TE Vwgh Beschluss 2022/1/19 Ra 2021/19/0436

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Veröffentlicht am 19.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Seiler, in der Revisionssache des A N G, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 16/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 2021, I401 2195736-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Benins, stellte am 5. August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei im Herkunftsstaat vom Besitzer eines Feldes bedroht worden, nachdem er versehentlich ein Feld in Brand gesetzt und sich das Feuer auf das andere Feld ausgebreitet habe.

2        Mit Bescheid vom 19. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Benin zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG hätte die persönlichen Umstände des Revisionswerbers und die Dauer seines Aufenthaltes bei seiner Beurteilung in Form einer Gesamtbetrachtung berücksichtigen müssen. Dem bei Einreise minderjährigen Revisionswerber könne nicht vorgeworfen werden, dass er keine Familie im Bundesgebiet habe. Freundschaftliche Beziehungen hätten an die Stelle von familiären Beziehungen treten müssen. Der Revisionswerber sei schon seit viereinhalb Jahren in Österreich. Es stelle sich die Frage, ob nicht aufgrund des jugendlichen Alters des Revisionswerbers in Verbindung mit der langen Aufenthaltsdauer „die Frage der Gewährung subsidiären Schutzes“ zu Gunsten des Revisionswerbers zu beurteilen sei.

8        Mit diesem Vorbringen wendet sich der Revisionswerber gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG.

9        Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 15.10.2021, Ra 2021/19/0353, mwN).

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 3.12.2021, Ra 2021/19/0186, mwN).

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von - wie vorliegend - weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt und in Fällen, in denen eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vorliegt, regelmäßig erwartet wird, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2020/19/0139, mwN).

12       Das BVwG berücksichtigte im Rahmen der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen und auch die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände, insbesondere den Erwerb von fortgeschrittenen Deutschkenntnissen, den Abschluss der Pflichtschule, die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten und den Aufbau eines Bekanntenkreises. Das BVwG kam zum Ergebnis, dass bei dem im Entscheidungszeitpunkt volljährigen Revisionswerber, der sich seit ca. viereinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhalte, von keiner über das übliche Maß hinausgehenden Integration auszugehen sei.

13       Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021190436.L00

Im RIS seit

09.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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