TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/21 L510 2202378-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2021
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Entscheidungsdatum

21.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L510 2202379-1/16E

L510 2202378-1/15E

L510 2202382-1/14E

L510 2202383-1/13E

L510 2202381-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von

1. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX ,

2. XXXX auch XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX ,

3. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX ,

4. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX ,

5. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX ,

alle vertreten durch die BBU GmbH, nach mündlicher Verhandlung am 30.09.2021, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1 AsylG hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 34 AsylG stattgegeben und 1. XXXX , 2. XXXX auch XXXX auch XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX und 5. XXXX der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG wird 1. XXXX , 2. XXXX auch XXXX auch XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX und 5. XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die beschwerdeführenden Parteien (bP1-4) stellten nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 24.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Am 14.03.2017 wurde der jüngste Sohn (bP5) der bP1 und bP2 geboren, der durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am 12.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Bei den bP handelt es sich um eine Familie mit einer Tochter und zwei Söhnen.

2. Im Zuge der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 gab die bP1 als Familienvater zum Fluchtgrund an, dass ihr die schiitischen Milizen gedroht hätten, da sie einmal einen der Führer einer dieser Milizen verhaften lassen habe, weil dieser mit einem gestohlenen Auto angehalten worden sei. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat fürchte sie um das Leben ihrer Familie und um ihr eigenes Leben.

3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 27.03.2018 brachte die bP1 zum Fluchtgrund zusammenfassend im Wesentlichen vor, dass sie im Irak bei einem Checkpoint in der Nähe der Universität in XXXX gearbeitet habe. Ihre Aufgabe sei es gewesen, jedes Auto welches diesen Checkpoint passieren wollte, auf ihrem Arbeitslaptop zu kontrollieren, nachdem sie die Autopapiere von ihren Kollegen erhalten habe. Täglich seien durch diesen Checkpoint mehr als 50 Autos gefahren und kontrolliert worden. Eines Tages habe sie bei der Kontrolle von Autopapieren gesehen, dass das Auto gestohlen worden sei. Bei der Kontrolle seien auch die Personalausweise der Fahrer und Mitfahrer kontrolliert worden und so habe sie gesehen, dass der echte Besitzer des Autos vom Staat verfolgt werde, weil er beschuldigt werde, mit Terroristen zusammengearbeitet zu haben. Dieser Autobesitzer sei jedoch auch im Auto gesessen. Sie habe dann ihren Chef angerufen, ihm davon erzählt und ihn um Rat gebeten. Dieser habe gemeint sie solle warten, weshalb sie ihn kurze Zeit später nochmals angerufen habe. Es habe jedoch nicht ihr Chef abgehoben, sondern der Generaldirektor von der Verkehrsmittelabteilung. Dieser habe zu ihr gesagt, sie solle still bleiben und habe ihr dann einen Leutnant geschickt. Dieser Leutnant habe zu ihr gesagt, sie solle so tun, als ob sie das Auto und dessen Besitzer nie gesehen habe. Sie habe jedoch erwidert, dass er ihr einen schriftlichen Auftrag geben solle, ehe sie den Besitzer weiterfahren lasse, was der Leutnant jedoch abgelehnt habe. Sie habe daraufhin den Geheimdienst informiert, welcher wiederum ihren Chef verständigt habe. Anschließend sei der Chef des Geheimdienstes zu ihr gekommen, habe das Auto beschlagnahmt und die gesuchte Person festgenommen. Dadurch habe sie viele Probleme bei ihrer Verkehrsmittelabteilung bekommen. Ihr Chef habe zu ihr gesagt, sie solle seinen Befehlen nachkommen, sie habe jedoch darauf erwidert, dass sie eine gerechte Person sei und er den Gesetzen nicht gefolgt habe. Ihr Chef habe daraufhin gemeint, dass sie ab jetzt aufpassen solle. Nachdem sie am nächsten Tag gearbeitet habe, habe sie am darauffolgenden Tag frei gehabt. Ihre Kollegen hätten ihr dann erzählt, dass ein Auto gekommen sei und die Insassen gefragt hätten, wo sie sich aufhalte und wann sie wieder arbeiten würde. Am nächsten Tag sei ihr Chef zu ihr gekommen und habe gesagt, dass sie für drei Tage in Untersuchungshaft festgehalten werde, als Strafe, weil sie seinen Befehlen nicht gefolgt sei. Ihr Chef habe gemeint, dass sie nicht gegen die Terroristen wie die Kifah Alqrete kämpfen könnten und machtlos seien. Am 26.06.2015 sei sie dann nicht mehr zur Arbeit gegangen und habe ihrer Frau gesagt, sie solle zu ihren Eltern gehen und sie selbst gehe zu den ihren. Ihre Frau habe nichts von dem Vorfall gewusst, sondern lediglich, dass sie Probleme gehabt habe. Am XXXX 2015 sei ihre Frau zu ihnen nach Hause gegangen um sich etwas zu holen und sei dabei überfallen worden. Sie sei dabei so sehr geschlagen worden, dass sie an starken Armschmerzen leide und auch mit dem Auge nicht mehr so gut sehe. Ihr Cousin habe dann ihre Frau abgeholt und sie hätten sich im Ort Alkhmes getroffen, wo sie ca. 3 Monate geblieben seien und bei ihrem Onkel gelebt hätten. Am 15.09.2015 sei dann ihr Bruder und dessen Frau getötet worden. Ihr Bruder arbeite beim Militär und sehe ihr sehr ähnlich. In der Nacht als er von XXXX nach XXXX gefahren sei, sei er ermordet worden, weil er vermutlich mit ihr verwechselt worden sei. Ihr Onkel habe daraufhin gemeint, dass er sie nicht mehr lange bei ihnen wohnen lassen könne, weil es für ihn und seine Familie sehr gefährlich sei. Sie seien dann noch bis ca. 15.10.2015 geblieben und anschließend ausgereist.

