TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/2 G304 2196610-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


G304 2196610-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Dr. Benno J. Wageneder, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.04.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 24.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) vom 28.09.2015 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sein Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 28.05.2018 wurde Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

4. Mit Telefax des ehemaligen Rechtsvertreters des BF vom 26.02.2021 erging an das BVwG folgendes Ersuchen:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Beschwerdeführer bittet darum, eine positive Entscheidung in seinem Fall zu treffen, oder allenfalls darum, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, damit er seine Fluchtgründe persönlich darlegen kann.“

5. Mit schriftlicher „Bevollmächtigungsanzeige“ vom 27.07.2021, beim BVwG eingelangt am 28.07.2021, wurde der den BF nunmehr vertretende, vom BF zu seiner Vertretung bevollmächtige Rechtsanwalt und gleich daran anschließend Folgendes bekannt gegeben:

„Ich habe eine Gewerbeberechtigung für Hausbetreuung und Reinigungstätigkeit erworben. Wenn ich alle Aufträge im Monat abwickle, komme ich auf ein Einkommen von € 1.300,-.“

Weiteres wurde in diesem Schreiben nicht angeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die wahre Identität des BF steht nicht fest. Die in der Sprucheinleitung angeführte Identität dient nur der gegenständlichen Verfahrensführung.

Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Diyala, und gehört der Volksgruppe der Araber und der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung an.

Seine Muttersprache ist Arabisch.

1.2. Das Fluchtvorbringen bzw. dass der BF im Irak einer Verfolgung bzw. Bedrohung seitens des IS oder aufgrund seiner sunnitisch muslimischen Glaubensrichtung seitens schiitischer Milizen ausgesetzt (gewesen) wäre, ist nicht glaubwürdig bzw. konnte nicht glaubhaft gemacht werden.

Der BF ist aufgrund der allgemeinen (Sicherheits-) Lage vor Ort aus seinem Herkunftsstaat ausgereist und in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen nach Österreich gekommen. Er beabsichtigt nunmehr, seine im Irak verbliebene Familie nachzuholen.

1.3. Der BF hat im Irak neun Jahre lang die (Grund-) Schule besucht und sechs Jahre lang bei einem Reifendienst gearbeitet und stets seinen Lebensunterhalt bestreiten können.

Bei Ausreise des BF sind seine Eltern und Geschwister in einem in seiner Heimatprovinz Diyala nicht in seinem Heimatbezirk gelegenen Flüchtlingslager und seine fünf Onkeln samt ihren Familien in seinem Heimatort verblieben.

1.4. Der BF ist jung bzw. in Österreich volljährig geworden, sehr selbstständig, gesund und arbeitsfähig.

Er hält sich, wie aus dem diesbezüglichen Akteninhalt hervorgehend, seit seiner illegalen Einreise und darauffolgenden Asylantragstellung am 28.09.2015 in Österreich auf.

Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine nahen Familienangehörigen – auch zu seinem in Österreich mitsamt seiner Familie lebenden Onkel besteht kein Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis – und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte.

Er ist gesund und konnte keine besonderen Deutschkenntnisse nachweisen. Eine Integrationsverfestigung in sozialer, sprachlicher oder sonstiger Hinsicht besteht nicht.

Der BF lebt in Österreich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Er hat den Großteil seines Lebens im Irak verbracht und hat dort auch nach wie vor bei seiner Ausreise in seiner Herkunftsprovinz Diyala verbliebene Familienangehörige, Verwandte sowie Freunde.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. (Ehemalige) Politische Lage (Auszug)

Nach dem im März 2003 erfolgten Sturz von Saddam Hussein, einem Angehörigen der sunnitischen Minderheit, wurden die Regierungen von Vertretern der schiitischen Mehrheitsbevölkerung geführt (BPB 9.11.2015). Mit 2003 begann der Aufstieg von (vorwiegend) irantreuen bzw. dem Iran nahestehenden, schiitischen Parteien / Milizen, denen die amerikanischen Invasoren erlaubten, aus dem iranischen Exil in ihre Heimat zurückzukehren (SWP 8.2016; vgl. Hiltermann 26.4.2017).

Als die nach der Entmachtung Saddam Husseins neu aufgestellte Armee vorübergehend „kollabierte“, mobilisierten schiitische Führer in Notwehr ihre Gefolgschaft, wodurch die schiitischen Milizen (allen voran die Badr Organisation, Asaib Ahl al-Haq und Kataeb Hezbollah, mit Unterstützung des Irans) verstärkt auf den Plan traten und sich nordwärts in die sunnitischen Gebiete bewegten (Hiltermann 26.4.2017).

Bezüglich der schiitischen Milizen spielt auch der (stark schiitisch dominierte) Iran eine große Rolle, der insgesamt einen großen Einfluss auf den Irak ausübt. An den Schalthebeln der Macht in Bagdad werden selbst hochrangige irakische Kabinettsmitglieder von der iranischen Führung abgesegnet oder „Hinauskomplementiert“. Dadurch kommt es auch dazu, dass Gesetze verabschiedet werden, wie Z.B. jenes (vom November 2016 – s. Harrer 28.11.2016), das die schiitischen Milizen effektiv zu einem permanenten Fixum der irakischen Sicherheitskräfte macht (NYTimes 15.7.2017), und sie im Rahmen der Dachorganisation PMF (auch PMU, Popular Mobilisation Forces/Units, Volksmobilisierung, arabisch: Al-Hashd al-Shaabi, oder auch nur „Hashd“) der irakischen Armee gleichstellt (Harrer 9.12.2016).

Quellen:

?        BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (9.11.2015): Innerstaatliche Konflikte Irak, http://www.bpb.de(internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54603/irak, zugriff 9.8.2017

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2016): Die „Volksmobilisierung“ im Irak, https://www. Swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf, Zugriff 21.8.2017

?        Hiltermann Joost – Program Director Middle East & North at the International Crisis Group (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.-26- April, Brussels. https://coi.easoeuropa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_REport.pdf, Zugriff 24.7.2017

?        Harrer Gudrun – in Der Standard (28.11.2016): Irakische Milizen: Zerstörung der Armee, http://derstandard.at/2000048292489/Irakische-Milizen-Zerstoerung-der-Armee, Zugriff 21.8.2017

?        NYTimes – New York Times (15.7.2017): Iran Dominates in Iraq After U.S. „Handed the Country Over“, https:// www.nytimes.com/2017/07/15/world/middleeast/iran-raq.iranian-power.html, Zugriff 21.7.2017

?        Harrer, Gudrun – in Der Standard (9.12.2016): Mossul: Zähes Ringen mit dem „Islamischen Staat“, http://der standardd.at/2000048999294/Mossul-Zaehes-Ringen-mit-dem-Islamischen-Staat, Zugriff 9.8.2016

2.2. Sicherheitslage

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Durch die staatliche Legitimierung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 07.02.2017).

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2.1.1. Sicherheitskräfte in Bagdad

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) werden in Bagdad vom ´Baghdad Operations Command´ (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die bestimmten Abteilungen der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inclusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomante. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).

