TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/17 L518 2166723-1

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Veröffentlicht am 17.11.2021
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Entscheidungsdatum

17.11.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L518 2166723-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Armenien, vertreten durch die RAe Mag. EMBACHER/Dr. NEUGSCHWENDTNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , betreffend Antrag auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.09.2021 zu Recht:

A

I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung Plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

IV. Der Teil des Spruchpunktes III. „Es wird gemäß §52 Abs 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig ist“ und Spruchpunkt IV. werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Armenien, der armenischen Volksgruppe zugehörig und christlichen Glaubens.

I.2. Der BF stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 20.12.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD NÖ am 20.12.2016 gab der BF an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger von Armenien zu sein. Er sei am XXXX in Armenien geboren, Angehöriger der armenischen Volksgruppe und Christ. Er habe zehn Jahre lang die Schule besucht. Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der BF aus, dass er gemeinsam mit seinem Cousin die Rechte der Schwulen verteidigt hätte. Dadurch hätte er Probleme mit der Polizei bekommen, in deren Folge er bedroht worden wäre, weswegen sein Leben in Gefahr sei.

I.4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 01.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, im Beisein eines Dolmetschers in armenischer Sprache von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Der damals noch minderjährige BF wurde dabei befragt, ob er damit einverstanden wäre, wenn sein Cousin Artur HAVATYAN mit der Obsorge betraut werden würde. Ein entsprechender Antrag sei beim zuständigen Bezirksgericht Baden zu stellen.

I.5. Mit Beschluss des BG Baden vom 03.03.2017, 24 Ps 33/17d – 6, wurde die Obsorge über den BF im gesamten Umfang seiner Tante mütterlicherseits, Frau XXXX , geb. XXXX , übertragen.

I.6. Der minderjährige BF, gesetzlich vertreten durch seine Tante, wurde am 07.06.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, im Beisein eines Dolmetschers in armenischer Sprache von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Zu den Gründen seiner Antragstellung befragt gab der BF an, dass er gemeinsam mit seinem Cousin eine Organisation gründen wollte, welche sich für die Rechte der transsexuellen Männer und Frauen einsetze. Am 21.07.2016 hätte ein diesbezüglicher Antrag beim Bürgermeister seiner Stadt gestellt werden sollen. Der Bürgermeister hätte jedoch sein Missfallen lautstark zum Ausdruck gebracht und wurde der BF und sein Cousin von der Security des Gebäudes verwiesen. Ebenso hätte am 25.07.2016 ein Landtagsabgeordneter in Jerewan reagiert. Von der Security wären die beiden zudem geschlagen worden. Eine Anzeige bei der Polizei wäre unter dem Hinweis, dass es sich um einen Landtagsabgeordneten handelt, nicht aufgenommen worden. Der Polizeichef und der Abgeordnete wären zudem Freunde gewesen und hätte die Security des Abgeordneten beim Verlassen des Polizeigebäudes auf die beiden das Feuer eröffnet. Der BF und sein Cousin konnten sich jedoch verstecken und danach flüchten. Die Wohnung des Cousins sei von der Security durchsucht worden. Als der BF und sein Cousin mit dem Auto unterwegs waren, hätten sie zwei dunkle PKW beobachtet, die sie verfolgt hätten. Die beiden PKW hätten schließlich das Fahrzeug des Cousins gerammt. Der ebenfalls anwesende Landtagsabgeordnete hätte den BF dabei geschlagen und ihm mitgeteilt, dass er umgebracht werden sollte, weil er bei der Polizei Anzeige gegen ihn erstattet hätte. Als der BF die Augen öffnete, hätte er sich im Krankenhaus befunden. Er wäre sechs Tage lang im Krankenhaus wegen einer Gehirnerschütterung und blauen Flecken behandelt worden. Danach hätte er sich bei seinen Eltern in Armawir versteckt, ehe er das Land verließ.

I.7. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (SP I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (SP II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (SP III.) Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (SP VI.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 wegen seines für die transsexuellen Personen getätigten Engagements einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Das Vorbringen sei völlig unkonkret, abstrakt und widersprüchlich.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK, noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

I.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.9. Gegen den am 14.07.2017 zugestellten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

In der Beschwerde wird festgehalten, dass der BF sein Fluchtvorbringen glaubhaft und detailliert geschildert hätte. Auch weil es sich beim Abgeordneten um eine äußerst einflussreiche Person in Armenien handeln würde, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl vor. Subsidiärer Schutz wäre jedenfalls zu gewähren, weil das Leben des BF aufgrund seiner gesellschaftspolitischen Engagements für Homo- und Transsexuelle in Gefahr sei. Aufgrund seiner ausgezeichneten Integration sei jedenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

Es werde beantragt, den Bescheid zu beheben und dem Antrag auf Gewährung von Asyl, in eventu von subsidiärem Schutz stattzugeben. In eventu werde beantragt, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilten, in eventu, den Bescheid aufzuheben und an die Erstinstanz zurückzuverweisen.

I.10. Am 08.02.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF samt seiner rechtsfreundlichen Vertretung, einer Dolmetscherin für die armenische Sprache und zwei Zeugen durchgeführt.

I.11. Am 08.06.2021 wurde der Vertrauensanwalt von Armenien, Hr. Rechtsanwalt David ABGARYAN, mit der Durchführung von Recherchen in Armenien zu den BF betreffenden Fragen beauftragt. Mit Eingabe vom 16.08.2021 langte die Übersetzung der Beantwortung des armenischen Vertrauensanwaltes ein.

