TE OGH 2021/11/23 4Ob119/21k

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin L* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen die Beklagte Eigentümergemeinschaft L*, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, und der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite W* GmbH, *, vertreten durch Mag. Nora Huemer-Stolzenburg, Rechtsanwältin in Wien, wegen 215.066,99 EUR sA, über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Februar 2021, GZ 13 R 175/20f-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Oktober 2020, GZ 18 Cg 116/19i-14, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]            Das Haus der beklagten Eigentümergemeinschaft wurde von der Nebenintervenientin verwaltet. Diese beauftragte das klagende Bauunternehmen mit der Neuherstellung der Dachkonstruktion samt Isolierung. Wenige Tage danach erteilte die Mehrheit der Eigentümer der Nebenintervenientin die Weisung, die der Klägerin beauftragten Arbeiten nicht durchführen zu lassen. Da die Weisung aus Sicht der Nebenintervenientin rechtswidrig war, legte sie die Hausverwaltervollmacht zurück. Die Klägerin war vertragsgemäß leistungsbereit.

[2]            Die Klägerin begehrt von der Beklagten gemäß § 1168 Abs 1 ABGB die Zahlung von 215.066,99 EUR, das sind 36,04 % der Gesamtauftragssumme. Ungeachtet dessen, dass ihre Ersparnis von der Beklagten zu beweisen sei, mache sie lediglich den von ihr kalkulierten Deckungsbeitrag geltend. Da die Klägerin somit nicht das gesamte vereinbarte Entgelt begehre, sei § 27a KSchG nicht anwendbar.

[3]            Die Beklagte und die Nebenintervenientin wendeten unter anderem ein, die Klägerin habe einen allfälligen Umsatzentgang durch andere Aufträge ausgleichen können. Sie sei gemäß § 27a KSchG zur Mitteilung über ihre Ersparnis und über einen Erwerb durch anderweitige Verwendung verpflichtet. Eine solche Mitteilung sei unterblieben, der begehrte Prozentsatz werde aufzuschlüsseln und zu substanziieren sein. Es fehle eine konkrete Berechnung, Aufstellung der einzelnen Positionen oder Begründung. Die Klägerin sei ihrer Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen, der Anspruch sei daher nicht fällig.

[4]            Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme eines unangefochten abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens statt. Im Zeitpunkt der Auftragsvergabe an die Klägerin sei die Nebenintervenientin die rechtswirksam bestellte Hausverwalterin der Beklagten gewesen. Dem Verwalter einer Eigentümergemeinschaft stehe aufgrund der Formalvollmacht des § 20 Abs 1 WEG im Außenverhältnis die uneingeschränkte (auch außerordentliche Maßnahmen der Verwaltung umfassende) Vertretungsbefugnis zu. Die Klägerin habe ein bindendes Angebot über die Arbeiten vorgelegt und die Nebenintervenientin habe namens der Beklagten den Auftrag entsprechend diesem Angebot erteilt, sodass der Vertrag zustande gekommen sei. Der Grund dafür, dass die Ausführung der beauftragten Arbeiten unterblieben sei, liege ausschließlich in der Sphäre der Beklagten, weil die Mehrheit der Wohnungseigentümer den Auftrag durch entsprechende Weisung an die Nebenintervenientin blockiert habe. Mache der Werkunternehmer einen Anspruch nach § 1168 ABGB geltend, so habe der Besteller zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer im Fall der Nichtausführung des Werks als Ersparnis anrechnen lassen müsse. Der Umstand, dass ein Werkunternehmer den Einwand des Werkbestellers vorweggenommen habe und nur einen Teil des vereinbarten Werklohns begehre, enthebe den Werkbesteller nicht von seiner Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Werkunternehmer durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart habe. In Einschränkung dieser Regel normiere § 27a KSchG, dass der Werkunternehmer verpflichtet sei, dem Verbraucher die Gründe mitzuteilen, warum er sich infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Da die beklagte Eigentümergemeinschaft nach der Judikatur Verbraucherin sei, finde grundsätzlich das KSchG Anwendung. Allerdings setze § 27a KSchG voraus, dass der Unternehmer trotz Unterbleibens der Ausführung des Werks das gesamte ursprünglich vereinbarte Entgelt verlange. Vorliegend begehre die Klägerin aber nur etwa ein Drittel des vereinbarten Werklohns, weshalb § 27a KSchG nicht anwendbar sei. Es bleibe bei der Behauptungs- und Beweislast der Beklagten dafür, was die Klägerin sich anrechnen lassen müsse. Konkretes Vorbringen dazu habe die Beklagte nicht erstattet. Es sei daher davon auszugehen, dass der begehrte Betrag gerechtfertigt sei.