2.2. Religionsfreiheit

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. (USDOS 10.8.2016).

Quelle:

?        USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom – Iraq, 6https://www.ecoi.net/local_link/328414/469193_de.html, Zugriff 16.6.2017

2.3. Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2.4. Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort.

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2.5. Echtheit der Dokumente / Zugang zu gefälschten Dokumenten

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 7.2.2017).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezemeber-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF:

Dass der BF aus der Provinz Diyala stammt, der arabischen Volksgruppe und muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehört und Arabisch als Muttersprache hat, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die in der Sprucheinleitung angeführte Identität konnte nicht festgestellt werden und dient nur der gegenständlichen Verfahrensführung.

Die vom BF vorgelegte irakische ID-Karte stellte sich als Totalfälschung heraus.

Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, ist im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung zu beschaffen.

Der BF wird aufgrund der Vorlage einer totalgefälschten irakischen ID-Karte als persönlich unglaubwürdig angesehen.

Er gab in seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.09.2015 an, an einem bestimmten Tag im August 2000 in Diyala geboren zu sein (AS 11).

Er ist jedoch älter als in seiner Erstbefragung behauptet, wurde doch in einem eingeholten Sachverständigengutachten vom 25.07.2016 von einem Mindestalter von 17,6 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt am 08.06.2021 ausgegangen. Der Sachverständige kam zum Schluss, dass von einem spätmöglichsten fiktiven Geburtsdatum mit (…).1998 auszugehen ist. Dieser sachverständigen Schlussziehung wird gefolgt.

Das behauptete Lebensalter unterschreitet um 1,82 Jahre das festgestellte Mindestalter und ist mit der erhobenen Befundlage nicht vereinbar.

Die Feststellung des Alters des BF wird auf die Untersuchung und schlüssige Beurteilung durch geeignete medizinische Sachverständige gestützt. Es liegen insgesamt vier Gutachten vor, eine zahnärztliche Untersuchung, eine Röntgenologische Untersuchung der linken Hand, ein Panoramaröntgen der Zähne, eine CT-Untersuchung des Schlüsselbeins sowie ein gerichtsmedizinisches ärztliches Gesamtgutachten vor, in welchem alle Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen miteinbezogen wurden.

Dass der BF jung bzw. in Österreich volljährig geworden, sehr selbstständig, gesund und arbeitsfähig ist, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.3. Dass der BF in seiner Heimatprovinz Diyala neun Jahre lang die (Grund-) Schule besucht und sechs Jahre lang bei einem Reifendienst gearbeitet hat, und stets seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, ergab sich ebenso aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.4. Bei seiner Ausreise sind seine Eltern und Geschwister in einem in seiner Heimatprovinz Diyala gelegenen von seinem Heimatort bzw. Heimatbezirk entfernten Flüchtlingslager und seine fünf Onkeln samt ihren Familien in seinem Heimatort verblieben. Dies ergab sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 249, 253).

Der BF gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA befragt danach, ob er in regelmäßigem Kontakt mit seinen engen Familienangehörigen stehe, zudem glaubhaft an. „ca. 1 Mal im Monat Kontakt“ mit seiner Familie zu haben.“ (AS 251).

2.5. Zum Fluchtvorbringen des BF

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 brachte der BF befragt nach seinen Fluchtgründen Folgendes vor:

„Ich wurde bedroht. Ich habe drei Mal wahrgenommen, dass ich von einem Fahrzeug verfolgt werde und habe dann meinen Schulweg verändert. Ich habe auch noch einen Grund, das ist der stärkste, mein Bruder (…) wurde ermordet. Die irakische Schulbildung hat dort keinen Wert, man findet dort keine Arbeit. Mein Onkel (…) wurde 2006 getötet und mein Onkel (…) wurde von der IS am (…).09.2014 entführt. Ich möchte mir hier eine Zukunft aufbauen, ich passe auf Österreich sehr gut auf.

Anm.: AW gibt nach der Rückübersetzung an, dass sein Onkel (…) am (…).06.2014 durch den IS entführt wurde.“ (AS 255)

Nach seinen anfangs vorgebrachten Fluchtgründe verneinte er befragt danach weitere, bevor er befragt danach, ob er jemals in seinem Heimatland belangt worden sei, Folgendes angab:

„Meine Familie wurde auch drei Mal von den Kämpfern des Asaib Ahl Al Haq bedroht und sie sind zu uns ins Haus gekommen und die haben mir Ohrfeigen und Fußtritte erteilt.“ (AS 255)

Diesbezüglich handelt es sich um ein sein vormaliges Fluchtvorbringen steigerndes Vorbringen.

Das Vorbringen des BF in der Erstbefragung befragt zu seinem Aufenthalt in Griechenland, dort nur sehr kurz gewesen zu sein, habe er doch immer nach Österreich wollen, lebe hier doch sein Onkel (AS 17), spricht jedenfalls nicht für eine Reise nach Österreich, um hier internationalen Schutz vor einer bestimmten Verfolgungssituation in seinem Herkunftsstaat zu erlangen, sondern dafür, wegen seines in Österreich lebenden Onkels hierhergekommen zu sein.

Dieser Onkel ist laut Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 „seit ca. 2 Jahren und drei Monaten hier in Österreich.“ (AS 245).

Im Einvernehmungsprotokoll vom 29.09.2017 wurde unter „Anm.:“ festgehalten, dass der BF dies nach Rückübersetzung seiner vormaligen Angabe, sein Onkel lebe „seit ca. einem Jahr und drei Monaten“ mit seiner Familie hier in Österreich, angegeben hat.

Der BF gab in seiner Erstbefragung an, im Irak seine Eltern und seine zwei Brüder zu haben (AS 15), wobei der BF ausdrücklich angab, „meine Brüder leben auch noch beide im Irak.“

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 gab der BF die von ihm in der Erstbefragung für zwei im Irak lebende Brüder genannten Namen als Namen von zwei bei seinen Eltern im Irak lebenden Schwestern an (AS 249), und setzte sein Vorbringen wie folgt fort:

„(…) Ich hatte auch noch einen Bruder, er hieß (…), er ist am (…) geboren, er wurde aber getötet. Er wurde am 18.09.2014 getötet. Danach befragt, dass dies nun alle Familienangehörigen meiner engsten Familie sind.“ (AS 249)

Daraufhin wurde im Einvernehmungsprotokoll angemerkt: „Die Daten wurden durch den Dolmetscher verlesen.“

Befragt, warum der BF bei seiner Erstbefragung nicht angegeben habe, dass sein Bruder getötet worden sei, gab der BF an:

„Ich habe es mehrmals gesagt, aber der Dolmetscher war Ägypter und er hat es nicht aufgenommen und der Dolmetscher hat mir nur gesagt, dass ich aus wirtschaftlichen Gründen hier in Österreich bin.“ (AS 249)

Der BF wollte die belangte Behörde offenbar über seine Geschwister bzw. deren Aufenthaltsort täuschen.

