TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/2 G304 2205620-1

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Veröffentlicht am 02.11.2021
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Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


G304 2205620-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 09.08.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 12.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sein Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 13.09.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus Bagdad, und gehört der Volksgruppe der Araber und der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung an.

Seine Muttersprache ist Arabisch.

1.2. Der BF ist im Jahr 2007 mit seiner Familie von Bagdad nach Diyala gezogen.

1.3. Das Fluchtvorbringen des BF rund um eine Bedrohung durch schiitische Milizen wegen seiner sunnitisch-muslimisch-Glaubenszugehörigkeit war unglaubwürdig.

Festgestellt wird, dass der BF im Irak weder aus politischen Gründen, noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion verfolgt worden ist.

Eine Verfolgung des BF im Irak von staatlicher Seite, durch Milizen, den IS oder irgendwelchen Privatpersonen hat nicht stattgefunden.

Probleme mit der Polizei, den Gerichten, den Behörden, Institutionen und Organisationen im Irak hat es zudem nicht gegeben.

1.4. Der BF hat in Österreich zwei Brüder.

Die Eltern und Schwester des BF sind bereits freiwillig in den Irak zurückgekehrt.

Der BF hat in Österreich die Schule besucht und sich auch über positiv absolvierte Deutschkurse Deutschkenntnisse aneignen können. Eine in sozialer Hinsicht berücksichtigungswürdige Integration liegt nicht vor. Der BF lebte in Österreich zudem stets von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage

Nachdem die irakische Armee im Sommer 2014 vorübergehend „zerbröckelte“ und dem IS kampflos große Gebiete des Landes überließ (Spiegel 15.6.2014), veröffentlichte der schiitische Religionsführer im Irak, Ayatollah al-Sistani einen Aufruf zur Mobilisierung gegen den IS, infolge dessen sich zahlreiche schiitische Milizen gründete. Auch ältere schiitische Milizen aus der Zeit der religiös motivierten Gewalt von 2006 gewannen wieder an Einfluss. (ACCORD 12.2016)

Gewaltmonopol des Staates

Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen (sowie der IS) handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017).

Quellen:

?        ACCORD-Austrian Centre ofCountry of Origin and Asylum Rresearch and Documenteation (12.2016): Länderkurzübersicht Irak Stand: Dezember 2016, http:// www.ecoi.net/file_upload/90_1485186531_1222016-irak.pdf

?        Spiegel (15.6.2014): Deserteure im Irak: Eine Armee zerfällt, http:// www.spiegel.de/politik/auslanda7irak-armee-auf-flucht-vor-isis-aus-mossul-nach-arbil-a-975299.html

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf

2.2. Schiitische Milizen – Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilization Forces; PMF)

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017)

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

Quelle:

?        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf

2.3. Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. (AA 7.2.2017).

Die große Zahl der Binnenvertriebenen im Irak und die weitverbreitete Pauschal-Auffassung, dass sunnitische Araber IS-Mitglieder sind oder mit dem IS sympathisieren, hat Berichten zufolge dazu geführt, dass immer mehr sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen, die nicht vertrieben wurden und in Bagdad und anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten leben, nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 verhaftet werden (UNHCR 14.11.2016)

Auch aktuell wird Sunniten IS-Sympathie unterstellt:

Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019).

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf

?        UNHCR-UN High Commissioner for Refugees (14.11.2016): UNHCR Position on Returns to Iraq, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1479283205_2016-11-14-unhcr-position-iraq-returns.pdf, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1485247972_opendocpdf.pdf

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

2.8. Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2.9. Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 7.2.2017)

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF:

Die Identität des BF konnte aufgrund des vorgelegten nach Überprüfung für authentisch befundenen Reisepass des BF festgestellt werden.

Dass der BF aus Bagdad stammt, der arabischen Volksgruppe und muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehört und Arabisch als Muttersprache hat, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, ebenso, dass er im Jahr 2007 mit seiner Familie nach Diyala gezogen ist.

