TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 L524 2134819-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L524 2134819-1/78E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2016, Zl. 1091455005-151576671, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2017, 10.12.2019 und am 20.05.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der dritte Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist“.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 20.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.10.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei in zweiter Ehe verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischer Moslem. Er habe neun Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Angestellter gearbeitet. Er habe mit seiner Ehefrau und seiner Tochter sein Heimatland am 01.09.2015 legal verlassen, den Entschluss dazu habe er kurz zuvor gefasst. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, er sei vom Militär bedroht, verhaftet, geschlagen, verletzt und an der Decke aufgehängt worden.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 14.06.2016 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er gehöre dem Stamm der XXXX an, welcher das Regime von Saddam Hussein unterstützt habe. Er habe neun Jahre die Schule in Bagdad besucht und sei anschließend im Alter von 19 Jahren zum Militär gegangen und bis 1988 dort gewesen. Danach habe er für Ölfirmen gearbeitet. Er sei in zweiter Ehe verheiratet und habe eine Tochter. Aus seiner ersten Ehe habe er zwei Söhne und eine Tochter. Der Beschwerdeführer habe bis 2007 in Bagdad im Haus seines Vaters gelebt. Nach seiner Verhaftung seien sie in eine Mietwohnung in einem anderen Bezirk Bagdads gezogen. Er habe sich zur Flucht entschlossen, als seine Frau am 05.01.2015 von einer schiitischen Miliz geschlagen worden sei. Der Beschwerdeführer sei 2007 gefoltert worden. Danach sei er nie wieder bedroht worden, er habe seine Arbeitsstelle verlassen und sei woanders hingezogen. Nachdem seine Frau am 05.01.2015 bedroht worden sei, sei sie zu ihrer Familie gezogen und der Beschwerdeführer habe an seinem Arbeitsplatz geschlafen. Nachdem es seiner Frau wieder besser gegangen sei, hätten sie den Irak verlassen.

3. Bei einer weiteren Einvernahme vor dem BFA am 30.06.2016 nannte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund die Probleme im Jahr 2007 und 2015.

4. Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2016, Zl. 1091455005-151576671, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak, Autonome Kurdenzone des Nordirak, gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 25.10.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer sowie seine Ehefrau und seine Tochter als Parteien teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurden gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung aktuelle Länderfeststellungen zur Lage im Irak übermittelt, zu denen der Beschwerdeführer weder schriftlich noch im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Stellungnahme abgab.

7. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer aktuelle Berichte zur Lage im Irak, zu denen der Beschwerdeführer am 12.03.2018 eine Stellungnahme abgab.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L524 2134819-1/12E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der dritte Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass Ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist“.

9. Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Erkenntnis Revision. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.08.2018, Ra 2018/19/0147 - 0149, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und die Revision zurückgewiesen.

10. Der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 24.09.2018, E 1034/2018-18, E 1096/2018-18, E 1097/2018-15, insoweit stattgegeben, als das Erkenntnis hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise, aufgehoben wurde. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Insoweit wurde die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Eine Revision wurde nicht erhoben.

11. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 10.12.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.

12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.02.2020, L524 2134819-1/53E, wurde die Beschwerde gemäß § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der dritte Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass Ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist“.

13. Der gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 03.12.2020, Ra 2020/20/0094 bis 0096, stattgegeben und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben.

14. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.05.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung unentschuldigt nicht teil.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Sunnit. Der Beschwerdeführer wurde in Bagdad geboren, hat dort von 1970 bis 1983 die Schule besucht und von 1983 bis 1988 den Militärdienst absolviert. Danach arbeitete er bis 1998 bei verschiedenen Ölfirmen als Kranfahrer bzw. Staplerfahrer. Bis ca. 2003 arbeitete der Beschwerdeführer als Taxifahrer. Von 2003 bis 2007 arbeitete der Beschwerdeführer bei einem Autounternehmen. Bis zum Jahr 2009 hat der Beschwerdeführer Gelegenheitsarbeiten durchgeführt. Ab 2009 arbeitete er wieder bei einer Ölfirma.

Der Beschwerdeführer war bis 1998 mit XXXX verheiratet und hat mit ihr zwei Söhne ( XXXX ) und eine Tochter ( XXXX ). Seit XXXX .1999 ist er mit XXXX , geb. XXXX , Zl. L524 2134820-1, verheiratet und hat mit ihr eine Tochter, XXXX , geb. XXXX , Zl. L524 2134822-1.