Dass im Zuge der Erstbefragung im Protokoll versehentlich die Namen von im Irak lebenden Brüdern anstatt von im Irak lebenden Schwestern des BF wiedergegeben wurden, wird ausgeschlossen, auch deshalb, weil der eine namentlich genannte Bruder in Klammer ausdrücklich als Zwillingsbruder (des BF) bezeichnet wurde.

Festgehalten wird an dieser Stelle, dass der BF am Schluss seiner Erstbefragung das Protokoll unterschrieben hat und keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher angeführt hat (AS 21).

Dass der BF in der Erstbefragung mit keinem Wort darauf Bezug nahm, dass ein Bruder getötet worden wäre, zeugt nicht von der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens, zumal laut Angabe des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA die Ermordung seines Bruders sein „stärkster Fluchtgrund“ gewesen sein soll.

Wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, hätte der BF dies seiner unkonkreten auf keine schlussendlich vorgelegene Verfolgungssituation hindeutende Angabe, bedroht worden zu sein und dreimal wahrgenommen zu haben, dass er von einem Fahrzeug verfolgt werde, woraufhin er seinen Schulweg verändert habe, doch nicht mit dem Verbindungssatz, „auch noch einen Grund“ zu haben, nach-, sondern vorangestellt. Der BF, der die angebliche Wahrnehmung einer Verfolgung durch ein Fahrzeug als einen und die Ermordung seines Bruders als einen weiteren Fluchtgrund nannte, hätte bei tatsächlichem Geschehen des von ihm Berichteten einen Zusammenhang zwischen der Ermordung seines Bruders und der Wahrnehmung einer Verfolgung durch ein Fahrzeug zudem nicht, wie er es mit dem Vorbringen von zwei Fluchtgründen getan hat, ausschließen können. Gleich an diese beiden angeblichen Fluchtgründe anschließend gab der BF an:

„(…) Die irakische Schulbildung hat dort keinen Wert, man findet dort keine Arbeit. Mein Onkel (…) wurde 2006 getötet und mein Onkel (…) wurde von der IS am (…).09.2014 entführt. Ich möchte mir hier eine Zukunft aufbauen, ich passe auf Österreich sehr gut auf.“ (AS 255)

Hätte der BF tatsächlich Angst vor einer Verfolgung bzw. Bedrohung bei einer Rückkehr hätte er nicht inmitten seines Fluchtvorbringens auf die (für ihn unbefriedigende) Situation im Irak, wo die Schulbildung keinen Wert hätte und man keine Arbeit finden würde, Bezug genommen, deutet dieses Vorbringen doch auf eine Ausreise aufgrund der allgemeinen Lage und nicht auf eine furchterfüllte Flucht aufgrund einer bestimmten Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation in seinem Herkunftsstaat hin. Dann, wieder ohne Übergang und ohne Angabe, inwiefern dies mit einer Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person zu tun hätte, sprach er davon, einer seiner Onkel wäre im Jahr 2006 getötet und ein weiterer am (…).09.2014 durch den IS entführt worden, bevor er erneuet ohne Übergang angeführt hat:

„Ich möchte mir hier eine Zukunft aufbauen, ich passe auf Österreich sehr gut auf.“ (AS 255)

Was der BF mit seiner Angabe, „auf Österreich sehr gut aufzupassen“ (AS 255), gemeint hat, hat er nicht erklärt. Diese Aussage spricht jedenfalls nicht für die Suche nach internationalem Schutz im Land wegen einer in seinem Herkunftsstaat drohenden Verfolgung bzw. Bedrohung, sondern dafür, dass sich der BF stark bzw. mächtig fühlt.

Dass der BF angab, sich in Österreich eine Zukunft aufbauen zu wollen, spricht für eine Flucht aus wirtschaftlichen Gründen und dafür sich in Österreich ein Bleiberecht und bessere Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat zu erhoffen, ebenso wie sein vorheriges Fluchtvorbringen, die irakische Schulbildung hätte in seinem Herkunftsstaat keinen Wert und man würde dort keine Arbeit finden.

Welche Fluchtgründe und auf welche Weise er diese vorgebracht hat, spricht nicht für deren Glaubwürdigkeit.

Der BF gab zudem nach Rückübersetzung durch den Dolmetscher an, einer seiner Onkel wäre „am (…).06.2014“ und nicht wie von ihm vorhin gesagt „am (…).09.2014“ durch den IS“ entführt worden. Wäre die Entführung einer seiner Onkel für den BF tatsächlich (mit-) ursächlich für seine Ausreise gesehen, wäre eine diesbezügliche sofortige genaue Datumsangabe zu erwarten gewesen.

Für ein einstudiertes Fluchtvorbringen spricht, dass der BF, nachdem ihm die Niederschrift über seine Einvernahme übersetzt worden war und er seine vormalige niederschriftlich festgehaltene Angabe hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse an seinem Herkunftsort, einer seiner Onkel sei „am (…).06.2014“ vom IS entführt worden (AS 253), zu hören bekommen hatte, seine spätere Angabe, dieser Onkel sei „am (…).09.2014“ entführt worden, „berichtigt“ hat.

Inwiefern in Zusammenhang mit der behaupteten Ermordung des Bruders eine Bedrohungssituation für den BF bestanden haben soll, hat der BF genauso wenig wie bezüglich der behaupteten Tötung eines Onkels und der behaupteten Entführung eines weiteren Onkels anführen können.

Nachdem der BF die Frage, ob er noch weitere den Irak betreffende Fluchtgründe habe, verneint hatte, gab er befragt danach, ob er in seinem Heimatland je persönlich belangt worden sei, Folgendes an:

„Meine Familie wurde auch drei Mal von den Kämpfern des Asaib Ahl Haq bedroht und sie sind zu uns ins Haus gekommen und die haben mir Ohrfeigen und Fußtritte erteilt.“ (AS 255)

Die niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA gestaltete sich darauf wie folgt:

„LA: Haben Sie Narben erlitten durch diese Vorfälle?

AW: Nein, ich habe Ohrfeigen erhalten, die aber keine Narben hinterlassen haben.

LA: Durch wen glauben Sie wurden Sie drei Mal auf dem Schulweg beobachtet?

AW: Ich glaube, dass das Schiiten waren.“ (AS 255)

Die Einvernahme des BF nahm dann folgenden weiteren Verlauf:

„LA: Was wollten diese Leute von Ihnen?

AW: Sie wollten mich töten, das ist 100% so.

LA: Woher wissen Sie das so genau?

AW: Ich hatte einen Freund der ist Sunnite, ein Freund wurde vor der Schule entführt. Seine Leiche wurde auf der Straße gefunden.

LA: Wann haben Sie diese Leute das letzte Mal vor Ihrer Ausreise wahrgenommen?

AW: Das war am 01.09.2015 das letzte Mal. Ich habe am 09.09.2015 vor unserem Haus einen Drohbrief in einem Kuvert, mit einer Patrone gefunden, das Kuvert trug den Stempel des Asaib Ahl Haq.