Die bP2 führte vor dem BFA im Wesentlichen aus, dass sie am 26.06.2015 erstmals daran gedacht habe, den Irak zu verlassen. An diesem Tag habe ihr Mann ihr erzählt, dass es ein Problem bei der Arbeit gegeben habe. Sie habe ihn gefragt was passiert sei, er habe ihr aber nichts Genaues erzählt und habe nur gemeint, es sei um ein Auto gegangen. Er habe ihr nur grob erzählt, dass ein von ihm kontrolliertes Auto gestohlen gewesen sei und er dies am Arbeitscomputer gesehen habe. Als er ihr von seinen Problemen erzählt habe, habe er gemeint, sie solle vorübergehend bei ihren Eltern wohnen und er bei seinen. Am XXXX 2017 sei der Geburtstag ihres Sohnes gewesen. Sie sei an diesem Tag mit ihren Kindern zurück nach Hause gegangen um Kleidungsstücke für sie und ihre Kinder zu holen. Als sie in ein Zimmer hineinging um Kleidung auszusuchen seien auf einmal drei Männer in den Raum gekommen. Zwei von den Männern hätten dann begonnen Gegenstände runter zu schmeißen und zu randalieren, weswegen sie laut geworden sei und gehofft habe, dass ihre Nachbarn sie hören. Daraufhin sei der dritte Mann gekommen und habe begonnen sie mit einem Stock zu schlagen. Er habe sie ausgezogen und auf ihren nackten Körper geschlagen, während Leute von draußen zugeschaut hätten. Keiner von den Zusehern habe ihr geholfen, weil sich diese wahrscheinlich nicht getraut hätten. Sie habe sich nicht wehren können und nur geschrien und habe Angst gehabt, dass sie ihre Kinder mitnehmen. Als sie dann bewusstlos gewesen sei, seien die Männer gegangen und dann sei ihre Nachbarin hereingekommen. Diese habe ihr Handy genommen und ihren Bruder angerufen, welcher sie abgeholt und ins Krankenhaus gebracht habe, wo sie zwei Tage geblieben sei. Am 19.07.2015 sei sie dann zum Orthopäden gegangen, welcher den vorgelegten Arztbrief geschrieben habe, und anschließend zum Augenarzt, weil sie noch Verletzungen von den Schlägen gehabt habe. Sie sei dann auch operiert worden, was aufgrund ihrer Zuckerkrankheit sehr gefährlich gewesen sei. Ihre Eltern hätten dann ihren Mann angerufen und ihn gefragt, was er angestellt habe. Daraufhin habe ihr Mann zu ihr gesagt, er würde seinen Cousin zu ihr schicken um sie abzuholen. Ihr Mann sei dann gekommen und sie hätten für ca. 1 Monat am Land gelebt. Im September sei dann der Bruder ihres Mannes und dessen Frau getötet worden. Ihr Mann habe aus Angst nicht am Begräbnis teilgenommen. Ihr Schwager sei wahrscheinlich deshalb getötet worden, weil er ihrem Mann sehr ähnlich gesehen habe. Sie glaube, dass ihr Mann die Zielperson gewesen sei. Der Onkel bei dem sie vorübergehend gewohnt hätten, habe dann etwas Druck auf sie ausgeübt, weil er auch Angst um sich und seine Familie gehabt habe. Aus diesem Grund hätten sie begonnen über die Ausreise nachzudenken. Ihr Schwager sei getötet worden und sie angegriffen. Ihre Tochter habe rausgehen und spielen wollen, was sie jedoch verboten habe, weil sie Angst gehabt habe, dass ihr etwas passiere. Am 15.10.2015, als ihr Mann weggehen habe wollen, habe er begonnen ihr ein Bisschen von dem Vorfall bei der Arbeit zu erzählen. Er habe ihr erzählt, dass auch ein sehr gefährlicher Mann einer bekannten Miliz dabei gewesen sei.

Für die Kinder (bP3-5) wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

4. Die Anträge auf internationalen Schutz wurden folglich vom BFA mit den im Spruch angeführten Bescheiden gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass Abschiebungen in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig seien (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Im Verfahren seien auch keine Anhaltspunkte für eine Rückkehrgefährdung hervorgekommen oder dafür, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat in eine lebensbedrohliche Notlage geraten würden. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

Die Anträge wurden im Rahmen eines Familienverfahrens (§ 34 AsylG) im Ergebnis gleichlautend entschieden.

Mit Verfahrensanordnungen vom 29.06.2018 wurden den bP Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt.

5. Gegen die genannten Bescheide wurden innerhalb offener Frist Beschwerden in vollem Umfang erhoben. In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass das BFA ihre Feststellungen zur Situation im Irak auf unvollständige Länderberichte gestützt habe und eine Anfragebeantwortung zur Sicherheitslage in Bagdad sowie eine Anfragebeantwortung zur Lage westlich orientierter Frauen im Irak zitiert. Darüber hinaus wurde auf die einzelnen beweiswürdigenden Ausführungen im bekämpften Bescheid eingegangen und die westliche Orientierung der bP2 sowie ihrer Tochter hervorgehoben.

6. Mit Schreiben vom 18.07.2019, 27.08.2020 und 28.09.2021 wurden integrationsbegründende Unterlagen vorgelegt.

7. Am 30.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertretung eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.

Mit der Ladung wurden die beschwerdeführenden Parteien auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre Identität und Staatsangehörigkeit nachzuweisen, sowie ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden den beschwerdeführenden Parteien ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das BVwG in die Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin oder eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurden dazu eingeräumt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben und wurde auch in der mündlichen Verhandlung den Berichten nicht entgegen getreten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wurden die Verfahren der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien:

Bei den bP handelt es sich um Staatsangehörige des Irak. Sie gehören der Volksgruppe der Araber an und sind Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft. Ihre Muttersprache ist Arabisch. Die Identitäten der bP1 sowie der bP5 stehen fest. Sie führen die im Spruch genannten Namen und die dort angeführten Geburtsdaten. Die Identitäten der bP2, bP3 und bP4 stehen nicht fest. Es handelt sich bei den bP um eine Familie.

Die bP1 und die bP2 heirateten im Jahr 2009 standesamtlich sowie traditionell. Der Ehe entsprangen eine Tochter (bP3) sowie zwei Söhne (bP4 und bP5).

Die bP1 stammt aus der Provinz XXXX , wo sie aufgewachsen ist und neun Jahre die Schule besuchte, welche sie auch abschloss. Anschließend ging sie verschiedenen Erwerbstätigkeiten nach und war bis zur Ausreise aus dem Irak in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie verfügt im Herkunftsstaat über keine familiären Anknüpfungspunkte. In Österreich hat sie im März 2019 eine ÖSD Deutschprüfung auf dem Niveau A1 mit „gut bestanden“ absolviert. Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten bei der bP1 vor. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Die bP2 stammt ebenfalls aus der Provinz XXXX , wo sie aufgewachsen ist und neun Jahre die Schule besuchte, welche sie auch abschloss. Anschließend war sie Hausfrau und lebte bis zu ihrer Heirat im Haus ihrer Eltern. Auch vor ihrer Ausreise aus dem Irak war die bP2 Hausfrau und lebte von den Einkünften ihres Ehegatten. Sie verfügt im Herkunftsstaat über zwei Geschwister, welche in ihrer Heimatprovinz XXXX leben. Ihr Bruder arbeitet in einem Restaurant, mit diesem hat sie jedoch seit ca. 1,5 Jahren keinen Kontakt mehr. Ihre Schwester ist Hausfrau und mit dieser hat sie noch regelmäßigen Kontakt. Die bP2 leidet unter einer Diabeteserkrankung und muss sich deshalb regelmäßig Insulin verabreichen. Sie litt bereits im Irak unter dieser Erkrankung und war dort eine Behandlung ohne weitere Probleme möglich.

