Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI J* B*, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm. G* N*, vertreten durch HULE BACHMAYR-HEYDA NORDBERG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.000.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2021, GZ 11 R 65/21s-15, womit das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 23. Februar 2021, GZ 6 Cg 104/20h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.290,20 EUR (darin 881,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Beklagte war für die Geschäftsjahre 1999 bis 2005 als Abschlussprüfer/Bankprüfer für die C* Aktiengesellschaft (im Folgenden: Aktiengesellschaft) tätig und stellte für die Jahresabschlüsse jeweils uneingeschränkte Bestätigungsvermerke aus.
[2] Der Kläger begehrt als Schadenersatz den Klagsbetrag mit dem wesentlichen Vorbringen, er habe der Aktiengesellschaft im August 2019 eine Termineinlage von 13 Mio EUR anvertraut. Danach sei über das Vermögen der Aktiengesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger werde deshalb seine Einlage nicht zurückerhalten. Er habe als indirekter Mehrheitseigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender eines Unternehmens in den 1990er Jahren Jahresabschlüsse der Aktiengesellschaft erhalten, die der Beklagte mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen habe. Hätte der Kläger gewusst, dass die Jahresabschlüsse zumindest seit 1999 massiv gefälscht gewesen seien, hätte er das Geld nicht für den Zeitraum von 8. August 2019 bis 30. August 2020 bei der Aktiengesellschaft veranlagt. Der Beklagte hätte bei sorgfältiger Prüfung die Bilanzmalversationen erkennen können und negative Prüfungsurteile abgeben müssen.
[3] Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass er die Abschlussprüfungen ordnungsgemäß durchgeführt habe. Allfällige Malversationen seien nicht erkennbar gewesen. Zudem stünden die Abschlussprüfungen in keinem Zusammenhang mit der Veranlagungsentscheidung des Klägers. Es fehle selbst nach dem Klagsvorbringen mangels Vertrauens des Klägers auf die Abschlüsse der Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Fehlverhalten und dem Schaden. Der Kläger habe nach der Klage seine Entscheidung nicht im Vertrauen auf die Jahresabschlüsse getätigt. Die Veranlagung des Klägers falle nicht in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Aktiengesellschaft und dem Beklagten. Der Anspruch des Klägers sei zudem verjährt.
[4] Der Kläger replizierte auf den Einwand des Beklagten, dass auch nach dem Klagsvorbringen der Kläger bei seiner Anlagenentscheidung nicht auf die Richtigkeit des Bestätigungsvermerks vertraut habe, dahin, dass das Verhalten des Beklagten für den Schaden sehr wohl kausal gewesen sei. Das gebotene negative Prüfurteil des Beklagten hätte nämlich zur Folge gehabt, dass die Behörden der Aktiengesellschaft den Geschäftsbetrieb untersagt hätten. In weiterer Folge wäre ein Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet worden. Dadurch hätte der Kläger im August 2019 der Aktiengesellschaft gar kein Geld mehr anvertrauen können.
[5] In der mündlichen Tagsatzung zur Streitverhandlung am 12. Jänner 2021 erörterte das Erstgericht das Klagsvorbringen und führte dazu auch Folgendes aus:
Der Vorsitzende gibt bekannt, dass er das Klagsvorbringen so versteht, dass die Kausalität darin liegen soll, dass die … [Aktiengesellschaft] zur Zeit der Veranlagung durch den Kläger nicht mehr Bankgeschäfte ausgeübt hätte, wenn der Beklagte die ihm vorgeworfenen Fehler nicht begangen hätte. Der Vorsitzende versteht das Klagsvorbringen nicht so, dass der Kläger deshalb veranlagt hätte, weil er auf die vom Beklagten bestätigten Jahresabschlüsse vertraut habe.
[6] Der Kläger nahm diese Erörterung nicht zum Anlass, sein Vorbringen zu modifizieren oder klarzustellen.