Der Beschwerdeführer verließ am 01.09.2015 gemeinsam mit seiner (zweiten) Ehefrau und seiner Tochter legal über den Flughafen Bagdad den Irak. Am 20.09.2015 stellte der Beschwerdeführer nach illegaler Einreise den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Auch seine Ehefrau und seine Tochter stellten jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer lebte in Bagdad, im Bezirk XXXX . Der Beschwerdeführer hat Familienangehörige im Irak. Der Beschwerdeführer verfügt über ein soziales Netz in Bagdad.

Der Beschwerdeführer ist nicht homosexuell und nicht bisexuell. Er führt in Österreich keine homosexuelle Beziehung.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau und seiner Tochter in Österreich in derselben Asylwerberunterkunft. Ein weitschichtiger Verwandter des Beschwerdeführers lebt in Österreich, zu dem der Beschwerdeführer gelegentlich Kontakt hat. Der Beschwerdeführer hat an der Basisbildung für AsylwerberInnen (Modul 1, 2 und 3) im Zeitraum vom 11.05.2016 bis 08.02.2017 teilgenommen, einen zweistündigen Workshop „Hilfe im Notfall“ beim Österreichischen Roten Kreuz besucht und verfügt über Unterstützungserklärungen der Caritas Wien. Der Beschwerdeführer war für einen Deutschkurs A1 von 31.07.2017 bis 17.10.2017 angemeldet. Seit 19.04.2021 besucht er einen Deutschkurs auf dem Niveau A2. In der mündlichen Verhandlung war eine Verständigung auf einfachem Niveau möglich. Der Beschwerdeführer spielt Geige.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafrechtlich unbescholten. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2018, L524 2134819-1/12E, hinsichtlich der Nichtzuerkennung von Asyl erwuchs in Rechtskraft. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, eine Bedrohung durch die schiitische Miliz wegen seiner Tätigkeit für eine amerikanische Firma, wurde für nicht glaubhaft erachtet. Das gegenständliche Verfahren betrifft daher (nur) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Zur Lage im Irak:

Der Irak hat zwischen 38 und 40 Millionen Einwohner, von denen beinahe 60 Prozent jünger als 25 Jahre alt sind. Etwa 70 Prozent der Einwohner leben in städtischen Gebieten. In der Hauptstadt Bagdad, der größten Stadt des Landes, leben zwischen sechs und sieben Millionen Menschen. Die Städte Basra und Mossul haben jeweils mehr als zwei Millionen Einwohner. In Erbil, Kirkuk, Suleymania und Hilla leben jeweils mehr als eine Million Menschen. Der größte Teil der Einwohner lebt im Norden und Osten des Landes sowie im Zentralirak. Die größten städtischen Gebiete befinden sich entlang des Euphrat und des Tigris. Der Großteil des Westens und des Südens des Irak ist Wüste und dünn besiedelt bzw. unbewohnt.

Etwa 97 Prozent der Bevölkerung sind Moslems, davon gehören 55 bis 60 Prozent der schiitischen Glaubensrichtung an, die überwiegend Araber sind, und ca. 40 Prozent der sunnitischen Glaubensrichtung. Etwa 60 Prozent der sunnitischen Moslems sind Araber, ca. 37,5 Prozent sind Kurden und der Rest sind Turkmenen. Schiiten leben überwiegend im Süden und Osten des Landes und stellen die Mehrheitsbevölkerung in Bagdad dar. In den meisten Teilen des Landes gibt es schiitische Gemeinden. Sunniten bilden die Mehrheit im Westen und im Zentralirak. Kurden sind die Mehrheitsbevölkerung in der Autonomen Region Kurdistan (KRI) im Norden des Landes.

Gemischte sunnitisch-schiitische Viertel in Bagdad gibt es in den Bezirken Rusafa und Karrada sowie kleinere gemischte Viertel auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya. Schiitische Viertel dominieren die Vororte Sadr City, Abu Dashir und Al Doura. Bedeutenden sunnitische Viertel gibt es in Abu Ghraib, A’adamia, Rusafa, Za’farania, Doura und Rasheed.