2.3. Zum Fluchtvorbringen des BF

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018 brachte der BF befragt nach seinen Fluchtgründen und ersucht um eine möglichst detailreiche Schilderung seines Vorbringens Folgendes vor:

„Als wir in (…) gelebt haben und der Krieg gegen den IS gekommen ist, sind wir von Milizen bedroht worden. Wir wurden aus dem Haus geholt und bedroht. Die Milizionäre hatten auch Waffen in der Hand. Es gab Explosionen dort. Milizen und IS haben sich beschossen. Auch Peshmerga waren in der Nähe. Die Leute waren gezwungen die Häuser zu verlassen. Als wir das erlebt haben, haben wir unsere Dokumente geholt und sind nach Bagdad gefahren. Mein Vater hatte dann sein Auto verkauft. Als dann alles mit den Dokumenten erledigt war, haben wir den Irak verlassen. Wir hatten Angst um unser Leben. Es ist aber auch zuvor schon etwas passiert. 2007 mussten wir Bagdad verlassen, da die Milizen uns bedroht haben, weil wir Sunniten sin. Sie haben gedroht uns zu töten, wenn wir nicht mit ihnen arbeiten oder aus der Wohnung gehen. Nachgefragt, ich bin fertig.

Ende der freien Erzählung.“ (AS 71f)

Die weitere Einvernahme des BF vor dem BFA erfolgte wie folgt:

„LA: Ist das der einzige Grund bzw. waren das alle ihre Gründe, warum Sie den Irak verlassen mussten bzw. nicht in den Irak zurückkehren können?

AW: Ja.

LA: Sind Sie jemals konkret persönlich bedroht worden?

AW: Nein.

LA: Wann wurde die Familie in Diyala bedroht?

AW: 2015, im Dezember.

LA: Wie ist es genau abgelaufen, als die Familie bedroht worden ist?

AW: Sie waren bewaffnet und haben uns alle versammelt. Sie haben gesagt, wir sollten mitarbeiten oder sie werden uns töten. Nachgefragt, Sie wollten, dass wir gegen den IS mitkämpfen.

LA: Sind Milizen zu Ihnen in Diyala nach Hause gekommen?

AW: Ja.

LA: Wenn es eine solch große Bedrohung gegeben hat, wieso sind dann ihre Eltern freiwillig in den Irak zurück?

AW: Wegen meinem Bruder (…). Er ist krank. Nachgefragt, er hat Gedächtnisprobleme und weiß manchmal nicht was er macht.

LA: Was hat ihr Bruder (…) beruflich gemacht?

AW: Er war Schüler. Nachgefragt, er hat Arabistik studiert.

LA: Gibt es einen Ort im Irak, wo Sie leben könnten?

AW: Nein, die Milizen sind überall im Irak.

Anmerkung: AW beginnt zu weinen.

LA: Wieso könnten Sie nicht zBsp. In Al Anbar leben? Dort sind hauptsächlich Sunniten?

AW: Die Milizen sind auch dort.“ (AS 72f)

Der BF gab dann befragt danach, ob er Österreich im Falle einer endgültigen negativen Asylentscheidung wieder verlassen würde, an, „ja, ich werde es akzeptieren.“ (AS 73).

Die Frage, ob er auch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr, bei welcher es auch Unterstützung gebe, in Anspruch nehmen würde, verneinte er (AS 73).

Festgehalten wird an dieser Stelle, dass die Eltern des BF in den Irak zurückkehren konnten.

Die vom BF oberflächlich geschilderte Bedrohung seiner Familie im Jahr 2015 durch schiitische Milizen, im Zuge dessen sie aufgefordert worden wären, mit ihnen zusammenzuarbeiten und gegen den IS zu kämpfen, ist unglaubwürdig. Der BF ist mit seiner Familie vielmehr aufgrund der allgemein schlechten Lage vor Ort aus dem Irak ausgereist.

