TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/4 G304 2205111-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2021
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Entscheidungsdatum

04.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G304 2205105-1/11E
G304 2205111-1/8E
G304 2205098-1/7E
G304 2205101-1/8E
G304 2205109-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , geb. XXXX , (BF1), der XXXX , geb. XXXX , (BF2), der XXXX , geb. XXXX , (BF3), des XXXX , geb. XXXX , (BF4), und des XXXX , geb. XXXX , (BF5), alle StA. Irak, die BF3, BF4 und BF5 gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, die BF2, alle BF rechtlich vertreten durch RA Dr. Benno Wageneder, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.08.2018, Zl. XXXX (BF1), XXXX (BF2), XXXX (BF3), XXXX (BF4), XXXX (BF5), zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkte I. werden als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkte II. wird stattgegeben und den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III. Den Beschwerdeführern wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. - VI. werden ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem den BF1 betreffenden angefochtenen Bescheid des BFA vom 01.08.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 11.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sein Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Mit den die BF1, BF2 und BF3 betreffenden angefochtenen Bescheiden des BFA vom 01.08.2018 wurde jeweils ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 14.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Mit dem den BF5 betreffenden angefochtenen Bescheid des BFA vom 01.08.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 07.11.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sein Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

5. Am 06.09.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit Beschwerdevorlage-Schreiben vom 04.09.2018 die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF sind irakische Staatsangehörige, stammen aus Mossul und gehören der Bevölkerungsgruppe der sunnitischen Araber an. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Die BF1 und BF2 sind Ehegatten und die BF3, BF4 und BF5 deren unmündig minderjährigen Kinder.

1.2. Fest steht, dass die BF2 mit den BF3 und BF4 am 05.10.2015 illegal aus dem Irak ausgereist ist, und der BF1 mit einem am 24.11.2015 ausgestellten irakischen Reisepass am 02.12.2015 legal mit dem Flugzeug von Erbil in die Türkei ausgereist ist.

Die BF1 und BF2 versuchten in keinem Land entlang ihrer Fluchtroute um Asyl anzusuchen.

Fest steht, dass die BF1, BF2, BF3 und BF4 mit der Flüchtlingswelle 2015 nach Europa gekommen sind, und der BF1 seiner Ehefrau und seinen Kindern nach Österreich nachgefolgt ist.

Fest steht, dass die BF1 und BF2 im Irak nie seitens des Staates, insbesondere nicht aus GFK-Gründen, wie wegen ihrer politischen Gesinnung, ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, wegen ihrer Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, verfolgt wurden. Der BF1 (AS 162) und die BF2 (AS 137) haben in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA eine derartige Verfolgung vielmehr ausdrücklich verneint.

Fest steht zudem, dass es in ihrer Heimat auf sie niemals irgendwelche Übergriffe gegeben hat und an sie persönlich nie irgendjemand herangetreten ist.

Die BF1 und BF2 sind sowohl in ihrer Heimat als auch in einem anderen Land nicht vorbestraft, werden in ihrer Heimat weder von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht, wurden im Irak nie von einer Behörde angehalten, festgenommen oder verhaftet, hatten in ihrer Heimat persönlich keine Probleme mit staatlichen Behörden, und waren im Irak nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei.

Für die minderjährigen BF3, BF4 und BF5 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Asylrelevante Gründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates wurden nicht festgestellt. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wären.

1.3. Fest steht, dass Ende Juni 2017 ihre Herkunftsstadt Mossul durch die irakische Armee vom IS vollständig befreit wurde, und im Dezember 2017 die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) erklärt hat.

Fest steht zudem, dass das Elternhaus des BF1 und das Elternhaus der BF2 nach wie vor in ihrer Herkunftsstadt Mossul stehen.

1.4. Hinsichtlich etwaiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen der BF wird festgestellt, dass der BF1 nach seiner Einreise ebenso wie bereits vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat wegen Bluthochdruck behandelt und der BF5 im September 2016 in Österreich mit einer Öffnung im Herzen geboren wurde.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage

Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.2. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Einheiten, die vom Innen- und Verteidigungsministerium, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF), und dem Counter-Terrorism Service (CTS) verwaltet werden. (USDOS 3.3.2017)

Quelle:

?        USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Iraq,

2.2.1. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017)

Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

Quelle:

?        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/ file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf

2.3. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung aus 2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.4. Relevante Bevölkerungsgruppen

2.4.1. Frauen

In der Verfassung ist die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben und eine Frauenquote von 25% im Parlament verankert (AA 12.1.2019). In der Kurdischen Region im Irak (KRI) sind es 30% (AA 7.2.2017).

Zwar ist laut Artikel 14 und 20 der Verfassung jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verboten. Artikel 41 bestimmt jedoch, dass Iraker Personenstandsangelegenheiten ihrer Religion entsprechend regeln dürfen. Viele Frauen kritisieren diesen Paragrafen als Grundlage für eine Re-Islamisierung des Personenstandsrechts und damit eine Verschlechterung der Stellung der Frau. Zudem findet auf einfachgesetzlicher Ebene die verfassungsrechtlich garantierte Gleichstellung häufig keine Entsprechung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht (AA 7.2.2017).

Die Stellung der Frau hat sich jedenfalls im Vergleich zur Zeit des Saddam-Regimes teilweise deutlich verschlechtert. Auch die prekäre Sicherheitslage in Teilen der irakischen Gesellschaft hat negative Auswirkungen auf das Alltagsleben und die politischen Freiheiten der Frauen (AA 7.2.2017).

2.4.2. Kinder

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind einerseits in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage, andererseits durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 7.2.2017).

Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern allerdings mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist, besonders in ländlichen Gebieten (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.5. Berufsgruppen und andere soziale Gruppen

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte sowie Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.6. Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten.

Hauptarbeitgeber ist der Staat. (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.7. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.8. Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 7.2.2017)

Quelle:

?        AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2.9. Echtheit der Dokumente/Zugang zu gefälschten Dokumenten

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 7.2.2017).

