 stützt sich, was die Ableitung der Oberflächenwässer vom Betriebsgrundstück anlangt, auf folgende vom beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen ermittelte Beurteilung des eingereichten Projektes:
„Die Betriebsanlage auf Gst.Nr. ***, KG ***, besteht aus dem eigentlichen Betriebsobjekt (Büro, Schlosserei, zwei vermietete Bereiche) und den dazugehörigen Außenanlagen (Fahr- und Parkflächen).
Das Gebäude besitzt die Außenabmessungen von 60 x 20 m (Dachfläche 1200 m²).
Die befestigten Außenflächen (asphaltierte Fahr- und Parkflächen) besitzen in umme eine Fläche von rd. 1252 m².
Aufgrund des dichten Untergrundes (lehmiger Boden) und der damit verbundenen schlechten Sickerfähigkeit, sollen die anfallenden Niederschlagswässer gesammelt und sodann gedrosselt in den öffentlichen Regenwasserkanal abgeleitet werden. Die befestigten Freiflächen entwässern über das Oberflächengefälle in begrünte Sammelmulden, welche Einlaufgitter besitzen. Die Niederschlagswässer werden sodann über RW-Kanäle in ein neues Retentionsbecken, welches auf ein 100-jährliches Niederschlagsereignis bemessen wird, eingeleitet. Das Becken besitzt eine Grundfläche von 12,0 x 7,5 m (90 m²) und ein Speichervolumen von 93 m³. Im Becken werden die Niederschlagswässer zwischengespeichert und sodann über einen Drosselschacht, welcher eine Drosselblende besitzt, in den öffentlichen Kanal abgeleitet.
Die Drosselwassermenge wurde entsprechend dem natürlichen Gebietsabfluss festgelegt und beträgt rd. 10 l/s.
Als Notüberlauf besitzt der Drosselschacht an der Oberkante (rd. 1,0 m über
Beckensohle) ein Einlaufgitter.“
Bei projektsgemäßer Ausführung und bei Einhaltung der unter den Punkten 26. bis 31 im Bescheid vorgeschriebenen Auflagen sind durch die solcherart vorgesehene Oberflächenentwässerung keine nachteiligen Auswirkungen auf fremde Rechte, sohin auch nicht auf das Betriebsgrundstück der Beschwerdeführerin zu erwarten.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Gang des behördlichen Betriebsanlagengenehmigungs-verfahrens stützen sich auf den Verwaltungsakt der Behörde, in welchem die einzelnen Verfahrensschritte chronologisch und elektronisch dokumentiert sind.
Hinsichtlich der Oberflächenentwässerung des Betriebsgrundstückes der Konsenswerberin ist das im behördlichen und gerichtlichen Verfahren unbestritten gebliebene wasserbautechnische Gutachten des beigezogen gewesenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen G als Grundlage heranzuziehen gewesen, da in diesem das Projekt der Oberflächenentwässerung übersichtlich, nachvollziehbar und fachlich kompetent dargestellt ist.
Vom Vertreter der Beschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang in der öffentlichen mündlichen Verhandlung festgehalten, dass hinsichtlich der Oberflächenentwässerung im „oberen Bereich“ eine Einigung mit der Konsenswerberin erzielt worden sei und lediglich im Zuge der Bautätigkeit im „unteren Bereich“ zum Teil Oberflächengewässer auf das Grundstück der Beschwerdeführerin übergelaufen seien.
In Ergänzung dazu kann sich das erkennende Gericht auch auf den in der Verhandlung verlesenen Aktenvermerk vom 16.11.2021 berufen, in welchem eine gegenüber dem erkennenden Gericht erfolgte Klarstellung des Projektes der Oberflächenentwässerung durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen insofern erfolgt ist, als dieser angemerkt hat, dass sich an seiner Beurteilung bzw. seinem wasserbautechnischen Gutachten vom 21.09.2020 unter der Annahme, dass das Grundstück der A GmbH in der Natur deutlich tiefer als aus den Projektunterlagen ersichtlich liegt, nichts geändert hätte, da alle Oberflächenwässer des Betriebsgrundstückes auf diesem zunächst in Sammelmulden mit Einlaufgitter zusammenlaufen und von dort über RW-Kanäle in ein Retentionsbecken geleitet würden. Von Retentionsbecken, wo die Regenwässer zunächst zwischengespeichert würden und welches für ein 100-jähriges Niederschlagsereignis ausgelegt sei, würden diese über einen Drosselschacht bis zur vollständigen Entleerung des Retentionsbeckens in den öffentlichen Kanal abgeleitet. Aufgrund der schlechten Sickerfähigkeit des Bodens sei mit einer relevanten Versickerung bzw. Durchsickerung auf Nachbargrund nicht auszugehen.
