TE OGH 2021/11/29 8ObA80/21d

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat d*, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert: 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. August 2021, GZ 8 Ra 57/21t-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]            Der klagende Betriebsrat begründet das Interesse an der Feststellung eines Abfertigungsanspruchs gemäß § 54 Abs 1 ASGG damit, dass jedenfalls vier konkret genannte aktive sowie sieben bereits ausgeschiedene Mitarbeiter vom der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt betroffen seien.

[2]       Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

[4]       1. Gegenstand der besonderen Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG ist eine im Sinn des § 228 ZPO auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen gerichtete Klage, die mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens betreffen.

[5]       Aktivlegitimiert sind die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige Arbeitgeber.

[6]            2. Der Kläger bestreitet nicht grundsätzlich die Richtigkeit der auf die Entscheidung 9 ObA 195/05z zurückgehenden Judikatur, dass ehemalige Arbeitnehmer vom Wirkungskreis der Belegschaftsorgane nicht erfasst sind und prinzipiell eine Klage des Betriebsrats für ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht (mehr) in Frage kommt.

[7]       Er sieht einen Unterschied zum vorliegenden Fall jedoch darin, dass er in einem vorangehenden Verfahren zwischen den Parteien zu einem Zeitpunkt, als die nunmehr betroffenen Arbeitnehmer noch im Betrieb der Beklagten beschäftigt waren, eine inhaltlich idente Klage auf Ersuchen der Beklagten ohne Anspruchsverzicht zurückgezogen hat und die Beklagte im Gegenzug einen Verjährungsverzicht abgegeben hat.

[8]            Die in einem anderen Verfahren allenfalls noch gegebene Klagslegitimation kann jedoch deren Fehlen in diesem Verfahren nicht substituieren. Das Verhalten oder die Erklärungen der Beklagten im Rahmen des Vorverfahrens haben auf diese Beurteilung keinen Einfluss.

[9]            Auch aus § 54 Abs 1 Satz 2 ASGG ist für den Kläger nichts zu gewinnen, da es zu einem Absinken der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer gerade nicht während des Verfahrens gekommen ist, sondern diese Arbeitnehmer bereits vor Klagseinbringung (im vorliegenden Verfahren) ausgeschieden sind.

[10]     3. Der Kläger argumentiert weiters damit, dass es sich nicht um (lange) nach dem Ausscheiden dieser Arbeitnehmer entstandenen Ansprüche handelt, sondern um solche die mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen entstehen.

[11]           Dabei übersieht er, worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat, dass es für die Legitimation des Klägers nicht darauf ankommt, welcher Anspruch geltend gemacht wird, sondern wem der Anspruch zukommt, für den der Kläger eine Klärung anstrebt.

[12]           Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass der Kläger zur Geltendmachung einer Feststellungsklage für Ansprüche bereits vor Klagseinbringung ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht legitimiert ist, steht daher mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs in Einklang und ist nicht zu beanstanden.

[13]     4. Voraussetzung des Feststellungsanspruchs ist weiters, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines näher bezeichneten Rechts oder Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung hat (RS0085572). Dabei genügt es für die Klage nach § 54 Abs 1 ASGG nicht, dass mindestens drei Arbeitnehmer betroffen sein könnten. Es muss vielmehr bei wenigstens drei Arbeitnehmern ein unmittelbarer Anlass zur Klagsführung gegeben sein (RS0085568). Dieser ist dann anzunehmen, wenn unter Zugrundelegung der Richtigkeit der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht aus ihr unmittelbare rechtliche Wirkungen auf die Rechtsstellung der betreffenden Arbeitnehmer resultieren.

[14]           5. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass dieses Interesse bei den vom Kläger genannten aktiven Mitarbeitern nicht gegeben ist, weil bei keinem von ihnen eine unmittelbare Versetzung in den Ruhestand bevorsteht, völlig ungewiss sei wie und wann das Dienstverhältnis enden werde und ob dann allenfalls ein Anspruch auf Abfertigung besteht oder nicht. Eine aktuelle Betroffenheit dieser Arbeitnehmer sei daher nicht dargetan.

[15]           Demgegenüber argumentiert der Kläger, dass das rechtliche Interesse schon deshalb zu bejahen sei, weil die Beklagte den vom Antrag umfassten Anspruch generell und für alle gleichgelagerten Fälle prinzipiell verweigere.

[16]           Dass ein Arbeitgeber die Berechtigung eines theoretischen Anspruchs grundsätzlich ablehnt, bedeutet aber für sich allein noch nicht, dass davon konkrete Arbeitnehmer aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen sind. Wenn der Kläger darauf verweist, dass bei Abfertigungsansprüchen „alt“ sonst nie eine Antragsmöglichkeit nach § 54 Abs 1 ASGG bestehen könne, so kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob eine Antragstellung allenfalls zu bejahen ist, wenn der Arbeitgeber Abfertigungsansprüche bei unmittelbar vor dem Ausscheiden stehenden, davon absehbar betroffenen Mitarbeitern ablehnt. Dass das auf die im Verfahren namentlich genannten Mitarbeiter zutrifft, hat der Kläger nicht vorgebracht.

[17]           Hinsichtlich der genannten noch aktiven Mitarbeiter konnte der Kläger daher kein rechtliches Interesse an der Feststellung des geltend gemachten Anspruchs darstellen.

[18]     6. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[19]     7. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen. Eine vor Zustellung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 ZPO erstattete Beantwortung ist nicht zu honorieren (RS0043690).

Textnummer

E133745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00080.21D.1129.000

Im RIS seit

09.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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