[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend vom Klagsvorbringen erachtete es dieses insofern als unschlüssig, weil der Kläger nicht vorgebracht habe, dass er deshalb veranlagt habe, weil er auf die vom Beklagten bestätigten Jahresabschlüsse vertraut habe. Damit falle seine Veranlagung und deren Verlust nicht unter den Schutzzweck der Verpflichtungen des beklagten Abschlussprüfers. Aus dem Tatsachenvorbringen des Klägers sei somit der eingeklagte Anspruch nicht ableitbar.
[8] In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Kläger als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, dass ihn das Erstgericht mit seiner Rechtsansicht zum gebotenen Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk überrascht habe (§ 182a ZPO). Hätte ihm das Erstgericht seine Rechtsansicht mitgeteilt, dann hätte er vorgebracht, dass er bei seiner Veranlagung auf die Richtigkeit der vom Beklagten geprüften Jahresabschlüsse vertraut hätte. Eine Haftung des Abschlussprüfers setze aber ohnedies nicht voraus, dass eine Veranlagung eines Dritten im Vertrauen auf den bestätigten Jahresabschluss erfolgt sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei es nicht erforderlich, dass der Anleger im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk gehandelt habe.
[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Es verneinte eine Verletzung des § 182a ZPO. Das Erstgericht habe das Klagsvorbringen ausreichend erörtert, zudem habe auch der Beklagte auf ein fehlendes (behauptetes) Vertrauen des Klägers hingewiesen. Das Berufungsgericht ging in rechtlicher Hinsicht bezüglich des Schutzzwecks bzw der Kausalität zwar von einem schlüssigen Begehren aus, erachtete den Klagsanspruch aber als verjährt:
[10] Bei einem fahrlässigen Verhalten des Abschlussprüfers beginne nach der Rechtsprechung die Verjährungsfrist eines auf § 275 UGB gestützten Schadenersatzanspruchs mit dem Eintritt des (primären) Schadens durch Umschichtung des Vermögens des Dritten zu laufen, wenn dieser die Vermögensumschichtung nicht vorgenommen hätte, hätte er die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses gekannt. Allerdings dürfe nicht übersehen werden, dass es sich bei der Bestimmung des § 275 Abs 5 UGB um ein gesetzlich normiertes Haftungsprivileg des Abschlussprüfers handle, das aber dann mit einer zeitlich nicht näher einschätzbaren potentiellen Haftung nach Beendigung der vertraglich geschuldeten Leistung des Abschlussprüfern (Bankprüfern) nicht in Einklang zu bringen sei. Ein derartiges Risiko würde nämlich nur schwer versicherbar sein. Das Vorliegen einer entsprechenden Versicherung des Wirtschaftsprüfers sei aber zwingend. Bedenke man, dass der Gesetzgeber die Gefahr der Haftungsausuferung bei Abschlussprüfern (Bankprüfern) auf Grund der betragsmäßig beschränkten Haftung und der Versicherungspflicht hinreichend abgefedert und in seiner maximalen Ausformung kalkulierbar gemacht habe, sei der Zeitpunkt des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist nach § 275 Abs 5 UGB in der hier vorliegenden Fallkonstellation jedenfalls mit dem der (jeweiligen) Öffentlichmachung des (hier uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks im Firmenbuch festzumachen.
[11] Darüber hinaus verneinte das Berufungsgericht den Klagsanspruch auch unter Hinweis auf die Subsidiarität der Dritthaftung bei einem Vertrag mit Schutzwirkungen.
[12] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung „zur Frage des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist nach § 275 Abs 5 UGB im Bereich der Abschluss-(bank-)prüferhaftung nach § 275 UGB im Zusammenhang mit einer zeitlich weit außerhalb der in § 275 Abs 5 UGB normierten Frist liegenden Vermögensumschichtung (Einlage/Veranlagung) bei dem geprüften Bankinstitut“ zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[14] 1. Der Kläger stützt seine Haftung darauf, dass der beklagte Abschlussprüfer gegen seine aus § 275 UGB sich ergebende Verpflichtung verstoßen habe. Gemäß § 275 Abs 2 UGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Verletzt er diese Pflicht, so ist er der Gesellschaft zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens verpflichtet. Der Abschlussprüfer steht nur zur geprüften Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis (RS0116077). Dessen ungeachtet treffen ihn auch Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber (potentiellen) Gläubigern der Gesellschaft (5 Ob 262/01t), siehe dazu näher unten Punkt 3.
