Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Denise Weiß, Mag. Bernhard Weiß, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A* P*, vertreten durch Mag. Franz Kienast, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. März 2021, GZ 40 R 300/20v-36, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 28. August 2020, GZ 35 C 92/18f-31, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte Mieter der Wohnung *.
[2] Der Beklagte nimmt seit dem Jahr 2008 Geräusche aus den Wohnungen Top 9, 11 und 12 wahr, die er als störenden Lärm empfindet. Deshalb begann er mit dem Besen an die Decke und die Wände zu klopfen. Das Klopfen des Beklagten hat folgenden Ablauf: Er klopft ca 8 Sekunden lang, dann gibt es eine Ruhephase von 3 bis 4 Stunden und dann klopft er wieder bis ca 00:30 Uhr. Der Beklagte beginnt das Klopfen zeitweise früh Morgens ab 6:30/7:00 Uhr. Die Vermieterin hat dem Beklagten geraten, sich gegen allfälligen Lärm durch Polizeianzeigen zu wehren.
[3] Die Wohnung Top 9 – die neben jener des Beklagten liegt – wird von einer Mutter mit ihren drei Kindern bewohnt. Eine Tochter nahm wahr, dass sich der Beklagte gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe abwertend verhält. So sprühte er einmal, als deren Freundin auf der Stiege sitzend auf sie wartete, mit einem Luftspray am Gang, so als ob er Gestank abwenden wollte. Die hellhäutige Freundin der Tochter fragte er, warum sie mit einem dunkelhäutigen Mädchen befreundet sei, dunkelhäutige Menschen wären doch gefährlich. Der Beklagte empfindet Geräusche des täglichen Lebens, so etwa das Putzen der Wohnung, als Störung. Er fühlt sich auch „durch die Möbel dieser Wohnung gestört“, weil diese „laut“ seien. Der Beklagte wirft der Mieterin vor, sie habe um 3:00 Uhr nachts Besuch, obwohl das nicht den Tatsachen entspricht. Wegen dieser vom Beklagten so wahrgenommenen „Störungen“ rief er sechs bis sieben Mal die Polizei und klopfte gegen die Wand.
[4] Die Wohnung Top 11 befindet sich oberhalb der Wohnung des Beklagten. Im Oktober 2016 zog dort ein neuer Mieter ein. Bereits beim Einzug, als der Mieter ein Sofa hin und her trug, beschwerte sich der Beklagte und drohte mit einem Polizeieinsatz. Ungefähr eine Woche danach begann er ab und zu mit einem Besen an die Decke zu klopfen. Der Beklagte klopfte unter anderem, wenn der Mieter in seiner Wohnung von einem Raum in den anderen ging, weshalb dieser versuchte, ganz leise zu gehen. Der Beklagte äußerte gegenüber dem Mieter, dass dieser nach Afrika zurückgehen sollte. Einmal rief er die Polizei, um ihr mitzuteilen, der Mieter würde sich illegal in Österreich aufhalten. Das Verhalten des Beklagten hatte zur Folge, dass der Mieter das Jahr 2017 großteils bei seiner Mutter verbrachte und keine Freunde mehr in die Wohnung einlud. In der Weihnachtszeit des Jahres 2017 war die Wohnung des Mieters unbewohnt. Dennoch beschwerte sich der Beklagte über Lärm aus dieser Wohnung. Der Beklagte rief im Jahr 2017 zwischen zehn und zwölf Mal die Polizei wegen angeblicher Störungen aus dieser Wohnung. Die Mieterin der Nachbarwohnung nimmt keinerlei Lärm aus der Wohnung Top 11 wahr.
[5] Neben der Wohnung Top 11 befindet sich die Wohnung Top 12, die von einer Mieterin mit zwei Kindern bewohnt wird. Die Mieterin hat seit dem Jahr 2015 Probleme mit dem Beklagten, weil er seither wegen angeblicher Lärmbelästigungen die Polizei ruft. Sie verursacht üblichen Lärm einer Mutter mit Kindergartenkindern. Am Wochenende hält sie sich zumeist bei ihren Eltern auf. Sie hat keine mit Lärm verbundenen Hobbys. Die Mieterin passte ihre Lebensgewohnheiten insofern an das Verhalten des Beklagten an, als sie die Kinder nur im Wohnzimmer spielen lässt. Die Kinderbetten im Schlafzimmer stellte sie auf eine andere Seite, um zu verhindern, dass der Beklagte ein allfälliges nächtliches Weinen hören könnte. Der Beklagte ist der Ansicht, dass sein Schlafraum unter dieser Wohnung liegt und dass er daraus Rumoren, Klopfgeräusche und Montagelärm wahrnimmt.
