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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AuslBG §28 Abs7Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Ing. A B in C, vertreten durch Mag. Petra Laback, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 27/5/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Februar 2021, VGW-041/036/14441/2019-46, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 3. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin entgegen § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) am 26. November 2018 in 1160 Wien, sechs namentlich genannte serbische bzw. montenegrinische Staatsangehörige als Trockenbauer beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Der Revisionswerber habe in diesen sechs Fällen § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG sechs Geldstrafen von je € 3.000,-- (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen) verhängt wurden. Unter einem wurde ausgesprochen, dass das vom Revisionswerber vertretene Unternehmen für die über ihn verhängte Geldstrafe, die Verfahrenskosten und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Schuldfrage - mit der Maßgabe einer Konkretisierung der verletzten Verwaltungsvorschriften - keine Folge, setzte jedoch die Geldstrafen auf je € 2.000,-- herab und verminderte die Ersatzfreiheitsstrafen auf je zwei Tage. Es reduzierte den zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde zu leistenden Betrag und sprach die Haftung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung für die über den Revisionswerber verhängten Geldstrafen, Verfahrenskosten und sonstigen in Geld bemessenen Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand gemäß § 9 Abs. 7 VStG aus. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 In den Entscheidungsgründen stellte das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensablauf dar, indem es über weite Strecken von der Anzeige über das Beschwerdevorbringen bis zur Verantwortung des Beschuldigten und den Zeugenaussagen den Akteninhalt wörtlich wiedergab. Sodann folgt unter der Überschrift „Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen“ eine Darstellung maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ohne einen Zusammenhang zum konkreten Fall herzustellen. Daran schließt eine aus einem unauflösbaren Durcheinander aus Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtlichen Erwägungen bestehende Beurteilung des Falles an. Zuletzt wird unter einer eigenen Überschrift die Strafbemessung näher begründet.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
5 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision zunächst aufgrund eines im Fehlen jeglicher Feststellungen liegenden Begründungsmangels für gegeben an. Bereits mit diesem, mit näheren Belegstellen aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes untermauerten Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Die Revision ist auch begründet:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 9.7.2020, Ra 2020/09/0019, mwN; 28.6.2017, Ra 2016/09/0091).
7 Die (wörtliche) Wiedergabe von Zeugenaussagen, die nicht erkennen lässt, welchen Sachverhalt die belangte Behörde (oder hier: das Verwaltungsgericht) tatsächlich als erwiesen annimmt, kann die im jeweiligen Fall erforderliche Tatsachenfeststellung nicht ersetzen (VwGH 6.3.2008, 2007/09/0335, mwN).
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung, drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. (VwGH 24.2.2021, Ra 2020/03/0171, mwN).
9 Den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Entscheidungsbegründung wird das angefochtene Erkenntnis im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gerecht, weil dem angefochtenen Erkenntnis nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, welche Tatsachenfeststellungen das Verwaltungsgericht auf Basis welcher Beweiswürdigung getroffen und seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat.
10 Auch § 28 Abs. 7 AuslBG entbindet das Verwaltungsgericht nicht von seiner - angesichts der im Grunde des § 38 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 24 VStG geltenden, in § 37 erster Satz, § 39 Abs. 2, § 58 Abs. 2 und § 60 AVG vorgesehenen - Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, die dafür notwendigen Beweise aufzunehmen, ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren durchzuführen und seine Entscheidung schlüssig zu begründen (VwGH 25.4.2017, Ra 2017/09/0012, mwN).
11 Das Verwaltungsgericht hätte daher im konkreten Fall eindeutig festzustellen gehabt, wer die Ausländer für welche Arbeiten beschäftigte (allenfalls welche natürliche Person für welche juristische Person handelte) und allenfalls aufgrund welcher vertraglichen Verpflichtung der Beschäftiger zur Erbringung dieser Leistungen verhalten war. Gegebenenfalls sind auch Feststellungen zu einem Kontrollsystem zu treffen, sofern ein solches behauptet wird.
12 In einer von den Tatsachenfeststellungen getrennten Beweiswürdigung hat das Verwaltungsgericht jene Beweisergebnisse anzuführen, die es zu den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen veranlassten und es hat sich ferner mit den diesen Feststellungen entgegenstehenden Beweisergebnissen auseinanderzusetzen.
13 In einem letzten Schritt ist der festgestellte Sachverhalt unter die Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen zu subsumieren und die Ausmessung einer verhängten Strafe nachvollziehbar zu begründen.
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits wegen Fehlens nachvollziehbarer Feststellungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abzusehen.
16 Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Jänner 2022
Schlagworte
Allgemein Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beweise Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Ermittlungsverfahren Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090131.L00Im RIS seit
10.02.2022Zuletzt aktualisiert am
10.02.2022