[5]            Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge Berufung der Beklagten im stattgebenden Teil auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Durch die Einführung des § 27a KSchG habe sich an der Behauptungs- und Beweislast des Werkbestellers für die Umstände, die den Entgeltanspruch des Werkbestellers nach § 1168 Abs 1 ABGB reduzieren, nichts geändert. Allerdings habe der Gesetzgeber mit dieser Regelung die Situation für den Verbraucher und Werkbesteller verbessern wollen, da dieser kaum Einblick in die Branche des Werkunternehmers und den Geschäftsgang seines Vertragspartners habe. Die Bestimmung statuiere eine Verpflichtung des Unternehmers zur Information des Bestellers. Er habe ihm die Umstände bekannt zu geben, denen zufolge er sich durch den Ausfall nichts erspart habe, etwa wenn er die für die Werkleistung nötigen Materialien bereits besorgt habe und diese nicht anderweitig verwenden könne. Aufklärungspflichtig sei der Werkunternehmer auch dahingehend, dass er durch eine anderweitige Verwendung nichts erworben habe und dass er es nicht mit Absicht verabsäumt habe, durch eine anderweitige Verwendung etwas zu erwerben. Anders als das Erstgericht hielt das Berufungsgericht § 27a KSchG auf den vorliegenden Fall für anwendbar: Mit der Geltendmachung von rund 36 % des vereinbarten Werklohns werde ein durchaus erheblicher Entgeltteil begehrt, und bei der Beklagten bestehe jene Beweisproblematik, deren Erleichterung durch § 27a KSchG intendiert sei, ebenso wie im Fall einer Einklagung des gesamten Werklohns. Ob die Klägerin ihrer Informationspflicht bislang entsprochen habe, könne anhand des Akteninhalts nicht eindeutig beurteilt werden. Zum Begehren des „kalkulierten Deckungsbeitrags“, der angeblich durch die „Detailkalkulation der Klägerin belegt“ sei und aus einer „über hundertseitigen Kalkulation“ resultiere, sei weder eine Aufschlüsselung erfolgt noch seien Unterlagen vorgelegt worden. Ebensowenig habe die Klägerin der Beklagten im Verfahren substanziierte Informationen darüber erteilt, inwiefern sie anstelle des abbestellten Auftrags keine anderen Werkverträge eingegangen sei und aus welchen Gründen ihr nicht ein anderweitiger Erwerb möglich gewesen wäre. Wegen der angenommenen Irrelevanz sei im Verfahren auch nicht erörtert worden, welche Informationen iSd § 27a KSchG die Klägerin der Beklagten womöglich bereits außerhalb des Verfahrens erteilt habe; Feststellungen hierzu lägen nicht vor. Demnach sei auch ein sekundärer Feststellungsmangel verwirklicht, der im Berufungsverfahren einer Klagsabweisung mangels Fälligkeit entgegenstehe. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über die von der Klägerin an die Beklagte erteilten Informationen zu treffen und daraus folgend die Erfüllung der Informationspflicht iSd § 27a KSchG zu beurteilen haben. Im Übrigen erachtete das Berufungsgericht die (vom Erstgericht unter Anwendung des § 179 ZPO abgelehnte) Einvernahme eines Zeugen sowie die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einvernahme eines weiteren Zeugen für geboten. Zu allen Beweismitteln habe die Beklagte relevante Beweisthemen genannt, nämlich eine konkrete Ersparnis bzw einen verabsäumten Erwerb iSd § 1168 ABGB, sie seien erheblich und die vom Erstgericht behauptete Verspätung liege nicht vor. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei wegen divergenter höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung des § 27a KSchG zulässig.