Dafür, dass zum Zeitpunkt der Ausreise keine persönliche Bedrohungssituation für den BF und seine Familie vorlag, spricht jedenfalls, dass ein Bruder des BF damals im Irak verbleiben und sein Studium fortsetzen konnte. Laut Angabe des BF in der Erstbefragung hat zum Zeitpunkt der Erstbefragung am 13.02.2016 sein Bruder in Bagdad im letzten Semester studiert und seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2019 zufolge zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA bereits fertig studiert (AS 72).

Wäre der BF und seine Familie persönlich im Visier schiitischer Milizen gestanden, hätte wegen weitläufiger Vernetzung schiitischer Milizen im Irak sein Bruder nicht ohne Probleme im Irak verbleiben können und wäre von ihnen ebenso belangt worden.

Ein persönliches Interesse schiitischer Milizen am BF und seiner Familie konnte der BF nicht glaubhaft machen und hat auch nicht bestanden, andernfalls die Eltern und Schwester des BF nicht wieder freiwillig in den Irak zurückgekehrt wären, und dies noch vor ihrer Einvernahme vor dem BFA.

Der BF brachte in der Erstbefragung zudem glaubhaft vor, im Jänner 2016 legal mit dem Flugzeug von Istanbul in die Türkei ausgereist zu sein (AS 5), offenbar ohne Probleme, was ihm bei einem tatsächlichen Interesse irgendwelcher schiitischer Milizen an der Person des BF und seiner Familie nicht möglich gewesen wäre.

Dass die Eltern des BF wegen Krankheit seines Bruders in den Irak zurückgekehrt wären, konnte nicht festgestellt werden, hat der BF dies doch nur im späteren Verlauf der Einvernahme befragt nach dem Rückreisegrund seiner Eltern angeführt (AS 72), früher in seiner Einvernahme, als er von ihrer freiwilligen Rückkehr berichtet hat (AS 68f), jedoch von selbst nicht angegeben.

In der Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018 befragt danach, ob der BF derzeit Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern im Irak habe, und wenn ja, wie oft, gab der BF an:

„Als sie von Österreich zurückkehrten hatte ich Kontakt. Ein paar Tage später ist der Kontakt abgerissen.“ (AS 69)

Die ihm daraufhin gestellte Frage nach Familienproblemen verneinte der BF (AS 69). Warum der Kontakt ein paar Tage nach der Rückkehr seiner Familienangehörigen – einfach so – abgerissen sein soll, konnte der BF nicht anführen.

Laut dem Beschwerdevorbringen wäre der Kontakt zu den Eltern und der Schwester kurz nach deren Ankunft im Irak abgebrochen und seither unterbrochen, und wisse der BF laut seinem gegenüber den diesbezüglichen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA gesteigerten Beschwerdevorbringen weder, wo sich die Eltern, die Schwester und der Bruder im Irak befinden würden noch wie es ihnen gehe. Der BF könnte laut Beschwerdevorbringen daher weder die finanzielle Unterstützung noch den nötigen Schutz von diesen erhalten sodass er binnen kurzer Zeit in eine Existenz bedrohende Notlage geraten würde. (AS 249)

Genau dies wollte der BF mit seinen Angaben vor dem BFA und in der Beschwerde offenbar bezwecken, nämlich glaubhaft zu machen, dass er von seinen im Irak lebenden Familienangehörigen keine (finanzielle) Unterstützung erhalten könnte und binnen kurzer Zeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Der BF konnte dies jedoch nicht glaubhaft machen, war es doch nicht für wahr zu halten, dass er keinen Kontakt zu seinen im Irak lebenden Familienangehörigen mehr hat.

Befragt, wie der BF die Sicherheitssituation seiner Familie im Irak einschätze, gab er an:

„Sehr schlecht. Nachgefragt, die Milizen sind überall und die Sicherheitslage ist schlecht.“ (AS 69)

Da sprach der BF somit nur von der allgemein „sehr schlechten“ Sicherheitslage und nicht von einer für seine Familie im Irak bestehenden konkreten persönlichen Bedrohungssituation.

Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe dient, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der BF auch in seiner Erstbefragung nur von der allgemeinen Sicherheitslage sprach, als er befragt nach seinen Fluchtgründen „Krieg, Unsicherheit, Angst um mein Leben, Verfolgung“ (AS 9), und befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, „Tod und Verfolgung“ (AS 9) anführte.