LA: Beschreiben Sie diesen Stempel genau?

AW: Es war ein runder Stempel, es sind zwei gekreuzte Waffen abgebildet und auch eine gründe Flagge und es steht auch der Name „Asaib Ahl Al Haq“drauf.

LA: Wann genau sind Sie aus dem Irak ausgereist?

AW: Ich bin am 13.09.2015 ausgereist.

LA: Sind Sie legal oder illegal aus dem Irak ausgereist?

AW: Ich bin legal in die Türkei ausgereist, mit dem Flugzeug.

LA: Beschreiben Sie mir das Fahrzeug genau, das Sie zuletzt verfolgt hat!
AW: Es war ein (…), es war grün, es waren vier Personen in dem Wagen.

LA: Beschreiben Sie mir die Situation genau und detailreich, was hat sich zuletzt zugetragen?

AW: Das Auto stand bei einer Brücke, ich bin in eine Gasse, Richtung Schule gegangen.

Das Auto ist mir nachgefahren, ich ging zur Schule und bin nach Schulende durch die Gasse nach Hause gegangen und das Auto stand in der Gasse. Sie haben mich beobachtet.

LA: Wie konnten Sie sich aus dieser Situation entziehen?

AW: Ich bin in eine enge Gasse eingebogen, dort konnten keine Autos hineinfahren.

LA: Durch wen wurde Ihr Bruder (…) ermordet?

AW: Er wurde durch unbekannte Leute getötet, der Irak besteht nur aus Milizen.

LA: Wann wurde Ihr Bruder genau getötet?

AW: Er wurde am (…).09.2014 getötet. Danach befragt gebe ich an, dass ich zu diesem Zeitpunkt im Haus war, er war vor dem Haus.

LA: Was hat sich vor dem Haus genau zugetragen?

AW: Ich habe Schüsse gehört, ich ging hinaus und habe meinen Bruder tod aufgefunden. Danach befragt gebe ich an, dass ich keinerlei Informationen habe, weshalb er getötet wurde und von wem.

LA: Wie hat sich der Tod Ihres Bruders auf Sie persönlich ausgewirkt?

AW: Ich denke immer nach und sehe die Leiche meines Bruders vor mir. Er war ca. 11 Jahre alt.

LA: Was hat die Ermordung Ihres Onkels (…) mit Ihnen persönlich zu tun?

AW: 2006 haben im Irak die Feindschaften aufgrund der Glaubensrichtung im Irak begonnen.

LA: Woher wissen Sie, dass Ihr Onkel (…) von der IS entführt wurde?

AW: Sie haben bei einem anderen Onkel angerufen und gesagt, dass Sie ihn bestraft haben, wie es gehört, ich glaube, dass er nicht mehr am Leben ist.

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten?

AW: Das war wegen Drohbrief und wegen der Ermordung meines Bruders.

LA: Haben Sie diese Bedrohung durch den Drohbrief bei der Polizei zur Anzeige gebracht?

AW: Wir haben es angezeigt, aber die haben nichts unternommen. Wir haben den Brief dem (…) übergeben, er ist Sunnit.

LA: Was stand in diesem Drohbrief geschrieben?

AW: Es stand geschrieben, dass wir innerhalb von 24 Stunden verschwinden sollen.

LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr in den Irak passieren? Was würde Sie dort erwarten?

AW: Ich würde durch die Milizen getötet werden.

LA: Weshalb sollen Sie durch die Milizen getötet werden?

AW: Weil ich Sunnit bin und man hat im Irak keine Zukunft, ich meine damit, dass man dort keine Arbeit findet, auch wenn man eine Schule besucht hat.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich woanders ins Heimatland zu begeben, um sich der angegebenen Übergriffen /Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? Bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht – z.B. in ein anderes Gebiet? Z.B. im Familienverband.

AW: Nein, weil es im Irak keine Sicherheit gibt, der Irak wird von den Schiiten regiert.

LA: Was spricht dagegen, dass Sie sich bei einer Rückkehr in den Irak ein eigenes Leben aufbauen?

AW: Das geht nicht, weil ich getötet werde und auf dem Drohbrief stand, dass wir innerhalb von 24 Stunden verschwinden müssen.

LA: Wie ist es möglich, dass Ihre Familie weiterhin im Irak lebt, Sie aber nicht mehr dort leben können?

AW: Der Unterschied ist, dass meine Eltern jetzt im Flüchtlingslager leben und sie möchten, dass ich sie nachholen kann.“ (AS 257ff)

Wie aus diesem Vorbringen ersichtlich, konnte der BF keine nachvollziehbaren, konkreten, sondern vielmehr nur mutmaßliche, glaubwürdige und gesteigerte Angaben machen.

Befragt, durch wen er glaube auf dem Schulweg beobachtet worden zu sein gab der BF an zu glauben, dass dies Schiiten gewesen seien (AS 255). Diese hätten ihn 100 prozentig töten wollen. Woher er dies so genau wüsste, konnte er nicht angeben. Er nahm befragt danach nur auf einen sunnitischen Freund bzw. einen vor der Schule entführten Freund Bezug, dessen Leichte auf der Straße gefunden worden wäre (AS 257).

Der BF brachte vor, diese Leute vor seiner Ausreise zuletzt am 01.09.2015 wahrgenommen zu haben, und fügte hinzu, am 09.09.2015 vor ihrem Haus einen Drohbrief in einem Kuvert, mit einer Patrone, gefunden zu haben, wobei das Kuvert den Stempel des Asaib Ahl Al Haq getragen habe. (AS 257)

„Am 13.09.2015“ wäre der BF dann aus dem Irak ausgereist, und zwar auf legale Weise mit dem Flugzeug in die Türkei (AS 257).

Zuvor in seiner Einvernahme berichtete der BF jedoch davon, bis Anfang September 2014 bei seinem Großvater gelebt zu haben und von dort aus dem Irak ausgereist zu sein (AS 251).

Dies gab der BF an, nachdem er aufgefordert seine letzte offizielle Anschrift in seinem Heimatland bekanntzugeben angegeben hatte, mit seiner Familie in einer bestimmten Ortschaft und einem bestimmten Bezirk in der Provinz Diyala, „aber zuletzt bei“ seinem Großvater, gelebt zu haben. (AS 251)

Darauf befragt, wie bzw. mit wem er in seinem Heimatort gelebt habe, gab der BF an:

„Meine Eltern hatten dort ein Eigentumshaus, das hat meinem Großvater gehört. Es leben auf diesem Grundstück auch noch 5 Onkel väterlicherseits mit deren Familien. Einer wurde 2006 getötet und einer wurde am 22.06.2014 von dem IS entführt, er ist seitdem vermisst.“ (AS 253)

Nach diesem Vorbringen will der BF mit seinen Eltern in einem Haus, das seinem Großvater gehört hätte, gewohnt haben (AS 253). Sein Vorbringen nach Aufforderung zur Bekanntgabe seiner letzten offiziellen Anschrift in seinem Heimatland, mit seiner Familie in einer bestimmten Ortschaft bzw. einem bestimmten Bezirk in der Provinz Diyala, „aber zuletzt“ bei seinem Großvater, gelebt zu haben (AS 251), spricht nicht dafür, zusammen mit seinen Eltern im Haus seines Großvaters, sondern zuletzt von seinen übrigen Familiennagehörigen getrennt „nur“ bei seinem Großvater gelebt zu haben.

