TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/24 L524 2178146-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2021
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Entscheidungsdatum

24.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L524 2178146-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold Moses Gasse-4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2021, Zl. 1049255805/210380946, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbots, zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VII. des angefochtenen Bescheids wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII. richtig zu lauten hat:

„Gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 FPG, wird gegen Sie ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 29.12.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er 2006 von einer Miliz entführt und gegen Zahlung von Lösegeld wieder freigelassen worden sei. Danach sei er innerhalb Basras umgezogen, später nach Mossul gezogen und wieder nach Basra zurückgekehrt. Die Milizen hätten davon erfahren und er sei daher 2007 nach Syrien gereist, wo er sich bis 2014 aufgehalten habe. Nachdem sich der Krieg in Syrien weiter ausgebereitet habe, sei er im September 2014 in die Türkei und schließlich nach Österreich gekommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25.10.2017, 1049255805/140333374, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E, als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2020, E 3151/2020-5, wurde die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde abgelehnt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.02.2021, Ra 2020/19/0444, wurde die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Revision zurückgewiesen.

2. Am 19.03.2021 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Antrag auf internationalen Schutz und am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 15.04.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer hielt seinen Fluchtgrund aus dem ersten Verfahren aufrecht und gab darüber hinaus an, dass sein Bruder von der Miliz bedroht worden sei, ein Cousin entführt und ein anderer Cousin umgebracht worden sei. Es handle sich dabei um dieselbe Miliz, die den Beschwerdeführer bedroht habe.

Mit Bescheid des BFA vom 25.05.2021, Zl. 1049255805/210380946, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG werde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus Basra, ist Araber und Moslem. Der Beschwerdeführer hat in Basra die Schule besucht und eine Ausbildung zum Buchhalter gemacht. Ab dem Jahr 2007 lebte der Beschwerdeführer in Syrien. Im Jahr 2008 kehrte er nach Bagdad zurück, um sich dort einen Reisepass ausstellen zu lassen. Danach kehrte er nach Syrien zurück. In Syrien ging er Gelegenheitsarbeiten nach. Im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 kehrte er mehrere Male nach Mossul zurück, etwa im April 2010, Dezember 2010, September 2011, Februar 2012 und Februar 2014. Bei diesen Aufenthalten im Irak arbeitete der Beschwerdeführer in Mossul in einem Textilgeschäft und anschließend in einem Restaurant.

Im Jahr 2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak und reiste über Syrien und die Türkei nach Österreich. Der Beschwerdeführer stellte am 29.12.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte zur Begründung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz vor, dass er 2006 von einer Miliz entführt und gegen Zahlung von Lösegeld wieder freigelassen worden sei. Danach sei er innerhalb Basras umgezogen, später nach Mossul gezogen und wieder nach Basra zurückgekehrt. Die Milizen hätten davon erfahren und er sei daher 2007 nach Syrien gereist.

Mit Bescheid des BFA vom 25.10.2017, 1049255805/140333374, wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde als glaubhaft, aber nicht asylrelevant erachtet.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E, als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde, im Jahr 2006 von einer Miliz entführt und misshandelt worden zu sein und nach drei Monaten gegen Zahlung von Lösegeld freigelassen worden zu sein, danach einige Monate in Mossul gelebt zu haben, kurzfristig nach Basra zurückgekehrt zu sein und 2007 nach Syrien gezogen zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht sprach diesem Vorbringen jedoch die nötige Aktualität für eine Asylgewährung ab, da der Beschwerdeführer zwischen 2008 und 2014 mehrmals in den Irak zurückreiste und daher von keiner aktuellen Furcht vor Verfolgung ausgegangen werden kann.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2020, E 3151/2020-5, wurde die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Beschwerde abgelehnt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.02.2021, Ra 2020/19/0444, wurde die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Revision zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer verblieb im österreichischen Bundesgebiet und kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 25.03.2021, VStV/921300515343/2021, wurde gegen den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe von € 600, verhängt. Dieser Strafverfügung lag der Umstand zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer von 10.08.2020 bis 19.03.2021 unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhielt. Diese Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft und die Geldstrafe wurde vom Beschwerdeführer bezahlt.