Die Verfassung garantiert die Gleichstellung vor dem Gesetz ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Mit dem Wahlgesetz soll eine Vertretung von Frauen im Parlament von mindestens 25 Prozent erreicht werden. Mit der Quote ist es gelungen, Frauen ein gewisses Maß an Vertretung zu verleihen – vor ihrer Einführung besetzten Frauen weniger als 2 Prozent der Sitze im Parlament. Nur 14 Prozent der Frauen arbeiten oder suchen aktiv Arbeit im Vergleich zu 73 Prozent der Männer. 21 Prozent der aktiven Frauen sind arbeitslos im Vergleich zu elf Prozent der aktiven Männer. Der Prozentsatz steigt bei jungen Frauen auf 27 Prozent und ist in städtischen Gebieten deutlich höher als in ländlichen Gebieten, in denen Frauen hauptsächlich in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Im gesamten Irak (einschließlich des KRI) ist die überwiegende Mehrheit der erwerbstätigen Frauen (94 Prozent) im öffentlichen Sektor tätig, vor allem in den Bereichen öffentliche Finanzen, Bildung und Banken. Irakische Frauen führen ungefähr einen von zehn Haushalten – 80 Prozent dieser weiblichen Haushaltsvorstände sind Witwen, geschieden, getrennt oder betreuen kranke Ehepartner.

Der Staat ist verpflichtet, Kinder und Jugendliche zu schützen und zu betreuen und ihnen angemessene Bedingungen für die Entwicklung ihrer Talente und Fähigkeiten zu bieten. Alle Formen der wirtschaftlichen Ausbeutung von Kindern sind verboten. Die Verfassung garantiert die soziale und gesundheitliche Sicherheit der Kinder, die Grundvoraussetzungen für ein freies und menschenwürdiges Leben sowie ein angemessenes Einkommen und angemessenen Wohnraum. Das Mindestalter für eine Beschäftigung beträgt 15 Jahre im ganzen Land. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit von Personen unter 18 bis sieben Stunden pro Tag und verbietet die Beschäftigung in einer Arbeit, die sich nachteilig auf Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren auswirkt. Zu den Strafen für Verstöße gegen das Gesetz gehört eine Freiheitsstrafe zwischen 30 Tagen und sechs Monaten und eine Geldstrafe von bis zu 1 Mio. IQD, die im Falle einer wiederholten Straftat verdoppelt werden muss.

Artikel 34 der Verfassung garantiert das Recht auf kostenlose Bildung. Sie macht die Grundschulbildung obligatorisch und verpflichtet den Staat zur Bekämpfung des Analphabetismus. Das Bildungsministerium (MoE) und das Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung sind für die Überwachung der Bildung verantwortlich. In der KRI sind das kurdische Bildungsministerium und das kurdische Ministerium für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung zuständig. Die öffentliche Bildung ist auf allen Ebenen kostenlos. Die Schulpflicht besteht bis zum Ende der 6. Klasse, in der KRI bis zum Ende der 9. Klasse. Bis 2003 gab es keine Privatschulen. Heute sind es ungefähr 1.200 mit Lizenzen des MoE. Privatschulen sind im Vergleich zum unterfinanzierten öffentlichen System oft von hoher Qualität, verlangen jedoch extrem hohe Gebühren, so dass sie nur für die wohlhabende Elite finanzierbar sind. Seit 2017 gibt es im Irak 35 öffentliche und 55 private Universitäten sowie 15 private und 15 öffentliche Universitäten in der KRI. (Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.08.2020)

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ‚Riot Gear Summer Rush‘, einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände – ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde – gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. „Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben“, sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv „Tribe of Monsters“ spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine „Familiensektion“ zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten. (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019)

Sicherheitsrelevante Vorfälle bewegen sich seit Dezember 2020 auf einem niedrigen Niveau. Im Februar 2021 ereigneten sich pro Woche 19, 11, 20 sowie 13 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Land. Von den 19 Vorfällen in der ersten Woche ereignet sich nur einer in Bagdad. Von den landesweit elf Todesopfern waren nur zwei Zivilisten, die übrigen waren ISF-Mitglieder und Mitglieder der Hashd al-Shaabi. In der zweiten Woche ereigneten sich drei der elf Vorfälle in Bagdad. Im gesamten Land starben vier Personen bei diesen Vorfällen, allesamt Mitglieder der Polizei und Armee. Von den 20 Vorfällen in der dritten Woche ereigneten sich zwei in Bagdad. Bei allen landesweiten Vorfällen kamen elf Personen ums Leben. Drei davon waren Zivilisten, die übrigen ISF-Mitglieder und Mitglieder der Hashd al-Shaabi. In der letzten Februarwoche ereigneten sich vier der insgesamt 13 Vorfälle in Bagdad. Es starben landesweit 13 Personen, davon waren sechs Zivilisten und die übrigen Mitglieder der Hashd al-Shaabi. (Musings on Iraq, 1. – 28. Februar 2021).