[15] 2. Die vom Beklagten dagegen eingewandte und vom Berufungsgericht bejahte Verjährung richtet sich nach § 275 Abs 5 UGB. Demnach verjähren die auf § 275 UGB gestützten Ansprüche in fünf Jahren.
[16] 2.1 Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist beim Beginn der Verjährung nicht an den Eintritt des Primärschadens, sondern an den Tag der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks anzuknüpfen, weil es sich bei § 275 Abs 5 UGB um ein gesetzlich normiertes Haftungsprivileg handle, das mit einer zeitlich nicht näher einschätzbaren potentiellen Haftung nach Beendigung der vertraglich geschuldeten Leistung des Abschlussprüfers nicht in Einklang zu bringen sei. Das Berufungsgericht argumentierte hier mit der zwingend abzuschließenden Haftpflichtversicherung.
[17] 2.2 Diese Ansicht widerspricht gesicherter Rechtsprechung.
[18] 2.2.1 Bei der Frist des § 275 Abs 5 UGB handelt es sich um eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB, die als objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 Satz 2 1. Variante ABGB verdrängt (10 Ob 58/12w; RS0128616). § 275 Abs 5 UGB gilt auch gegenüber geschädigten Dritten (3 Ob 230/12p; 5 Ob 208/13v; RS0128186). Dabei beginnt nach einheitlicher Rechtsprechung die Verjährungsfrist für den (hier zu prüfenden) Bereich bloß fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer (erst) mit Eintritt des primären Schadens (3 Ob 230/12p; 2 Ob 233/12x; 5 Ob 208/13v; 9 Ob 24/13i; 9 Ob 13/13x; RS0128186 [T1]). Bei Ansprüchen Dritter ist das die durch den Bestätigungsvermerk veranlasste Vermögensdisposition (RS0128186 [T2]).
[19] 2.2.2 Der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass ein Abschlussprüfer eine gesetzliche Haftpflichtversicherung mit einer beschränkten Versicherungssumme abschließen muss, vermag an der referierten Rechtslage nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang ist etwa darauf zu verweisen, dass die kurze Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auch dann nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Primärschadens zu laufen beginnt, wenn der Schädiger zwingend eine Haftpflichtversicherung mit einer betragsmäßig begrenzten Versicherungssumme abschließen muss (etwa bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, vgl 2 Ob 221/06y; 2 Ob 362/97t).
[20] 2.2.3 Im Übrigen hat es der Oberste Gerichtshof bereits ausdrücklich abgelehnt, beim Beginn der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Übergabe des unrichtigen Prüfberichts mit dem zu Unrecht ausgestellten Bestätigungsvermerk abzustellen (1 Ob 35/12x und 2 Ob 233/12x). Dabei wurde klargestellt, dass diese Übergabe für die Verjährung irrelevant ist. Entsprechendes gilt damit auch für die jeweilige Öffentlichmachung des Bestätigungsvermerks, auf die das Berufungsgericht abstellt.
[21] 2.2.4 Insoweit der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung darauf hinweist, dass die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 1. Variante ABGB bereits von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, zu dem die Handlung begangen ist, die den Schaden herbeigeführt hat, mag der Eintritt des Schadens auch später erfolgen (vgl RS0034504), blendet er aus, dass § 275 Abs 5 UGB auch diese Bestimmung verdrängt (siehe oben Punkt 2.2.1).