Die weibliche bP3 ist elf Jahre alt und gesund. Sie besucht aktuell die Mittelschule in XXXX sowie einen Schwimmkurs und Musikunterricht in XXXX .

Die männliche bP4 ist sieben Jahre alt, gesund und besucht aktuell die Volksschule.

Die männliche bP5 ist vier Jahre alt und gesund. Sie besucht aktuell den Kindergarten in XXXX .

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak, insbesondere auch in XXXX , über tragfähige familiären Bindungen und familiäre Unterstützung im Fall der Rückkehr verfügen würden.

Die beschwerdeführenden Parteien reisten im November 2015 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag auf internationalen Schutz für die in Österreich nachgeborene bP5 wurde am 12.04.2017 gestellt. Die beschwerdeführenden Parteien sind in Österreich strafrechtlich unbescholten bzw. noch strafunmündig. Sie gehen in Österreich keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und leben seit ihrer Einreise von der Grundversorgung.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Heimatprovinz XXXX , mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer von schiitischen Milizen landesweit verfolgt worden sind.

Die beschwerdeführenden Parteien hätten im Falle einer Rückkehr in den Irak auch keine Verfolgung durch den Staat zu befürchten. Die bP1 und die bP2 haben sich im Herkunftsstaat nicht politisch betätigt, waren nicht Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung und hatten keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat.

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen sie gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet) durch Private, sei es vor dem Hintergrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit (Araber), ihrer Religion (schiitische Moslem), Nationalität (Irak), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätten.

Den beschwerdeführenden Parteien droht im Falle einer Rückkehr in den Irak auch keine psychische und/oder physische Gewalt aufgrund des Aufenthaltes in Europa, wegen einer unterstellten Moral- und Wertehaltung, welche nicht jener im Irak vorherrschenden entspricht.

Auch aus der allgemeinen Lage im Irak lässt sich konkret für die bP kein Status der Asylberechtigten ableiten.

Die weibliche bP2 wäre im Herkunftsstaat alleine aufgrund ihres Geschlechts keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Bei der bP2 handelt es sich nicht um eine auf Eigen- und Selbstständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als „westlich“ bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Die bP2 hat noch keine Deutschprüfung abgelegt. Sie kümmert sich in Österreich um den Haushalt und ihre Kinder und verbringt ihre Freizeit auch sonst überwiegend zuhause. Sie nimmt in Österreich nur in geringem Umfang am sozialen Leben teil, ist nicht Mitglied in einem Verein und übernimmt derzeit keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Darüber hinaus trägt sie in Österreich nach wie vor ein Kopftuch. Bei der bP2 war letztlich keine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung zu erkennen, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines „westlichen Verhaltens“ oder eine „westliche Lebensführung“ als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität angenommen werden kann.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den bP3, bP4 und bP5 alleine aufgrund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation von Kindern im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische und/oder psychische Gewalt asylrelevanter Intensität drohen würde.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführenden Parteien haben glaubhaft gemacht, dass die bP3 bis bP5 im Falle ihrer Verbringung in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer individuellen Situation im Zusammenhang mit der Lage in ihrer Herkunftsregion einem realen Risiko ausgesetzt wären, in eine existenzbedrohende (Not-)Lage zu geraten und somit eine Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), droht.

1.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a). An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a). Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.03.2020).

Die im Irak anhaltenden sektiererischen Spannungen führten zum Aufstieg von Da'esh (auch als islamischer Staat bekannt), einer militanten Salafi Dschihadistengruppe, die einer fundamentalistischen Version des sunnitischen Islam folgt. Der IS besetze große Teile des Irak im Jahr 2014. Auf seinem Höhepunkt besaß der IS ungefähr 40 Prozent des irakischen Territoriums. Während seiner Besatzung verübte er zahlreiche Gräueltaten, insbesondere gegen Minderheitengruppen, einschließlich Massenmord und sexuelle Versklavung. Der IS besiegte die irakischen Sicherheitskräfte in mehreren Schlachten und kam 50 Kilometer bis an Bagdad heran, bevor er von den regulären irakischen Streitkräften gestoppt werden konnte, unterstützt von einer durch die USA geführten Internationalen Koalition und irregulärer Volksmobilisierungskräfte (PMF). Nach drei Jahren Konflikt erklärte die Regierung im Dezember 2017 den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die letzten vom IS kontrollierten Gebiete entlang der syrischen Grenze zurückerobert worden waren. Der Konflikt mit dem IS hat die irakische Wirtschaft erheblich geschädigt und der IS stellt weiterhin eine Sicherheitsbedrohung innerhalb des Landes dar (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020, S. 9).

Demografische Daten für den Irak sind unzuverlässig, aber die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass die Bevölkerung des Landes zwischen 38 und 40 Millionen liegt. Das geschätzte Bevölkerungswachstum des Landes liegt bei rund 2,8 Prozent pro Jahr und liegt damit in den Top 20 der am schnellsten wachsenden Länder weltweit. Der Irak ist ein junges Land: Fast 60 Prozent der Iraker sind den Berichten zufolge unter 25 Jahre alt. Ungefähr 70 Prozent der Iraker leben in städtischen Gebieten. Der Irak hat eine 3-prozentige jährliche Urbanisierungsrate. Bagdad ist die Hauptstadt und größte Stadt mit einer Bevölkerung zwischen 6 und 7 Millionen Einwohner. Die Städte Basra und Mosul haben beide mehr als 2 Millionen Einwohner, während Erbil, Kirkuk, Sulaymaniyah und Hilla jeweils mehr als 1 Million Einwohner haben. Die irakische Bevölkerung ist stark konzentriert im Norden, in der Mitte und im Osten des Landes, mit vielen größeren städtischen Ballungsräumen entlang der ausgedehnten Teile des Tigris und des Euphrat. Ein Großteil der westlichen und südlichen Gebiete des Irak ist Wüste und dünn besiedelt oder unbewohnt (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020, S. 10).