Auch im März bewegten sich die gewaltsamen Vorfälle auf einem niedrigen Niveau. In der ersten Märzwoche gab es 19 sicherheitsrelevante Vorfälle. Davon ereigneten sich drei in Bagdad. Im gesamten Land kamen bei diesen 19 Vorfällen fünf Personen ums Leben, allerdings keine Zivilisten. In der zweiten Märzwoche gab es zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle; einer davon in Bagdad. Von den 13 Todesopfern im gesamten Land waren acht Zivilisten. In der dritten Märzwoche gab es 24 sicherheitsrelevante Vorfälle, wovon drei auf Bagdad entfielen. Von den acht Todesopfern waren drei Zivilisten. In der ersten Märzwoche gab es 14 sicherheitsrelevante Vorfälle, drei davon in Bagdad. Es starben landesweit acht Personen, fünf davon waren Zivilisten. (Musings on Iraq, 1. – 28. März 2021).

In der ersten Aprilwoche kam es zu 16 sicherheitsrelevanten Vorfällen, zwei davon in Bagdad. Landesweit starben drei Zivilisten. Im Beobachtungszeitraum Jänner 2020 bis April 2021 bewegten sich die wöchentlichen sicherheitsrelevanten Vorfälle zwischen zehn und dreißig. Einen deutlichen Anstieg gab es nur im Mai 2020. Hier erreichte der Höchstwert in einer Woche im Mai über 60 Vorfälle, der danach aber nicht wieder erreicht wurde. Bei sicherheitsrelevanten Vorfällen handelt es sich um Schießereien, Entführungen, IEDs (Sprengfallen), Angriffe auf Checkpoints, etc. (Musings on Iraq, 1. – 7. April 2021).

Ende Februar 2021 gab es insgesamt 4,8 Millionen Rückkehrer in acht Gouvernements. Im Zeitraum Jänner bis Februar 2021 kamen 20.250 neue Rückkehrer hinzu. Diese Zahl ist niedriger als in der Periode November/Dezember 2020, wo es 49.152 Rückkehrer gab und einer der niedrigsten Werte seit 2015. Dieser Rückgang kann auf das Schließen von Camps und Bewegungseinschränkungen in Zusammenhang mit dem Coronavirus zurückgeführt werden. In die Gouvernements Ninewa, Anbar und Salah ad-Din kehrten die meisten Personen zurück. 95 Prozent aller Rückkehrer kehren an ihre Wohnadresse zurück, die sich in einem guten Zustand befindet. (DTM Iraq Master List Report 120, January – February 2021)

Das nationale Impfprogramm gegen das Corona-Virus läuft seit 30.3.2021. Der Irak hat das Ein- und Ausreiseverbot für 21 Länder aufgehoben, u.a. Österreich. Die Region Kurdistan hat das Ein- und Ausreiseverbot für 22 Länder aufgehoben, u.a. Österreich. Alle Landgrenzen sind bis auf weiteres geschlossen. Die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra sind für kommerzielle Linienflüge offen. Die irakische Regierung beschränkt das Reisen zwischen Provinzen nicht, aber die Einreise in den Irak zu touristischen und religiösen Zwecken ist verboten. Schulen und Universitäten unterrichten bis auf weiteres, 4 Tage die Woche Online und einen Tag vor Ort. Ministerien sind mit Mindestkapazität und verkürzter Arbeitszeit geöffnet, Maskenpflicht für alle. Einkaufszentren, Supermärkte sind unter Auflagen des Gesundheitskomitees geöffnet. Restaurants, Cafés und Bars sind während des Fastenmonats geschlossen. Ab 15.02 sind Veranstaltungen und Feierlichkeiten jeglicher Art und Trauerversammlungen bis auf weiteres verboten. Moscheen sind geöffnet. Taxis, dürfen nicht mehr als 3 Personen (inklusive Fahrer) transportieren. Nächtliche Ausgangssperre von 21:00 – 05:00 Uhr. Komplette Ausgangssperre an Freitagen und Samstagen. (Coronavirus: Situation im Irak, wko 13.04.2021)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, zu seiner Berufstätigkeit zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen zur Integration in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten Bestätigungen und den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug.