Nachdem der BF in seiner Einvernahme im Zuge der Berichterstattung über seine familiären Verhältnisse in seinem Heimatort auch davon berichtet hatte, einer seiner Onkel sei 2006 getötet und ein weiterer am (…).06.2014 vom IS entführt worden (AS 253), gestaltete sich die weitere Einvernahme des BF wie folgt:

„LA: Was haben diese Ereignisse mit Ihnen persönlich zu tun?

AW: Wir waren die einzige Familie die Sunniten sind, in dem einen schiitischen Gebiet. Ich habe auch eine sunnitische Schule besucht und unser Mukhtar (Übersetzung durch den Dolmetscher: Vorsteher) war auch Schiit.

LA: Weshalb leben Ihre Eltern und Geschwister nicht mehr in diesem Haus?

AW: Weil der jetzige Mukhtar früher Kopf einer Banditenbande war. Ich glaube, dass er Leute geschickt hat, die auf unsere Hausmauer geschrieben haben. Sie haben geschrieben, dass sie meine ganze Familie ausrotten wollen. Sie haben es mit roter Farbe geschrieben.

LA: Wann wurde die Mauer durch diese Leute beschrieben?

AW: Ich glaube, dass es im 8. oder 9. Monat des Jahres 2015 war.

LA: Wie weit ist das Flüchtlingslager von Ihrem Elternhaus entfernt?

AW: Man braucht 2-3 Stunden mit dem Auto dorthin. Danach befragt gebe ich an, dass ich meine Familie vor meiner Ausreise nicht mehr besucht habe, ich habe nur mehr telefoniert. Als die IS Leute in unser Gebiet gekommen sind konnte man keine Telefonverbindung mehr herstellen, das war ca. 7 Monate vor meiner Ausreise im Jahr 2015.“ (AS 253)

Der BF gab demnach an, Banditen unter dem Führer des jetzigen Mukhtars hätten auf die Hausmauer mit roter Farbe geschrieben, dass sie die ganze Familie des BF ausrotten wollten. Befragt danach, wann dies gewesen sei, gab der BF an, zu glauben, dass dies „im 8. oder 9. Monat des Jahres 2015 war.“ (AS 253).

Diese mit „ich glaube“ eingeleitete Angabe spricht für eine Eigenwahrnehmung und nicht für eine dem BF mitgeteilte Wahrnehmung durch seine im Irak verbliebenen Familienmitgliedern, die er nach darauffolgender Angabe vor seiner Ausreise nicht mehr besucht, sondern mit denen er vor seiner Ausreise nur mehr telefoniert haben soll, nach Einmarsch des IS „ca. 7 Monate“ vor seiner Ausreise im Jahr 2015 mangels Telefonverbindung jedoch dann nicht mehr.

Der BF berichtete davon, die Leute, die ihn auf dem Schulweg beobachtet hätten, am 01.09.2015 das letzte Mal gesehen zu haben. Am 09.09.2015 hätte er dann vor dem Haus seiner Familie einen Drohbrief in einem Kuvert mit einem näher beschriebenen Stempel drauf gefunden (AS 257). Demnach soll er somit „am 01.09.2015“ in seinem Heimatort bzw. am 09.09.2015 bei ihm zuhause gewesen sein, während er sich laut seinen vormaligen Angaben vor dem BFA nur „bis zum 9. Monat des Jahres 2014“ bei seinem Großvater in seinem Heimatort aufgehalten haben soll. (AS 249).

Später in der Einvernahme befragt danach, was seiner Meinung nach der für ihn zuletzt ausschlaggebende Grund für seine Ausreise gewesen sei, gab der BF an:

„Das war wegen Drohbrief und wegen der Ermordung meines Bruders.“ (AS 259)

Befragt, was dagegenspreche, dass er sich bei einer Rückkehr in den Irak ein eigenes Leben aufbaue, gab der BF an:

„Das geht nicht, weil ich getötet werde und auf dem Drohbrief stand, dass wir innerhalb von 24 Stunden verschwinden müssen.“ (AS 261)

Den besagten Drohbrief soll der BF laut seinen vorherigen Angaben am 09.09.2015 vor dem Haus seiner Familie gefunden haben (AS 257), und sein Bruder soll am (…).09.2014 getötet worden sein, zu welchem Zeitpunkt der BF im Haus (seiner Familie) und sein Bruder vor dem Haus gewesen sein soll (AS 259).

Während der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA befragt nach seinen Fluchtgründen und später in der Einvernahme befragt nach seinem eigentlichen fluchtauslösenden Grund von einer „Ermordung“ seines Bruders sprach (AS 255, 259), gab er befragt danach, durch wen sein Bruder ermordet worden sei, jedoch an, dieser sei – durch unbekannte Leute – getötet worden, mit dem allgemeingehaltenen Nachsatz, „der Irak besteht nur aus Milizen“ (AS 257).

Zwischen den beiden vom BF befragt nach dem fluchtauslösenden Grund behaupteten Ereignissen von September 2014 und September 2015 liegt zudem rund ein Jahr. Zeitnähe zwischen der behaupteten Ermordung seines Bruders im September 2014 und seiner angeblichen Ausreise im September 2015 besteht nicht.

In dem angeblich am 09.09.2015 vor dem Haus gefundenen Drohbrief soll zudem gestanden sein, sie (bzw. der BF und seine Familie) sollten innerhalb von 24 Stunden verschwinden.

Der BF soll nach seinen in der Einvernahme zuvor erstatteten Angaben jedoch nur „bis Anfang September 2014“ bei seinem Großvater gelebt haben und von dort auch aus dem Irak ausgereist sein (AS 251)

Die behauptete Tötung seines Bruders „am (…).09.2014“, zu welchem Zeitpunkt sich der BF im Haus (seiner Familie) befunden haben soll, wäre jedenfalls erst rund Mitte des Monats September 2014 gewesen.

Die Familie des BF soll nach diesbezüglicher Angabe des BF vor dem BFA im Jahr 2014 bzw. „im dritten Monat“ des Jahres 2014 in ein Flüchtlingslager übersiedelt sein (AS 249).

Dies konnte er jedoch nicht glaubhaft machen, nahm er doch später befragt danach, weshalb seine Eltern und Geschwister nicht mehr in ihrem Haus wohnen, nicht auf einen Vorfall vor der behaupteten Übersiedelung seiner Familie in das Flüchtlingslager im Jahr 2014, sondern auf einen angeblichen Vorfall aus dem Jahr 2015 Bezug, was ausfolgendem Einvernehmungsausschnitt ersichtlich ist:

„LA: Weshalb leben Ihre Eltern und Geschwister nicht mehr in diesem Haus?

