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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Durch den Ausspruch in E v 01.07.94, G92,93/94, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, wurde die Anlaßfallwirkung (Art140 Abs7 B-VG) dahin erweitert, daß diese Gesetzesbestimmung auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Das gilt auch für Beschwerdeverfahren, die beim Verfassungsgerichtshof selbst anhängig sind.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seines Rechtsvertreters, die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Bundesminister für Inneres (BMI) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen, oben näher zitierten Bescheid, gestützt auf das Asylgesetz 1991, BGBl. 8/1992, den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag ab.
Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerden am 9. März 1994 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des Wortes "offenkundig" in §20 Abs2 AsylG 1991 von Amts wegen zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G92,93/94, hob er die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig auf und verfügte, daß diese nicht mehr anzuwenden ist.
2. Durch den zuletzt erwähnten Ausspruch wurde die Anlaßfallwirkung (Art140 Abs7 B-VG) dahin erweitert, daß diese Gesetzesbestimmung auch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Das gilt auch für Beschwerdeverfahren, die beim Verfassungsgerichtshof selbst anhängig sind.
Daraus folgt, daß hier eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes vorliegt, weil die Behörde bei ihrer Entscheidung die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung anzuwenden hatte und es nach Lage des Falles offenkundig oder nicht von vornherein ausgeschlossen - aber vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht im einzelnen zu prüfen - ist, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (vgl. z.B. VfSlg. 12954/1991, 13055/1992).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1988.1993Dokumentnummer
JFT_10058996_93B01988_00