Der Beschwerdeführer behauptete in der Verhandlung vom 10.12.2019, dass er seit langer Zeit keinen Kontakt mehr zu seinen Geschwistern habe. Auf die daraufhin gestellten Nachfragen wich er mehrfach aus und behauptete dann, dass er seit etwa einem Jahr keinen Kontakt mehr zu seinen Geschwistern habe (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019). Dazu widersprüchlich sind die Angaben der Tochter des Beschwerdeführers, die in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 angab, dass sie sehr wohl mitbekomme, dass ihre Eltern mit den Verwandten im Irak telefonieren (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019, Zl. L524 2134822). In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 behauptete der Beschwerdeführer wiederum, keinen Kontakt zu seinen Verwandten im Irak zu haben. Er brachte vor, dass seit zwei Jahren – somit seit Mai 2019 – kein Kontakt bestünde (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). In der Verhandlung vom 10.12.2019 behauptete er aber – nach mehrfachem eindringlichem Nachfragen –, dass seit ca. einem Jahr, also ca. Dezember 2018, kein Kontakt bestünde (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019). Diese unterschiedlichen Angaben belegen damit – neben den oben angeführten Angaben der Tochter des Beschwerdeführers –, dass der Beschwerdeführer keine wahrheitsgemäßen Angaben macht. In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 gab der Beschwerdeführer an, er wisse nicht, wer aktuell im Irak lebe, weil er keinen Kontakt zu seiner Familie habe und er „nehme an“, dass sie teils in Europa, teils im Irak leben würden (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Der in dieser Verhandlung vernommene Zeuge erklärte jedoch, dass er [der Zeuge] im Dezember 2020 die Tochter aus erster Ehe des Beschwerdeführers in der Türkei besucht bzw. getroffen habe und ihr ein Geschenk ihres Vaters übergeben habe. Der Aufenthalt des Zeugen in der Türkei im Dezember 2020 ist durch die Ein- und Ausreisestempel in seinem Konventionspass belegt (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Damit ist erneut belegt, dass der Beschwerdeführer keine wahrheitsgemäßen Angaben macht, wenn er behauptet, er habe keinen Kontakt zu seiner Familie und „annehme“, dass die Familie teils in Europa, teils im Irak lebe. Der Beschwerdeführer steht zweifelsfrei in Kontakt zu (Teilen) seiner Familie, stellt dies vor dem Bundesverwaltungsgericht aber anders dar und behauptet, keinen Kontakt zu haben. Auf Grund dieser Angaben wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit der Behauptung, er habe keinen Kontakt zu seiner Familie, bloß versucht, sich im Verfahren eine bessere Position zu verschaffen. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer Familienangehörige im Irak hat. Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers zeigt zudem, dass der Beschwerdeführer keinerlei Bedenken hat, vor Unwahrheiten zu behaupten, weshalb seine persönliche Glaubwürdigkeit massiv beeinträchtigt ist.

Aufgrund der langjährigen Aufenthaltsdauer in Bagdad wurde die Feststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer über ein soziales Netz in Bagdad verfügt.

Vier Tage vor der mündlichen Verhandlung am 10.12.2019 langte eine Stellungnahme (OZ 50) des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer homosexuell sei und er sei sich dessen schon im jugendlichen Alter bewusst gewesen. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt sexuell zu Frauen hingezogen gefühlt, habe aber den gesellschaftlichen Normen entsprechen müssen, weswegen er Vater geworden sei. Beide Ehen seien erzwungen gewesen. Die erste Ehefrau habe von der Homosexualität gewusst. Die nunmehrige Ehefrau wisse es nicht, vermute es aber. Gegen eine Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er homosexuell sei, spricht zunächst sein eigenes Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 10.12.2019. Hier war nämlich plötzlich nicht mehr die Rede davon, dass er homosexuell sei und sich nie zu Frauen hingezogen gefühlt habe, sondern behauptete er nun, dass er bisexuell sei und keine Probleme mit Frauen hätte (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer hat damit innerhalb von wenigen Tagen sein Vorbringen gänzlich abgeändert.