Quelle:

?        AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt.

2.2. Zu den Personen der BF:

Die in der Sprucheinleitung angeführte Identität und Staatsangehörigkeit der BF ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, ebenso wie dass die BF aus Mossul stammen, der Bevölkerungsgruppe der sunnitischen Araber angehören und Arabisch als Muttersprache haben.

2.3. Zum Vorbringen der BF

Im Folgenden wird auszugsweise die Niederschrift über die Einvernahme des BF1 über seine Einvernahme vor dem BFA am 10.04.2018 wiedergegeben (im Folgenden: „F“ für „Leiter der Einvernahme“, „A“ für „BF1“ und „V“ für „Vorhalt“):

„(…)

Beruflicher Werdegang:

Beschäftigungsart: Polizist

Von: 01.06.1995 bis 15.11.2015

Dienstgeber: Innenministerium in Bagdad

Anmerkung: Ich habe bis zum Putsch 2003 als Polizist in Bagdad gearbeitet. 2003 kehrte ich wieder nach Mossul zurück. Nach dem Putsch 2003 wurde die Polizei durch die Amerikaner neu organisiert. Wir wurden zu FPS und ein Jahr später zu FPSF umbenannt. Meine Polizeieinheit hat in Mossul wichtige Gebäude überwacht. Ich habe bis 2012 in dieser Polizeieinheit in Mossul gedient. 2012 wurde ich nach (…) versetzt. Dort war ich für die Bewachung des dortigen Fernsehturms zuständig. Ich war in (…) bis zum 06.08.2015 stationiert. Am 07.08.2015 wurden wir zu Kampfeinheiten gegen den IS umorganisiert. Unsere Einheit musste am 07.08.2015 nach Norden bis kurz vor (…) fliehen, da der IS im Vormarsch war. Ich hielt mich dann bis zu meiner Flucht aus dem Irak bei (…) auf. Dort wurde eine neue Polizeikaserne aufgebaut. Vom 07.08.2015 waren wir bei (…) stationiert. Und haben auf weitere Befehle gewartet.

Anmerkung: Der Antragsteller markiert auf einem Google-Maps-Ausdruck den Ort (…). Dieser Ausdruck wird dem Akt beigelegt.

F: Möchten Sie eine Pause machen?

A: Ja, bitte. Pause von 10:00 Uhr bis 10:15 Uhr.

Angaben zur Person und Lebensumständen:

F: Unter welchen Umständen haben Sie gelebt?

A: Ich war im Irak immer als Polizist tätig. Mir und meiner Familie ging es gut im Irak. In Mossul habe ich als Polizist mehr Geld bekommen, als die anderen, weil Mossul ein „heißer“ Ort war. Ich verdiente ca. 1390 USD im Monat. Ich habe mit meiner Familie in meinem Elternhaus im Viertel (…) gewohnt. Während meiner Stationierung in (…) war ich 3 Tage zu Hause in Mossul und 3 Tage in (…). Meine Ehefrau ist immer Hausfrau gewesen. Ich besitze auch ein weiteres Grundstück 5 Kilometer von Mossul entfernt.

F: Sie waren also bis zum 06.08.2015 immer wieder zu Haus in Mossul?

A: Nein, ich war am 03.06.2014 zuletzt zu Hause.

V: Sie haben eben angegeben, dass Sie von 2012 bis zum 06.08.2015 in (…) bei (…) stationiert gewesen wären und dort für die Bewachung des dortigen Fernsehturms als Polizist eingesetzt gewesen wären. Sie hätten in dieser Zeit 3 tage gearbeitet und dann wären Sie wieder 3 Tage zu Hause in Mossul gewesen. Jetzt behaupten Sie, dass Sie am 03.06.2014 zuletzt zu Hause in Mossul gewesen wären! Da stimmt etwas nicht zusammen!

F: Was sagen Sie dazu?

A: Ich war bis zum 06.08.204 in (…). Dann marschierte der IS in Mossul ein.

F: Wo haben Sie sich danach aufgehalten?

A: Wir mussten uns am 07.08.2014 von (…) in den Norden bis kurz vor (…) zurückziehen. Wir waren damals eine mächtige Polizeieinheit. Wir sind zu einer Kampfeinheit umorganisiert worden. Wir haben dort eine Polizeikaserne aufgebaut. Die Kaserne trägt den Namen (…) bzw. Befreiung von Ninawa. Bis ca. 10 bis 15 Tage vor meiner Flucht aus dem Irak bin ich in dieser Kaserne geblieben. Seit 03.06.2014 bin ich nie mehr in Mossul gewesen, weil es damals eine Warnung gab und wir als Polizisten nicht mehr dorthin zurückkehren durften. Wir durften seit dem 03.06.2014 keinen Urlaub mehr nehmen und nicht mehr nach Hause nach Mossul fahren.

Anmerkung: Der Antragsteller hat einen Notizzettel dabei. Er wird gebeten, den Notizzettel vorzuzeigen. Auf diesem sind mehrere Datumsangaben und weitere Notizen vermerkt. Der Notizzettel wird dem Akt als Beweismittel beigelegt.

F: Auf dem Zettel steht „die Kaserne wurde am 03.07.2015 versetzt“. Was meinen Sie damit?

A: Das hat mit meiner Fluchtgeschichte zu tun. Wir hätten damals nach Tikrit versetzt werden sollen. Dort hätten wir andere Polizisten ausbilden sollen.

Anmerkung: Sie werden nochmals ausdrücklich auf Ihre Mitwirkungspflichten und die wahrheitsgemäße Beantwortung der an Sie gerichteten Fragen hingewiesen. Ihre Antworten sind Konfus und Sie ändern andauernd die zeitlichen Abläufe! Haben Sie das verstanden?

A: Ja, ich sage die Wahrheit.

(…)

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und andere Medien?