Am 19.03.2021 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er gab als Begründung an, dass er seinen Fluchtgrund aus dem ersten Verfahren aufrecht halte und darüber hinaus sei sein Bruder von der Miliz bedroht worden, ein Cousin sei entführt und ein anderer Cousin sei umgebracht worden. Es handle sich dabei um dieselbe Miliz, die den Beschwerdeführer bedroht habe. Dieses Vorbringen weist keinen glaubhaften Kern auf.

Mit Bescheid des BFA vom 25.05.2021, Zl. 1049255805/210380946, wurde der Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat seit ca. sechs Monaten eine Freundin, lebt mit ihr aber nicht zusammen. Er hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer übt seit 08.03.2021 ein Gewerbe aus und verfügt über vier Einstellungszusagen vom 05.02.2020, 15.09.2020, 26.11.2020 und 02.04.2021. Der Beschwerdeführer hat das ÖSD-Zertifikat A2 „gut bestanden“. Er hat an einem eintägigen Modul „Sicherheit & Polizei“ bei der Polizei teilgenommen, einen Erste-Hilfe-Grundkurs und einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Er hat bei der Caritas sporadisch und unregelmäßig mitgearbeitet. Er ist Mitglied des Vereins „ XXXX “. Der Beschwerdeführer bezog bis März 2021 Leistungen aus der Grundversorgung.

Zum Irak:

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich des Gouvernements Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen, bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte (AA 12.1.2019), oder auch um Geständnisse zu erzwingen (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020; FH 4.3.2020; AI 10.4.2019) und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren (USDOS 11.3.2020) auch für die Vollstreckung von Todesurteilen (AI 10.4.2019). Laut Informationen von UNAMI sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören (AA 12.1.2019). Ehemalige Häftlinge berichten auch über Todesfälle aufgrund von Folter (AI 26.2.2019). Auch Minderjährige werden Folter unterzogen, um Geständnisse zu erpressen (HRW 6.3.2019). Weiterhin misshandeln und foltern die Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den Volksmobilisierungskräften (PMF) verbundenen Milizen und Asayish, Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung (KRG). Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 11.3.2020). Eine Studie zu Berufungsgerichtsentscheidungen zeigt, dass Richter bei fast zwei Dutzend Fällen aus den Jahren 2018 und 2019 Foltervorwürfe ignorierten und auf Grundlage von Geständnissen ohne weitere Beweise Schuldsprüche erließen. Einige dieser Foltervorwürfe waren durch gerichtsmedizinische Untersuchungen erhärtet. Die Berufungsgerichte sprachen die Angeklagten in jedem dieser Fälle frei (HRW 14.1.2020). Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.1.2019). Trotz der Zusage des damaligen Premierministers Haidar Abadi im September 2017, den Vorwürfen von Folter und außergerichtlichen Tötungen nachzugehen, haben die Behörden im Jahr 2019 keine Schritte unternommen, um diese Missstände zu untersuchen (HRW 14.1.2020).

Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.1.2019). Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Rekrutierung von Kindersoldaten durch Elemente der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Shingal Protection Units (YBS) und PMF-Milizen; Menschenhandel; Kriminalisierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 11.3.2020). Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 21.6.2019). Es wird berichtet, dass tausende Männer und Buben, die aus Gebieten unter IS-Herrschaft geflohen sind, von zentral-irakischen und kurdischen Kräften willkürlich verhaftet wurden und nach wie vor als vermisst gelten. Sicherheitskräfte einschließlich PMFs haben Personen mit angeblichen IS-Beziehungen auch in Lagern inhaftiert und gewaltsam verschwinden lassen (AI 26.2.2019). Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer im öffentlichen Interesse und gegen eine gerechte Entschädigung. In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen, sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten, durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt (USDOS 11.3.2020). Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten (USDOS 11.3.2020). 4Im Zuge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste haben Sicherheitskräfte unter anderem scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt und hunderte Menschen getötet (HRW 31.1.2020). Der IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 (USDOS 11.3.2020).

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an. Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von IDPs und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen (USDOS 11.3.2020).

Es gibt keine Bürgschaftsanforderungen für die Einreise in die Gouvernements Babil, Bagdad, Basra, Diyala, Kerbala, Kirkuk, Najaf, Qadissiya und Wassit. Für den Zugang zu den Gouvernements Maysan und Muthanna wird hingegen ein Bürge benötigt, der die Person an einem Grenz-Checkpoint in Empfang nimmt, oder mit ihr bei der zuständigen Sicherheitsbehörde für eine Freigabe vorstellig wird. Ohne Bürge wird der Zugang wahrscheinlich verweigert, auch wenn die Sicherheitsbehörden über einen Ermessensspielraum für Ausnahmen verfügen (UNHCR 11.2019).

Für die Niederlassung in den verschiedenen Gouvernements existieren für Personen aus den vormals vom IS kontrollierten Gebieten unterschiedliche Regelungen. Für eine Ansiedlung in Bagdad werden zwei Bürgen aus der Nachbarschaft benötigt, in der die Person wohnen möchte, sowie ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar (Anm.: etwa Dorf-, Gemeindevorsteher). Für die Ansiedlung in Diyala, sowie in den südlichen Gouvernements Babil, Basra, Dhi-Qar, Kerbala, Maysan, Muthanna, Najaf, Qadisiya und Wassit sind ein Bürge und ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar erforderlich. Eine Ausnahme stellt der Bezirk Khanaqin dar, in dem Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar, des nationalen Sicherheitsdiensts (National Security Service, NSS), und des Nachrichtendienstes notwendig sind. Für die Ansiedlung in der Stadt Kirkuk wird ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar benötigt (UNHCR 11.2019).

Iraks Wirtschaft erholt sich allmählich nach den wirtschaftlichen Herausforderungen und innenpolitischen Spannungen der letzten Jahre. Während das BIP 2016 noch um 11% wuchs, verzeichnete der Irak 2017 ein Minus von 2,1%. 2018 zog die Wirtschaft wieder an und verzeichnete ein Plus von ca. 1,2% aufgrund einer spürbaren Verbesserung der Sicherheitsbedingungen und höherer Ölpreise. Für 2019 wurde ein Wachstum von 4,5% und für die Jahre 2020–23 ebenfalls ein Aufschwung um die 2-3%-Marke erwartet (WKO 18.10.2019).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten „Public Distribution System“ (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen (K4D 18.5.2018; vgl. USAID 30.9.2019). Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schwerer Ineffizienz gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Beschwerdeführer, seiner Ausbildung im Irak, seinen wechselnden Wohnorten im Irak, seiner Berufstätigkeit, seinen Aufenthalten in Syrien und seinen regelmäßigen Rückreisen in den Irak ergeben sich dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus den dort getätigten Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA, dem Bescheid des BFA vom 25.10.2017, 1049255805/140333374, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E, dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2020, E 3151/2020-5 und dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.02.2021, Ra 2020/19/0444.

Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA, dem Bescheid des BFA vom 05.2021, Zl. 1049255805/210380946 und der Beschwerde.

Dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, mit dem er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründet, keinen glaubhaften Kern aufweist, stützt sich auf folgende Erwägungen:

Der Beschwerdeführer behauptet, dass sein Bruder von einer Miliz bedroht worden sei, ein Cousin entführt und ein Cousin getötet worden sei. Dies alles habe sich im Irak ereignet. Gegen eine Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens spricht, dass der Beschwerdeführer schon in seiner Beschwerde vom November 2017 gegen den abweisenden Bescheid des BFA im ersten Asylverfahren behauptete, keine Familienangehörigen mehr im Irak zu haben. In der Beschwerdeergänzung vom Mai 2020 brachte er dann ausdrücklich vor, dass sein „schwer diabeteskranker“ Bruder bei der Schwester in der Türkei lebe. Der Beschwerdeführer bekämpfte in dieser Beschwerdeergänzung sogar explizit die Feststellung im Bescheid des BFA, dass er noch Familie in Basra bzw. im Irak habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.05.2020 wiederholte der Beschwerdeführer, dass er im Irak niemanden mehr habe. Auch auf die Frage, ob jemand aus dem größeren Verwandtenkreis – beispielhaft wurden Onkel und Tanten angeführt – noch im Irak lebe, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er im Irak niemanden mehr habe. Die Beschwerde bringt dazu vor, der Beschwerdeführer habe die Frage auf die Verwandtschaft ersten und zweiten Grades bezogen, worunter die Cousins nicht fallen würden. Dies vermag jedoch insofern nicht zu überzeugen, da in der Verhandlung ausdrücklich vom „größeren Verwandtenkreis“ gesprochen wurde und dies nicht auf einen bestimmten Verwandtschaftsgrad eingegrenzt wurde. Zudem wurden beispielhaft „Onkel und Tanten“ genannt, weshalb es naheliegend ist, dass man auf diese Frage dann etwa auch die Kinder der Onkel und Tanten nennt, wenn es solche im Irak gibt. Mit dem Beschwerdevorbringen entsteht vielmehr der Eindruck, dass versucht wird, mit allen erdenklichen Erklärungsversuchen die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers aus der Welt zu schaffen.

Für diese Annahme spricht nämlich auch die Behauptung in der Beschwerde, welche zunächst einräumt, dass der Bruder selbst erstaunt sei, dass die Miliz an seine Telefonnummer gelangt sei, allerdings wäre es „allgemein bekannt“, dass „zahlreiche“ Iraker in der Türkei als Spione tätig seien und erhaltene Telefonnummern weitergeben würden. Das BFA hatte im Bescheid angeführt, dass der Bruder – seinen eigenen Angaben zufolge – seine Telefonnummer öfter geändert habe, was die Authentizität der Nachrichten, die die Bedrohung des Bruders zum Inhalt haben, fragwürdig erscheinen lasse. Diesen Ausführungen im Bescheid schließt sich das Bundesverwaltungsgericht an. Dass die Miliz über Spione in der Türkei an die Telefonnummer des Bruders gelangt sein soll, erscheint doch etwas merkwürdig. Der Erklärungsversuch in der Beschwerde ist auch sonst nicht nachvollziehbar. Es wird keinerlei Quelle angeführt, aus der hervorginge, dass zahlreiche Iraker in der Türkei als Spione tätig seien und erhaltene Telefonnummern weitergeben würden. Dieses Vorbringen ist rein spekulativer Natur und entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage. Es ist daher tatsächlich nicht nachvollziehbar, dass die Miliz über Spione in der Türkei an die Telefonnummer des Bruders gelangt sein sollen. Auch die Echtheit der Drohungen ist damit nicht nachvollziehbar.

Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Bruder des Beschwerdeführers aktuell von der Miliz bedroht werden soll. Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge habe die Bedrohung seines Bruders bereits „ca. 2015 oder 2016“ begonnen. Schon dass der Beschwerdeführer nicht einmal genau angeben kann, wann die „Verfolgung“ des Bruders konkret begonnen haben soll, macht dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer erklärte, sein Bruder sei seit 2019 in der Türkei, wovon er kurz nach dessen Ankunft in der Türkei erfahren habe. Der Beschwerdeführer habe seinen Bruder auch nach dem Grund für den Aufenthalt in der Türkei gefragt und sein Bruder habe gesagt, dass er vor Milizen geflüchtet sei, die ihn bedroht hätten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren hinsichtlich seines ersten Asylverfahrens. Der Beschwerdeführer hätte die (behauptete) Bedrohung seines Bruders also durch eine Miliz daher schon der in der mündlichen Verhandlung vom Mai 2020 im Rahmen seines ersten Asylverfahrens vorbringen können, dies aber unterlassen. Ihm wurde schließlich in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit geboten, etwas vorzubringen, das er noch erwähnen möchte. Der Beschwerdeführer hat hier aber nur von seiner eigenen Bedrohung gesprochen, nicht aber jene des Bruders erwähnt, von der er aber, wie er vor dem BFA angab, bereits seit 2019 wusste. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Bruder tatsächlich von einer Miliz bedroht worden sein soll.

Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, der Bruder des Beschwerdeführers habe dem Beschwerdeführer erst nach dem negativen Ausgang des Verfahrens [gemeint ist damit die Zurückweisung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts] von seinen Bedrohungen erzählt, da zu dieser Zeit eine größere Notwendigkeit dafür bestanden habe und der Bruder habe den Beschwerdeführer, im Vertrauen auf einen positiven Ausgang des Verfahrens, nicht beunruhigen wollen, so wird damit die Beweiswürdigung des Bescheides nicht substantiiert bestritten. Folgt man dieser Argumentation, hätte der Beschwerdeführer schon im ersten Asylverfahren – im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht – von der Bedrohung des Bruders (die 2019 erfolgte), erzählen müssen, zumal der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bereits eine erste negative Entscheidung hatte, nämlich den Bescheid des BFA. Dennoch hat er keine Bedrohung seines Bruders geschildert. Dies legt den Schluss nahe, dass es diese Bedrohung gar nicht gab und daher auch die angeblich aktuelle Bedrohung des Bruders durch eine Miliz nicht real ist.

Dass der Beschwerdeführer nun einen Chatverlauf mit seinem Bruder vorlegt, kann an dieser Einschätzung nichts ändern. Wie bereits oben ausgeführt, kann nämlich die Authentizität der Nachrichten nicht festgestellt werden. Diese können von jedermann – auf Wunsch – verfasst und an den Bruder geschickt worden sein, der diese dann an den Beschwerdeführer weiterleitete. Der Zeitpunkt, an dem der Beschwerdeführer diese Nachrichten von seinem Bruder erhielt – März 2021 – legt nahe, dass diese nur für einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz verfasst wurden, da Ende Februar 2021 vom Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im ersten Asylverfahren) zurückgewiesen wurde – der Beschwerdeführer bezeichnet dies als die dritte negative Entscheidung – und der Beschwerdeführer damit bloß versucht, einen weiteren Aufenthalt in Österreich zu erzwingen.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer nicht einmal angeben, welche konkrete Miliz seinen Bruder bedrohen würde. Er nannte hier gleich zwei Milizen, bei denen es sich um die beiden größten Milizen handeln soll. Auch dieses Unvermögen des Beschwerdeführers lässt seine Behauptungen nicht glaubhaft erscheinen.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel darlegen, inwiefern die Entführung eines Cousins und die Tötung eines anderen Cousins mit dem Beschwerdeführer zusammenhängen sollen. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer im gesamten ersten Asylverfahren behauptete, keine Verwandte mehr im Irak zu haben, konnte der Beschwerdeführer nicht einmal nachweisen, dass es sich bei den beiden Personen überhaupt um seine Cousins handelt. Hinsichtlich des ermordeten Cousins legte der Beschwerdeführer auszugsweise einen Bericht (GCHR) vor. Aus dem vollständigen Bericht geht hervor, dass dieser Mann bei einer Demonstration am Al-Tahrir Platz ums Leben kam. Aus dem Bericht kann nicht abgeleitet werden, dass der Mann von einer Miliz gezielt getötet wurde. Dem Beschwerdeführer wurde in der Einvernahme vor dem BFA vorgehalten, dass der Mann bei einer Demonstration von der Polizei getötet worden sei. Der Beschwerdeführer bestätigt dies, behauptet aber, dass die Miliz in Polizeiuniform gewesen sei. Derartiges kann dem Bericht allerdings nicht entnommen werden und der Beschwerdeführer konnte diese in den Raum gestellte Behauptung auch nicht belegen. Auch dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher rein spekulativ. Es liegt damit auf der Hand, dass der Beschwerdeführer bloß ein Bedrohungsszenario zu konstruieren versucht.

Von der Entführung eines anderen Cousins kann der Beschwerdeführer bloß vom Hörensagen berichten. Diesbezüglich lässt sich dem vorgelegten Chatverlauf nicht einmal entnehmen, weshalb der Cousin entführt worden sei. Weshalb die Entführung des Cousins eine Bedrohung des Beschwerdeführers darstellen soll, ist nicht plausibel nachvollziehbar. Wenn der Cousin – sofern es überhaupt ein Cousin des Beschwerdeführers ist – tatsächlich entführt worden sein soll, wäre es viel naheliegender, dass dann die näheren Verwandten des Cousins eine Bedrohung zu befürchten hätten, nicht aber ein entfernter Verwandter wie der Beschwerdeführer.

Es ist daher festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubhaften Kern aufweist.

Die Feststellungen zur Strafverfügung ergeben sich aus ebendieser. Die Feststellungen zur Rechtskraft und zur Bezahlung der Geldstrafe ergeben sich aus einer Mitteilung der Landespolizeidirektion.

Die Feststellung zur Freundin des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinem Vorbringen. Die Feststellungen zur Gewerbetätigkeit, den Einstellungszusagen, dem ÖSD-Zertifikat, der Teilnahme an Kursen und der Vereinszugehörigkeit ergeben sich aus den dementsprechenden Bestätigungen. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus einem GVS-Auszug.

Die Feststellungen zum Irak ergeben sich aus dem vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt, welches des Beschwerdeführers mit Schreiben des BFA vom 25.03.2021 zur Kenntnis gebracht wurde. Der Beschwerdeführer gab hierzu weder in der Einvernahme eine Stellungnahme ab noch äußerte er sich dazu in seiner Beschwerde.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 26.04.2019, Ra 2019/20/0174 unter Hinweis auf VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN).

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066 unter Hinweis auf VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 mit Hinweis auf die ausführlicheren – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen im Erkenntnis vom 19.02.2009, 2008/01/0344).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben – nochmals – zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 08.05.2008, 2004/06/0227).

Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

Behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, sind von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2018/12/0292 unter Hinweis auf VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 bis 0010, mwN).

Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029, mwN). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 unter Hinweis auf VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050, mwN).

Maßstab für die Frage der Erfüllung des Tatbestands der "entschiedenen Sache" ist somit der im ersten – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E, rechtskräftig abgeschlossenen – Verfahren behauptete Sachverhalt, welcher in Relation zum im nunmehrigen Verfahren hervorgekommenen Sachverhalt zu setzen ist.

Dem ersten Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde, im Jahr 2006 von einer Miliz entführt und misshandelt worden zu sein und nach drei Monaten gegen Zahlung von Lösegeld freigelassen worden zu sein, danach einige Monate in Mossul gelebt zu haben, kurzfristig nach Basra zurückgekehrt zu seine und 2007 nach Syrien gezogen zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht sprach diesem Vorbringen jedoch die nötige Aktualität für eine Asylgewährung ab, da der Beschwerdeführer zwischen 2008 und 2014 mehrmals in den Irak zurückreiste und daher von keiner aktuellen Furcht vor Verfolgung ausgegangen werden kann.

In seinem zweiten – gegenständlichen – Antrag auf internationalen Schutz brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren aufrecht seien und darüber hinaus sein Bruder von der Miliz bedroht worden sei, ein Cousin entführt und ein anderer Cousin umgebracht worden sei. Es handle sich dabei um dieselbe Miliz, die den Beschwerdeführer bedroht habe. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, weist das neue Vorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubhaften Kern auf. Im Ergebnis liegt daher eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Es liegen auch keine (allgemein bekannten) Umstände vor, die darauf hindeuten, dass nunmehr die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG (Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) vorliegen würden.

Der Beschwerdeführer erstattete diesbezüglich kein Vorbringen. Auch der Beschwerde ist kein Vorbringen hinsichtlich der Gewährung von subsidiären Schutz zu entnehmen. Es kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden.

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. VfSlg. 18.407/2008 und 19.086/2010).

Der Beschwerdeführer ist aktuell nicht lebensbedrohlich erkrankt. Der Beschwerdeführer behauptet nicht einmal, einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung anzugehören. Vor diesem Hintergrund ergeben sich somit keine Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Irak. Insgesamt gesehen liegt daher auch in Bezug auf subsidiären Schutz keine Sachverhaltsänderung vor.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

2. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt wurde.

Die Entscheidung ist daher gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG in einer Konstellation wie der vorliegenden die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Der Beschwerdeführer führt keine Ehe oder Lebensgemeinschaft in Österreich. Er hat auch keine Familienangehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen, nicht jedoch in das Familienleben.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058; VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

Der Beschwerdeführer hält sich seit Dezember 2014 in Österreich auf. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2020, G302 2178146-1/34E, rechtskräftig abgewiesen. Bis dahin beruhte der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und hielt sich weiterhin unrechtmäßig in Österreich auf. Mit der Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz am 19.03.2021 wurde sein Aufenthalt vorübergehend legalisiert. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Es sind zudem keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer übt seit 08.03.2021 ein Gewerbe aus und verfügt über vier Einstellungszusagen vom 05.02.2020, 15.09.2020, 26.11.2020 und 02.04.2021. Der Beschwerdeführer hat das ÖSD-Zertifikat A2 „gut bestanden“. Er hat an einem eintägigen Modul „Sicherheit & Polizei“ bei der Polizei teilgenommen, einen Erste-Hilfe-Grundkurs und einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Er hat bei der Caritas sporadisch und unregelmäßig mitgearbeitet. Er ist Mitglied des Vereins „ XXXX “.

Der Beschwerdeführer bezog während seines Aufenthalts in Österreich auch Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes, weshalb von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer bezog bis März 2021 Leistungen aus der Grundversorgung. Seit März 2021 übt er ein Gewerbe aus. Eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit vermag durch die vorgelegten Einstellungszusagen nicht dargetan werden, da der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermag, dass er über die für die Erteilung der dazu benötigten Beschäftigungsbewilligung erforderlichen Voraussetzungen verfügt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mwN).

In Zusammenhang mit der geltend gemachten Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Freundin ist vor allem zu berücksichtigen, dass diese Beziehung erst nach dem negativen Abschluss seines ersten Asylverfahrens entstanden ist und sich der Beschwerdeführer daher des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2018/01/0003 mwN).

Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN). Der Kontakt zu seiner Freundin kann jedenfalls durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden (vgl. EGMR 11.04.2006, Fall USEINOV, Appl. 61.292/00). Dem Beschwerdeführer stünde es auch frei, seine Bindungen in Österreich durch briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte aufrecht zu erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Die Bindungen zum Heimatstaat des Beschwerdeführers sind deutlich stärker ausgeprägt. Er hat dort seine Ausbildung absolviert und seine Sozialisation erfahren und spricht Arabisch. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr hat. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, der über eine Ausbildung als Buchhalter und über Berufserfahrung verfügt. Es kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als gesunder und arbeitsfähiger Mann bei einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich, zumal er auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak verfügt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, in seinem Heimatland, dessen Sprache er spricht, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen.

Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland – letztlich Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes – sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 17.04.2020, Ra 2020/21/0083).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag weder das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 unter Hinweis auf VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070, mwN).

Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

Auf Grund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG folgt aus der Nichtgewährung von Asyl und subsidiärem Schutz (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046 mwN).

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG.

Daher ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4. Einreiseverbot (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

§ 53 FPG lautet auszugsweise:

„Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.     

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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