Es ist auch nicht glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer erst jetzt (im Dezember 2019) dazu imstande sah, seine homosexuelle Orientierung vorzubringen. Als Begründung hierfür wird in der Stellungnahme (OZ 50) angeführt, dass er sich nicht habe outen wollen, da mit seiner Frau und seiner Tochter ein Familienverfahren geführt worden sei und diese [bei der Einvernahme und Verhandlung] anwesend gewesen seien. Sowohl die Leiterin der Einvernahme beim BFA als auch die Richterin beim Bundesverwaltungsgericht seien weiblich gewesen, was zu einer Erschwerung seines Outings geführt hätte. Dazu ist einerseits festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer, wenn er sich tatsächlich nicht vor dem BFA hätte outen wollen, er dieses Vorbringen in der Beschwerde hätte erstatten können. In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2017 wurde der Beschwerdeführer in Abwesenheit seiner Frau und seiner Tochter befragt. Diese warteten vor dem Verhandlungssaal. Er hätte daher seine sexuelle Orientierung vorbringen können. Dem Beschwerdeführer wurde dies auch in der Verhandlung vom 10.12.2019 vorgehalten, worauf er aber nur ausweichend antwortete. Außerdem war der Beschwerdeführer durch einen rechtsfreundlichen Vertreter in der (ersten) Verhandlung vertreten, der ebenso auf die sexuelle Orientierung des Beschwerdeführers hätte hinweisen und eine getrennte Verhandlung hätte beantragen können. Das Vorbringen in der Stellungnahme, die Tatsache, dass die Richterin beim Bundesverwaltungsgericht eine Frau sei, hätte sein Outing erschwert, überzeugt deshalb nicht, da der Beschwerdeführer in der zweiten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.12.2019 genau das Gegenteil behauptete. Hier erklärte er, er hätte kein Problem mit Frauen und sei bereit sich zu äußern, sofern die anwesenden Frauen kein Problem damit hätten (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls).

In der Stellungnahme wird vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer nun in der Lage sehe, öffentlich vor Gericht über seine sexuelle Orientierung zu sprechen. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 gestaltete sich aber nicht so. Zunächst sprach er davon, dass er eine sexuelle Krankheit habe und die „Befunde“ [gemeint: die Stellungnahme] bereits vorgelegt habe. Dem Beschwerdeführer war es nicht möglich, von sich aus zu sagen, dass er homosexuell sei. Erst nach einer kurzen Pause, in der er sich mit seiner Rechtsvertreterin besprach, brachte der Beschwerdeführer dann vor, dass er homosexuell sei. Der Beschwerdeführer konnte nur mühsam zum Reden gebracht werden. Dies erweckte den Eindruck, als sei es dem Beschwerdeführer zuwider, zu behaupten, dass er homosexuell sei. Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und das Variieren seiner sexuellen Orientierung sprechen daher nicht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich homosexuell oder – wie in der mündlichen Verhandlung schließlich behauptet – bisexuell ist.

Betrachtet man nun die Aussagen des Beschwerdeführers zu seiner Homosexualität, so sind auch diese nicht geeignet, die behauptete Homosexualität bzw. Bisexualität glaubhaft erscheinen zu lassen.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 erklärte der Beschwerdeführer, dass er im Alter von15 Jahren von seinem Vater mit einem Jungen „auf frischer Tat“ ertappt worden sei. Sein Vater habe ihn daraufhin gefoltert und Zigaretten auf seinem Körper ausgedämpft. Danach sei er zu seinem Psychologen geschickt worden, weil die Familie angenommen habe, er sei psychisch krank (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019). In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 stellte der Beschwerdeführer die Vorkommnisse rund um das Bekanntwerden seiner Homosexualität anders dar. Hier behauptete er, dass er im Alter von 16 Jahren in der Schule bemerkt habe, auf Männer zu stehen. Als das in der Schule bekanntgeworden sei, sei er angezeigt worden. Ein Schüler habe ihn beim Schulleiter gemeldet. Seine Eltern seien verständigt worden und er sei von der Schule „geschmissen“ worden. Danach sei er von seiner Familie gefoltert und genötigt worden (Seiten 4 und 5 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Der Beschwerdeführer macht damit völlig unterschiedliche Angaben zum Bekanntwerden seiner Homosexualität, weshalb schon aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass er tatsächlich homosexuell sein soll.

Es traten jedoch noch weitere Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers auf, die ebenso gegen eine Glaubwürdigkeit seiner behaupteten Homosexualität sprechen. In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass er vor seiner ersten Ehe mehrere Beziehungen mit Männern geführt habe und er mehrmals erwischt worden sei bzw. die Familie davon erfahren habe (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Damit ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom Dezember 2019 nicht in Einklang zu bringen, wo er ausführte, im Irak einige geheime, schwule Beziehungen geführt zu haben. Er brachte in seiner Stellungnahme nicht vor, dass er erwischt worden sei oder dass die Familie davon erfahren habe (OZ 50).