A: Ja, ich habe mit meinem Bruder (…) Kontakt. Ich hatte zuletzt vor ca. 5 Tagen über das Internet, Messenger, mit ihm Kontakt. Mit meiner Schwester habe ich auch ab und zu Kontakt.

F: Unter welchen Umständen lebt Ihre Familie, wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt, wer versorgt sie etc.?

A: Mein Bruder (…) ist körperlich behindert. Er wird im Flüchtlingslager versorgt. Er wird nach seiner morgigen Rückkehr nach Mossul das obere Stockwerk unseres Hauses vermieten und von den Einnahmen leben. Es gibt nur diese Lösung für ihn. Er kann nicht mehr im Flüchtlingslager aufgrund der dortigen Zustände bleiben. Mit der Vermietung des oberen Stockes unseres Hauses wird er seinen Lebensunterhalt bestrieten. Meine Schwester (…) ist in Kirkuk verheiratet.

F: könnten Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Herkunftsland wieder an Ihre Wohnadresse bzw. bei Verwandten wohnen?

A: Nein, ich kann dorthin nicht zurück.

F: Andres gefragt, wenn Sie Ihre Probleme im Irak nicht gehabt hätten, dann würden Sie immer noch dort leben.

A: Ja, dann hätte ich nicht ausreisen müssen und ich könnte weiterhin im Irak leben.

(…)

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie definitiv die Heimat verlassen?

A: Am 24.11.2015 wurde mir mein Reisepass ausgestellt und zwei Tage später bin ich dann in die Türkei mit dem Flugzeug ausgereist.

V: Ihrem Reisepass ist zu entnehmen, dass Sie am 02.12.2015 aus dem Irak in die Türkei ausgereist wären. Weiteres ist auf Ihrem mitgebrachten Notizzettel auch das Ausstellungsdatum Ihres Reisepasses mit 24.11.2015 vermerkt. Es kann also nicht sein, dass Sie bereits 2 Tage nach Ausstellung Ihres Reisepasses den Irak verlassen hätten.

F: Was sagen Sie dazu?

A: Der Reisepass wurde am 24.11.2015 ausgestellt. Ich habe diesen allerdings erst 2 Tage vor meiner Ausreise abgeholt. Ich habe den Reisepass erhalten und bin2 Tage später aus dem Irak ausgereist.

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Ich hatte meinen echten irakischen Reisepass dabei.

F: Haben Sie Ihr Herkunftsland legal verlassen?

A: Ja, ich habe den Irak legal mit dem Flugzeug verlassen.

F: Gab es bei der legalen Ausreise aus Ihrem Herkunftsland bei der Ausreisekontrolle irgendwelche Probleme für Sie?

A: Nein, ich habe meinen echten Reisepass vorgezeigt, dieser wurde kontrolliert und ich konnte dann ohne weitere Probleme mit dem Flugzeug von Erbil aus ausreisen. Ich hatte damals allerdings keine Erlaubnis als Polizist den Irak zu verlassen. Deswegen bin ich von Erbil aus ausgereist und nicht von Bagdad.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein, ich habe es auch nicht versucht.

F: Warum haben Sie nicht in einem Land entlang Ihrer Fluchtroute um Asyl angesucht, wo Sie bereits in Sicherheit gewesen wären?

A: Miene Familie war bereits in Österreich. Ich wollte nach Österreich zu meiner Familie.

(…)

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Am 07.08.2014 bekamen wir von unserer Polizeiführung den Befehl, dass wir uns zum Dorf (…) bei (…) zurückziehen müssen. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf Kontrollpunkte der Peschmerga. Diese verlangten von uns die Waffen und unsere Autos abzugeben. Wir meldeten das der obersten Polizeiführung und den Bürgermeister von Ninawa. Sie sagten, dass sie nach Erbil fahren würden und uns dann verständigen würden. Wir hielten uns weiterhin in (…) auf. Wir waren damals von den kurdischen Streitkräften umzingelt und wir durften nichts unternehmen. Als unsere Polizeiführung von Erbil zurückkam, haben sie uns den Befehl gegeben, unsere Waffen und Autos an die kurdische Armee abzugeben, damit wir in das kurdische Gebiet hineindurften. Am 12.08.2014 gab ich meine Waffe und mein Auto an die Peschmerga-Kämpfer ab. Es wurde darüber eine Bestätigung ausgestellt. Wir waren ca. 164 Polizeioffiziere. Wir wollten nach Erbil hinein, durften allerdings nicht. Die Araber durften nicht nach Erbil, alle anderen schon. Wir verständigten erneut den Bürgermeister darüber. Er sagte, dass er im kurdischen Gebiet nichts zu sagen hätte. Er sagte weiter, dass er zu uns kommen würde und eine Lösung für uns finden würde. Wir bekamen nichts u essen und nichts zu trinken. Der Bürgermeister hat dann für uns ein Grundstück bei (…) organisiert. Das war ca. im Dezember 2014. Dort haben wir eine Kaserne aufgebaut und waren damals dann insgesamt 4000 Polizisten dort. Im Februar 2015 fingen wir an die neuen Polizisten dort auszubilden. Eine Einheit von Schiiten kam im Mai 2015 aus (…) zu uns, damit wir diese auch ausbilden. Die Polizisten dieser Einheit waren alle Schiiten. Ein einfacher Polizist, er war Schiit, ging auf die Toilette der Offiziere. Ein Offizier, er war Sunnit, sah das und hat den einfachen Polizisten beschimpft. Danach kam es zu einem Streit zwischen deren und der Einheit des einfachen Soldaten. Es kam zu einer Rauferei mit 24 Verletzten. Wir haben diese in ein Krankenhaus gebracht. Der Raufhandelt hat im Mai 2015 stattgefunden. Es wurde danach eine Untersuchungskommission von Bagdad aus organisiert. Ich wurde als Zeuge zu diesem Raufhandel einvernommen. Ein Offizier der Kommission wollte von mir, dass ich aussagen solle, dass die Schiiten an dem Raufhandel schuld gewesen wären. Ich weigerte mich das so auszusagen. Mir wurde vorgeworfen, dass ich mich auf die Seite der Schiiten geschlagen hätte. Ich habe aber nur die Wahrheit gesagt, dass eigentlich der Streit von den Sunniten ausging. Ich wurde dann von allen bedroht. Hauptsächlich wurde ich von der obersten Polizeiführung bedroht. Weil niemand zugab, dass der sunnitische Offizier eigentlich der Auslöser des Raufhandels gewesen war, hätten wir 4000 Polizisten nach Tikrit versetzt werden sollen. Dieser Bescheid wurde vom Innenministerium in Bagdad am 03.07.2015 erlassen. Alle 4000 Soldaten haben bis dorthin auch nur 2 Gehälter ausbezahlt bekommen. Ich wollte damals nicht nach Tikrit und habe mich deswegen freiwillig für den Kampf gegen den IS bei einem Berg in (…) gemeldet. 2800 Polizisten mussten nach Tikrit, 1200 Polizisten blieben in (…) zur Verteidigung gegen den IS. Wir bekamen dann keine Gehälter mehr. Wir haben auf unsere Kosten gegen den IS gekämpft. Wir hatten nur unsere Waffen und wussten nicht einmal wo wir schlafen konnten und wie wir zu Essen kommen würden. Niemand hat sich um uns gekümmert. Ich habe dann meinen Bruder (…) kontaktiert. Das war im November 2015. Dieser informierte mich, dass meine Familie über das Meer nach Europa gereist wäre. Weil ich damals keinen Lohn und nichts zum Essen bekam, habe ich mich ebenfalls entschieden, den Irak zu verlassen. Ich habe mir dann einen Reiseipass ausstellen lassen und bin am 02.12.2015 mit dem Flugzeug von Erbil aus in die Türkei geflogen.

Anmerkung: Die Angaben zum Fluchtgrund werden dem Antragsteller rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Sind das Ihre Angaben zum Fluchtgrund?

A: Ja.

F: Möchten Sie diesen Angaben etwas hinzufügen oder abändern?

A: Ja, dieser sunnitische Offizier will Rache üben, weil ich damals gegen ihn ausgesagt habe. Wegen mir wurde sein Bruder ermordet.

Anmerkung: Sie werden nochmals ausdrücklich auf Ihre Mitwirkungspflichten und die wahrheitsgemäße Beantwortung der an Sie gerichteten Fragen hingewiesen, Ihre Antworten sind konfus und Sie ändern andauernd Ihre Angaben! Haben Sie das verstanden?

A: Ok, ich sage nun die Wahrheit. Ich habe 2009 eine Familie im Irak gegründet. Ich bin wegen meiner Familie nach Österreich gekommen und bin ihr 2015 gefolgt. Ich habe nur meine Familie. Ich habe keinen Lohn im Irak bekommen, Die Situation für meine Familie war im Irak sehr schlechte. Es gibt keinen Krieg im Irak. Nur die Amerikaner kommen mit ihren Flugzeugen und bombardieren Stellungen. Am 03.07.2015 wurden wir versetzt. Die Amerikaner haben uns immer nur ein Fertigessen gegeben Die Peschmerga haben gutes Essen bekommen, wir nicht. Wir haben gekämpft, aber niemand hat sich um uns gekümmert. Die anderen hatten Waffen ohne Ende. Ich hatte nur meine Kalaschnikow. Wäre meine Familie damals nach Somalia geflüchtet, dann wäre ich ihr 2015 auch dorthin gefolgt. Ich will nicht mehr in den Irak zurückkehren. Der oberste Polizeiführer hat Menschen getötet und wurde von den Amerikanern auch noch zum Kommandanten ernannt. Die ganzen religiösen Probleme kommen vom Bürgermeister von (…), (…). Der hat diese angestiftet. Wir haben keinen Staat und keine Regierung im Irak.

F: Sind das nun alle ihre Gründe, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?

A: Ja.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alle erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

F: Wurden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von d en Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion – Moslem Sunnit – verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Gab es jemals auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Die Personen, die mich 2015 wegen dem Raufhandel bedroht haben, sind jetzt an der Macht. Ich würde festgenommen werden und dann zum Innenministerium gebracht. Ich würde mich wegen der damaligen Abgabe meines Autos und meiner Waffen an die Peschmerga verantworten müssen. Sie haben uns damals gedroht, das, wenn wir uns nicht nach Tikrit versetzen lassen würden, würden sie sagen, dass wir damals die Waffen und Autos nicht an die Peschmerga abgegeben hätten.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Ja, ich hätte mit der Polizei Probleme.

Kurze Unterbrechung der Einvernahme, um dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich zu erholen. Pause von 13:20 Uhr bis 13:40 Uhr.

V: bei Ihrer Erstbefragung am 11.12.2015 in (...) haben Sie zu Ihren Fluchtgründen angegeben, dass Sie damals für die Stadtpolizei im Irak gearbeitet hätten. Dort hätten Sie mit „Daach“ zusammenarbeiten sollen. Das hätten Sie nicht gewollt und wäre deswegen Ihr Leben bedroht gewesen.

Anmerkung: Der Dolmetscher übersetzt die Angaben zum Fluchtgrund und zu den Rückkehrbefürchtungen wörtlich aus dem Erstbefragungsprotokoll des Antragstellers vom 11.12.2015.

F: Wollen Sie dazu etwas sagen?

A: Nein, das stimmt nicht. Das habe ich so nicht angegeben. Ich möchte dazu nichts weiter sagen. Der erste Satz zu den Rückkehrbefürchtungen ist falsch, der zweite ist aber richtig. Den zweiten Satz zu meinen Rückkehrbefürchtungen habe ich so angegeben.