Gäbe es tatsächlich eine Bedrohung seiner Familie im Irak, welche so groß ist, dass eine Ausreise unumgänglich ist, so wäre den Familienangehörigen des BF eine Rückkehr in den Irak nicht möglich gewesen. Es war daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von keiner vor Ausreise stattgefundenen Bedrohung des BF bzw. seiner Familienangehörigen durch schiitische Milizen aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit auszugehen, sondern vielmehr davon, dass der BF mit seinen Familienangehörigen aus wirtschaftlichen Gründen bzw. um innerhalb Europas bzw. in Österreich bessere Lebensbedingungen als im Herkunftsstaat vorzufinden, aus dem Irak ausgereist ist.

Daraufhin gewiesen wird zudem, dass im Erstbefragungsprotokoll eine Anhaltung des BF in Griechenland im Februar 2016 festgehalten ist (AS 9), es in diesem Protokoll jedoch keinen EURODAC-Treffer hinsichtlich einer Asylantragstellung in Griechenland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat gibt (AS 9).

In der niederschriftlichen Einvernahme des BF vor dem BFA am 20.04.2018 befragt, „warum wählten Sie ausgerechnet Österreich dazu aus, um Asyl zu beantragen“, gab der BF an:

„Die Leute waren sehr nett und es ist ein sicheres Land. Wir wurden gut behandelt und wir haben unsere Rechte bekommen.“ (AS 71).

Dann befragt danach, warum er nicht in der Türkei, Griechenland, Kroatien oder Slowenien einen Antrag gestellt habe, seien dies doch sichere Staaten, gab der BF an:

„Sie waren rassistisch uns gegenüber.“ (AS 71)

Wie aus diesen Antworten hervorgehend, geht es dem BF nur um ein Bleiberecht in Österreich und nicht um die Erlangung eines Schutzes vor Verfolgung bzw. Bedrohung in seinem Herkunftsland.

Darauf hingewiesen wird an dieser Stelle, dass mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass jemand, der tatsächlich aus einer konkreten Bedrohungssituation heraus aus seinem Herkunftsland geflüchtet ist, die nächstbeste Gelegenheit nützt, um internationalen Schutz zu erlangen. Dies hat der BF nicht getan, weder in der Türkei, noch in einem der durchreisten EU-Mitgliedstaaten.

Eine fluchtauslösende persönliche Bedrohungssituation vor seiner Ausreise aus dem Irak konnte der BF nicht glaubhaft machen.

Sein Vorbringen, im Jahr 2007 mit seiner Familie in Bagdad von Milizen bedroht und vertrieben worden zu sein (AS 72), woraufhin sie in die Provinz Diyala gezogen seien, hatte zudem keinen zeitlichen Konnex zur Ausreise im Jahr 2015 und bedurfte im gegenständlichen Fall daher bereits aus diesem Grund keiner näheren Beleuchtung.

Festzuhalten ist außerdem, dass der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich angab, weder mit irakischen noch mit internationalen Behörden oder Gerichten Schwierigkeiten bzw. Probleme gehabt zu haben (AS 75), und noch nie strafrechtlich bzw. wegen seiner Nationalität, einer sozialen Gruppe oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden zu sein.

Die vom BF bejahte Verfolgung aufgrund seiner Religions- bzw. Glaubenszugehörigkeit (AS 74), konnte er jedenfalls nicht glaubhaft machen.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak betreffen Länderberichte aus Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur und decken sich im Wesentlichen mit den im aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation angeführten diesbezüglichen Länderberichten.

Am Anfang der Länderfeststellungen wurde auszugsweise auch auf die (ehemalige) politische Lage im Irak Bezug genommen.

Wie nach der Länderberichtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wird auch nach dem aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Sunniten IS-Sympathie unterstellt.

Der besagte aktuell gültige Länderbericht aus dem aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation besagt wörtlich Folgendes:

Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019).

2.8. Zu einem Privatleben des BF in Österreich

Der BF hält sich, wie aus dem diesbezüglichen Akteninhalt hervorgehend, seit seiner illegalen Einreise und darauffolgenden Asylantragstellung am 12.02.2016 in Österreich auf.

Dass der BF in Österreich zwei Brüder hat, während seines Aufenthaltes in Österreich die Schule besucht, sich auch über Deutschkurse mit absolvierten Deutschprüfungen Deutschkenntnisse angeeignet, sowie im österreichischen Bundesgebiet keine in sozialer Hinsicht berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte gesetzt hat, und stets von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung gelebt hat, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Das Fluchtvorbringen rund um eine persönliche Bedrohung durch schiitische Milizen war nicht glaubwürdig.

Eine dem BF als sunnitischen Araber bei einer Rückkehr im Irak drohende Verfolgung war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen bzw. aktueller amtsbekannter Länderberichte nicht erkennbar, bzw. geht aus amtsbekannten aktuellen Länderberichten keine systematische gezielte Verfolgung der sunnitisch-arabischen Bevölkerungsgruppe im Irak hervor.

Der BF konnte somit eine bei einer Rückkehr im Irak drohende Verfolgung iSv Art. 1 Abschnitt A der GFK nicht glaubhaft machen, und war eine solche aus dem gesamten Akteninhalt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zudem auch von Amts wegen nicht erkennbar.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

Unter „real risk“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung.

Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

3.3.2. Auf Grund des vom BFA durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

Dass der BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Wie aus den Länderfeststellungen hervorgehend, ist die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit und den Verhältnissen vor Ort.

Der BF ist mangels gegenteiligen Nachweises gesund und arbeitsfähig und wird bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, zumindest vorübergehend bis zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit, durch seine im Irak lebenden Familienangehörigen Unterkunft und Unterstützung bzw. (finanzielle) Hilfe erwarten können, zumal der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018 auch ausdrücklich angab, zusammen mit seiner Familie den Alltag im Irak ohne weitere Probleme bestreiten können zu haben (AS 70).

Der BF hat im Irak die Schule besucht, laut seinen Angaben bereits vor seiner Ausreise im Irak als Computertechniker gearbeitet (AS 70), und vor seiner Ausreise mit seiner Familie jedenfalls stets seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Von einer finanziellen Notsituation seiner Familienangehörigen war vor dem BFA nicht die Rede.

Im Falle einer Rückkehr könnte der BF zudem auf eine Vielzahl von Organisationen zurückgreifen, welche Rückkehrer unterstützen, etwa die IOM.

Darauf hingewiesen wird diesbezüglich darauf, dass die Eltern und Schwester des BF unter Inanspruchnahme des Rückkehrprojekts ERIN Iraq Central/South und einer Reintegrationshilfe in Höhe von EUR 3.000,- in den Irak zurückgekehrt sind.

In Gesamtbetrachtung aller sich aus dem Akteninhalt ergebenden Umstände kann vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen bzw. der amtsbekannten aktuellen Länderberichtslage somit nicht erkannt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

Bezogen auf die allgemeine Sicherheitslage wird darauf hingewiesen, dass laut amtsbekannten Länderberichten im Dezember 2017 die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS) erklärte und sich die Sicherheitslage seitdem verbessert hat (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018).

Eine Rückkehr des BF von Bagdad in die Provinz Diyala, in welcher er sich ab 2007 bis zur Ausreise aufgehalten hat, wird dem BF vor dem Hintergrund amtsbekannter aktueller Länderberichte für zumutbar gehalten.

Wie amtsbekannt bzw. der ACCORD-Anfragebeantwortung (a-10951-1) vom 10.04.2019 hervorgehend bzw. einem darin erwähnten Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge gab es mit Stand Februar 2019 223.326 Rückkehrer in die Provinz Diyala.

Auch eine Niederlassung in Bagdad selbst, seiner Geburts- und Herkunftsstadt, von wo aus der BF – laut seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben – seinen Herkunftsstaat verlassen hat, kann ihm zugemutet werden, zumal dort sein Bruder studiert hat und der BF familiäre und soziale Anknüpfungspunkte hat.