[22] 2.3 Der im August 2020 klagsweise geltend gemachte Schadenersatzanspruch stützt sich auf den Verlust einer im August 2019 getätigten Veranlagung. Die Verjährung könnte demnach frühestens mit dieser Vermögensdisposition im Jahr 2019 zu laufen beginnen, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks ankommt. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch ist somit nicht verjährt.
[23] 2.4 Auf den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens war nicht näher einzugehen, weil sich der Senat bei der Verjährungsfrage ohnedies dem Standpunkt des Klägers anschließt. Damit fehlt es der behaupteten Mangelhaftigkeit schon der erforderlichen Relevanz.
[24] 3. Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.
[25] 3.1 Der Vertrag des Abschlussprüfers zur Gesellschaft wird nach der Rechtsprechung als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gesehen, weil die Prüfung zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen hat und die mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks bezweckte Information Dritter aufgrund dieser Vorgaben Vertragsinhalt wird (4 Ob 236/02p; 5 Ob 208/13v). Von dieser Schutzwirkung sind (potentielle) Gläubiger der geprüften Gesellschaft umfasst, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (5 Ob 262/01t; 5 Ob 208/13v). Der angesprochene Personenkreis und die damit verbundene potentielle Haftung des Abschlussprüfers werden damit begrenzt. Das entspricht dem Grundsatz, dass bei einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, eng gezogen werden muss (RS0022814).
[26] 3.2 Wenn das Berufungsgericht eine solche Haftung des Beklagten im Anlassfall unter Hinweis auf die Subsidiarität der geltend gemachten Grundlage verneint, ist ihm nicht zuzustimmen.
[27] 3.2.1 Sowohl beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als auch bei objektiv-rechtlichen Schutzpflichtverletzungen besteht Subsidiarität (RS0129705). Ein Gläubiger hat kein schutzwürdiges Interesse, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindungen mit seinem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (7 Ob 38/17i; RS0022814).
3.2.2 Der gegenüber der geprüften Gesellschaft bestehende Anspruch auf Rückzahlung einer Einlage ist kein deckungsgleicher Anspruch zu einem gegen den Abschlussprüfer wegen eines fehlerhaften Bestätigungsvermerks geltend gemachten Schadenersatzanspruch. Ein solcher deckungsgleicher Anspruch liegt gegenständlich zwischen dem vertraglichen Erfüllungsanspruch gegenüber der Aktiengesellschaft auf Rückzahlung der Einlage und dem gegenüber dem beklagten Abschlussprüfer geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht vor (vgl 7 Ob 47/20t). Vielmehr geht die Judikatur in vergleichbaren Fällen, bei denen ein Dritter Geldmittel bei einer vom Abschlussprüfer fehlerhaft geprüften Gesellschaft investiert hat, davon aus, dass sich der Anleger sehr wohl gegenüber dem Abschlussprüfer auf die Schutzwirkungen des Prüfungsvertrags zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer berufen kann (3 Ob 230/12p; 5 Ob 208/13v; 8 Ob 93/14f; RS0116076).
[28] 3.3 Zum Umfang der Schutzwirkungen des Vertrags der Gesellschaft mit dem Abschlussprüfer:
[29] 3.3.1 Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Leitentscheidung 5 Ob 262/01t ausgeführt, dass ein Vertrag zwischen einem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten jener (potentiellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft ist, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (RS0116076). Der Prüfungsauftrag wird zwar von der Gesellschaft erteilt, hat aber, weil es um die Erfüllung einer gesetzlichen Prüfpflicht geht, den zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, sodass die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers und die damit bezweckte Information (potentieller) Gläubiger der geprüften Gesellschaft jedenfalls Vertragsinhalt wird. Die Haftungsgrundlage des Abschlussprüfers gegenüber dem geschädigten Dritten besteht damit in der durch den veröffentlichten Bestätigungsvermerk geschaffenen Vertrauensbasis zwischen der geprüften Gesellschaft und den (potentiellen) Anlegern. Diese Vertrauensbasis kann enttäuscht werden, wenn der Anleger auf die Richtigkeit des konkreten (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks vertraut hat (5 Ob 262/01t).