(…).“ (AS 156f, 158, 159 und 160ff)

Nunmehr folgt eine auszugsweise Wiedergabe der Einvernahme der BF2 vor dem BFA:

„(…)

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie definitiv die Heimat verlassen?

A: Am 05.10.2015 gemeinsam mit meiner Familie, bis auf meinen Ehemann.

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Ich hatte meinen echten Personalausweis dabei.

F: Haben Sie Ihr Herkunftsland legal verlassen?

A: Nein, ich bin damals illegal ausgereist.

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

A: Ich hatte nie einen Reisepass besessen.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein, ich habe es auch nicht versucht.

F: Warum haben Sie nicht in einem Land entlang Ihrer Fluchtroute um Asyl angesucht, wo Sie bereits in Sicherheit gewesen wären?

A: Unser Zielland war Deutschland, weil mein Vater dort bereits einmal gearbeitet hat.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Ich bin damals mit der Flüchtlingswelle nach Österreich gekommen. Wir sind in Österreich aufgegriffen worden.

(…)

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Ich wohnte bei meinen Eltern im Viertel (…), weil mein Ehemann nicht bei mir war. Mein Vater wurde vom IS bedroht. Daraufhin hat er sich entschieden zu fliehen. Ich hatte niemanden mehr im Irak. Deswegen entschlossen wir uns den Irak zu verlassen.

F: Wie wurde Ihr Vater vom IS bedroht?

A: Mein Vater besaß ein Lager für Medikamente. Der Partner meines Vaters war Christ. Ihm wurde vorgeworfen, warum er mit einem Ungläubigen zusammengearbeitet hat.

F: Bezüglich Ihres Ex-Schwagers wissen Sie nichts?

A: Ich weiß, dass mein Ex-Schwager vor dem Einmarsch des IS meinen Vater bedroht hat. Meine Schwester bekam Probleme wegen meinem Ex-Schwager. Sie verlangten immer Geld von meinem Vater.

F: Warum haben Sie Geld von Ihrem Vater verlangt?

A: Mein Ex-Schwager war Offizier bei der Armee und ist Schiit. Mein Ex-Schwager hat die Sunniten gehasst. Deswegen musste er Geld bezahlen.

F: An wen genau musste Ihr Vater das Geld bezahlen?

A: Mein Ex-Schwager schickte Personen zu meinem Vater. Nähere Details weiß ich nicht.

F: Wissen Sie wie lange Ihr Vater Geld bezahlen musste?

A: Nein, das weiß ich nicht.

F: Sie selbst wurden im Irak nie bedroht?

A: Mitglieder des IS kamen zu uns und haben nach meinem Mann gefragt. Sie haben auch nach Polizisten gefragt. Unser Nachbar war Polizist und wurde auf der Straße vom IS hingerichtet. Der Bruder meines Ehemannes hatte Angst um mich und meine Kinder und brachte mich zu meiner Familie im Viertel (…) Ich selber wurde im Irak nie bedroht und ist auch an mich niemand herangetreten. Auch meine Kinder wurden im Irak nie bedroht.

Haben Sie für Ihre Kinder spezielle Fluchtgründe vorzutragen, oder sollen für Ihre Kinder die gleichen Asylgründe gelten, wie für Sie?

A: Ich habe als gesetzliche Vertreterin, nämlich als Mutter für meine Tochter (…) und meine beiden Söhne (…) einen Asylantrag gestellt. Ich habe zu diesem Verfahren bereits alle Angaben in meinen Einvernahmen gemacht. Diesen Angaben habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Für meine Kinder habe ich keine eigenen Asylgründe vorzubringen. Für meine Kinder sollen die gleichen Gründe gelten wie für mich. Meine Angaben gelten auch für meine Kinder.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alle erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

F: Wurden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von d en Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion – Moslem Sunnit – verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Gab es jemals auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein, niemals. Auch meine Kinder waren niemals bedroht im Irak.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Ich habe Angst um meinen Ehemann und meine Kinder. Auch wenn ich einen negativen Bescheid bekommen sollte, gehe ich nicht mehr in den Irak zurück. Ich selber habe nichts zu befürchten. Es reicht, was ich im Irak gesehen habe.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Nein.

F: Was hat Ihr Ehemann im Irak beruflich gemacht?

A: Mein Ehemann war immer Polizist im Irak.

F: Wann war Ihr Ehemann das letzte Mal bei Ihnen zu Hause in (…)?

A: Das war ca. 1 Woche bevor der IS in Mossul einmarschierte. Es gab damals eine Warnung. Ich habe meinen Ehemann erst wieder in Österreich gesehen.

F: Hatten Sie Kontakt mit Ihrem Ehemann, während seiner Abwesenheit?

A: Ja, einmal die Woche hat mich mein Ehemann angerufen.

F: Wo hielt sich Ihr Ehemann während seiner Abwesenheit auf?

A: Er war in (…) stationiert. Als der IS einmarschierte, musste seine Einheit sich zurückziehen. Wohin weiß ich nicht genau. Ich weiß nur, dass damals eine neue Kaserne gegründet worden ist.

F: Was wissen Sie über die Fluchtgründe Ihres Ehemannes?

A: Ich weiß nichts von den Fluchtgründen meines Ehemannes. Ich weiß nur, dass mein Ehemann bei einer Rückkehr in den Irak verurteilt werden würde, weil er die Waffen und Autos an die Kurden abgegeben hat.

F: Hat Ihnen Ihr Ehemann jemals von einem speziellen Vorfall erzählt, als er in der Kaserne stationiert war?

A: Nein, davon hat er mir nichts erzählt.

F: Warum ist Ihr Ehemann damals 2015 nicht mit Ihnen und Ihren Kindern gemeinsam ausgereist?

