Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Battlogg Rechtsanwalts GmbH in Schruns, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch MMag. Dr. Manfred Schnetzer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 17.533,80 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 19. August 2021, GZ 3 R 204/21d-61, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 8. Februar 2021, GZ 32 C 33/19i-52, sowie die Rekursbeantwortung der beklagten Partei zum dagegen von der klagenden Partei erhobenen Kostenrekurs zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Kostenrekursbeantwortung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
B. Im Übrigen wird dem Rekurs, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Berufung richtet, Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
[1] Mit Urteil vom 8. 2. 2021 verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von 17.533,80 EUR sA sowie eines Kostenersatzes von 10.321,53 EUR. Das Mehrbegehren der Klägerin von 1.166,40 EUR sA wurde (rechtskräftig) abgewiesen. Dem Beklagtenvertreter wurde am 9. 2. 2021 dieses Urteil und am 24. 2. 2021 ein von der Klägerin dagegen erhobener Kostenrekurs zugestellt.
[2] Am 3. 3. 2021 brachte der Beklagtenvertreter für den Beklagten einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang für die Erhebung der Berufung gegen das Ersturteil sowie die Erstattung der Kostenrekursbeantwortung ein. Dem Antrag war als Beilage ein vom Beklagten unterfertigtes Vermögensbekenntnis (ZPForm 1) angeschlossen.
[3] Mit Beschluss vom 10. 3. 2021 erteilte das Erstgericht dem Beklagten den Auftrag, das Vermögensbekenntnis binnen 14 Tagen durch Vervollständigung in mehreren Punkten und Anschluss diverser Belege zu verbessern. Dieser Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter – ohne Rückstellung des im ERV eingebrachten Originalantrags bzw des Vermögensbekenntnisses – am 12. 3. 2021 zugestellt. Da in der Folge keine Verbesserung erfolgte, wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag „in Ermangelung ausreichenden Entscheidungssubstrats“ mit Beschluss vom 7. 4. 2021, rechtskräftig seit 24. 4. 2021, ab.
[4] Am 4. 5. 2021 brachte der Beklagtenvertreter für den Beklagten – in einem Schriftsatz verbunden – Berufung und Kostenrekursbeantwortung ein.
[5] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung (Punkt I.) und die Kostenrekursbeantwortung des Beklagten als verspätet zurück. Darüber hinaus änderte es über den Kostenrekurs der Klägerin die Kostenentscheidung auf einen vom Beklagten zu ersetzenden Betrag von 10.383,44 EUR ab (Punkt II.). Beim Verfahrenshilfeantrag des Beklagten handle es sich um einen mangels Vollständigkeit unzulässigen Antrag, der zu keiner Fristunterbrechung führe. Er gelte demgemäß als nicht gestellt, weshalb die Berufung sowie die damit gleichzeitig erhobene Rekursbeantwortung des Beklagten verspätet seien.
[6] Gegen diesen Beschluss richtet sich der – von der Klägerin beantwortete – Rekurs des Beklagten, mit dem er die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses in Ansehung der Berufung und die Fortsetzung des Berufungsverfahrens sowie die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses in Ansehung der Kostenrekursbeantwortung und deren Honorierung im Kostenrekursverfahren anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[7] A. Der Rekurs gegen die Zurückweisung der Kostenrekursbeantwortung ist jedenfalls unzulässig.
[8] Der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RIS-Justiz RS0044233). Diese Ausschlussbestimmung wirkt auch gegen Formalbeschlüsse, mit denen etwa eine Rekursbeantwortung zu einem Kostenrekurs zurückgewiesen wird (RS0044233 [T15]).
[9] B. Der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig (RS0042770); er ist auch berechtigt.
[10] Die Fristunterbrechung nach § 73 Abs 2 ZPO beziehungsweise § 464 Abs 3 ZPO tritt bei einem unzulässigen – anders als bei einem (bloß) unberechtigten – Verfahrenshilfeantrag nicht ein. Dass die Frist wegen der Unzulässigkeit des Verfahrenshilfeantrags nicht unterbrochen wurde, ist im Rechtsmittelverfahren ohne Rücksicht darauf aufzugreifen, dass der Antrag (zu Unrecht) als zulässig behandelt wurde (RS0123515).
[11] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der (vom Erstgericht meritorisch erledigte) Verfahrenshilfeantrag des Beklagten allerdings nicht unzulässig gewesen:
[12] Hat eine Partei fristgerecht einen Verfahrenshilfeantrag gestellt, jedoch dann trotz gerichtlichen Verbesserungsauftrags kein Vermögensbekenntnis vorgelegt, so ist der Verfahrenshilfeantrag nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen (RS0120073). Dies hat um so mehr für den Fall zu gelten, wenn die Partei ohnehin ein Vermögensbekenntnis vorlegt und lediglich dem gerichtlichen Verbesserungsauftrag verspätet nachkommt (RS0120073 [T3]).
[13] Der Grund dafür liegt darin, dass das Vermögensbekenntnis nach dem Modell der ZPO keinen (notwendigen) Bestandteil des Verfahrenshilfeantrags darstellt, sondern das primär vorgesehene Bescheinigungsmittel zum Nachweis der wirtschaftlichen Verhältnisse (RS0120073 [T7]). Leistet daher die Partei einem Auftrag zur Ergänzung des Vermögensbekenntnisses oder zur Beibringung von Belegen keine Folge, dann ist § 381 ZPO sinngemäß anzuwenden (§ 66 Abs 2 Satz 4 ZPO). Daraus ist zu schließen, dass selbst bei Nichtvorlage eine positive Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag möglich ist (zuletzt etwa 9 Ob 46/20k mwN).
[14] Da sich der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts hier inhaltlich ausschließlich auf das Vermögensbekenntnis bezog, lag ein formgültiger und fristgerecht eingebrachter Verfahrenshilfeantrag des Beklagten vor, der die Berufungsfrist gemäß § 464 Abs 3 ZPO bis zur Rechtskraft des ihn abweisenden Beschlusses (am 24. 4. 2021) unterbrochen hat (RS0120073 [T1]). Ausgehend davon wurde die Berufung (am 4. 5. 2021) rechtzeitig eingebracht.
[15] Insoweit war dem Rekurs daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss aufzuheben.
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E133757European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00129.21K.1129.000Im RIS seit
09.02.2022Zuletzt aktualisiert am
09.02.2022