[6]       Gegen diese Entscheidung richtet sich der – von der Beklagten und der Nebenintervenientin beantwortete – Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[7]       Der Rekurs ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[8]       1. Auch im Rekursverfahren nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz (RS0043814). Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht (hier: dass der Klägerin der Entgeltanspruch nach § 1168 ABGB nur insoweit zusteht, als sie sich nicht infolge Unterbleibens der Arbeit etwas erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat) nicht zu beanstanden oder wird sie – wie hier – vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179 [T22]). Wenn der Rekurs daher über weite Strecken bloß bestreitet, dass es der Aufhebung bedurft habe, da das Erstgericht ohnedies ein mängelfreies Verfahren abgeführt habe, ist darauf nicht einzugehen. Das gilt auch für die Frage, ob die vom Erstgericht ausgesprochene Zurückweisung eines Beweisantrags zutreffend war.

[9]       2. Die vom Berufungsgericht formulierte und auch im Rekurs aufgegriffene Zulassungsfrage behandelt die Anwendbarkeit des § 27a KSchG in Fällen, in denen der Werkunternehmer nicht das gesamte Entgelt, sondern nur einen um (bestimmte) Ersparnisse und Einkünfte aus anderweitigem Erwerb verminderten Teil davon geltend macht. Dass die beklagte Eigentümergemeinschaft als Verbraucher iSd KSchG zu qualifizieren ist, ist ohnehin unstrittig (vgl auch RS0117843).

[10]     2.1. Grundsätzlich ist es nicht Sache des leistungsbereiten Werkunternehmers, der bei Unterbleiben der Werkausführung aus Gründen in der Sphäre des Bestellers seinen Werklohn einklagt, zu behaupten, dass er sich durch das Unterbleiben der Arbeit nichts erspart habe und auch nichts durch anderweitige Verwendung erworben habe, vielmehr ist es Sache des Bestellers, Einwendungen in dieser Richtung zu erheben (RS0021841). Der Umstand, dass der Kläger den Einwand des Beklagten vorweggenommen und nur einen Teil des vereinbarten Werklohns eingeklagt hat, enthebt den Beklagten nicht von seiner Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Kläger durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart hat (RS0112187 [T2]).

[11]     2.2. Im Anwendungsbereich des KSchG (zu Analogieüberlegungen vgl Löwenthal/Philadelphy in Keiler/Klauser, Verbraucherrecht², § 27a KSchG Rz 6) bestimmt allerdings § 27a:

Ist die Ausführung eines Werkes unterblieben und verlangt der Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt (§ 1168 Abs 1 ABGB), so hat er dem Verbraucher die Gründe dafür mitzuteilen, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

[12]     3.1. In der Entscheidung 1 Ob 268/03y [Pkt 2.6] wurde die Vereinbarung der dort eingeklagten Stornogebühr als pauschaliertes Reugeld qualifiziert und § 1168 Abs 1 ABGB unterstellt. Zu der hier interessierenden Frage wurde ausgeführt, dass § 27a KSchG nach seinem Wortlaut den Entgeltanspruch des Werkunternehmers gemäß § 1168 Abs 1 ABGB insgesamt erfasse. Sei danach § 27a KSchG auf das gesamte „vereinbarte“ Entgelt anzuwenden, so müsse diese Bestimmung auch anwendbar sein, wenn nur ein Teil des „vereinbarten“ Entgelts begehrt wird; diesfalls könne es ebenso zur Abweisung des Klagebegehrens kommen, wenn es der Unternehmer etwa absichtlich versäumt haben sollte, das für die Ausführung des Werks vereinbarte Entgelt durch „anderweitige Verwendung“ zu verdienen. Dort war eine Stornogebühr von 40 % des ursprünglichen Werklohns vereinbart worden.

[13]     3.2. In der Entscheidung 8 Ob 131/17y [Pkt 7.3.] wurde hingegen vertreten, die Anwendbarkeit des § 27a KSchG setze – wie sich aus den Materialien ergebe – voraus, dass der Unternehmer das gesamte vereinbarte Entgelt verlange. Um Umgehungen des § 27a KSchG hintanzustellen, könnte es allenfalls der Einforderung des gesamten Entgelts gleichgehalten werden, wenn der Unternehmer vom Besteller einen Betrag fordere, der nur unwesentlich unter dem vereinbarten Werklohn liege. Begehre ein Werkunternehmer hingegen (wie dort) gerade einmal 10 % des vereinbarten Werklohns, sei § 27a KSchG jedenfalls unanwendbar.

[14]     4. Der Senat schließt sich der zu 1 Ob 268/03y vertretenen Rechtsansicht an.

[15]     4.1. Soweit die Rekurswerberin vorträgt, 8 Ob 131/17y habe sich auf „zahlreiche Veröffentlichungsstellen“ stützen können (womit sie offenbar auf eine breite Akzeptanz der dort vertretenen Ansicht in der Lehre aufmerksam machen möchte), ist dem nicht vorbehaltlos zuzustimmen. Die als Primärquelle für die Ansicht, § 27a KSchG setze voraus, dass der Unternehmer das gesamte vereinbarte Entgelt verlange, angeführte Kommentierung von Kolba (in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 27a Rz 4) nimmt nicht zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Norm, sondern zur (verneinten) Frage der Beweislastverschiebung, also den Rechtsfolgen, Stellung. Es wird ausgeführt, der Unternehmer habe auf Einwand des Verbrauchers substanziiert darzulegen, wieso er „das (gesamte) ursprünglich vereinbarte Entgelt verlange“. Aus der Verwendung von Klammern ist zudem nicht abzuleiten, dass der Unternehmer nach Kolbas Ansicht bei nur teilweiser Einklagung keine Aufklärung schulde.

[16]     Auch die im Rekurs weiters angegebenen Quellen sind im Zusammenhang mit der hier zu lösenden Rechtsfrage nicht aussagekräftig. Eccher (in Klang3 § 27a KSchG Rz 2) nimmt zur konkreten Frage ebenso wenig ausdrücklich Stellung wie Apathy (in Schwimann/Kodek4 § 27a KSchG Rz 3), der im Wesentlichen nur die Materialien zitiert und auf 1 Ob 268/03y verweist. Lediglich Krejci (in Rummel3 § 27a KSchG Rz 3) spricht im selben Zusammenhang wie Kolba vom „gesamten“ Entgelt, allerdings ohne das vorliegende Problem erkennbar zu reflektieren. Die jüngere Literatur referiert 8 Ob 131/17y ohne eine konkrete, eigene Stellungnahme dazu (etwa Donath in Schwimann/Neumayr, Taschenkommentar5, § 27a KSchG Rz 2; Kathrein/Schoditsch in KBB6, § 27a KSchG Rz 2).

4.2. In den Materialien (ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 30 f) wird ausgeführt:

Gerade bei Verbrauchergeschäften führt diese Rechtslage [Anm.: Behauptungs- und Beweislast des Bestellers] oftmals zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil der Besteller kaum Einblick in die Branche und den Geschäftsgang seines Vertragspartners hat. Der vorgeschlagene § 27a KSchG verhält nun den Unternehmer im Sinne einer ausgewogenen Pflichtenverteilung dazu, dem Verbraucher die Umstände dafür bekanntzugeben, dass er sich durch den Ausfall nichts erspart hat, dass er durch eine anderweitige Verwendung nichts erworben hat und dass er es schließlich nicht verabsäumt hat, durch eine anderweitige Verwendung etwas zu erwerben. Diese vertragliche Nebenpflicht des Unternehmers wird im Prozess für sich allein noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Unternehmers bewirken, wie noch im Begutachtungsentwurf vorgesehen wurde. Verletzt der Unternehmer aber seine in § 27a KSchG festgelegte Verpflichtung, so wird er spätestens im Prozess auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers hin substanziiert darzulegen haben, aus welchen Gründen er am vereinbarten Entgelt festhalten will.