A: Die Telefone wurden vom IS überwacht. Ich habe über meinen Schwager Kontakt mit meinem Ehemann gehalten. Mein Ehemann wusste, dass wir in die Türkei ausreisen. Auf dem Weg nach Österreich hatte ich keinen Kontakt zu meinem Ehemann. Mein Ehemann hätte damals nach Tikrit gemusst. Er ist aber dann aus dem Irak ausgereist.

V: Sie haben zuvor angegeben, dass Sie wöchentlich mit Ihrem Ehemann telefonischen Kontakt gehabt hätten.

F: Was sagen Sie dazu?

A: Er hatte immer Kontakt mit seinem Bruder (…) und mit meinem Vater. Mein Ehemann hat uns immer kontaktiert und uns angerufen. Er wusste, dass wir aus dem Irak ausreisen würden.

V: Bei Ihrer Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Ihr Ehemann nicht mit Ihnen ausgereist wäre, weil das Geld für seine Ausreise fehlte.

A: Nein, ich hatte keinen Kontakt zu meinem Ehemann. Ich bin mit dem Geld meines Vaters nach Österreich gekommen.

(…).“ (AS 135-138)

Der BF1 gab in seiner Einvernahme vor dem BFA an, er sei Polizist und von 2012 bis zum 06.08.2015 an einem bestimmten Ort stationiert und während dieser Zeit drei Tage zu Hause in Mossul und drei Tage am Ort seiner Stationierung aufhältig gewesen, bevor er am 07.08.2015 zusammen mit seiner „Kampfeinheit“ an einen bestimmten Ort in den Norden fliehen müssen habe, „da der IS im Vormarsch war“ (AS 156).

Etwas später gab der BF1 an, am 03.06.2014 zuletzt zu Hause, bis zum 06.08.2014 am Ort seiner Stationierung gewesen zu sein und am 07.08.2014 zusammen mit seiner „Kampfeinheit“ in den Norden fliehen müssen zu haben (AS 157).

Der BF soll bis ca. 10 bis 15 Tage vor seiner Flucht aus dem Irak in der dort aufgebauten Polizeikaserne gewesen sein (AS 157). Dies ist jedoch mit seiner späteren Angabe, nach Ausstellung seines Reisepasses am 24.11.2015 am 02.12.2015 aus dem Irak ausgereist zu sein (AS 159), nicht vereinbar, liegt die Ausstellung seines Reisepasses doch acht Tage vor seiner Ausreise am 02.12.2015.

Darauf hingewiesen wird, dass der Notizzettel, den der BF1 bei seiner Einvernahme vor dem BFA bei sich hatte und auf welchem mehrere Datumsangaben und weitere Notizen vermerkt sind, dem Verwaltungsakt als Beweismittel beigelegt wurde. Vom Leiter der Einvernahme befragt, was es mit dem Vermerk auf dem Zettel „die Kaserne wurde am 03.07.2015 versetzt“ auf sich habe, gab der BF1 an, dass dies mit seiner Fluchtgeschichte zu tun habe und sie damals nach Tikrit versetzt werden und dort andere Polizisten ausbilden sollen hätten (AS 157).

Dieser mehrere Daten beinhaltende Notizzettel zeugt nicht von der Wahrheit seines Fluchtvorbringens, sondern für eine zurechtgelegte Fluchtgeschichte. Der BF1 sprach zunächst vor dem BFA von einer Stationierung an einem bestimmten Ort bis zum 06.08.2015 und einer Flucht mit seiner Kampfeinheit in den Norden am 07.08.2015, bevor er diese Daten auf „06.08.2014“ und „07.08.2014“ „korrigierte“.

Später aufgefordert zur Angabe seines konkreten Fluchtgrundes blieb der BF1 beim Jahr 2014 bzw. bei „07.08.2014“ als Datum des angeblichen Aufbruchs in den Norden (AS 160). Auf dem Weg an den Ort, an den er mit seiner Einheit ziehen müssen hätte sollen, hätten die Peschmerga von ihnen Waffen und Autos verlangt. Diese hätten sie ihnen nach Erhalt eines Befehls von ihrer von Erbil zurückkommenden Polizeiführung dann auch übergeben. Der BF1 sprach davon, am 12.08.2014 seine Waffe und sein Auto an die Peschmerga-Kämpfer abgegeben zu haben, worüber eine Bestätigung ausgestellt worden wäre, und gab ausdrücklich an, „wir waren ca. 164 Polizeioffiziere“ (AS 160), obwohl der BF1 davor in der Einvernahme nichts von einer Offiziersstellung erwähnt, sondern vielmehr angegeben hat, im Irak „immer als Polizist tätig“ gewesen zu sein, und dass „sie als Polizisten“ seit 03.06.2014 nicht mehr nach Mossul zurückkehren dürfen hätten (AS 157).

Der BF1 gab zudem an, sie hätten in Erbil einreisen wollen, dies als Araber jedoch nicht dürfen.

Festgehalten wird an dieser Stelle, dass es dem BF1 laut seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben möglich war, als Araber ohne Probleme nach Erbil zu kommen und von dort mit seinem am 24.11.2015 ausgestellten irakischen Reisepass am 02.12.2015 legal und ohne weitere Probleme“ mit dem Flugzeug in die Türkei auszureisen (AS 159). Zwischen Ausstellung seines Reisepasses und seiner Ausreise sind acht Tage gelegen, innerhalb er zudem offenbar ohne Probleme seine Ausreise vorbereiten konnte.

Der BF1 soll von allen bzw. hauptsächlich von der obersten Polizeiführung bedroht worden sein, nachdem er als Zeuge vor einer von Bagdad aus organisierten Untersuchungskommission dem Auftrag eines Offiziers, auszusagen, dass die Schiiten an einer Rauferei schuld gewesen seien, nicht nachgekommen wäre, sondern gesagt hätte, dass der Streit eigentlich von den Sunniten ausgegangen sei (AS 160).