Eine dem BF bei einer Rückkehr in Bagdad bzw. in seinem in der Provinz Diyala gelegenen Herkunftsort drohende Gefahr wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, gibt es, wie aus amtsbekannten aktuellen Länderberichten hervorgehend, im Irak doch keine systematische gezielte Verfolgung von rückkehrenden (männlichen) sunnitischen Arabern.

Von einer im Irak rund um die kämpferischen Auseinandersetzungen und anwesenden schiitischen Milizen und den IS herrschenden extremen Gefahrenlage, durch die praktisch jeder bzw. jeder männliche sunnitische Araber, der in den Irak abgeschoben wird, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann vor dem Hintergrund amtsbekannter aktueller Länderberichte jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 13 8/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher ist in Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände bzw. Verhältnisse des BF von keinem Abschiebungshindernis und keiner dem BF bei einer Rückkehr erwartenden lebens- bzw. existenzbedrohenden Situation iSv Art. 3 EMRK auszugehen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG war daher als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide:

3.4.1. Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.4.2. Es liegen im gegenständlichen Fall keine Umstände vor, dass dem BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde nichts dazu angeführt.

Die diesbezügliche Beschwerde war daher abzuweisen.

3.5. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

3.5.1. § 10 AsylG 2005 lautet folgendermaßen:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. (…),

2. (…),

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(…)

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(….).“

§ 58 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(…).“

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

(…),

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, (…).

3.5.2. Im Zuge einer Interessensabwägung wird nunmehr geprüft, ob im vorliegenden Fall die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gerechtfertigt ist:

Im gegenständlichen Fall halten sich zwei Brüder des BF in Österreich auf. Der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid folgend sind diese bereits volljährig und waren zwischen dem BF und seinen Brüdern keine besonderen Abhängigkeiten, wie dies zum Beispiel bei beeinträchtigten Personen der Fall sein könnte, zu erkennen.

Der BF war für die Dauer seines Asylverfahrens im österreichischen Bundesgebiet stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt, hat einen unsicheren Aufenthaltsstatus und durfte nie auf ein weiteres Bleiberecht vertrauen.

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne weitere maßgebliche Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).

Im gegenständlichen Fall hält sich der BF seit seiner nach illegaler Einreise erfolgten Asylantragstellung am 12.02.2016, demnach nunmehr etwas mehr als fünf Jahre lang im österreichischen Bundesgebiet auf.

Das Gewicht einer aus einem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist jedenfalls dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl. VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (vgl. VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Der BF konnte eine Bedrohung durch schiitische Milizen wegen seiner sunnitisch-muslimischen Glaubensrichtung nicht glaubhaft machen. Es war vielmehr feststellbar, dass der BF deshalb nach Österreich gekommen ist, um hier über ein Asylverfahren, ohne tatsächlich aufgrund einer persönlichen Bedrohungssituation aus dem Irak ausreisen müssen zu haben, zu einem Bleiberecht und besseren Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat zu gelangen.

Dadurch, dass der bisherige Aufenthalt des BF auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten beruht, haben die vom BF dargelegten ohnehin nicht besonders berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte ein zusätzlich gemindertes Gewicht.

Der BF hat in Österreich die Schule besucht und – auch über den Schulbesuch – Deutschkenntnisse erlangen und Sozialkontakte knüpfen können.

Der BF gab in seiner Einvernahme vor dem BFA am 20.04.2018 zwar an, viele österreichische Freunde zu haben (AS 74) – in der Beschwerde war von „sehr vielen österreichischen Freunden“ die Rede (AS 250), konnte jedoch keinen Nachweis dafür erbringen bzw. ein dies bescheinigendes Unterstützungsschreiben eines Freundes vorlegen. Berücksichtigungswürdige soziale Bindungen des BF in Österreich gibt es nicht.

Der Judikatur des VwGH folgend steht jedenfalls fest, dass die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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