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechten einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre, Unabhängigkeit der Justiz, Versammlungsfreiheit, Freiheit der Religionsausübung und Schutz der Kultstätten, Vereinigungs- Gedanken- und Meinungsfreiheit. Zahlreiche Gesetze schützen diese verfassungsmäßige Freiheiten. Artikel 2 Absatz 1 der Verfassung besagt, dass der Islam die offizielle Religion des Staates ist. Der zweite Teil von Artikel 2 garantiert das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit, insbesondere unter Erwähnung von Christen, Jesiden und Sabäer-Mandäer (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020, S. 18, 26).

Artikel 102 der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der irakischen Hohen Kommission für Menschenrechte (IHCHR), die vom Repräsentantenrat überwacht wird. Das Gesetz über die Tätigkeit des IHCHR sieht 12 Vollzeitkommissare und drei Reservekommissare mit einer Laufzeit von vier Jahren vor. Das Gesetz überträgt der IHCHR eine breite Befugnis, einschließlich des Rechts auf Empfang und Untersuchung von Menschenrechtsbeschwerden, Durchführung unangekündigter Besuche in Justizvollzugsanstalten und Überprüfung der Gesetzgebung. Die Unabhängige Menschenrechtskommission der Region Kurdistan (IHRCKR) führt ein ähnliches Verfahren durch. Beide Organisationen veröffentlichen regelmäßig Berichte zu Menschenrechtsfragen und führen Schulungen für staatliche Sicherheitsbehörden durch (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 17.08.2020, S. 18, 19).

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt. Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen. Im Juli 2019 begann die „Operation Will of Victory“, an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilizations Forces (PMF), Trival Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der US-geführten Koalition teilnahmen. Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel. Die zivilen Todesopfer im gesamten irakischen Gebiet belaufen sich im Jahr 2017 auf 13.183, im Jahr 2018 auf 3.319 und von Jänner bis inkl. September 2019 auf 1.542. Es handelt sich dabei im vorläufige Zahlen, andere sind nicht verfügbar.

Der IS hat im April 2020 eine neue Gewaltoffensive gestartet, die in der dritten Woche des Mai ihren Höhepunkt erreichte. Es wurden dabei die gleich hohe Anzahl von Attacken wie zuletzt zur selben Zeit 2018. In der vierten Mai-Woche gingen die Attacken wieder zurück (Musings on Iraq, 01.06.2020).

Die Gewalt im Irak erreichte in der vierten Juniwoche einen Tiefpunkt. Die Angriffe des Islamischen Staates waren dort einstellig. Vom 22. bis 28. Juni 2020 wurden in den Medien im Irak insgesamt 10 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Einer davon war ein Raketenangriff auf den Internationalen Flughafen Bagdad von pro-iranischen Gruppen, die hoffen, inmitten der amerikanisch-irakischen Verhandlungen um eine neue Sicherheitsvereinbarung, eine Nachricht an die USA zu senden. Das waren nur 9 Vorfälle des Islamischen Staates. Dies war die niedrigste Zahl seit 8 Vorfällen in der zweiten Woche im November 2019.

Gewalt trat nur in vier Provinzen auf. Es gab jeweils einen Vorfall in Kirkuk und Salahaddin, zwei in Bagdad und sechs in Diyala. 8 Menschen starben und 13 wurden verwundet. Das waren 2 Hashd al-Shaabi und 6 Polizisten, die ihr Leben verloren haben, zusammen mit 5 Polizisten und 8 Hashd, die verletzt wurden. Die Sicherheitskräfte waren weiterhin das Hauptziel der Militanten. Jetzt versucht der IS, seine militärische Dominanz über die ländlichen Gebiete, in denen er arbeitet, durch Einschüchterung der Armee, Polizei und Hashd zu behaupten. Alle Opfer gab es in Salahaddin mit 10 und Diyala mit 11. Anbar bleibt ein Schwerpunkt der Regierung. In der vergangenen Woche gab es 7 Sicherheitsoperationen. In der folgenden Woche gab es gerade eine in der Wüstenregion Nukhaib im Süden an der Grenze zu Nadschaf. Die Provinz sieht relativ wenig aufständische Aktivitäten, ist aber die Hauptschmuggelroute des IS.

Es gab zwei Zwischenfälle in Bagdad. Neben dem Raketenangriff warf ein Polizist zwei Granaten auf sein Haus im Adhamiya Distrikt im Norden. Im Juni wurden fast alle Angriffe, 8 von 10, im Gouvernement der Hauptstadt von proiranischen Gruppen durchgeführt, die Raketen in Bereichen abfeuerten, in denen amerikanisches Personal untergebracht ist. Dies führte dazu, dass die Regierung die Büros der Kataib Hisbollah überfiel, die dafür verantwortlich gemacht wurde.

Diyala ist die Hauptbasis für den Aufstand im Irak. Es war diesen Monat relativ ruhig, weil die Regierungstruppen anwesend waren. Während der Woche gab es sechs Vorfälle, die meisten in diesem Monat. Dazu gehörten zwei Städte im Waqf-Becken, welche von Mörsern getroffen wurden, zwei Angriffe auf Kontrollpunkte, ein Angriff auf ein Dorf und es wurde ein Polizist erschossen. All dies geschah im Muqdadiya Bezirk in der Mitte. Die Regierung startete außerdem sechs Operationen im Norden, Süden, Nordosten und Zentrum. Die Hälfte davon war auf wenige Dörfer beschränkt, während die anderen größere Regionen abdeckten. Die Kerngebiete des Islamischen Staates in Muqdadiya und Khanaqin wurden jede Woche durchsucht, was erklärt, warum die Vorfälle relativ gering waren. Die stetigen Operationen in letzter Zeit haben dazu geführt, dass nicht so viele Angriffe wie üblich ausgeführt werden konnten.

Im südlichen Makhmour-Distrikt von Erbil gab es eine Sicherheitsoperation. Seit einigen Monaten trifft der IS diesen Bereich, weil es ein umstrittenes Gebiet ist und es Lücken in der Berichterstattung zwischen den irakischen Streitkräften und Peshmerga gibt.

Die dritte Phase der Heroes of Iraq-Kampagne begann Anfang der Woche in Salahaddin. Vier verschiedene Bereiche in der Mitte und im Osten waren betroffen. Es wurden mehrere IEDs entdeckt, die 2 Hashd töteten und 8 weitere verwundeten.