AW: Weil der jetzige Mukhtar früher Kopf einer Banditenbande war. Ich glaube, dass er Leute geschickt hat, die auf unsere Hausmauer geschrieben haben. Sie haben geschrieben, dass sie meine ganze Familie ausrotten wollen. Sie haben es mir roter Farbe geschrieben.

LA: Wann wurde die Mauer durch diese Leute beschrieben?

AW: Ich glaube, dass es im 8. oder 9. Monat des Jahres 2015 war.“ (AS 253)

Später in der Einvernahme berichtete der BF davon, am 09.09.2015 vor dem Haus seiner Familie einen Drohbrief erhalten zu haben (AS 257), mit dem angeblichen Inhalt, sie – der BF und seine Familie – sollten innerhalb von 24 Stunden verschwinden (AS 259).

Darauf, dass auf die Mauer des Hauses seiner Familie die Beabsichtigung, die ganze Familie des BF ausrotten zu wollen, geschrieben worden wäre, (AS 253), wurde vom BF später im Zuge seines Fluchtvorbringens nicht mehr Bezug genommen.

Ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten Drohschreiben auf der Hausmauer und dem angeblich erhaltenen Drohbrief war zudem auch deshalb nicht erkennbar, weil die angebliche mit roter Farbe auf die Hausmauer geschriebene Drohung vom Anführer einer Banditenbande ausgegangen sein (AS 253), der erhaltene Drohbrief jedoch von der schiitischen Miliz Asaib Ahl Al Haq gestammt haben soll (AS 257).

Befragt danach, ob der BF diese Bedrohung durch den Drohbrief bei der Polizei zur Anzeige gebracht habe, gab der BF an:

„Wir haben es angezeigt, aber die haben nichts unternommen. Wir haben den Brief dem Imam übergeben, er ist Sunnit.“ (AS 259).

Es ist nicht nachvollziehbar, warum der angebliche Drohbrief, nachdem die Polizei nichts dagegen unternommen haben soll, dem Imam übergeben worden sein soll. Eine Begründung dafür wurde vom BF nicht angeführt.

Der BF sprach zudem zuvor in der Einvernahme vor dem BFA davon, sie seien in dem einen schiitischen Gebiet die einzige Familie, die Sunniten seien, gewesen, und der BF habe auch eine sunnitische Schule besucht (AS 253). Diese Schule sei laut seinem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA in einem bestimmten in der Provinz Diyala gelegenen Heimatbezirk (gewesen) (AS 11, AS 247).

Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF in der sunnitischen Schule nicht der einzige Sunnit bzw. nicht der einzige aus seinem Heimatort in diese Schule für den Grundschulbesuch zugewiesene Sunnit gewesen ist.

Der BF will außerdem den angeblich erhaltenen Drohbrief einem Imam, Sunniten, übergeben haben, nachdem die Polizei nichts dagegen unternommen haben soll (AS 259).

Dass der BF und seine Familie die einzigen Sunniten in ihrer Wohngegend gewesen wären, konnte somit nicht für wahr gehalten werden.

Der BF konnte keinen Grund angeben, warum sein Bruder und einer seiner Onkeln getötet und ein weiterer Onkel entführt worden sein soll.

Nach dem Grund der Tötung seines Bruders befragt gab der BF an:
„Danach befragt gebe ich an, dass ich keinerlei Informationen habe, weshalb er getötet wurde und von wem.“ (AS 259)

Der BF konnte weder einen Grund für die angebliche Tötung seines Bruders und eines seiner Onkeln sowie die behauptete Entführung eines weiteren Onkels noch anführen, inwiefern ihre Tötung bzw. Entführung mit der behaupteten Verfolgung bzw. Bedrohung des BF zusammenhängt.

Befragt danach, wie sich der Tod seines Bruders auf ihn persönlich ausgewirkt habe, gab der BF an:

„Ich denke immer nach und sehe die Leiche meines Bruders vor mir. Er war ca. 11 Jahre alt.“ (AS 259)

Der BF hat mit dieser Antwort nur auf die persönliche Auswirkung des Todes seines Bruders auf ihn in psychischer bzw. emotionaler Hinsicht, nicht jedoch, was aufgrund des vormaligen Vorbringens, eine Ermordung seines Bruders sei sein stärkster Fluchtgrund gewesen (AS 255), anzunehmen gewesen wäre, auf eine damit in Zusammenhang bestandene bzw. immer noch bestehende Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation Bezug genommen.

Befragt danach, was die Ermordung seines Onkels mit ihm persönlich zu tun habe, gab der BF an:

„2006 haben im Irak die Feindschaften aufgrund der Glaubensrichtung im Irak begonnen.“ (AS 259)

Diese Antwort war allgemeingehalten und sagt nicht nur nichts über einen Zusammenhang zwischen der behaupteten Ermordung seines Onkels und der vom BF behaupteten Verfolgung bzw. Bedrohung, sondern auch nichts über einen konkreten Grund dafür, warum sein Onkel getötet worden wäre, aus.

Der BF gab zudem an, einer seiner Onkel wäre am (…).06.2014 bzw. (…)09.2014 vom IS entführt worden (AS 255).

Später in der Einvernahme befragt, woher er wisse, dass sein Onkel vom IS entführt worden sei, gab der BF in Steigerung seines vormaligen im Zuge seines zu seinen familiären Verhältnissen in seinem Heimatort erstatteten Vorbringens, einer seiner Onkel wäre – am (…).06.2014 – vom IS entführt worden und wäre seitdem vermisst (AS 253), an:

„Sie haben bei einem anderen Onkel angerufen und gesagt, dass sie ihn bestraft haben, wie es gehört, ich glaube, dass er nicht mehr am Leben ist.“ (AS 259)

Es ist nicht nachvollziehbar, dass seitens des IS bei einem Onkel des BF angerufen und diesem mitgeteilt worden wäre, dass sie seinen Bruder bestraft haben, wie es gehöre, zumal der BF auch nicht angeben konnte, warum sein Onkel durch den IS entführt worden sein soll.

Inwiefern daraus für den BF eine Gefahr resultiert sein soll, geht aus seinem Vorbringen nicht hervor.

Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass, wenn tatsächlich einer seiner Onkel seitens des IS bestraft worden sein soll, laut Angabe des BF in seiner Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 auf dem Grundstück seiner Eltern bzw. seines Großvaters – offenbar problemlos – noch fünf Onkeln väterlicherseits mitsamt Familien leben sollen (AS 253), der BF jedoch unter anderem aufgrund der Entführung seines Onkels im Jahr 2014 sein Heimatland verlassen müssen hätte.

Der BF führte im Zuge eines Fluchtvorbringens einfach verschiedene Ereignisse an, die für seine Flucht auslösend gewesen sein sollen, ohne einen Zusammenhang dieser Ereignisse mit einer Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person herstellen oder eine konkrete persönliche Verfolgung bzw. Bedrohung anführen können zu haben.

Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe dient, wird zudem darauf hingewiesen, dass der BF in der Erstbefragung folgendes Fluchtvorbringen erstattet hat, ohne auf irgendeine daraus für ihn resultierte konkrete persönliche Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation und ohne auch auf den laut seiner Einvernahme vor dem BFA angeblich stärksten Fluchtgrund – die angebliche Ermordung seines Bruders vom 18.09.2014 (AS 259) – Bezug genommen zu haben:

„In meiner Heimat gibt es einen Streit zwischen Sunniten und Schiiten. Vor kurzem wurden 2 Onkel von mir entführt. Einen konnte man tod finden und den zweiten haben wir noch nicht wieder gefunden. Die Schiiten sind sehr aktiv bei uns und machen nur Unruhe.“ (AS 19)

In der Erstbefragung befragt nach der Rückkehrbefürchtung konnte er gar keine Befürchtung anführen, bzw. gab er Folgendes an:

„Ich habe keine Befürchtung. Ich will dort einfach nur nicht wieder hin. Im Irak ist es gefährlich und es herrschen oft Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten.“ (AS 21)

Damit hat der BF bloß auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak hingewiesen und nicht angeführt, sich aufgrund einer konkreten ihn betreffenden Verfolgung bzw. Bedrohungssituation vor einer Rückkehr zu fürchten, sondern angegeben, einfach nicht wieder in den Irak zurückkehren zu wollen.

Festzuhalten bleibt, dass der BF keine konkrete persönliche Verfolgung bzw. Bedrohung glaubhaft machen konnte.

Befragt danach, durch wen er glaube, dass er drei Mal auf dem Schulweg beobachtet worden wäre, gab der BF an, „ich glaube, dass das Schiiten waren.“ (AS 255).

Abgesehen davon, dass es sich dabei eine reine Mutmaßung des BF handelt, hat der BF zuvor im Zuge seines Fluchtvorbringens angegeben, nachdem er drei Mal wahrgenommen gehabt habe, von einem Fahrzeug verfolgt zu werden, seinen Schulweg verändert zu haben. Von einer nach Schulwegänderung anhaltenden Verfolgungssituation sprach er nicht.

Der BF gab befragt danach, was ihn bei einer Rückkehr in den Irak erwarten würde, an:

„Ich würde durch die Milizen getötet werden.“ (AS 259)

Daraufhin befragt, weshalb er durch die Milizen getötet werden sollte, gab der BF an:

„Weil ich Sunnit bin und man hat im Irak keine Zukunft, ich meine damit, dass man dort keine Arbeit findet, auch wenn man eine Schule besucht hat.“ (AS 261)

Wie aus dieser Antwort hervorgehend, konnte der BF befragt danach keinen konkreten persönlichen Grund, warum er durch die Milizen getötet werden sollte, anführen, sondern nahm er nur kurz allgemeingehalten auf seine sunnitisch muslimische Glaubensrichtung Bezug, bevor er, offenbar seine wahren Ausreisegründe betreffend ohne Zusammenhang zum vorhin Erwähnten, hinzufügte, „(…) und man hat im Irak keine Zukunft, ich meine damit, dass man dort keine Arbeit findet, auch wenn man eine Schule besucht hat“ (AS 261).

Es war aufgrund der unkonkreten, nicht nachvollziehbaren, widersprüchlichen, gesteigerten Angaben zu seinen behaupteten Fluchtgründen von einem einstudierten, unglaubwürdigen Fluchtvorbringen auszugehen.

Das Fluchtvorbringen bzw. dass der BF im Irak einer Verfolgung bzw. Bedrohung seitens des IS oder aufgrund seiner sunnitisch muslimischen Glaubensrichtung seitens schiitischer Milizen ausgesetzt (gewesen) wäre, ist somit nicht glaubwürdig bzw. konnte von ihm nicht glaubhaft gemacht werden.

Der BF ist nicht aufgrund eines bestimmten fluchtauslösenden Vorfalls bzw. Ereignisses aus dem Irak ausgereist. Gegen eine persönliche Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation spricht bereits die problemlose legale Ausreise des BF mit dem Flugzeug in die Türkei und der Verbleib von Familienangehörigen des BF im Irak ohne nennenswerte konkrete Probleme ansonsten dies nicht möglich (gewesen) wäre.

Der BF gab in seiner Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 glaubhaft an, „ca. 1 Mal im Monat Kontakt“ zu seiner Familie im Irak zu haben (AS 251).

Dann befragt danach, wie es seiner Familie aktuelle gehe, gab der BF an:

„Es geht ihnen schlecht wegen der Sicherheitslage im Irak. Ich habe über die Nachrichten erfahren, dass dort ein Sprengsatz explodiert ist. Ich möchte meiner Familie helfen.“ (AS 251)

Daraufhin befragt, was er (damit) konkret meine, gab der BF Folgendes an:

„Ich möchte meine Familie hier her nachholen und ich möchte hier die Matura machen und hier studieren und alten Leuten helfen als Pfleger.“ (AS 251)

Der BF nahm in seiner Einvernahme vor dem BFA zudem Bezug darauf, dass seine im Flüchtlingslager lebenden Eltern möchten, dass er sie nachhole (AS 261).

Feststellbar war folglich, dass der BF in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen außerhalb des Iraks – zu einem aufgrund diesbezüglich uneinheitlicher Angaben des BF nicht feststellbaren Zeitpunkt – seinen Herkunftsstaat verlassen hat und nach Österreich gereist ist sowie beabsichtigt, seine im Irak verbliebenen Familienangehörigen nachzuholen.

Es kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich die bei Ausreise des BF in der Provinz Diyala verbliebenen Familienangehörigen bzw. Verwandten immer noch im Irak aufhalten, ansonsten der BF in seiner Beschwerde oder danach im Wege einer Beschwerdeergänzung anderes vorgebracht hätte.

Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass mit schriftlicher „Bevollmächtigungsanzeige“ vom 27.07.2021, beim BVwG eingelangt am 28.07.2021, der den BF nunmehr vertretende, vom BF zu seiner Vertretung bevollmächtige Rechtsanwalt und gleich daran anschließend nur Folgendes bekannt gegeben wurde:

„Ich habe eine Gewerbeberechtigung für Hausbetreuung und Reinigungstätigkeit erworben. Wenn ich alle Aufträge im Monat abwickle, komme ich auf ein Einkommen von € 1.300,-.“

Aus diesem Schreiben geht nur ein offenbares Bestreben nach einem Aufenthaltsrecht aufgrund guter Integration hervor.

Es wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen, dass der BF bei tatsächlicher Furcht vor Verfolgung bzw. Bedrohung mit diesem Schreiben darauf Bezug genommen hätte.