[17]     4.3. Der Umstand, dass die Materialien darauf Bezug nehmen, dass sich der Unternehmer „nichts erspart … nichts erworben hat“ bzw „nicht versäumt hat … etwas zu erwerben“, – worauf auch 8 Ob 131/17y Bezug zu nehmen scheint – könnte zwar die Ansicht stützen, der Unternehmer habe nur dann Aufklärung zu leisten, wenn er sich gar keine Ersparnis und gar keinen anderen Verdienst anrechnen lassen will. Davon ist aber aus mehreren Gründen nicht auszugehen:

[18]     (a) Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Unternehmer die Gründe dafür mitzuteilen, dass „er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat“. Der Unternehmer hat daher über alle drei Varianten des § 1168 Abs 1 ABGB Aufklärung zu geben. Gibt der Werkunternehmer etwa zu, dass er sich infolge des Unterbleibens der Werkausführung Materialkosten von beispielsweise 40 % erspart hat und klagt daher nur 60 % ein, entbindet ihn dies nicht von der Darlegungspflicht, warum er es nicht (zusätzlich) verabsäumt haben könnte, etwas anderes zu erwerben bzw einen anderen Auftrag zu akquirieren.

[19]     (b) Klar dokumentierter Zweck des § 27a KSchG ist der Ausgleich eines Informationsdefizits des Verbrauchers, der „kaum Einblick in die Branche und den Geschäftsgang seines Vertragspartners hat“. Dieses Informationsdefizit besteht aber auch dann fort, wenn der Unternehmer zwar freiwillig eine Anrechnung in gewisser Höhe vorgenommen, jedoch nicht – wie in § 27a KSchG ausdrücklich gefordert – die Gründe dafür mitgeteilt hat. Denn für den Verbraucher ist dann nicht überprüfbar, ob diese freiwillige Anrechnung auf einigermaßen realistischen Grundlagen fußt.

[20]           (c) Wie bereits in 1 Ob 268/03y dargelegt und auch in der zitierten Literatur vertreten, bezieht sich § 27a KSchG unstrittig auf das „gesamte“ vereinbarte Entgelt. Daraus ist nun aber nicht der Schluss zu ziehen, dass er nur anwendbar wäre, wenn der Unternehmer das gesamte vereinbarte Entgelt „verlangt“. Vielmehr schuldet der Unternehmer die Aufklärung eben hinsichtlich des gesamten Entgelts, auch wenn er nur einen Teil davon begehrt.

[21]     4.4. Die Frage des Einflusses von § 27a KSchG auf die Fälligkeit des Werklohns wurde in 1 Ob 268/03y geklärt. In dieser Entscheidung wurde darin auch zum Umfang der Informationspflicht Stellung genommen. 8 Ob 131/17y steht dieser Entscheidung (insoweit) nicht entgegen. Sie findet auch in der Literatur durchwegs Zustimmung (Eccher in Klang3 § 27a KSchG Rz 3; Apathy in Schwimann/Kodek4 § 27a KSchG Rz 4; Kathrein/Schoditsch in KBB6 § 27a KSchG Rz 2). Einer weiteren Vertiefung dieser Frage, die auch im Rekurs nicht bestritten wird, bedarf es daher nicht (vgl RS0103384).

[22]           5. Zusammenfassend ist daher der Rechtsansicht des Berufungsgerichts beizutreten. Dem Rekurs der Klägerin ist somit nicht Folge zu geben.

[23]           6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E133805

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00119.21K.1123.000

Im RIS seit

14.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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