TE Vwgh Beschluss 1996/9/19 96/07/0129

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über den Antrag des W in U, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Mai 1996, Zl. Senat-GF-95-018, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Mai 1996 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 137 Abs. 3 lit. g in Verbindung mit § 32 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- verhängt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22. Mai 1996 zugestellt. Die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde endete demnach mit 3. Juli 1996.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine am 4. Juli 1996 zur Post gegebene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen Antrag begründete er wie folgt:

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe die Beschwerde gegen Mittag des letzten Tages der Frist, dem 3. Juli 1996, seinem Sekretariat nach Tonbanddiktat zum Schreiben gegeben. Nach einigen Korrekturen sei der Beschwerdeschriftsatz kurz vor 20 Uhr unterfertigt und zur Postaufgabe bereit gewesen. Eine namentlich genannte Kanzleiangestellte des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, die sich als höchst verläßliche Kanzleikraft erwiesen habe, sei nach dem vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verfügten Organisationsschema, das sich seit 14 Jahren bewährt habe, beauftragt, Fristsachen nach Annahmeschluß (19 Uhr) des unmittelbar benachbarten Postamtes nnn1 W persönlich zum durchgehend geöffneten Postamt in nnn2 W, Postzentrum Bahnhof zu bringen und dort verläßlich nach Dienstschluß rekommandiert aufzugeben. Diese Vorgangsweise sei vom Beschwerdeführervertreter regelmäßig überwacht und kontrolliert worden und es habe diesbezüglich nie Anstände gegeben. Am 3. Juli 1996 um 20.15 Uhr sei die Kanzleiangestellte in das dem Arbeitszimmer des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers unmittelbar benachbarte Konferenzzimmer getreten und habe dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, der gerade intensiv mit der Installation einer neuen Software an seinem Computer beschäftigt gewesen sei, zugerufen, daß sie die Kanzlei nun verlasse und die Post am Kanzleikalender liege. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe, in die komplexe und konzentrationsintensive Arbeit am Computer vertieft, lediglich die Grußbotschaft, nicht aber den Umstand wahrgenommen, daß die Kanzleiangestellte aus privaten Gründen wegen der fortgeschrittenen Zeit ausnahmsweise entgegen dem normalen Organisationsablauf die Post nicht selbst zum Postamt Bahnhof bringen könne und dies durch die Formulierung "die Post liege am Kanzleikalender", mitzuteilen suche. Infolge weiterer komplexer Installationsprobleme habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers intensiv, ohne sein Arbeitszimmer zu verlassen, bis 4. Juli 1996, ca. 1.15 Uhr an den einschlägigen Computerproblemen gearbeitet. Als er unmittelbar danach den Sekretariatsraum, in dem sich der große Kanzleivormerkkalender befinde, betreten habe und auf diesem die gesamte kuvertierte und mit vorbereiteten Aufgabescheinen versehene Ausgangspost des Vortages wahrgenommen habe, sei das gegenständliche Fristversäumnis offenkundig geworden. Auf Grund der undeutlichen Botschaft der Angestellten einerseits und der ersichtlichen bestehenden Ablenkung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers habe das gegenständliche Mißverständnis und damit die Fristversäumnis eintreten können, sodaß äußerstenfalls ein Versehen minderen Grades vorliege.

Das Vorbringen ist durch die Mitunterfertigung des Antrages durch die Kanzleibedienstete hinlänglich bescheinigt.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Verschulden des Parteienvertreters ist einem Verschulden der Partei gleichzuhalten. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Versehen anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat.

Auf dem Boden dieser Rechtslage geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist vorliegen, weshalb dem Antrag stattzugeben war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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