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2021 auch danach gefragt, wie er die Männer, mit denen er sexuelle Beziehungen hatte, kennengelernt habe. Zur Beantwortung dieser Frage bediente sich der Beschwerdeführer allerdings üblicher Klischees über Homosexuelle (https://www.wien.gv.at/menschen/queer/sexuelle-orientierung/klischees.html), wie sie gerade von Homosexuellen als falsch dargestellt werden (https://www.spiegel.de/panorama/klischees-ueber-lesben-und-schwule-a-00000000-0003-0001-0000-000000087774). Der Beschwerdeführer meinte, man erkenne das, „dass er so wie ich“ sei und man merke, „er ist nicht männlich“ (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Da gerade Homosexuelle diese Klischees und Vorurteile kritisieren und als unzutreffend darstellen, ist es nicht lebensnah, wenn sich ein angeblich Homosexueller ausgerechnet dieser Klischees bedient. Somit spricht auch dies gegen eine tatsächliche Homosexualität des Beschwerdeführers.

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer gleich zwei Mal Frauen geheiratet hat und mit diesen insgesamt vier Kinder gezeugt hat, spricht nicht dafür, dass der Beschwerdeführer homosexuell bzw. bisexuell sein soll. Die Erklärung des Beschwerdeführers, dass von der Gesellschaft erwartet werden, eine Frau zu heiraten und ein Kind zu zeugen, ist hinsichtlich der ersten vom Beschwerdeführer eingegangenen Ehe noch einleuchtend. Dass der Beschwerdeführer aber nach dem Scheitern dieser Ehe ein weiteres Mal eine Frau heiratet und mit dieser wieder ein Kind zeugt, kann aus dem Grund nicht nachvollzogen werden, da er mit der ersten Ehe und den dort gezeugten drei Kinder seiner von der Gesellschaft auferlegten „Verpflichtung“ bereits nachgekommen ist (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Dieses Verhalten des Beschwerdeführers lässt vielmehr den Schluss zu, dass er tatsächlich heterosexuell ist und keiner sexuelles Interesse an Männern hat.

Schließlich konnte auch die Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen nicht dazu führen, dass von einer Homosexualität des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 gab der Beschwerdeführer an, dass er den Zeugen bei einem Fest „irgendeiner Fakultät“ kennengelernt habe. Dort sei es auch auf der Toilette zum Geschlechtsverkehr gekommen (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019). In der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 gaben demgegenüber sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge an, dass sie sich in der Asylwerberunterkunft kennengelernt hätten, in der beide gewohnt hätten (Seiten 6 und 9 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Damit machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben zum Kennenlernen, was gegen eine Glaubwürdigkeit seines Vorbringens spricht. Im Zusammenhang mit dem Kennenlernen brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 wiederum klischeehaft vor, er habe beim Zeugen „fast keine Männlichkeit“ bemerkt. Dass sich der Beschwerdeführer mehrfach Klischees über Homosexuelle bedient, spricht – wie bereits weiter oben dargelegt – nicht dafür, dass er selbst homosexuell ist, da diese Klischees gerade von Homosexuellen abgelehnt werden.

Der Beschwerdeführer und der Zeuge äußern sich auch unterschiedlich zu ihrer Beziehung zueinander. Der Beschwerdeführer gab in seiner Stellungnahme (OZ 50) an, dass er seit Herbst 2015 eine geheime Beziehung mit dem Zeugen führe. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019 brachte er vor, er und der Zeuge seien seit dem ersten Geschlechtsverkehr heimlich ein Paar (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls vom 10.12.2019). Der Zeuge erklärte dagegen, dass er und der Beschwerdeführer kein Paar seien, sondern „bloß Geschlechtsverkehr“ hätten (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Der Beschwerdeführer selbst brachte dies in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 nicht vor. Er wurde mehrfach zu seiner Beziehung zu seinem Freund, dem Zeugen, gefragt, doch gab er an keiner Stelle an, dass sie kein Paar seien und nur Geschlechtsverkehr hätten. Gerade nach den Angaben in der Stellungnahme und in der Verhandlung vom 10.12.2019 entstand in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 der Eindruck, der Beschwerdeführer und der Zeuge seien ein Paar, zumal der Beschwerdeführer auch nie darüber aufklärte, dass dem nicht so wäre. Umso überraschender war daher die Erklärung des Zeugen. Diese unterschiedliche Darstellung weckt erhebliche Zweifel zum konkreten Verhältnis des Beschwerdeführers und des Zeugen.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge wurden in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021 aufgefordert, von ihrer Beziehung zum jeweils anderen zu erzählen. Die Frage war bewusst offen gehalten, um beiden die Möglichkeit zu bieten, umfassend alles ihnen wichtig Erscheinende vorzubringen. Auffällig an beiden Antworten ist jedoch, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge nur vom ersten Geschlechtsverkehr gesprochen haben. Weder der Beschwerdeführer noch der Zeuge machten darüber hinausgehende Angaben zum jeweils anderen und schilderten auch keine anderen Gelegenheiten, bei denen sie Geschlechtsverkehr gehabt hätten (Seiten 6 und 9 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Gerade diese übereinstimmenden Antworten der beiden hinterließen den Eindruck einer Absprache und dass das behauptete sexuelle Verhältnis zueinander nicht besteht. Die über Befragung des Zeugen erstatteten Angaben, dass er mit dem Beschwerdeführer über die Geschichte des Irak und vom Krieg spreche (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021) und der Beschwerdeführer erklärte, der Zeuge habe ihm leidgetan, da er von anderen Asylwerbern beschimpft worden sei und der Beschwerdeführer ihm Sicherheit gegeben habe (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.201), lassen den Schluss zu, dass zwischen dem knapp 57jährigen Beschwerdeführer und dem 27jährigen Zeugen wohl eher ein Verhältnis wie zwischen Vater und Sohn besteht.