In rechtlicher Hinsicht war zur Beschwerde, dem ergänzenden Beschwerde-vorbringen und zum festgestellten Sachverhalt Folgendes zu erwägen:
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.
die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4.
die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5.
eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Gemäß § 75 Abs. 2 GewO sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.
Gemäß § 77 Abs. 2 GewO ist, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Gemäß § 77 Abs. 4 GewO ist die Betriebsanlage erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn die Abfälle (§ 2 Abfallwirtschaftsgesetz) nach dem Stand der Technik (§ 71a) vermieden oder verwertet oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausgenommen davon sind Betriebsanlagen, soweit deren Abfälle nach Art und Menge mit denen der privaten Haushalte vergleichbar sind.
Gemäß § 356e Abs. 1 GewO ist, wenn ein Genehmigungsansuchen eine verschiedenen Gewerbebetrieben zu dienen bestimmte, dem § 356 Abs. 1 unterliegende Betriebsanlage (Gesamtanlage) betrifft und in diesem Genehmigungsansuchen ausdrücklich nur eine Generalgenehmigung beantragt wird, die Genehmigung hinsichtlich der nicht nur einem einzelnen Gewerbebetrieb dienenden Anlagenteile (wie Rolltreppen, Aufzüge, Brandmeldeeinrichtungen, Sprinklereinrichtungen, Lüftungseinrichtungen) zu erteilen (Generalgenehmigung) und bedarf die Anlage eines Gewerbebetriebes in der Gesamtanlage, sofern sie geeignet ist, die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 zu berühren, einer gesonderten, den Bestand der Generalgenehmigung für die Gesamtanlage voraussetzenden Genehmigung (Spezialgenehmigung).
Gemäß § 359 Abs. 1 erster und zweiter Satz GewO sind im Bescheid, mit dem die Errichtung und der Betrieb der Anlage genehmigt werden, die allenfalls erforderlichen Auflagen anzuführen. Wenn es aus Gründen der Überwachung der Einhaltung der Auflagen notwendig ist, hat die Behörde im Genehmigungsbescheid anzuordnen, dass ihr die Fertigstellung der Anlage angezeigt wird; der Inhaber einer dem Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen unterliegenden Betriebsanlage hat deren Fertigstellung der zur Genehmigung dieser Anlage zuständigen Behörde anzuzeigen, ohne dass es einer diesbezüglichen Anordnung im Genehmigungsbescheid bedarf.
Die Prüfungsbefugnis des Landesverwaltungsgerichts ist aufgrund einer Beschwerde keine unbegrenzte. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den bekämpften Bescheid nur im angefochtenen Umfang, d. h. nur hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte und der Beschwerdebegründung zu prüfen, wobei „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs jedenfalls nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Der äußere Rahmen für die Prüfbefugnis ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides (vgl. VwGH 03.08.2016, Ro 2016/07/0008). Gegenstand des Verfahrens ist somit der Spruch des angefochtenen Bescheides.
Die Stellung als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO wird durch die nachbarlichen Schutzzwecke bestimmt. Die Nachbareigenschaft und damit Parteistellung gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz GewO ist schon dann gegeben, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass die betroffene Person durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder in ihrem Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten gefährdet werden könnte (VwGH 16.12.2010, 2007/07/0045; 22.04.1997, 96/04/0252).
Das Mitspracherecht des Nachbarn (sowohl im Baubewilligungsverfahren als auch) im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren ist jedoch in zweifacher Weise beschränkt. Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, die ihm nach den in Betracht kommenden Vorschriften eingeräumt sind, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. z.B. VwGH 29.09.2015, 2013/05/0179 uva).