[6] Am 20. Februar 2018 fand ein Mediationsgespräch statt, bei dem der Beklagte sowie die Mieter der Wohnungen Top 9, Top 11 und Top 12 anwesend waren. Das Ziel des Beklagten war, die Kündigung abzuwenden. Er erklärte sich daher bereit, mit dem Klopfen aufzuhören. Bei diesem Gespräch deutete der Beklagte an, dass er Vorbehalte gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe habe. Das Gespräch wurde von den Beteiligten als nicht erfolgreich empfunden.
[7] Nachdem die Klägerin die Aufkündigung eingebracht hatte, änderte der Beklagte sein Verhalten. Er stellte das Klopfen ein und rief nicht mehr die Polizei. Deshalb wurde in der Tagsatzung am 26. Juni 2018 zwischen den Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbart.
[8] Die Vermieterin erhielt nach der Ruhensvereinbarung zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2018 eine Anfrage des Beklagten, wann die „gerichtliche Ruhefrist“ beendet sei.
[9] Im Oktober/November und Dezember 2018 rief der Beklagte wiederum die Polizei wegen angeblichen Lärms durch den Mieter der Wohnung Top 11. Die Mieterin der Wohnung Top 12 nahm das Klopfen des Beklagten seit Anfang 2019 wieder wahr. Auch schrie der Beklagte ihre Kinder wegen angeblichen Lärms an. Im Herbst 2019 wandte sich der Mieter der Wohnung Top 11 an die Vermieterin und teilte ihr mit, dass „es so nicht mehr weitergehe“. In der Folge wurde der Klägerin eine Unterschriftenliste übergeben, die die Mieter der Wohnungen Top 9, Top 11 und Top 12 unterschrieben haben.
[10] Am 23. November 2019 stellte die Klägerin den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, weil seit rund einem Jahr wieder die festgestellten Vorfälle geschahen.
[11] Der Beklagte führte sein Verhalten bis in das Jahr 2020 weiter. So rief er etwa im Jänner 2020 die Polizei, als der Mieter der Wohnung Top 11 von seinem Portugal-Urlaub nach Hause gekommen war.
[12] Die Klägerin kündigte das Bestandverhältnis gestützt auf die Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG auf. Der Beklagte mache vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch und verleide durch rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenleben, indem er unter anderem wiederholt mit seinem Besen gegen die Wände zu den Nebenwohnungen klopfe. Oftmals habe er die Polizei gerufen und behauptet, die Nachbarn würden lärmen. Die Nachbarn fühlen sich vom Beklagten bereits sehr gestört. Bei einem Mediationsgespräch mit dem Beklagten und einigen Nachbarn, die von ihm gestört würden, sei keine konstruktive Lösung gefunden worden, da der Mieter uneinsichtig sei. Der Beklagte habe in der Vergangenheit bereits mehrere Male mit dem Vormieter der Nachbarwohnungen Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen gehabt.
[13] Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Kündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Er habe zwar zeitweise geklopft, aber nur, weil er auf lauten Lärm aufmerksam machen habe wollen, der ihn massiv gestört habe. Er habe niemanden beleidigen oder ärgern wollen und auch kein anstößiges Verhalten gesetzt. Er habe ein paar Mal im Jahr die Polizei wegen unleidlichen Lärmens durch die Nachbarn gerufen. Der Beklagte sei an einer friedlichen Lösung interessiert. Die Kündigung sei überraschend, ohne Mahnung, als Überreaktion ausgesprochen worden.
[14] Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Die Klägerin habe das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt, weil sie erst 17 Monate nach der Ruhensvereinbarung einen Fortsetzungsantrag gestellt habe.
