TE Vwgh Beschluss 2022/1/17 Ra 2021/09/0169

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Veröffentlicht am 17.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwalt in 3500 Krems an der Donau, Gartenaugasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. Mai 2021, LVwG-Q-6/001-2021, betreffend Absonderung nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Krems an der Donau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Mandatsbescheid vom 30. März 2021 ordnete der Bürgermeister der Stadt Krems an der Donau (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) unter Bezugnahme auf die §§ 1, 6, 7 und 43 Abs. 4 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), §§ 1, 2, 4 und 5 der Verordnung betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl. Nr. 39/1915, sowie § 57 Abs. 1 AVG gegenüber dem Revisionswerber aufgrund seiner möglichen Ansteckung mit der Lungenerkrankung COVID-19 (SARS-CoV-2-Virus) dessen Absonderung von 29. März 2021 bis 10. April 2021 an dessen Wohnadresse, einer näher bezeichneten Abteilung einer Strafvollzugsanstalt, an.

2        Über die dagegen vom Revisionswerber erhobene Vorstellung änderte die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. April 2021 den Absonderungszeitraum auf 27. März 2021 bis 10. April 2021 ab und präzisierte die Anordnung der Absonderung dahingehend, dass diese ohne Kontaktmöglichkeit zu anderen Personen zu erfolgen habe.

3        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, er habe sich von 24. bis 29. März 2021 infolge eines Krankenhausaufenthalts in einer von der Anstaltsleitung angeordneten Einzelhaft befunden. Ein Kontakt zu einer positiv getesteten Person am 27. März 2021 sei nicht möglich gewesen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diese Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Beginn des Absonderungszeitraums mit 29. März 2021 festgelegt wurde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

5        Das Landesverwaltungsgericht stellte dazu zusammengefasst fest, dass der Revisionswerber bis 29. März 2021 keinen Kontakt zu anderen Strafgefangenen hätte haben können. Bereits am 27. März 2021 sei eine behördliche Testung sämtlicher Strafgefangener dieser Abteilung erfolgt. Am 29. März 2021 habe sich der Revisionswerber im Zeitraum 8:00 Uhr bis 13:30 Uhr zeitweilig im offenen Wohngruppenvollzug der Abteilung befunden, in dem sich während dieses Zeitraums auch der am 27. März 2021 positiv getestete Mithäftling aufgehalten habe. Das positive Testergebnis sei am 29. März 2021 um 13:28 Uhr an die Abteilung weitergeleitet worden, die um 13:30 Uhr wieder geschlossen worden sei.

6        Weil sowohl der Revisionswerber wie auch die positiv getestete Person am 29. März 2021 zwischen 8:00 Uhr und 13:30 Uhr zumindest vorübergehend im offenen Wohngruppenvollzug der Abteilung anwesend gewesen seien - so führte das Landesverwaltungsgericht rechtlich aus - sei der Revisionswerber als Hochrisikokontaktperson (Kontaktperson der Stufe I) einzustufen. Dies auch deshalb, weil der infizierte Mithäftling aufgrund der PCR-Testung vom 27. März 2021 als hochinfektiös zu beurteilen gewesen sei (Ct-Wert von 14) und das infektiöse Zeitfenster für eine Übertragung jedenfalls am 29. März 2021 bestanden habe. Auch ohne unmittelbaren Kontakt habe allein schon aufgrund der Gefahr des Bestehens einer allfälligen Umgebungskontamination Ansteckungsgefahr bestanden.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Behandlung nicht eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11       In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es liege weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch des Verfassungsgerichtshofes zur Frage vor, ob schon alleine die Möglichkeit einer Umgebungskontamination die Verhängung einer Maßnahme rechtfertige, die eine Einschränkung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit zur Folge habe. Hier sei die Frage von Bedeutung, ob schon die rein abstrakte Möglichkeit einer Kontamination mit zwar an sich ansteckenden Keimen für eine Absonderung im Sinn des Epidemiegesetzes oder anderer Normen ausreiche, wenn aber die Möglichkeit infolge eindeutiger völliger Isolation nur rein theoretisch, aber nicht praktisch bestehe und daher de facto auszuschließen sei und nicht feststehe und auch nicht festgestellt werde, ob die für die Ansteckung erforderliche Dosis für eine Kontamination ausreichend gewesen wäre oder nicht.

12       Mit diesen Zulässigkeitsausführungen entfernt sich der Revisionswerber von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten und von ihm nicht bekämpften Sachverhalt, wonach er sich am 29. März 2021 in der Zeit von 8:00 Uhr bis 13:30 Uhr zeitweilig im offenen Wohngruppenvollzug befand und sich dort gleichzeitig der infizierte weitere Strafgefangene aufhielt. Von der zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage hängt eine Entscheidung über die Revision daher nicht ab.

13       So hat das Landesverwaltungsgericht die Einstufung des Revisionswerbers als Hochrisikokontaktperson und die damit verbundene Absonderung primär auf den gleichzeitigen Aufenthalt mit dem positiv getesteten und hoch infektiösen Mithäftling in der offenen Wohngruppe und den möglichen Kontakt mit diesem gestützt. Auf die ferner zur Argumentation herangezogene von einer Umgebungskontamination ausgehende mögliche Ansteckungsgefahr kommt es tragend daher nicht an. Vor diesem Hintergrund gelingt es dem Revisionswerber nicht, die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen.

14       Das Fehlen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage vermag schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0120).

15       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war diese gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090169.L00

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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