Der Nachbar hat auf Grund seiner beschränkten Mitsprachemöglichkeit somit ganz allgemein keinen Rechtsanspruch darauf, dass ein Vorhaben sämtlichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, sondern besitzt dieser nur einen Rechtsanspruch darauf, dass ein Vorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch Vorschriften eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte nicht verletzt. Hierbei ist auch zu beachten, dass die dem Nachbarn eingeräumten prozessualen Rechte nicht weiterreichen können als die ihm durch das Gesetz gewährleistete Sphäre materieller Rechte (vgl. u.a. VwSlg. 8.070A). Soweit die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes also gar nicht in Frage kommt, kann die Verletzung der Rechte eines Nachbarn auch nicht etwa aus allfälligen Verletzungen von Verfahrensvorschriften abgeleitet werden. Nicht jede objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides der Behörde kann daher zu dessen Aufhebung oder Abänderung führen; vielmehr hat die Aufhebung oder Abänderung zur Voraussetzung, dass die vom Nachbarn geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte durch das beantragte Vorhaben verletzt werden (vgl. u.a. VwSlg. 7.873A).
Dem entsprechend ist die Prüfungsbefugnis des Landesverwaltungsgerichtes auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer der Nachbar ein Mitspracherecht besitzt und ein solches auch – rechtzeitig – geltend gemacht hat; das Landesverwaltungs-gericht ist daher nicht berechtigt, aus Anlass des Rechtsmittels eines Nachbarn andere Fragen als Fragen der Verletzung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte aufzugreifen (vgl. u.a. VwGH 21.02.1984, 82/05/0158; VwGH 29.09.2015, 2013/05/0179).
Im gegenständlichen Fall ist mangels von behördlich gesetzte Verfahrensschritten, die die Erhebung von Einwendungen bei sonstigem Verlust der Parteistellung vorgesehen haben, von einer aufrechten Parteistellung der zum Betriebsgrundstück der Konsenswerberin unmittelbar benachbarten Beschwerdeführerin und somit von der Zulässigkeit der Beschwerde auszugehen.
Daran anknüpfend ist des Weiteren festzuhalten, dass auch zufolge des § 27 VwGVG das Verwaltungsgericht den bekämpften Bescheid nur im angefochtenen Umfang, das heißt nur hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte und der Beschwerdebegründung zu prüfen hat, wobei „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides bildet (vgl. VwGH 03.08.2016, Ro 2016/07/0008). Die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist – wie bereits ausgeführt - allerdings durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt.
Aus gewerberechtlicher Sicht ist unstrittig, dass es sich bei dem gegenständlichen Projekt um eine gewerberechtlich genehmigungspflichtige Betriebsanlage handelt.
Im konkreten Fall ist die Beschwerdeführerin als Nachbar im Sinne der Gewerbeordnung 1994 zu qualifizieren, grenzt doch das Grundstück mit ihrer Betriebsanlage an jenes an, auf welchem das von der Konsenswerberin eingereichte Projekt umgesetzt werden soll, weshalb die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin durch die Errichtung oder den Betrieb dieser Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder in ihrem Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten gefährdet werden könnte, nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann.
Es ist daher zu prüfen, ob mit Blick auf die erhobene Beschwerde und das dazu erstattete Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2021 eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten vorliegt oder möglich sein kann.
Was das Vorbringen in der Beschwerde zum Retentionsbecken und zur damit in Verbindung stehenden Oberflächenentwässerung des Betriebsgrundstückes der Konsenswerberin anlangt, ist auf das auf dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen aufbauende Beweisergebnis zurückzugreifen. Demnach werden die anfallenden Niederschlagswässer gesammelt und sodann gedrosselt in den öffentlichen Regenwasserkanal abgeleitet, wobei die befestigten Freiflächen über das Oberflächengefälle in begrünte Sammelmulden entwässern und von dort die Ableitung der Niederschlagswässer in ein Retentionsbecken, welches auf ein 100-jährliches Niederschlagsereignis bemessen wird, erfolgt; von dort erfolgt die weitere Ableitung über einen Drosselschacht in den öffentlichen Kanal.
Demnach kann eine Beeinträchtigung des Betriebsgrundstückes der Beschwerdeführerin durch die auf dem Betriebsgrundstück der Konsenswerberin anfallenden Regenwässer nach den Denkgesetzen der Logik ausgeschlossen werden.