Es gab keine Zwischenfälle in Kirkuk oder Ninewa und keine Regierungsaktivitäten. Dies war ein weiteres Zeichen dafür, dass sich der IS im Juni reduzierte. Der Rückgang der Ereignisse im Juni zeigt, dass der Aufstand militärisch immer noch sehr begrenzt ist und große Operationen nicht lange aufrechterhalten werden können. Die Regierung war auch sehr aggressiv (Musings on Iraq, 30. Juni 2020).

Die Gewalt im Irak ist auf ein sehr niedriges Niveau zurückgekehrt. In der dritten Woche in Folge gab es kaum Vorfälle. Das kam nachdem der Islamische Staat von April bis Mai eine neue Offensive angekündigt hatte, bei der die Angriffe auf das Niveau von 2018 stiegen. Die Regierung startete auch eine aggressive Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, die auch die Operationen der Aufständischen niedrig gehalten haben.

Vom 15. bis 21. Juni wurden in den Medien nur 16 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Das war die gleiche Zahl wie in der Woche zuvor. Zwei von den Vorfällen waren pro-iranische Gruppen, die Raketen auf Ziele in Bagdad abfeuerten, in denen Amerikaner untergebracht waren, sowie ein Dritter, bei welchem Raketen entdeckt wurden, bevor sie ins Leben gerufen wurden. Diese Art von Angriffen entstand, als die irakische Regierung Gespräche über eine neue Sicherheitsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten aufgenommen hat. Teheran versucht die Botschaft zu senden, dass die Amerikaner jederzeit ins Visier genommen werden können und das Land verlassen sollten. Damit blieben 13 Vorfälle durch den IS wahrscheinlich, gegenüber 12 in der Woche zuvor und 17 in der ersten Juniwoche.

Die Vorfälle verteilten sich auf nur fünf Provinzen, eine in Kirkuk, vier in Bagdad und Diyala, zwei in Ninewa und fünf in Salahaddin. Diese führten zu 11 Todesfällen und 19 Verwundeten. 1 Zivilist, 4 irakische Sicherheitskräfte (ISF) und 6 Hashd al-Shaabi kamen ums Leben, weitere 5 Sicherheitskräfte, 7 Zivilisten und 7 Hashd wurden verletzt. Salahaddin hatte mit 19 die meisten Verluste, gefolgt von 6 in Diyala, 4 in Ninewa und 1 in Bagdad. Obwohl die Verluste gering waren, litten die Sicherheitskräfte mehr als die Zivilbevölkerung darunter, was in den letzten zwei Monaten eine entscheidende Veränderung war. Es scheint, dass der IS versucht, die militärische Überlegenheit gegenüber den ländlichen Gebieten, in denen sie tätig sind, zu etablieren, indem sie danach streben die Polizei, Armee und Hashd einzuschüchtern. Seit der IS letztes Jahr sein letztes Stück Territorium in Syrien verloren hat, zieht er Männer und Material aus dem Land in den Irak, weitgehend über Anbar. Als Reaktion darauf tätigt die Regierung ständige Sicherheitsoperationen in den großen unbewohnten Gebieten der Provinz. Dort gab es sieben solche während der Woche durch die Wüstengebiete, die Grenze und das Hit-Viertel.

In Diyala gab es während der Woche vier Zwischenfälle. Eine Militärpatrouille wurde von einem IED getroffen, eine Gruppe von Zivilisten wurde angegriffen, ein IS-Scharfschütze tötete einen Hashd und verwundete einen Soldaten, alles im Bezirk Muqdadiya im Zentrum. Ein Infiltrationsversuch wurde im Bezirk Khanaqin im Nordosten vereitelt. Diese Provinz ist das Zentrum der IS-Aktivitäten im Irak, weshalb es regelmäßig zu einer hohen Anzahl von Vorfällen kommt.

3 Personen, die Wochen zuvor entführt worden waren, wurden von den Sicherheitskräften in einem Dorf im Bezirk Daquq im Süden von Kirkuk gerettet. Der IS wurde nie aus der südlichen Region des Gouvernements vertrieben, weshalb sich dort fast alle Vorfälle ereignen. In Ninewa führten zwei IEDs, die sich gegen Zivilisten richteten, zu insgesamt vier Verwundeten. Beide ereigneten sich im Bezirk Qayara südlich von Mosul. Salahaddin war das gewalttätigste Gebiet im Irak. Es gab fünf Vorfälle, darunter IEDs, die auf einen Armeekonvoi und eine Hashd-Patrouille abzielten. Der Anführer von Hashd wurde ermordet und es wurde auf einen Kontrollpunkt geschossen. Das größte Ereignis war jedoch ein Angriff auf ein Hashd-Hauptquartier im Samarra Bezirk, der 6 Opfer hinterließ. Der IS hat in den letzten Wochen seine Aktivitäten in der Provinz stark aufgenommen. Als Antwort gab es eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, drei im Osten, eine im Westen von Samarra im Zentrum und die letzte in Yathrib im Süden (Musings on Iraq, 23. Juni 2020).

Die Winterruhe setzte sich bis März fort. Von 08. bis 14. März wurden insgesamt nur 12 Vorfälle gemeldet. Zwei davon waren von pro-iranischen Gruppen, die nur 10 vom Islamischen Staat. Seit November sind IS-Vorfälle im einstelligen Bereich. Mit dem Iran verbündete Fraktionen trafen zwei Konvois, die Vorräte für die USA transportierten. Einer war in Anbar und der andere in Diwaniya. Es war das erste Mal, dass ein IED-Angriff in Anbar stattfand. Dies zeigte, dass pro-iranische Gruppen ihre Operationen auf den Irak ausweiten. Die 10 IS-Vorfälle ereigneten sich in Bagdad (1), Kirkuk (2), Ninewa (2), Salahaddin (2) und Diyala (3). 13 Menschen wurden getötet, bestehend aus 1 Hashd al-Shaabi, 4 irakischen Sicherheitskräften und 8 Zivilisten. Weiter 15 wurden verwundet, bestehend aus 7 Zivilisten und 8 ISF. Salahaddun hatte mit 10 die meisten Opfer. In Bagdad wurde eine Granate auf eine Menschenmenge auf einer Brücke in Khadimiya geworfen, wo sich ein schiitischer Schrein befindet. 1 Person wurde getötet und drei wurden verletzt. Es ist unklar, wer dafür verantwortlich war, aber wenn es der IS war, wäre es das zweite Mal, dass er einen Angriff innerhalb der Stadt in den letzten Wochen durchgeführt hat. Normalerweise trifft es nur die Städte am Rande der Provinz. Es gab 3 Vorfälle in Diyala. Ein Anwalt überlebte ein Attentat, ein Soldat wurde von einem Scharfschützen getötet und wurde eine Granate auf ein Haus geworfen. In Kirkuk verwundete ein IED 7 Polizisten. Die Militanten griffen auch einen Armee-Regimestützpunkt an und ließen 1 Soldaten tot und 1 verletzt zurück. Der IS hat ein Lager im Süden des Gouvernements, aber es war ruhig in den letzten Monaten. Es gab einen IED und eine Schießerei mit der Armee in Ninewa, als eine Gruppe von IS-Kämpfern versuchte, aus Syrien zu infiltrieren. Wie Kirkuk hat auch diese Provinz einen dramatischen Rückgang der Gewalt erlebt. In Salahaddin drang eine Gruppe von ISF-Kämpfern in ein Haus ein und massakrierte 7 Menschen, tötete einen Polizisten und verletzte einen weiteren. Ein Hashd-Kämpfer wurde ebenfalls von einem Scharfschützen getötet (Musings on Iraq, 16.März 2021).

