Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1244Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1.) der I R, und 2.) des N R, beide in W und vertreten durch den Vater D R, dieser vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 18. September 1995, 1.) Zl. 303.027/3-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), und 2.) Zl. 303.027/2-III/11/95 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) jeweils vom 18. September 1995 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien bekämpfen den jeweils sie betreffenden Bescheid wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden - nach deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung auf Grund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen:
Die belangte Behörde ging jeweils davon aus, daß die beschwerdeführenden Parteien zusammen mit ihren Eltern in einer 27,45 m2 großen Wohnung leben würden. Da die Kinder über keinen eigenen räumlich abgetrennten Schlafraum verfügten, liege - insoweit ist der belangten Behörde zu folgen - eine für Inländer ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG nicht vor. Die gemäß Art. 8 Abs. 1 MRK vorzunehmende Interessenabwägung ergebe im Fall der beschwerdeführenden Parteien, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen sei, da keine für Inländer ortsübliche Unterkunft im Bundesgebiet vorhanden sei. Bezüglich der privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien sei im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 MRK anzuführen, "daß im AufG eine besondere Berücksichtigung auf diese wichtige und sensible Materie normiert wurde, wodurch eine besondere Abwägung der individuellen Verhältnisse vom Gesetzgeber ebenfalls gefordert wurde". Es sei - so die belangte Behörde weiter - davon auszugehen, "daß nach der Durchschnittsbetrachtung der für das Bundesland Wien ortsüblichen Wohnverhältnisse (die) im Verfahren angegebene Unterkunft nicht der Ortsüblichkeit entspricht. Diese Erwägung hat auch die Behörde erster Instanz bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit im Bundesland Wien herangezogen."
Soweit die beschwerdeführenden Parteien vor dem Verwaltungsgerichtshof vorbringen, daß nur drei Personen in der hier gegenständlichen Wohnung lebten, da die Mutter ausgezogen sei, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung. Die belangte Behörde konnte auf Grund der im Akt erliegenden Meldezettel davon ausgehen, daß (auch) die Mutter der beschwerdeführenden Parteien mit diesen zusammen lebe (insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall von dem Sachverhalt, der dem hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1040, zugrundelag).
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich jedoch aus einem anderen Grunde als inhaltlich rechtswidrig. Die belangte Behörde hatte bei Heranziehung des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936 mwN). Das gilt auch für die hier vorliegenden "Erstanträge", da die beschwerdeführenden Parteien die Familienzusammenführung mit ihren in Österreich aufhältigen Eltern (die nach dem Beschwerdevorbringen eine Aufenthaltsbewilligung bis 1997 haben) anstreben (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1995, B 1599/94, u.a.).
Die belangte Behörde hat aber insoweit nur ausgeführt, daß die öffentlichen Interessen die privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien überwögen, da eine ortsübliche Unterkunft nicht gesichert sei. Die belangte Behörde hat mit dieser Begründung nur den von ihr herangezogenen Versagungsgrund erneut ins Treffen geführt, ohne aber darzulegen, welche Interessen der beschwerdeführenden Parteien zu berücksichtigen seien und welches Gewicht diesen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen zukäme. Die belangte Behörde hat auch nicht näher dargelegt, welche öffentlichen Interessen durch den herangezogenen Abweisungsgrund geschützt seien und welches Gewicht diesen - im Verhältnis zu den familiären und privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien - zukäme. Die belangte Behörde hat daher in Wahrheit keine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung vorgenommen.
Auf das jeweilige weitere Beschwerdevorbringen war daher nicht mehr einzugehen.
Die angefochtenen Bescheide waren aus den dargelegten Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war jeweils abzuweisen, da die Vorlage weiterer Urkunden außer einer Abschrift (Kopie) des angefochtenen Bescheides nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995191243.X00Im RIS seit
02.05.2001