Im Übrigen ist auch das diesbezügliche Vorbringen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung insoweit relativiert worden, als nur mehr auf eine Beeinträchtigung durch Oberflächenwässer im „unteren Bereich“ im Zuge der Bautätigkeit verwiesen worden ist. Damit wird allerdings kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht hinsichtlich der Betriebsanlage als solche geltend gemacht.
Was die im Beschwerdeverfahren ergänzend zur Beschwerde vorgebrachte Beeinträchtigung durch die „freie Einsehbarkeit vom Grundstück der Antragstellerin auf das Grundstück und in die Hallen der Beschwerdeführerin“ anlangt, wird ebenfalls nicht die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes geltend gemacht, ist doch einerseits das Betriebsgebäude im baurechtlich gebotenen Abstand zum Grundstück der Beschwerdeführerin und mit einer nach den Bauvorschriften zulässigen Gebäudehöhe vorgesehen und besteht andererseits kein Rechtsanspruch eines anrainenden Grundstückseigentümers auf einen - offenbar gewünschten - vollständigen Sichtschutz auf das eigene Grundstück. Daran ändern auch die befürchteten wirtschaftlichen Nachteile infolge des Verlustes von Aufträgen wegen einer diesem Umstand zugeschriebenen nicht mehr vollständig zu gewährleistenden Geheimhaltung von Tätigkeiten auf dem Areal oder in den Hallen der Beschwerdeführerin nichts.
Von der Beschwerdeführerin wird des Weiteren geltend gemacht, es liege eine unzulässige Bebauung vor, da die Halle auf dem Grundstück der Konsenswerberin aufgrund des bestehenden Niveauunterschiedes zum eigenen Betriebsgebäude mit rund 1,6 m zu hoch (ausgeführt) sei. Insoweit weiche die gegenständliche Bebauung von den Einreichunterlagen ab, in denen eine Niveaudifferenz von 40 cm bis 50 cm vorgesehen sei, wogegen sich die Beschwerdeführerin nicht ausgesprochen hätte (vgl. Schriftsatz „Ergänzendes Vorbringen“ vom 30.11.2021).
Schon im Hinblick darauf, dass es sich bei dem gegenständlichen Verfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, bei welchem ausschließlich das eingereichte Projekt zu beurteilen ist, welches von der Niveaugestaltung her ausdrücklich nicht beanstandet wird, geht dieses Vorbringen ins Leere. Zudem wird mit diesem Vorbringen kein nach der Gewerbeordnung 1994 eingeräumtes subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend gemacht.
Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Ausführungen in der Beschwerde (E-Mail vom 11.01.2021, auf welches im Beschwerde-Mail vom 21.01.2021 verwiesen wird) „zum ASV der Verkehrstechnik“.
Soweit damit aus verkehrstechnischer Sicht eine Abklärung bezüglich der Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs mit öffentlichen Straßen verlangt wird und in diesem Zusammenhang auf einen permanenten Rückstau auf der Straße *** im Bereich der Einfahrt zum *** verwiesen wird, werden keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht. Vielmehr ist es ausschließlich Aufgabe der Behörde, dafür zu sorgen, dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr – dies betrifft auch die Zu- und Abfahrt zum dort situierten *** - hintangehalten wird. Der Gemeinde kommt in diesem Zusammenhang zum Schutz dieser öffentlichen Interessen gemäß § 355 GewO ein Anhörungsrecht zu, nicht aber dem Nachbarn der Betriebsanlage.
Somit hat das durchgeführte Beweisverfahren im Hinblick auf die eingebrachte Beschwerde und das im Zuge des Rechtsmitteverfahrens ergänzte Beschwerdevorbringen keine Gefährdung oder Beeinträchtigung von in § 74 Abs. 2 GewO eingeräumten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten ergeben, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis war nicht zuzulassen, da durch die vorliegende Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes abgewichen wird, sich die Entscheidung vielmehr auf die zitierte Judikatur des Gerichtshofes stützt und im Übrigen auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen ist.
Schlagworte
Gewerberecht; Betriebsanlage; Generalgenehmigung; Nachbar; subjektiv-öffentliches Recht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.193.001.2021Zuletzt aktualisiert am
14.02.2022