Mit davor beim BVwG eingegangen Telefax des ehemaligen Rechtsvertreters des BF vom 26.02.2021 erging zudem folgendes Ersuchen:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Beschwerdeführer bittet darum, eine positive Entscheidung in seinem Fall zu treffen, oder allenfalls darum, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, damit er seine Fluchtgründe persönlich darlegen kann.“

Mit diesem Schreiben wurde nur um eine mündliche Verhandlung ersucht, um Fluchtgründe persönlich darlegen zu können, diese angeblichen Fluchtgründe jedoch nicht konkret erwähnt.

Bereits mit Beschwerdeschreiben wurde unter anderem um Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ersucht, weshalb diesbezüglich nichts Neues vorliegt.

Für die persönliche Darlegung und Glaubhaftmachung von Fluchtgründen hatte der BF zudem im Verfahren vor dem BFA genügend Zeit und wurde ihm dafür auch genügend Zeit eingeräumt.

Die vom BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.09.2017 vorgebrachten Fluchtgründe konnten jedoch nicht glaubhaft gemacht werden, war sein Fluchtvorbringen aufgrund diesbezüglich unkonkreter, widersprüchlicher, gesteigerter und nicht nachvollziehbarer Angaben nur für unglaubwürdig zu halten.

Mit seinem Beschwerdevorbringen konnte der BF dem angefochtenen Bescheid auch nicht substantiiert entgegentreten.

Mit Beschwerdeschreiben vom 22.05.2018 wurde anfangs angebliche Fluchtgründe des BF zusammenfassend Folgendes vorgebracht:

„(…)

Als Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

Der Beschwerdeführer befürchtet im Irak Verfolgung sowohl wegen seiner Herkunft und seiner religiösen Zugehörigkeit und daraus folgend der ihm unterstellten politischen Gesinnung, als auch wegen seiner westlichen Lebenseinstellung, die er in Österreich entwickelt hat, und die ihn inkompatibel mit der im Irak vorherrschenden streng-islamischen Gesellschafsordnung macht, wie auch aufgrund der allgemeinen Bürgerkriegssituation und den ihm bereits widerfahrenen konkreten Verfolgungshandlungen, die er in der Einvernahme dargelegt hat. Davon abgesehen hat der Beschwerdeführer im Irak mittlerweile jegliche Existenzgrundlage verloren, und er wäre der Gefahr ausgesetzt, in eine Art. 2, 3 EMRK widersprechende Notlage zu geraten.

Aus Furcht um sein Leben und aufgrund der Schutzunfähigkeit bzw. Schutzunwilligkeit der irakischen Behörden, musste der Beschwerdeführer nach Österreich flüchten, um hier einen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu können. (…).“ (AS 404)

Mit Beschwerdeschreiben wurde vorgebracht, „aus Furcht um sein Leben und aufgrund der Schutzunfähigkeit bzw. Schutzunwilligkeit der irakischen Behörden, musste der Beschwerdeführer nach Österreich flüchten, um hier einen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu können. (…).“ (AS 404)

Mit Beschwerde wurde dem BFA zudem Folgendes vorgehalten:

„Seitens des Bundeamtes wurde auch die Frage der Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der irakischen Behörden gegenüber Personen, wie dem Beschwerdeführer, nicht untersucht, was auch umso mehr verwundert, als die Länderberichte die zunehmende Eskalation des interkonfessionellen Bürgerkrieges im Irak belegen, auch die Gefahr des Beschwerdeführers, seitens der schiitischen Milizen verfolgt zu werden.

Die Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers ist insbesondere auch deshalb aktuell, da die staatlichen Institutionen des Irak zunehmend von den bewaffneten radikal-schiitischen Gruppierungen dominiert werden, da der irakische Staat zur Bekämpfung der sich als „IS“ bezeichnenden Terroristen intensiv auf die Hilfe gerade dieser Milizen angewiesen war, wodurch sich ihr Einfluss in der Politik und Verwaltung massiv erhöht hat. Der Beschwerdeführer hätte daher in anderen Landesteilen des Irak keine Fluchtalternative zur Verfügung. “ (AS 406f)

Soweit in der Beschwerde angeführt wird, dass „die Länderberichte die zunehmende Eskalation des interkonfessionellen Bürgerkrieges im Irak belegen, auch die Gefahr des Beschwerdeführers, seitens der schiitischen Milizen verfolgt zu werden“ (AS 406), handelt es sich um ein allgemeingehaltenes und zudem unrichtiges Vorbringen, geht doch aus den amtsbekannten Länderberichten keine systematische, gezielte Verfolgung von sunnitischen Arabern- seitens schiitischer Milizen – im Irak hervor.

Für die belangte Behörde, die im Zuge der Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unter anderem ausdrücklich auf das im Irak auch aktuell fehlende Gewaltmonopol des irakischen Staates hingewiesen hat, bestand kein konkreter Bedarf, sich mit der staatlichen Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit näher auseinanderzusetzen, zumal vom BF auch keine konkrete persönliche Verfolgung bzw. Bedrohung angeführt werden konnte, sprach der BF vor dem BFA doch nur mutmaßlich davon, zu glauben, er sei auf dem Schulweg von Schiiten verfolgt worden (AS 255), und gab er später in der Einvernahme befragt danach, was ihn im Irak erwarten würde, allgemeingehalten an, er würde „durch die Milizen“ getötet werden (AS 260), ohne dass er einen konkreten Grund dafür anführen konnte, gab er doch befragt danach allgemeingehalten bzw. seine sunnitisch muslimische Glaubensrichtung mit seinen offenbar wahren wirtschaftlichen Ausreisegründen vereinigend Folgendes an:

„Weil ich Sunnit bin und man hat im Irak keine Zukunft, ich meine damit, dass man dort keine Arbeit findet, auch wenn man eine Schule besucht hat.“ (AS 261)

Insoweit der BF in seiner Beschwerde darauf hinwies, dass der BF nach Österreich flüchten müssen hätte (AS 404), wird zudem darauf hingewiesen, dass der BF in seiner Erstbefragung angab, „immer nach Österreich“ kommen wollen zu haben, lebe hier doch sein Onkel (AS 17), in seiner Einvernahme vor dem BFA jedoch angegeben hat, „immer nach Europa“ bzw. „nach Deutschland“ reisen wollen zu haben, wie aus seiner Antwort auf die ihm gestellte Frage, ob Österreich immer sein Zielland gewesen sei, ersichtlich ist:

„Ja, ich wollte immer nach Europa, ich wollte nach Deutschland, weil die vielen Flüchtlinge aufgenommen haben, bin aber hier geblieben, weil ich am Hauptbahnhof gesehen habe, wie die Flüchtlinge hier unterstützt werden, dann bin ich hiergeblieben.“ (AS 255)

Daraufhin wurde vom Leiter der Einvernahme des BF vor dem BFA Folgendes niederschriftlich angemerkt: „AW ersucht um eine Pause, es wird eine Pause von 5 Minuten gehalten.“ (AS 255)

Der BF will nach seiner Angabe vor dem BFA in Österreich an einem Bahnhof gesehen haben, wie die Flüchtlinge hier unt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten