TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/27 L524 2190593-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2021
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Entscheidungsdatum

27.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L524 2190593-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold Moses Gasse-4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2021, Zl. 1076975110/210791709, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbots, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbots auf ein Jahr herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 08.07.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 09.07.2015 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er aus einer kurdischen Familie stamme und in der Türkei sei es ein Problem, Kurde zu sein. Er habe bei einer Pressekonferenz seine Meinung gesagt und mit Freunden für die Brüderlichkeit gesungen, deshalb sei er für zwei Tage angehalten worden. Am 01.05.2014 habe er an einer Maidemonstration gegen den IS teilgenommen. Wegen dieser Teilnahme sei gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet worden und er sei zu einer Haftstrafe von neun Jahren verurteilt worden. Er habe gegen dieses Urteil Berufung eingebracht. Vor der Entscheidung des Kassationsgerichtes sei er jedoch nach Österreich geflüchtet. Im Falle der Rückkehr würde er festgenommen werden, weil es gegen ihn einen Antrag auf einen Haftbefehl gebe.

Am 24.10.2017 war die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der Beschwerdeführer gab an, dass sich die jungen Leute in seiner Region gegen die Regierung gestellt, viel kritisiert und auch Theaterstücke gemacht hätten. Diese Aktivitäten seien fotografiert worden und sie seien deshalb in Untersuchungshaft genommen worden. Man habe sie wie Terroristen eingestuft. Der Beschwerdeführer mache gerne Musik und lese gerne Gedichte, die von einer Gruppe in Konzerten aufgeführt worden seien. Bestimmte Lieder, nämlich kommunistische türkische Lieder, hätten der Regierung nicht gepasst. Der Beschwerdeführer sei acht Jahre in dieser Gruppe gewesen und er habe sich auch in der Gerichtsverhandlung damit gerechtfertigt, dass niemand vom Staat darauf aufmerksam gemacht hätte, dass diese Tätigkeit nicht mehr legal sei. Das alles habe im Jahr 2010 stattgefunden. Die Verhandlungen hätten dann fünf Jahre gedauert und er sei ausgereist, weil er für diese Sache neun Jahre Haft bekommen habe. Er habe zwar Berufung gegen diese Verurteilung eingelegt, aber der Richter und der Staatsanwalt von damals seien suspendiert worden, so dass sein Fall nicht bearbeitet worden sei. Sein Anwalt habe ihm dann empfohlen, in das Ausland zu gehen. Die Verurteilung sei im Juni 2015 erfolgt. Sie sei noch nicht rechtskräftig. Er fühle sich in der Türkei ungerecht behandelt. Sie würden als Terroristen eingestuft werden, weil sie ihre Meinung gesagt hätten. Im Jahr 2009 sei er auch einmal von der Polizei geschlagen worden, so dass er in einem Krankenhaus behandelt worden sei. Im Jahr 2014 sei er von der Polizei bedroht worden. Dies sei passiert, als er sich für den Kauf eines Tickets für ein Fußballspiel angestellt habe. Außerdem habe er 2011 an der Volkshochschule einen Kurs machen wollen. Diesen Kurs hätte er nicht machen können, weil Polizisten, die gegen Terrorismus kämpfen, in einschüchtern wollten. Im Falle der Rückkehr fürchte er um sein Leben und er könne sich auch nicht in einem anderen Teil des Landes niederlassen. Er müsste zu 90 % mit einer Gefängnisstrafe rechnen und dies habe negative Auswirkungen auf seine Familie und seine Person.

Mit Bescheid des BFA vom 19.02.2018, 1076975110/150816865, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1/19E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 18.12.2020 in Rechtskraft.

2. Am 14.06.2021 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Antrag auf internationalen Schutz und am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Der Beschwerdeführer gab an, von Ende November 2020 bis 12.06.2021 in Deutschland gewesen zu sein. Seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle er, weil er Angst habe, in der Türkei festgenommen zu werden. Er habe am 21.11.2021 einen Gerichtstermin, der damit zusammenhänge, dass er Musiker sei und die Musikgruppe, mit der er einmal aufgetreten sei, Propaganda für die KPC-Partei mache. Von seinem nunmehr vorgebrachten Fluchtgrund wisse er seit Juli 2020.

Am 29.06.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen. Er gab an, dass er noch immer dieselben Gründe wie in seinem ersten Verfahren zur Erlangung internationalen Schutzes habe. Es habe sich auch nichts an seinen Gründen geändert.

Bei einer weiteren Einvernahme vor dem BFA am 12.07.2021 erklärte der Beschwerdeführer, seinen Angaben in der vorherigen Einvernahme vor dem BFA nichts hinzufügen zu wollen.

Mit Bescheid des BFA vom 11.08.2021, Zl. 1076975110/210791709, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG werde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, Kurde und Alevit. Er stammt aus XXXX , nähe Istanbul, in der Provinz Kocaeli. Er besuchte acht Jahre die Grundschule und drei Jahre ein Gymnasium, beherrscht die türkische Sprache, aber nur geringfügig Kurdisch. In seiner Familie wurde hauptsächlich türkisch gesprochen. Aufgewachsen ist der Beschwerdeführer in seinem letzten Wohnort XXXX . Er ist ledig und hat keine Kinder. Er lebte vor der Ausreise in XXXX mit seinen Eltern, einem älteren Bruder, zwei älteren Schwestern und einem Neffen in Familiengemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat in seiner Heimat den Lebensunterhalt durch Arbeit in einer Fabrik für Reinigungsmittel und als Kassier in einem Restaurant verdient.

Der Beschwerdeführer verließ die Türkei legal im Juli 2015, nachdem er Anfang Juni 2015 den Entschluss dazu gefasst hatte. Die Weiterreise nach Österreich erfolgte auf illegalem Weg und der Beschwerdeführer stellte am 08.07.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Er brachte zur Begründung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz in der Erstbefragung vor, dass er aus einer kurdischen Familie stamme und in der Türkei sei es ein Problem, Kurde zu sein. Er habe bei einer Pressekonferenz seine Meinung gesagt und mit Freunden für die Brüderlichkeit gesungen, deshalb sei er für zwei Tage angehalten worden. Am 01.05.2014 habe er an einer Maidemonstration gegen den IS teilgenommen. Wegen dieser Teilnahme sei gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet worden und er sei zu einer Haftstrafe von neun Jahren verurteilt worden. Er habe gegen dieses Urteil Berufung eingebracht. Vor der Entscheidung des Kassationsgerichtes sei er jedoch nach Österreich geflüchtet. Im Falle der Rückkehr würde er festgenommen werden, weil es gegen ihn einen Antrag auf einen Haftbefehl gebe.

In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass sich die jungen Leute in seiner Region gegen die Regierung gestellt, viel kritisiert und auch Theaterstücke gemacht hätten. Diese Aktivitäten seien fotografiert worden und sie seien deshalb in Untersuchungshaft genommen worden. Man habe sie wie Terroristen eingestuft. Der Beschwerdeführer mache gerne Musik und lese gerne Gedichte, die von einer Gruppe in Konzerten aufgeführt worden seien. Bestimmte Lieder, nämlich kommunistische türkische Lieder, hätten der Regierung nicht gepasst. Der Beschwerdeführer sei acht Jahre in dieser Gruppe gewesen und er habe sich auch in der Gerichtsverhandlung damit gerechtfertigt, dass niemand vom Staat darauf aufmerksam gemacht hätte, dass diese Tätigkeit nicht mehr legal sei. Das alles habe im Jahr 2010 stattgefunden. Die Verhandlungen hätten dann fünf Jahre gedauert und er sei ausgereist, weil er für diese Sache neun Jahre Haft bekommen habe. Er habe zwar Berufung gegen diese Verurteilung eingelegt, aber der Richter und der Staatsanwalt von damals seien suspendiert worden, so dass sein Fall nicht bearbeitet worden sei. Sein Anwalt habe ihm dann empfohlen, in das Ausland zu gehen. Die Verurteilung sei im Juni 2015 erfolgt. Sie sei noch nicht rechtskräftig. Er fühle sich in der Türkei ungerecht behandelt. Sie würden als Terroristen eingestuft werden, weil sie ihre Meinung gesagt hätten. Im Jahr 2009 sei er auch einmal von der Polizei geschlagen worden, so dass er in einem Krankenhaus behandelt worden sei. Im Jahr 2014 sei er von der Polizei bedroht worden. Dies sei passiert, als er sich für den Kauf eines Tickets für ein Fußballspiel angestellt habe. Außerdem habe er 2011 an der Volkshochschule einen Kurs machen wollen. Diesen Kurs hätte er nicht machen können, weil Polizisten, die gegen Terrorismus kämpfen, in einschüchtern wollten. Im Falle der Rückkehr fürchte er um sein Leben und er könne sich auch nicht in einem anderen Teil des Landes niederlassen. Er müsste zu 90 % mit einer Gefängnisstrafe rechnen und dies habe negative Auswirkungen auf seine Familie und seine Person.

Mit Bescheid des BFA vom 19.02.2018, 1076975110/150816865, wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1/19E, als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben zu dem in der Türkei geführten Gerichtsverfahren machte. Ein Gerichtsurteil habe der Beschwerdeführer nicht vorlegen können, weil er es verloren hätte. Der Beschwerdeführer konnte auch das von seinem Rechtsanwalt erhobene Rechtsmittel nicht vorlegen. Der Beschwerdeführer machte auch widersprüchliche Angaben zu den Ereignissen, die zu seiner angeblichen Verurteilung geführt haben sollen. Der Beschwerdeführer habe auch keinen türkischen Strafregisterauszug vorgelegt, obwohl ein solcher sehr einfach über die Plattform „E-Devlet“ bezogen werden kann.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im November 2020 Österreich und hielt sich bis Juni 2021 in Deutschland auf.

Am 14.06.2021 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er gab als Begründung an, dass er noch immer dieselben Gründe wie in seinem ersten Verfahren zur Erlangung internationalen Schutzes habe. Es habe sich auch nichts an seinen Gründen geändert. Am 21.11.2021 gebe es einen Gerichtstermin. Von der Änderung seiner Fluchtgründe habe er im Juli 2020 erfahren. Dieses Vorbringen weist keinen glaubhaften Kern auf.

Mit Bescheid des BFA wurde der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer lebt alleine in Österreich. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer bezog bis Dezember 2020 Leistungen aus der Grundversorgung. Seit Juni 2021 bezieht er neuerlich Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer behauptet nicht einmal, einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung anzugehören.

Der Beschwerdeführer übte während seines laufenden ersten Asylverfahrens vorübergehend gemeinnützige Tätigkeiten ehrenamtlich und freiwillig bei einer Gebietskörperschaft aus. Der Beschwerdeführer hat kaum Kenntnisse der deutschen Sprache und kann auch keinen Abschluss eines Deutschkurses nachweisen.

Seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1/19E hat sich die allgemeine Lage in der Türkei nicht maßgeblich geändert.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Beschwerdeführer, seiner Herkunft, seiner Ausbildung, seiner Berufstätigkeit, seinen Sprachkenntnissen, seinen familiären Bindungen, seiner Ausreise aus der Türkei und seiner Weiterreise nach Österreich ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1-1/19E.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus den dort getätigten Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA, dem Bescheid des BFA und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1-1/19E.

Die Feststellung zum Aufenthalt in Deutschland stützt sich auf die Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme (AS 103). Diese Angaben werden durch eine deutsche Bankomatkarte des Beschwerdeführers gestützt (AS 79f). Außerdem bezog der Beschwerdeführer nur bis Dezember 2020 Leistungen aus der Grundversorgung und hatte ab Januar 2021 auch keine Meldeadresse mehr in Österreich, weshalb festgestellt wurde, dass er Österreich verlassen hat.

Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung und zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus einem GVS-Auszug und einem Strafregisterauszug (OZ 2). Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer alleine lebt, keine Familienangehörigen hat und er gesund ist, stützen sich auf seine Angaben vor dem BFA (AS 103). Der Beschwerdeführer brachte im gesamten Verfahren nicht vor, erkrankt zu sein. Die Feststellungen zur Integration in Österreich stützen sich auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 16.12.2020. Im gegenständlichen Verfahren erstattete der Beschwerdeführer kein Vorbringen betreffend seine Integration.

Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, den Einvernahmen vor dem BFA und dem Bescheid des BFA und der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer stützt den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dieselben Gründe wie im ersten Asylverfahren. Er brachte neu nur vor, dass er am 21.11.2021 einen Gerichtstermin in der Türkei habe und er von der Änderung seiner Fluchtgründe im Juli 2020 erfahren habe. Dass dieses Vorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubhaften Kern aufweist, stützt sich auf folgende Erwägungen:

Der Beschwerdeführer behauptet, dass er von der Änderung seiner Fluchtgründe seit Juli 2020 wisse (AS 9). Zu diesem Zeitpunkt war das erste Asylverfahren des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Am 20.07.2020 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt. Dem Beschwerdeführer wurde in dieser Verhandlung eine Frist zur Vorlage des türkischen Gerichtsurteils eingeräumt. Am 10.08.2020 richtete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht, in der er mitteilte, das Urteil nicht beschaffen zu können (OZ 14 im Erstverfahren). Weder in der mündlichen Verhandlung noch in der Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer die nunmehrige behauptete Änderung seiner Fluchtgründe vor, von der er aber schon seit Juli 2020 wisse. Wenn schon nicht in der mündlichen Verhandlung am 20.07.2020, so hätte der Beschwerdeführer spätestens in der Stellungnahme vom August 2020 jene Änderung vorbringen müssen, auf die er seinen nunmehrigen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stützt. In der Erstbefragung behauptete der Beschwerdeführer auch, es gebe eine WhatsApp-Nachricht über den Gerichtstermin. Allerdings legte der Beschwerdeführer im gesamten erstinstanzlichen Verfahren diese Nachricht nicht vor und zwar weder in der Erstbefragung noch in den beiden Einvernahmen vor dem BFA und auch nicht in der Beschwerde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es gebe einen neuerlichen Gerichtstermin, weshalb er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stelle, weist daher keinen glaubhaften Kern auf.

Die Feststellung, dass sich die Lage in der Türkei seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020 nicht maßgeblich geändert hat, stützt sich darauf, dass sowohl in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020 als auch im angefochtenen Bescheid dieselben Feststellungen getroffen wurden.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 26.04.2019, Ra 2019/20/0174 unter Hinweis auf VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN).

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066 unter Hinweis auf VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 mit Hinweis auf die ausführlicheren – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen im Erkenntnis vom 19.02.2009, 2008/01/0344).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben – nochmals – zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 08.05.2008, 2004/06/0227).

Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

Behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, sind von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2018/12/0292 unter Hinweis auf VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 bis 0010, mwN).

Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029, mwN). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2019/01/0008 unter Hinweis auf VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050, mwN).

Maßstab für die Frage der Erfüllung des Tatbestands der "entschiedenen Sache" ist somit der im ersten – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1/19E, rechtskräftig abgeschlossenen – Verfahren behauptete Sachverhalt, welcher in Relation zum im nunmehrigen Verfahren hervorgekommenen Sachverhalt zu setzen ist.

Dem ersten Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer stützte seinen ersten Antrag im Wesentlichen darauf, dass er in der Türkei verurteilt worden sei und ihm eine lange Haftstrafe drohe. Das Bundesverwaltungsgericht sprach diesem Vorbringen die Glaubwürdigkeit wegen zahlreicher Widersprüche sowie Ungereimtheiten und der Unmöglichkeit des Beschwerdeführers, das Gerichtsurteil vorlegen zu können, ab.

In seinem zweiten – gegenständlichen – Antrag auf internationalen Schutz brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren aufrecht seien und darüber hinaus ein Gerichtstermin im November 2021 anstünde. Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, weist das neue Vorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubhaften Kern auf. Im Ergebnis liegt daher eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Es liegen auch keine (allgemein bekannten) Umstände vor, die darauf hindeuten, dass nunmehr die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG (Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) vorliegen würden.

Der Beschwerdeführer erstattete diesbezüglich kein Vorbringen. Auch der Beschwerde ist kein Vorbringen hinsichtlich der Gewährung von subsidiären Schutz zu entnehmen. Es kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in die Türkei jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden.

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. VfSlg. 18.407/2008 und 19.086/2010).

Der Beschwerdeführer ist aktuell nicht lebensbedrohlich erkrankt. Der Beschwerdeführer behauptet nicht einmal, einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung anzugehören. Vor diesem Hintergrund ergeben sich somit keine Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in die Türkei. Insgesamt gesehen liegt daher auch in Bezug auf subsidiären Schutz keine Sachverhaltsänderung vor.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

2. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt wurde.

Die Entscheidung ist daher gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG in einer Konstellation wie der vorliegenden die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung dar (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Der Beschwerdeführer führt keine Ehe oder Lebensgemeinschaft in Österreich. Er hat auch keine Familienangehörigen in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen, nicht jedoch in das Familienleben.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058; VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

Der Beschwerdeführer hielt sich von Juli 2015 bis ca. November 2020 in Österreich auf. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2020, L509 2190593-1/19E, rechtskräftig abgewiesen. Bis dahin beruhte der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen. Mit der Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz am 14.06.2021 wurde der Aufenthalt des Beschwerdeführers vorübergehend legalisiert. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Es sind zudem keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer leistete während seines ersten Asylverfahrens gemeinnützige Tätigkeiten ehrenamtlich und freiwillig bei einer Gebietskörperschaft. Der Beschwerdeführer hat kaum Kenntnisse der deutschen Sprache und kann auch keinen Abschluss eines Deutschkurses nachweisen.

Der Beschwerdeführer bezog von 2015 bis Dezember 2020 Leistungen aus der Grundversorgung. Seit Juni 2021 bezieht er neuerlich Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes, weshalb von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Die Bindungen zum Heimatstaat des Beschwerdeführers sind deutlich stärker ausgeprägt. Er hat dort seine Ausbildung absolviert und seine Sozialisation erfahren und spricht Türkisch. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zur Türkei auszugehen.

Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr hat. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, der über Schulbildung und über Berufserfahrung verfügt. Es kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als gesunder und arbeitsfähiger Mann bei einer Rückkehr in die Türkei nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich, zumal er auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für die Türkei verfügt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, in seinem Heimatland, dessen Sprache er spricht, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen.

Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland – letztlich Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes – sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 17.04.2020, Ra 2020/21/0083).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag weder das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 unter Hinweis auf VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070, mwN).

Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

Auf Grund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG folgt aus der Nichtgewährung von Asyl und subsidiärem Schutz (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046 mwN).

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG.

Daher ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4. Einreiseverbot (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

§ 53 FPG lautet auszugsweise:

„Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2.         wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3.         wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.         wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5.         wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.         den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7.         bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8.         eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9.         an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) …

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) …

(6) …“

Das BFA stützte die Verhängung des Einreiseverbots auf eine Missachtung der Ausreiseverpflichtung und eine Mittellosigkeit des Beschwerdeführers. Soweit das BFA das Einreiseverbot mit der Missachtung der Ausreiseverpflichtung in beiden (!) Asylverfahren begründet (AS 202), handelt es sich um aktenwidrige Ausführungen des BFA. Der Beschwerdeführer verließ ca. im November 2020 das österreichische Bundesgebiet. Leistungen aus der Grundversorgung bezog er bis Dezember 2020. Ab Januar 2021 hatte der Beschwerdeführer auch keine Meldeadresse mehr. Seinen Aufenthalt in Deutschland konnte der Beschwerdeführer auch durch eine deutsche Bankomatkarte nachweisen. Wegen einer Missachtung der Ausreiseverpflichtung ist daher die Verhängung eines Einreiseverbots nicht zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 22.02.2021, Ra 2020/01/0001, Rn. 13, mwN).

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FrPolG 2005 ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 unter Hinweis auf VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12 und 19, mwN).

Der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, bestätigt geradezu die Beurteilung, dass der auf die Mittellosigkeit abstellende Tatbestand des (nunmehr) § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 erfüllt ist (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0318 unter Hinweis auf VwGH 21.06.2012, 2011/23/0305; 23.10.2008, 2007/21/0245, jeweils mwN).

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349; aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12).

Bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dabei ist das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen, aber auch darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237, VwSlg. 18295 A/2011, zur Rechtslage nach dem FrÄG 2011). Diese Rechtsprechung ist auch für die Rechtslage nach dem FrÄG 2018 aufrechtzuerhalten (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0009).

Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109 unter Hinweis auf VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).

Im Falle des Beschwerdeführers ist die Verhängung eines Einreiseverbots in der Dauer von fünf Jahren möglich.

Die belangte Behörde stützt die Erlassung eines zweijährigen Einreiseverbots darauf, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei sowie auf die Mittelosigkeit. Wie bereits oben ausgeführt, liegt allerdings eine Missachtung einer Ausreiseverpflichtung nicht vor. Es ist nur der Tatbestand der Mittellosigkeit erfüllt. Unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist das von der belangten Behörde verhängte Einreiseverbot auf ein Jahr herabzusetzen.

Auch die gemäß § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes nicht rechtfertigen.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet stehen zum einen der Umstand der nicht erfolgten Integration sowie zum anderen die Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber.

5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Verhandlungspflicht folgt im Zulassungsverfahren – wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen – besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG (vgl. VwGH 21.05.2021, Ra 2021/18/0196).

Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann das Bundesverwaltungsgericht – unbeschadet des Abs. 7 – über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/19/0072) geht – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG – davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung des – im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden – Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, neben den bereits oben genannten Umständen auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (etwa wenn es gilt, allein die Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen).

Im vorliegenden Fall liegen keine Ermittlungsmängel vor, weshalb eine mündliche Verhandlung entfallen konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Einreiseverbot Folgeantrag Herabsetzung Identität der Sache Interessenabwägung kein geänderter Sachverhalt Mittellosigkeit öffentliche Interessen Prozesshindernis der entschiedenen Sache Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L524.2190593.2.00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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