Das Fluchtvorbringen des BF1 wurde wie folgt fortgesetzt:

„Weil niemand zugab, dass der sunnitische Offizier eigentlich der Auslöser des Raufhandels gewesen war, hätten wir 4000 Polizisten nach Tikrit versetzt werden sollen. Dieser Bescheid wurde vom Innenministerium in Bagdad am 03.07.2015 erlassen. Alle 4000 Soldaten haben bis dahin auch nur 2 Gehälter ausbezahlt bekommen. Ich wollte damals nicht nach Tikrit und habe mich deswegen freiwillig für den Kampf gegen den IS bei einem Berg in (…) gemeldet. 2800 Polizisten mussten nach Tikrit, 1200 Polizisten blieben in (…) zur Verteidigung gegen den IS.“ (AS 160)

Der BF1 sprach da abwechselnd von „Polizisten“ und „Soldaten“. Aufgefallen ist, dass entgegen des Vorbringens des BF1 vor dem BFA, niemand habe zugegeben, dass der sunnitische Offizier eigentlich der Auslöser des Raufhandels gewesen sei, der BF1 laut seinem vorherigen Vorbringen vor dem BFA vor einer Untersuchungskommission gesagt haben soll, dass der Streit eigentlich von den Sunniten ausgegangen sei.

Laut Vorbringen des BF1 soll zudem in einem am 03.07.2015 erlassenen Bescheid gestanden sein, dass die besagten 4000 Polizisten einschließlich des BF1 nach Tikrit versetzt werden hätten sollen. Von einer Alternative war da nicht die Rede. Der BF1 gab dann an, nicht nach Tikrit wollen und sich deswegen freiwillig für den Kampf gegen den IS gemeldet zu haben. Er fügte hinzu: „2800 Polizisten mussten nach Tikrit, 1200 Polizisten blieben (…) zur Verteidigung gegen den IS“ (AS 160).

Nach seinem Fluchtvorbringen befragt ob er seinen Angaben noch etwas hinzufügen oder abändern möchte, gab der BF1 an:

„Ja, dieser sunnitische Offizier will Rache üben, weil ich damals gegen ihn ausgesagt habe. Wegen mir wurde sein Bruder ermordet.“ (AS 161)

Diesbezüglich handelt es sich um ein das vormalige Fluchtvorbringen steigerndes Vorbringen.

Vom Leiter der Einvernahme vor dem BFA unter Vorhalt, dass seine Antworten konfus seien und er andauernd seine Angaben ändere, nochmals ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflichten und die wahrheitsgemäße Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen hingewiesen, brachte der BF1 dann Folgendes vor:

„Ok, ich sage nun die Wahrheit. Ich habe 2009 eine Familie im Irak gegründet. Ich bin wegen meiner Familie nach Österreich gekommen und bin ihr 2015 gefolgt. Ich habe nur meine Familie. Ich habe keinen Lohn im Irak bekommen. Die Situation für meine Familie war im Irak sehr schlecht. Es gibt keinen Krieg im Irak. Nur die Amerikaner kommen mit ihren Flugzeugen und bombardieren Stellungen. Am 03.07.2015 wurden wir versetzt. Die Amerikaner haben uns immer nur ein Fertigessen gegeben Die Peschmerga haben gutes Essen bekommen, wir nicht. Wir haben gekämpft, aber niemand hat sich um uns gekümmert. Die anderen hatten Waffen ohne Ende. Ich hatte nur meine Kalaschnikow. Wäre meine Familie damals nach Somalia geflüchtet, dann wäre ich ihr 2015 auch dorthin gefolgt. Ich will nicht mehr in den Irak zurückkehren. Der oberste Polizeiführer hat Menschen getötet und wurde von den Amerikanern auch noch zum Kommandanten ernannt. Die ganzen religiösen Probleme kommen vom Bürgermeister von (…), (…). Der hat diese angestiftet. Wir haben keinen Staat und keine Regierung im Irak.“ (AS 161)

Der BF1 gab demnach zusammengefasst an, wegen der Lage im Irak ausgereist und wegen seiner Familie nach Österreich gekommen zu sein.

Während der BF1 laut diesem Vorbringen zusammen mit den anderen am 03.07.2015 versetzt worden sein soll, ging aus seinem Vorbringen davor nicht hervor, tatsächlich versetzt worden zu sein, im Gegenteil, sprach er doch im Zuge seines Fluchtvorbringens doch davon, nicht nach Tikrit wollen und sich deswegen freiwillig für den Kampf gegen den IS gemeldet zu haben (AS 158), und gab er befragt zu seiner auf seinem Notizzettel geschriebenen Notiz, „die Kaserne wurde am 03.07.2015 versetzt“ (AS 157), außerdem an, dass sie damals nach Tikrit versetzt werden und dort andere Polizisten ausbilden sollen hätten (AS 157).

Der BF1 gab zudem nach Zusicherung, nun die Wahrheit zu sagen, an, er habe im Irak keinen Lohn erhalten, und nach ihrer Versetzung am 03.07.2015 hätten sie zudem von den Amerikanern immer nur ein Fertigessen bekommen, im Gegensatz zu den Peschmerga, die gutes Essen bekommen hätten. Sie hätten gekämpft, niemand hätte sich jedoch um sie gekümmert. Während die anderen Waffen ohne Ende gehabt hätten, hätte der BF1 nur seine Kalaschnikow gehabt. (AS 161).

Davor in der Einvernahme gab der BF1 diesbezüglich an, sie hätten auf ihre Kosten gegen den IS gekämpft. Sie hätten nur ihre Waffen gehabt und nicht einmal gewusst, wo sie schlafen könnten und wie sie zu Essen kommen würden. Niemand habe sich um sie gekümmert. Der BF1 habe dann im November 2015 von seinem Bruder erfahren, dass seine Familie über das Meer nach Europa gereist wäre, und habe sich auch deswegen, weil er damals keinen Lohn und nichts zum Essen bekommen hätte, dazu entschieden, den Irak zu verlassen (AS 160)

Im Zuge dieses Vorbringens hat er nicht wie später angegeben, im Gegensatz zu den anderen nur eine Waffe – eine Kalaschnikow – gehabt zu haben, sondern allgemein von Waffen gesprochen, die sie gehabt hätten (AS 160).