[30] 3.3.2 Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Abschlussprüfer, der die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig wird (5 Ob 262/01t; 10 Ob 48/13a; 8 Ob 93/14f; RS0116077; RS0116076; RS0129123; RS0037785).
[31] 3.3.3 Ein solches Vertrauen kann nicht nur durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden, sondern ist bei einer Beratung auch denkbar, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst war. Dies setzt aber voraus, dass der Berater die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren hat (10 Ob 46/13g; 10 Ob 48/13a; 5 Ob 208/13v; 8 Ob 105/13v). Der Geschädigte kann sich auch auf eine solche mittelbare (indirekte) Kenntnis vom Bestätigungsvermerk stützen, auf die er bei seiner Disposition vertraut hat. Dies wurde hier nicht behauptet!
[32] 3.3.4 Gegen die Klagsabweisung kann nicht die Entscheidung 8 Ob 93/14f ins Treffen geführt werden. Auch in dieser Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof ausdrücklich davon ausgegangen, dass das Vertrauen des Anlegers in einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erforderlich ist, wobei dem Anleger diesbezüglich die Existenz des Bestätigungsvermerks bewusst sein muss, auch wenn er nicht zwingend die Kenntnis seines Inhalts haben muss. Im Übrigen hielt der Oberste Gerichtshof auch in dieser Entscheidung fest, dass der Abschlussprüfer Dritten gegenüber, „die im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert haben und dadurch einen Schaden erleiden“ ersatzpflichtig werden kann.
[33] 3.4. Mit dem Abstellen auf eine im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk getroffene Disposition des Geschädigten (bzw eine entsprechende Beeinflussung seiner Entscheidung durch den Bestätigungsvermerk) wird der vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begünstigte Personenkreis von der Rechtsprechung im Sinne der von ihr entwickelten Grundsätze (vgl RS0022814) bewusst eng gezogen. Auf die Schutzwirkungen des zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer geschlossenen Vertrags können sich daher Personen, deren Anlegerentscheidung nicht im Zusammenhang mit dem erteilten Bestätigungsvermerk steht, demnach nicht berufen. Ein solcher Zusammenhang erfordert, dass die Anlegerentscheidung durch den Bestätigungsvermerk beeinflusst war, was bei der Berufung auf die Existenz einer Gesellschaft noch nicht der Fall ist. Für den Anlassfall würde es demnach noch nicht ausreichen, dass der Schaden nur deshalb entstanden ist, weil die vom Beklagten zuletzt im Jahr 2005 geprüfte Gesellschaft wegen des allfällig fehlerhaften Vermerks noch Jahre weiterexistieren konnte, wodurch ein Investment des Klägers im Jahr 2019 möglich war.
[34] 3.5 Ein geschädigter Anleger hat zu behaupten und zu beweisen, dass er seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat (RS0116077 [T7]; vgl auch RS0022900 [T5 und T11]). Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der der Aktiengesellschaft eine hohe Geldsumme als Einlage anvertraut hat. Vom damit insoweit behauptungs- und beweispflichtigen Kläger wurde aber nur vorgebracht, dass ihm die Bestätigungsvermerke bei seiner Veranlagung vorgelegen seien. Eine Prozessbehauptung, dass er im Vertrauen auf die Vermerke disponiert hat, fehlt jedoch. Das Erstgericht hat im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung auch klargestellt, dass nach dem Klagsvorbringen der Kläger nicht deshalb veranlagt hätte, weil er auf die vom Beklagten bestätigten Jahresabschlüsse vertraut habe. Wenn der Kläger dessen ungeachtet sein Vorbringen weder ergänzt noch präzisiert hat, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens wegen Unschlüssigkeit im Ergebnis als zutreffend, sodass der Revision keine Folge zu geben war.
[35] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E133754European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00145.21H.0928.000Im RIS seit
09.02.2022Zuletzt aktualisiert am
09.02.2022