[15] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der vom Erstgericht allein herangezogene Grund für die Aufhebung der Aufkündigung sei nicht tragfähig, weil im Zuwarten mit der Fortsetzung des Verfahrens kein schlüssiger Verzicht der Klägerin auf ihr Kündigungsrecht zu erblicken sei. Die konkreten Vorwürfe an den Beklagten würden das Klopfen mit dem Besen und das oftmalige unberechtigte Verständigen der Polizei wegen behaupteter Lärmbelästigungen durch die Nachbarn darstellen. Hingegen seien ein (nicht näher konkretisiertes) unkooperatives Verhalten im Mediationsgespräch und (nicht im Geringsten konkretisierte) Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit Nachbarn in der Vergangenheit keine hinlänglich individualisierten Tatsachenbehauptungen im Sinne der Eventualmaxime. Möge der Beklagte auch kein angenehmer Zeitgenosse und unproblematisches Mitglied der Hausgemeinschaft sein, so genüge das nicht, um ihn aus dieser zu entfernen. Zu den mehrfachen Polizeianzeigen habe die Klägerin den Beklagten selbst geraten. Das Klopfen an den Wänden sei im Hinblick auf die festgestellte Frequenz und Uhrzeiten gerade noch nicht unzumutbar.
[16] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[17] Der Beklagte beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[18] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[19] 1.1. Nach § 1497 ABGB werden Ersitzung und Verjährung unterbrochen, wenn der Beklagte vom Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen auch Fall- bzw Präklusivfristen in Analogie zu den §§ 1494 ff ABGB der Hemmung bzw der Unterbrechung wie bei der Verjährung (RS0034507 [T7, T10, T12]).
[20] Das Gesetz kennt weder Ausschlussfristen, nach deren Ablauf Kündigungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden können, noch den Tatbestand der Verweisung des Kündigungsrechts infolge bloßer Nichtausübung durch längere Zeit. Das Kündigungsrecht des Vermieters erlischt daher nicht durch bloßen Zeitablauf (RS0119842 = 4 Ob 22/05x). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, dass sich eine Verjährungs- oder Präklusionsproblematik hier gar nicht stellt.
[21] 1.2. Der in der Judikatur zu findende Grundsatz, dass Auflösungs- und Kündigungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen sind (RS0014427), muss unter dem Blickwinkel eines nachträglichen schlüssigen Verzichts auf einen Auflösungs- oder Kündigungsgrund geprüft werden (5 Ob 8/19s). Allgemein gilt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein schlüssiger Verzicht auf ein Recht vorliegt, besondere Zurückhaltung und Vorsicht geboten ist. Er darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RS0014190, RS0014229). Im Zweifel ist ein konkludenter Verzicht des Vermieters auf das Kündigungsrecht nicht anzunehmen (RS0014416 [T2]). Der Verzicht auf einen Auflösungsgrund hat zur Voraussetzung, dass das Zuwarten des Vermieters mit der Aufkündigung oder der Räumungsklage unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Auflösungs- oder Kündigungsgrund geltend machen will. Es ist daher erforderlich, dass der Mieter weiß oder aus dem Verhalten des Vermieters doch mit Recht ableiten kann, dass dieser den vollen Sachverhalt, der die Auflösung oder die Kündigung rechtfertigt, kennt und dem Mieter keine Umstände bekannt sind, die ein Zuwarten des Vermieters mit der Kündigung oder einer Räumungsklage aus einem anderen Grund als dem eines Verzichts auf das Auflösungs- bzw Kündigungsrecht erklärlich erscheinen lassen (RS0014423). Die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Verzichts trifft den Mieter (RS0102001).
[22] Es ist nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten oder welche Erklärung der Klägerin der Beklagte als Verzicht auf das Kündigungsrecht werten hätte können. Vielmehr hat die Klägerin das Verfahren lediglich nicht schon zum erstmöglichen Zeitpunkt nach drei Monaten (§ 168 ZPO), sondern erst 14 Monate später fortgesetzt. Warum dies zwingend als Verzicht und nicht etwa als Verlängerung des Beobachtungszeitraums betreffend das Verhalten des Beklagten zu verstehen sein soll, vermag der Beklagte nicht aufzuzeigen und es ergibt sich dies auch nicht aus den Feststellungen. Es liegt daher kein schlüssiger Verzicht auf das Kündigungsrecht vor.
[23] 2. Die von der Revision der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[24] Weder das unkooperative Verhalten des Beklagten im Mediationsgespräch noch die behaupteten Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit Nachbarn in der Vergangenheit sind entscheidungsrelevant.