ACLED weist im aktuellsten Bericht vom 28.10.2020 betreffend das 2. Quartal für das Gouvernement Bagdad, mit seinen ca. 11.8 Millionen Einwohner insgesamt 71 sicherheitsrelevante Vorfälle auf, wobei über 19 Todesopfer berichtet wurde. Folgende Gebiete waren betroffen: Al Wahdah, Al Yusufiyah, Ar Rashidiyah, At Tarmiyah, Az Zaydan, Baghdad, Baghdad - Adhamiya, Baghdad - Al Rashid, Baghdad - Kadhimiya, Baghdad - Karadah, Baghdad - Karkh, Baghdad - Mansour, Baghdad - Rusafa, Baghdad - Sadr City, Baghdad International Airport, Madain, Nahrawan, Taji, Zawbaa.

EASO, Country of Origin Information Report, Iraq: Security situation, v. Oktober 2020, führt nachfolgende Anzahl an Vorfälle im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten und zivilen Opfern im Gouvernorat auf: Jänner-Dezember 2019: 42 Vorfälle, 37 Tote, 13 Verletzte. Jänner-Juli 2020: 4 Vorfälle, 3 Tote, 5 Verletzte.

Wenn man vor allem die hohe Bevölkerungszahl der Stadt (ca. 7,6 Millionen) bzw. Provinz (ca. 11,8 Millionen) zu der Anzahl der Vorfälle in Bezug setzt, ist die Wahrscheinlichkeit von Angriffen betroffen zu sein, auch unter Berücksichtigung einer lebensnahen Dunkelziffer von nicht bekannt gewordenen Vorfällen, ohne Hinzukommen qualifizierender bzw. exponierender Umstände, im Regelfall als nicht sehr hoch einzuschätzen.

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops. Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019).

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ‚Riot Gear Summer Rush‘, einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände – ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde – gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. „Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben“, sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv „Tribe of Monsters“ spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine „Familiensektion“ zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019).

In Bagdad wurde ein neues deutsch-irakisches Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019).

Bis Ende April 2020 wurden etwa 4,7 Millionen Personen im Irak gezählt, die nach Vertreibung an ihren gewöhnlichen Wohnsitz rückkehrten; diese verteilten sich auf 8 Gouvernements, 38 Distrikte und über 2.000 Orte. In den Monaten März und April 2020 wurden über 44.000 neue Rückkehrer registriert. Diese Anzahl ist niedriger als zuletzt, was auf die von den Behörden erlassenen Mobilitätbeschränkungen aufgrund des Coronavirus zurückzuführen ist. Die meisten Rückkehrer wurden in den Gouvernements Anbar, Ninewa und Salah al-Din gezählt. Die Gesamtzahl der gezählten Binnenvertriebenen belief sich im März und April 2020 auf etwa 1,4 Millionen Personen, aufgeteilt auf 18 Gouvernements, 104 Bezirke und knapp 3.000 Orte. Trotz des kontinuierlichen Rückgangs von Binnenvertriebenen (etwa -9.600 Personen im Vergleich zur Zählung in den Monaten Jänner und Februar 2020) wurden in den Monaten März und April 2020 knapp 2.700 neue Binnenvertriebene gezählt, welche überwiegend bereits zum zweiten Mal vertrieben wurden. 60% der in den Monaten März und April 2020 gezählten Binnenvertriebenen stammten aus dem Gouvernement Ninewa (die meisten aus Mossul, Sinjar und Al-Ba’aj), jeweils 11% stammten aus den Gouvernements Salah al-Din und Anbar (Displacement Tracking Matrix, Iraq Master List Report 115, March-April 2020).

ACLED weist im aktuellsten Bericht vom 28.10.2020 betreffend das 2. Quartal für das Gouvernement Bagdad, mit seinen ca. 11,8 Millionen Einwohner, insgesamt 71 sicherheitsrelevante Vorfälle auf, wobei über 19 Todesopfer berichtet wurde. Folgende Gebiete waren betroffen: Al Wahdah, Al Yusufiyah, Ar Rashidiyah, At Tarmiyah, Az Zaydan, Baghdad, Baghdad - Adhamiya, Baghdad - Al Rashid, Baghdad - Kadhimiya, Baghdad - Karadah, Baghdad - Karkh, Baghdad - Mansour, Baghdad - Rusafa, Baghdad - Sadr City, Baghdad International Airport, Madain, Nahrawan, Taji, Zawbaa (ACLED, Iraq, Second Quarter 2020).

Dem Country Fact Sheet Iraq 2019 der IOM zufolge ist das Gesundheitssystem des Irak allen Bürgern zugänglich. Erwachsene müssen lediglich ihre Identitätskarte vorlegen, um sich in einer Klinik oder einem Krankenhaus registrieren zu lassen. Bei Impfungen von Säuglingen und Kleinkindern werden den Eltern ein Informationsblatt und eine Checkliste ausgehändigt, die bei jedem Besuch des Krankenhauses mitgebracht werden müssen. Im Informationsblatt sind Angaben aus der Geburtsurkunde und den Identitätskarten der Eltern aufgeführt. Bezüglich des Zugangs zur Gesundheitsversorgung stellte Human Rights Watch fest, dass Personen ohne die erforderlichen Dokumente keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten und sich keine Geburtsurkunden für ihre Kinder ausstellen lassen konnten (EASO, Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren für Bagdad, Basra und Erbil, Sept 2020).

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert (IOM, Country Fact Sheet Iraq 2019).

COVID-19 – Aktuelle Lage im Irak

Laut worldometers.info, Stand 06.10.2021, gibt es im Irak 2,01 Mio. Coronavirus-Fälle. Es gibt 22.420 Todesfälle. 1,93 Mio. Personen sind wieder genesen.

Das nationale Impfprogramm gegen das Corona-Virus läuft seit 30.03.2021. Aktuell gilt an Freitagen und Samstagen eine nächtliche Ausgangssperre von 21:00 – 05:00 Uhr, wo Einwohner ihre Häuser/ Wohnungen nicht verlassen dürfen. Geimpfte Personen (erste Dosis) dürfen sich an Wochenenden während der nächtlichen Ausgangssperre frei bewegen. Parks, Fitnesscenter, Kinos, Schwimmbäder, Veranstaltungsräume, Einkaufszentren. Restaurants, Cafés und Bars sind unter Auflage des Gesundheitskomitees geöffnet. Kindergärten, Schulen und Universitäten sind wieder geöffnet. Das Versammlungsverbot bleibt aufrecht. Die irakische Regierung beschränkt das Reisen zwischen Provinzen nicht, aber die Einreise in den Irak zu touristischen und religiösen Zwecken ist verboten. Ministerien arbeiten wieder mit voller Kapazität. Ab dem 20.04. wird nur geimpften Personen oder Personen mit einem negativen PCR Test in Ministerien und Regierungsbehörden der Zutritt erlaubt. Ab 15.02 sind Veranstaltungen und Feierlichkeiten jeglicher Art und Trauerversammlungen bis auf weiteres verboten. Moscheen sind geöffnet. Taxis, dürfen nicht mehr als 3 Personen (inklusive Fahrer) transportieren. Die internationalen Flughäfen Bagdad, Najaf und Basra wurden am 23.07. für kommerzielle Linienflüge wiedereröffnet. Passagiere, die in den Irak einreisen wollen, müssen maximal 72 Stunden vor Abflug über einen negativen COVID-19-Test verfügen. Passagiere, die ein negatives COVID-19-Testergebnis haben, müssen den Test nicht am Flughafen ablegen. Alle Passagiere, die ohne PCR-Test ankommen, müssen sich dem Test des medizinischen Teams des Flughafens unterziehen und die Kosten sind vom Passagier zu tragen (USD 50) Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) widmet USD 22 Mio. des Stabilitätsfonds für Infrastruktur Maßnahmen gegen COVID-19. Geschäftsmänner aus Najaf spendeten der Regierung IQD 350 Mio. zur Anschaffung von Gütern des medizinischen Bedarfs. Ein neues Projekt das Arbeitsstellen und Unterstützung für Unternehmer im Irak generieren soll wurde vom Minister für Migration, Ivan Faeq vorgestellt. 30% des Projektes soll gezielt Frauen unterstützen. Das Projekt wird außerdem von der EU gefördert und unterstützt (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-im-irak.html, Abruf 06.10.2021).

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von den bP vorgelegten Beweismittel, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche der Rechtsvertretung wie bereits ausgeführt übermittelt wurden.

2.1 Die oben angeführten personenbezogenen Feststellungen ergeben sich aus ihren diesbezüglichen einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den vorgelegten Bescheinigungsmitteln. Zudem erfolgte eine Einsichtnahme in das ZMR, das GVS, das IZF, den SA und das AJ-Web, woraus sich ergab, dass die bP strafrechtlich unbescholten sind und von der Grundversorgung leben, was im Verfahren auch nicht bestritten wurde.

Bereits das BFA stellte die Identität der bP1 und bP5 aufgrund des im Verfahren vorgelegten, überprüften und für echt befundenen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der österreichischen Geburtsurkunde fest und wurde diesen Feststellungen weder in der Beschwerde noch sonst im Verfahren entgegen getreten, weshalb sie auch ohne weiters dem hg. Erkenntnis zugrunde gelegt werden konnten. Die Identitäten der bP2, bP3 und bP4 stehen mangels Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente nicht fest. Sofern die bP im Asylverfahren namentlich genannt werden, dient dies lediglich der Individualisierung ihrer Personen als Verfahrensparteien.

Die Feststellungen zum Privatleben in Österreich ergeben sich aus ihren diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben in der Verhandlung und der Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel. Die bP2 legte in der Verhandlung ebenso widerspruchsfrei und somit glaubhaft dar, dass Familienangehörige nach wie vor in der Heimatprovinz XXXX wohnhaft sind, welchen es gut geht und welche in der Lage sind für ihren Unterhalt zu sorgen. Wenngleich im Verfahren keinerlei Vorbringen hinsichtlich der schulischen Aktivitäten der bP4 in Österreich erstattet wurde, so gab die bP2 in der mündlichen Verhandlung an, dass all ihre Kinder in den Kindergarten oder die Schule gehen würden, weshalb aufgrund des Alters der bP4 davon auszugehen war, dass diese in Österreich die Volksschule besucht.

Der jeweilige Gesundheitszustand der bP ergibt sich aus ihren widerspruchsfreien Angaben sowie den vorgelegten medizinischen Bescheinigungsmitteln.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Im Verfahren ergaben sich erhebliche Widersprüche im Kernvorbringend der bP, wie folgend zusammengefasst an Beispielen dargelegt wird.