Der Beschwerdeführer legte zwei Schreiben von XXXX vom 06.12.2019 und vom 19.05.2021 vor. Diese vermögen die Behauptung des Beschwerdeführers, homosexuell zu sein, nicht zu stützen. In diesen Schreiben ist die Rede davon, dass der Beschwerdeführer Kontakt zur Beratungsstelle habe und zum Thema Coming-out als homosexuelle Person eine Beratung angefragt habe. Eine bloße Kontaktaufnahme zu einer solchen Organisation und Anfrage um eine Beratung ist noch kein Beleg dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich homosexuell ist. Im beiden Schreiben wird erwähnt, dass der Beschwerdeführer seine Homosexualität offen auslebe bzw. „so gut es geht offen auslebe“. Dazu in Widerspruch stehen aber die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2021, wo er erklärte, niemand wisse von seiner Homosexualität (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer von seinem rechtsfreundlichen Vertreter aufgefordert, etwas über die Organisation XXXX zu erzählen. Erstaunlicherweise konnte er aber mit dem Begriff XXXX nichts anfangen. Sein Vertreter musste ihm erst erklären, wovon er sprach. Erst dann brachte der Beschwerdeführer vor, dass dies eine Organisation für Schwule sei und diese Veranstaltungen und Partys veranstalte, wo der Beschwerdeführer überall gewesen sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls vom 20.05.2021). Das Wesentliche zu dieser Organisation, nämlich dass der Beschwerdeführer dort zum Coming-out und zur eigenen Sexualität beraten worden sei, wie dies im Schreiben von XXXX nachzulesen ist, brachte der Beschwerdeführer aber nicht vor. Seine Angaben beschränkten sich auf das Veranstalten von Partys, was nicht annehmen lässt, dass diese Organisation, abgesehen vom Veranstalten von Partys, eine große Bedeutung und schon gar keine in Bezug auf die behauptete Homosexualität für den Beschwerdeführer hat.

Dass die vorgelegten Fotos (OZ 50), die den Beschwerdeführer mit dem Zeugen, teilweise mit nacktem Oberkörper zeigen, nicht geeignet sind, auf eine Homosexualität des Beschwerdeführers zu schließen, braucht nicht weiter erläutert zu werden.

Dem Beschwerdeführer ist es damit nicht gelungen, seine behauptete Homosexualität bzw. Bisexualität glaubhaft zu machen.

Die Feststellungen zur Lage im Irak stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst – wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat – eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (vgl. VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden ist (vgl. VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (vgl. VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer keine individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr vor und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer konnte nämlich nicht glaubhaft machen, homosexuell oder bisexuell zu sein. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Die Lage der Sunniten stellt sich damit nicht dergestalt dar, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Auch nach den EASO Country Guidance von Jänner 2021 ist aus dem bloßen Umstand, ein sunnitischer Araber zu sein, nicht auf eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zu schließen. Individuelle Umstände, aus denen auf eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung geschlossen werden kann, wurden nicht vorgebracht. Infolge dessen kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer allein wegen des Umstands sunnitischer Araber zu sein, bei einer Rückkehr Folter, erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage ent

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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