[25] 3. Der Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens stellt die mietrechtliche Konkretisierung der Unzumutbarkeit des Fortbestands des Dauerrechtsverhältnisses dar (RS0014436). Der in Rede stehende Kündigungsgrund schützt das wichtige Interesse des Vermieters, in seinem Haus Ruhe und Ordnung zu halten (RS0067596 [T1]). Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind; jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RS0070303; RS0067678). Entscheidend ist stets das Gesamtverhalten des Mieters, zu dessen Würdigung auch auf länger zurückliegende Ereignisse zurückzugreifen ist (vgl RS0070321). Wesentlich ist, ob der Tatbestand zur Zeit der Aufkündigung erfüllt war, wobei nicht nur das als Kündigungsgrund angeführte Verhalten, sondern darüber hinaus das der Kündigung vorangehende, ebenso wie das nachfolgende einer Würdigung zu unterziehen sind (RS0067519). Es kommt nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann. Bei krankheitsbedingtem Verhalten ist jedoch eine Interessenabwägung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (RS0067733 [insb T5]).
[26] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt nach dem festgestellten Sachverhalt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens vor, die durch längere Zeit fortgesetzt wurde und die nach ihrer Art das zu duldende Ausmaß übersteigt: Der Beklagte zeigt die Nachbarmieter regelmäßig wegen Lärmbelästigung bei der Polizei an, obwohl deren Geräuschpegel das übliche Ausmaß nicht übersteigt. Dabei ist es vollkommen unerheblich, dass der Beklagte übliche Lärmimmission als störend bzw sogar „seelische Qual“ empfindet, kommt es doch nicht auf sein subjektives Empfinden oder auf sein Verschulden an. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte teilweise sogar gestört fühlt, obwohl eine Lärmimmission ausgeschlossen ist, weil sich die Nachbarmieter gar nicht in der Wohnung aufhalten oder schlafen. Die Klägerin hat dem Beklagten zwar geraten, sich gegen allfälligen Lärm durch Polizeianzeigen zur Wehr zu setzen, sie hat ihn aber klarerweise nicht zu unberechtigten Anzeigen geraten, was der Beklagte auch erkannt haben muss, hat er sich doch rund ein dreiviertel Jahr nach Einbringung der gerichtlichen Kündigung wohlverhalten. Zu diesen unberechtigten Anzeigen kommt noch das regelmäßige Klopfen an die Wände und Decke zu den Nachbarwohnungen von zeitweise früh Morgens (6.30 Uhr) bis teilweise 00:30 Uhr in der Dauer von rund 8 Sekunden alle drei bis vier Stunden, wiederum ohne objektiv nachvollziehbaren Grund. Wenn man nun weiters in die Würdigung miteinbezieht, dass der Beklagte nach einer kurzen Phase des Wohlverhaltens trotz des anhängigen Kündigungsverfahrens sein intolerables Verhalten fortgesetzt hat, so ist der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirklicht.
[27] 4. Gab die zweite Instanz einer Berufung Folge, hielt sie jedoch eine Erledigung der ebenso geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung für entbehrlich, so muss der Revisionsgegner die für seinen Prozessstandpunkt nachteiligen Feststellungen im Kontext mit dem Unterbleiben der Erledigung seiner Mängel- und Beweisrüge im Berufungsverfahren in der Revisionsbeantwortung rügen; andernfalls ist von den getroffenen Feststellungen auszugehen (RS0119339).
[28] Im vorliegenden Fall gab die zweite Instanz der Berufung keine Folge, weshalb sie auch nicht auf die in der Berufungsbeantwortung enthaltene Mängel- und Beweisrüge einging. Der Beklagte hat das Unterbleiben der Erledigung seiner Mängel- und Beweisrüge im Berufungsverfahren in der Revisionsbeantwortung gerügt. Damit liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens vor (RS0043144; RS0043086).
[29] 5. Somit ist das angefochtene Urteil aufzuheben, die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen und diesem aufzutragen, über die im Rechtsmittel geltend gemachten Berufungsgründe vollständig zu entscheiden.
[30] 6. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E133755European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00109.21M.1124.000Im RIS seit
09.02.2022Zuletzt aktualisiert am
09.02.2022