TE OGH 2021/10/22 8Ob3/21f

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Veröffentlicht am 22.10.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners V***** C*****, vertreten durch Mag. Bertram Fischer, Rechtsanwalt in Mondsee, Insolvenzverwalter Mag. Dominik Maringer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin D***** M*****, gleichfalls vertreten durch Mag. Bertram Fischer, Rechtsanwalt in Mondsee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 18. November 2020, GZ 21 R 202/20k-46, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 26. August 2020, GZ 15 S 16/20z-37, ersatzlos aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Der Beschluss des Rekursgerichts wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag zurückgewiesen wird.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung:

[1]       Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 31. 3. 2020 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

[2]       Der Schuldner und die Antragstellerin sind Lebensgefährten und gemeinsam zu je 146/2162 Anteilen (top 6) und 3/2162 Anteilen (Stellplatz) Wohnungseigentümerpartner der EZ ***** KG *****.

[3]            Die Revisionsrekurswerberin beantragte die unentgeltliche Aussonderung des halben Mindestanteils des Schuldners gemäß § 13 Abs 3 WEG an Wohnung und Parkplatz wegen Bestehens eines dringenden Wohnbedürfnisses ihrer Person und der gemeinsamen Kinder. Darüber hinaus begehrte sie die Ausstellung einer Amtsbestätigung zwecks Einverleibung ihres Eigentumsrechts am Anteil des Schuldners.

[4]            Das Erstgericht bewilligte den Antrag hinsichtlich der Aussonderung von 146/2162 Anteilen des Schuldners (Wohnung top 6) und wies das Mehrbegehren ab.

[5]            In seiner Begründung führte das Erstgericht aus, der aussonderungsberechtigte Wohnungseigentumspartner könne die Verwertung des halben Mindestanteils zur Befriedigung der Gläubiger verhindern. Durch § 13 Abs 3 WEG werde aber kein Titel zum Eigentumserwerb geschaffen, weshalb kein Anspruch auf Ausstellung einer entsprechenden Amtsbestätigung bestehe. Eine Aussonderung der Anteile am Abstellplatz scheitere daran, dass er keinem Wohnbedürfnis diene.

[6]            Das Rekursgericht behob diesen Beschluss aus Anlass der Rechtsmittel des Insolvenzverwalters und der Antragstellerin ersatzlos.

[7]            Das Bestehen eines Anspruchs des Eigenümerpartners nach § 13 Abs 3 WEG sei im Exekutionsverfahren durch Exszindierungsklage gemäß § 37 EO und im Insolvenzverfahren durch Feststellungsklage geltend zu machen. Nur wenn ein Anerkenntnis des Masseverwalters vorliege oder der Anspruch gerichtlich festgestellt sei, könne darauf Bedacht genommen werden. Dem Insolvenzgericht komme keine Kompetenz zur beschlussmäßigen Feststellung von Aussonderungsrechten zu.

[8]            Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, wie der Anspruch nach § 13 Abs 3 WEG im Insolvenzverfahren geltend zu machen ist.

[9]            Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt (im Ergebnis) die Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung, in eventu eine Aufhebung zur Verfahrensergänzung an.

[10]           Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht dargelegten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11]           1. Nach § 13 Abs 3 WEG werden durch das gemeinsame Wohnungseigentum der Partner ihre Anteile am Mindestanteil „so verbunden, dass sie, solange die Eigentümerpartnerschaft besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen. Die Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Partner besteht, ist nur im Weg des mit der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig. In diesem Exekutionsverfahren ist der Partner, gegen den kein Exekutionstitel besteht, Beteiligter; er kann zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel erheben, wie wenn er selbst Verpflichteter wäre; überdies kann er gegen diese Exekution Widerspruch erheben (§ 37 EO), wenn sich die Exekution auf das Wohnungseigentumsobjekt bezieht, das ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Unter der selben Voraussetzung hat ein Partner im Fall eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des anderen Partners das Recht auf Aussonderung von dessen halbem Mindestanteil (§ 44 IO). Jeder der Partner darf seinen Anteil am Mindestanteil nur mit Zustimmung des anderen Partners veräußern.

[12]           2. Der Aussonderungsanspruch nach § 44 KO, der auch auf Feststellung gerichtet sein kann (Schulyok in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 44 KO Rz 2 mwN), beruht auf dinglichem oder persönlichem Recht und kann sich auf Sachen und Rechte im weiteren Sinn beziehen. Er ist insbesondere nicht auf Eigentumsrechte an den auszusondernden Sachen beschränkt.

[13]           Ein Aussonderungsberechtigter ist nicht Konkursgläubiger, sondern ein Dritter, der ein ihm unabhängig vom Konkursverfahren zustehendes dingliches oder persönliches Recht verfolgt und der Nutzbarmachung des streitigen Vermögenswerts zur Befriedigung der Konkursgläubiger widerspricht (Schulyok aaO).

[14]           3. Aussonderungsansprüche sind im Insolvenzverfahren nicht anzumelden (RIS-Justiz RS0121634 = 8 Ob 128/06s; Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 102 KO Rz 22). Sie sind gegenüber dem Masseverwalter geltend zu machen. Im Fall der Bestreitung steht für ihre Geltendmachung der allgemeine Rechtsweg offen (RS0064210).

[15]           Die Frage, ob dem Kläger ein zur Aussonderung taugliches Recht zusteht, ist ausschließlich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen (Schulyok in Konecny/Schubert aaO Rz 3 mwN).

[16]           4. Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung des in § 13 Abs 3 WEG begründeten Aussonderungsrechts des (nicht selbst von der Exekution bzw Insolvenz betroffenen) Eigentümerpartners auszugehen, dem das Eigentumsobjekt zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient (zu dessen Definition ua Hopf/Kathrein, Eherecht³ § 13 WEG Rz 8; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 13 WEG Rz 13 f; 3 Ob 225/97b; 3 Ob 203/99w wobl 2000/163 [Markl]: ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 16).

[17]           Das WEG anerkennt mit diesem Exszindierungs- bzw Aussonderungsrecht ein besonderes Schutzbedürfnis des Wohnungseigentumspartners, der selbst nicht von der Exekution oder Insolvenz betroffen ist. Dieses ist im Streitverfahren zu klären. (vgl auch Höllwerth in Hausmann/Vonkilch [Hrsg], Österreichisches Wohnrecht – WEG4 [2017] § 13 Rz 59a, 78).

[18]           5. Es steht daher die Entscheidung des Rekursgerichts mit der Rechtslage im Einklang, sodass dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben und die Entscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen war, dass der Antrag im Insolvenzverfahren zurückgewiesen wird.

[19]           Ein Kostenersatz findet gemäß § 254 Abs 1 Z 1 IO im Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht statt (RS0065227).

Textnummer

E133556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00003.21F.1022.000

Im RIS seit

12.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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