Bezüglich „Waffen“ ist zudem aufgefallen, dass der BF1 im Zuge seines Fluchtvorbringens angab, am 12.08.2014 „seine Waffe“ und sein Auto an die Peschhmerga-Kämpfer abgegeben zu haben (AS 160), später im Zuge seiner Rückkehrbefürchtung jedoch davon die Rede war, ein Auto und „Waffen“, und damit mehrere Waffen und nicht nur eine Waffe, an die Peschmerga abgegeben zu haben (AS 162).

Der BF1 gab zu seiner Rückkehrbefürchtung Folgendes an:

„Die Personen, die mich 2015 wegen dem Raufhandel bedroht haben, sind jetzt an der Macht. Ich würde festgenommen werden und dann zum Innenministerium gebracht. Ich würde mich wegen der damaligen Abgabe meines Autos und meiner Waffen an die Peschmerga verantworten müssen. Sie haben uns damals gedroht, dass, wenn wir uns nicht nach TIkrit versetzen lassen würden, würden sie sagen, dass wir damals die Waffen und Autos nicht an die Peschmerga abgegeben hätten.“ (AS 162)

Die BF2 sprach im Zuge ihres Vorbringens, bezüglich der Fluchtgründe ihres Ehemannes nur zu wissen, dass ihr Ehemann bei einer Rückkehr in den Irak verurteilt werden würde, weil er die Waffen und Autos an die Kurden abgegeben habe, im Widersprach dazu von „Waffen und Autos“, die ihr Ehemann an die Kurden abgegeben hätte (AS 137).

Während laut Vorbringen des BF1 ihm unterstellt werden würde, damals die Waffen und Autos nicht an die Peschmerga abgegeben zu haben, gab die BF2 an, der BF1 würde wegen der Abgabe der Waffen und Autos an die Kurden im Irak verurteilt werden.

Das Fluchtvorbringen des BF1 war nicht glaubhaft. Glaubhaft war vielmehr, dass der BF1 aufgrund der allgemein schlechten Lage vor Ort bzw. seiner Unzufriedenheit mit der Lage in seinem Herkunftsstaat aus dem Irak ausgereist und seinen davor ausgereisten Familienangehörigen nach Österreich nachgefolgt ist.

Die BF2 gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA glaubhaft an, im Irak nie persönlich bedroht worden zu sein und zusammen mit ihrer Familie, bis auf ihren Ehemann, den Irak verlassen zu haben.

In der Beschwerde wurde auf einen veralteten Länderbericht von USDOS vom 15.08.2017 zur Religionsfreiheit (Berichtszeitraum 2016) verwiesen und vorgebracht, dass sich die Situation für Sunniten im Irak weiter verschlechtert habe (AS 421).

Entgegen des Beschwerdevorbringens gibt es laut amtsbekannten Länderberichten bzw. laut dem amtsbekannten aktuellen Länderbericht des Auswärtigen Amtes vom 12.01.2019 keine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden.

In der Beschwerde wurde außerdem noch darauf verwiesen, dass die Rückkehr der BF in den Irak auch deshalb sehr schwierig und gefährlich wäre, weil der BF1 als ehemaliger Polizist und Rückkehrer besondere Aufmerksamkeit der schiitischen Milizen auf sich ziehen würde (AS 519 betreffend BF1) und Folgendes vorgebracht:

„Der BF1 würde durch seine konfliktreiche Vergangenheit mit dem IS und der oberen Polizeieinheit und als westlicher Rückkehrer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wäre aus diesen Gründen geradezu wahrscheinlich, dass der BF Opfer eines Gewaltaktes wird.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Milizen in großen Teilen des Landes Aufgaben der Sicherheitsbehörden übernommen haben und eine Unterscheidung zwischen diesen de-facto nicht möglich ist. Dahingehend wäre dem BF1 und seiner Familie jedenfalls der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen gewesen.“ (AS 519 betreffend BF1)

Laut Länderfeststellungen ist im Irak unter anderem die Berufsgruppe der Polizisten und Soldaten besonders gefährdet. Eine individuelle Verfolgungsgefahr konnte im gegenständlichen Fall jedoch nicht glaubhaft gemacht werden.

Das Fluchtvorbringen des BF1 konnte aufgrund diesbezüglich widersprüchlicher Angaben nicht für glaubwürdig befunden werden.

Der BF1 (AS 162) und die BF2 (AS 137) haben in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA zudem ausdrücklich verneint, in ihrer Heimat jemals von staatlicher Seite wegen ihrer Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden zu sein oder dass jemals auf sie irgendwelche Übergriffe stattgefunden hätten oder irgendjemand an sie persönlich herangetreten sei.

Wie aus dem glaubhaften Vorbringen des BF1 vor dem BFA, sein körperlich behinderter Bruder werde nach seiner morgigen Rückkehr nach Mossul den ersten Stock ihres Hauses vermieten und von den Einnahmen aus dieser Vermietung seinen Lebensunterhalt bestreiten (AS 158), hervorgehend, lebt in ihrer Herkunftsstadt Mossul sein Bruder und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung eines Stockes des Elternhauses. Dass dies nicht (mehr) so sei, wurde weder in der Beschwerde noch in einem nachfolgenden Schreiben vorgebracht.

Wie aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen der BF2 in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 10.04.2018 zudem hervorgehend, stehen in Mossul die Elternhäuser der BF1 und BF2.

2.4. Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF1 und des BF5 beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt samt dies bescheinigenden medizinischen Unterlagen.

2.5. Zu den Länderfeststellungen:

Die Länderfeststellungen betreffen Länderberichte aus Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur und stimmen mit den im aktuell gültigen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation enthaltenen Länderberich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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