So ist es bereits aufgrund der vielen widersprüchlichen Angaben der bP1 nicht glaubhaft, dass diese im Irak tatsächlich als Polizist tätig gewesen ist. Die bP wurde in der Einvernahme vor dem BFA aufgefordert ihren Lebenslauf, ua. auch ihre Berufserfahrung, zu schildern und gab diesbezüglich an, nach ihrem Schulabschluss drei Jahre in dem Lebensmittelgeschäft ihres Onkels gearbeitet zu haben. Anschließend sei sie ca. ein Jahr zuhause gewesen und habe dann von 2008 bis 2015 bei der Polizei gearbeitet. Gänzlich anders schilderte die bP ihre Berufserfahrung in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dort gab sie an, von 2005 bis 2015 als Polizist gearbeitet zu haben und im Jahr 2007 pragmatisiert worden zu sein. Neben ihrem Hauptberuf als Polizist habe sie auch als Bearbeiter von Edelsteinen sowie als Automechaniker gearbeitet. Darüber hinaus habe sie auch Erfahrung in der Landwirtschaft. Von 2012 bis 2015 habe sie neben dem Polizeidienst in dem Geschäft ihres Onkels gearbeitet und habe Autoteile verkauft. Ihre drei Jahre lange Arbeit in einem Lebensmittelgeschäft erwähnte die bP1 hier mit keinem Wort mehr und brachte dafür viele andere Tätigkeiten vor, welche sie in der Einvernahme vor dem BFA nicht erwähnte. Schon aufgrund dieser divergierender Schilderungen ihrer Berufserfahrung im Irak sowie der voneinander abweichenden zeitlichen Angaben hinsichtlich ihres Polizeidienstes, wird nicht von einer tatsächlichen Tätigkeit der bP1 als Polizist ausgegangen. Hinzu kommt, dass auch die Angaben der bP1 hinsichtlich ihrer Ausbildung zum Polizisten zwischen den Einvernahmen stark voneinander abweichen. So gab sie in der Einvernahme vor dem BFA, befragt ob sie eine Polizeischule besucht habe, an: „Man braucht nur einen 3 monatigen Kurs. Jeder der die Mittelschule absolviert hat, kann diesen Kurs machen und wird dann aufgenommen, wenn man die Prüfung besteht.“. In der Beschwerdeverhandlung hingegen gab die bP1 an, dass sie neun Jahre in die Schule gegangen sei und anschließend die Polizeiakademie besucht habe. Diese habe sie zwei Jahre lang besucht und mit einer Prüfung abgeschlossen, für welche sie auch ein Zeugnis erhalten habe. Die bP schildert hier ihre Ausbildung zum Polizist völlig anders als in der behördlichen Einvernahme, was ebenfalls deutlich dafürspricht, dass sie tatsächlich nie für die Polizei gearbeitet hat. Der bP1 ist zwar zuzustimmen, dass dies alles schon etwas her ist, jedoch müsste sie dennoch jedenfalls in der Lage sein gleichbleibend anzugeben, ob sie lediglich einen dreimonatigen Kurs oder zwei Jahre lang eine Polizeiakademie besucht habe. Darüber hinaus widersprechen ihre Angaben, wonach sie gleich nach der Schule in die Polizeiakademie gegangen sei, einmal mehr ihrem vor der Behörde getätigten Vorbringen, wonach sie nach der Schule drei Jahre in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet habe und anschließend ein Jahr zuhause gewesen sei, ehe sie bei der Polizei angefangen habe. Gegen die Glaubwürdigkeit ihres vorgebrachten Polizeidienstes spricht auch der Umstand, dass die bP1 während des gesamten Verfahrens nicht in der Lage war Dokumente vorzulegen, welche ihren Beruf als Polizist belegen können (z.B. Dienstausweis, Arbeitsvertrag). Die bP1 gab in der Einvernahme vor dem BFA an, im Irak noch einen Freund zu haben, welcher bei der Polizei gearbeitet habe und von ihm bereits Dokumente zugesendet bekommen zu haben. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum sich die bP nicht um derartige Bescheinigungsmittel für ihren Polizeidienst bemüht und diese vorgebracht hat, zumal sie von der Behörde in der Einvernahme hierzu explizit aufgefordert wurde. In der mündlichen Verhandlung wurde die bP1 zu den von ihr während des Polizeidienstes verwendeten Waffen befragt und dabei ließ sie deutlich erkennen, dass sie über die bei der irakischen Polizei verwendeten Waffen nicht informiert ist. So bezeichnete sie die zuerst von ihr verwendete Pistole als Pistole Nr. 9, wobei es sich dabei jedoch um keine gültige Bezeichnung einer Pistole handelt. Dass erkennende Gericht geht davon aus, dass sich die bP1 mit der Bezeichnung Nr. 9 wohl auf das Kaliber der Waffe beziehen habe wollen, was bereits deutlich zeigt, dass sie keine Erfahrung mit einer solchen Waffe hat und daher nicht tatsächlich als Polizist gearbeitet hat, zumal von einem ausgebildeten Polizisten jedenfalls erwartet werden kann, dass er die Bezeichnung seiner Waffe sowie weitere technische Details problemlos wiedergeben kann. Die bP fuhr dann fort und gab an, dass sie nach dem Sturz von Saddam Hussein von den Amerikanern die Glock bekommen hätten. Auf die Frage ob dann auch sie noch mit der Glock gearbeitet habe, wich die bP1 aus und erwiderte lediglich, dass sie die Glock wenig verwendet habe. Erst auf Nachfrage gab die bP1 schließlich an, die Glock dienstlich verwendet zu haben. Aufgefordert die Waffe zu beschreiben, insbesondere auch das Kaliber, die Sicherung, die Munition und das Material, wich die bP1 der Frage erneut aus und ging auf beinahe keiner der gefragten Details ein. Hinsichtlich der Munition führte sie aus: „Sie heißt Glock 9, weil sie neun Kugeln drinnen hat. Es gibt zwei Arten. Die erste Pistole hatte neun Kugeln Munition und die Glock zehn Kugeln.“. Mit ihrer ausweichenden Antwort zeigt die bP1 deutlich, dass sie keine Kenntnis hinsichtlich der technischen Details der Glock Pistole hat. Insofern sie von einer „Glock 9“ Pistole spricht, so sei zu erwidern, dass die Bezeichnungen der Glock Pistolen mit der „Glock 17“ starten und dann die Nummern der Bezeichnungen fortlaufend steigen (vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Glock-Pistole). Aufgrund der vielen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben der bP1, konnte ihrem Vorbringen wonach sie für die irakische Polizei gearbeitet habe kein Glauben geschenkt werden. Da das übrige Vorbringen der bP1 auf ihrer vorgebrachten Tätigkeit als Polizist beruht, ist dieses bereits deshalb als nicht glaubwürdig zu qualifizieren.

Bei der Erstbefragung gab die bP1 als Familienvater zum Fluchtgrund an, dass ihr die schiitischen Milizen gedroht hätten, da sie einmal einen der Führer einer dieser Milizen verhaften lassen habe, weil dieser mit einem gestohlenen Auto angehalten worden sei. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA steigerte die bP1 ihr Fluchtvorbringen und legte weiters dar, dass sie aufgrund des Ungehorsams bei der Fahrzeugkontrolle als Strafe drei Tage inhaftiert gewesen sei. Ein solches Fluchtmotiv erwähnte sie jedoch in ihrer Erstbefragung mit keinem Wort. Das BVwG verkennt dabei nicht, dass sich die Erstbefragung nach § 19 Abs 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, es wäre aber dennoch zu erwarten gewesen, dass die bP ein - zumindest in den wesentlichen Punkten - annähernd gleichbleibendes Vorbringen zu ih

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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