I.12. Mit Beschluss des BVwG vom 17.08.2021, L518 2166723-1/16Z, wurde die unmittelbare Vernehmung der Zeugin XXXX in der Außenstelle Linz zur Ermittlung des für die Entscheidung relevanten Sachverhaltes als nicht unbedingt erforderlich betrachtet.

I.13. Am 28.09.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF samt seiner rechtsfreundlichen Vertretung, einer Dolmetscherin für die armenische Sprache durchgeführt. Vorwiegend wurden dabei die Integration und die Anfragebeantwortung des armenischen Vertrauensanwaltes behandelt.

I.14. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehöriger von Armenien, Angehöriger der armenischen Volksgruppe und Christ. Der BF wurde am XXXX in Armavir geboren und lebte dort bis zur Ausreise bei seinen Eltern. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der BF besuchte zehn Jahre lang die Schule. Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF ist gesund und gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an.

In Armavir begründen noch die Eltern und eine Tante mütterlicherseits ihren Wohnsitz.

Am 19.12.2016 reiste der BF aus Armenien legal unter Verwendung seines Reisepasses auf dem Luftweg über die Ukraine nach Italien. Mit einem Bus gelangte er schlepperunterstützt nach Wien, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

Der BF gehörte keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund seines Bekenntnisses zur christlichen Religion bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur armenischen Volksgruppe zu gewärtigen hatten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF wegen seines Engagements für trans- und homosexuelle Personen bedroht und verfolgt und dadurch in weiterer Folge körperlich misshandelt worden wäre.

Dem BF droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine in Armenien drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen sowie willkürliche Gewaltausübung.

Der BF verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.

Der BF hat Deutsch- und Integrationskurse besucht. Er besuchte zuletzt die HTL, ein sechs Monate dauerndes Jugendcollege und verfügt über ÖSD-Zertifikate A2, B1, B2, derzeit besucht er in der VHS XXXX einen C1 Kurs. Der BF war bei den XXXX beschäftigt und engagiert sich beim Roten Kreuz und der Caritas. Beim XXXX spielt er Fußball.

Die BF lebt im Bundesgebiet bei seiner Tante und deren Familie im gemeinsamen Haushalt, er ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.

Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Armenien droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.

Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor.

II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

•        Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 13.11.2020

Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche des LIB Armenien die Situation in der separatistischen Entität Bergkarabach (Republik Arzach / Nagorny Karabach), die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, nicht ein.

•        COVID-19

Letzte Änderung: 05.10.2021

Informationen zur COVID-19-Situation inArmenien werden hauptsächlich in diesem Kapitel ihren Eingang finden. Vereinzelte Informationen finden sich jedoch auch in den nachfolgenden Kapiteln.

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://ww w.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/i ndex.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Der Ausnahmezustand wurde seit März 2020 insgesamt fünf Mal verlängert und anschließend durch die Nationale Quarantäne ersetzt (vom 11. September 2020 bis 11. Juli 2021). Der Lockdown für armenische Unternehmen wurde bereits im Mai 2020 aufgehoben, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwehren. Kindergärten wurden im Mai 2020 und Schulen im September 2020 wieder geöffnet (WKO 14.7.2021).

Die Einreise nachArmenien ist mit einem imAusland durchgeführten negativen PCR-Test erlaubt, der bei Einreise nicht älter als 72 Stunden sein darf. Das Ergebnis des ausländischen Tests muss auf Englisch, Russisch oder Armenisch vorliegen. Anstelle des PCR-Tests kann auch ein vollständiger Impfnachweis gegen COVID-19 vorgelegt werden, dessen zweite Impfung spätestens 14 Tage vor Einreise erfolgt ist. Für Kinder unter einem Jahr ist kein PCR-Test erforderlich. Ohne Nachweis eines solchen ausländischen Tests müssen sich Reisende einem kostenpflichtigen Test am Flughafen in Eriwan unterziehen und sich bis zur Vorlage eines negativen Testergebnisses in Selbstisolation begeben. Entsprechende Teststellen sind in der Ankunftshalle eingerichtet. Eine Einreise nach Armenien ohne Test ist nicht gestattet. Bei der Einreise müssen Reisende eine Erklärung zu ihrem Gesundheitsstatus vorlegen bzw. ausfüllen (AA 28.9.2021; vgl WKO 14.7.2021).

Die Ergebnisse dieser PCR-Tests werden im ARMED-System registriert und der getesteten Person innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung gestellt. Für Reisende, die im ARMED-System registriert sind, kann das Impfzertifikat über die App „ArmedeHealth“ bereitgestellt werden. Es gibt keine Einreiseerleichterungen Genesene. Erleichterungen gibt es für Geimpfte und Getestete (WKO 14.7.2021).

Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind wieder möglich (WKO 14.7.2021; vgl AA 28.9.2021).

Am 19. März 2020 haben die armenischen Behörden ein vorübergehendes Ausfuhr-Verbot für bestimmte medizinische Waren erlassen, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Das betrifft solche Güter wie medizinische Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, COVID-19Test Kits, Atemschutzmasken, medizinische Masken, Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis und andere Artikel (WKO 14.7.2021).

Anfang Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen und Reisebeschränkungen innerhalb

Armeniens aufgehoben. Home-Office-Empfehlung und die obligatorische Maskenpflicht wurden am 1. Juli 2021 aufgehoben. Wer möchte, kann natürlich auch weiterhin eine Maske tragen. Das Versammlungsverbot wurde aufgehoben. Erlaubt sind nun öffentliche und private Versammlungen bei Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern (WKO 14.7.2021).

Die Regierung hat verschiedene finanzielle Hilfspakete für sozial gefährdete Haushalte und Privatpersonen und wirtschaftlich betroffene KMUs, Freizeit- und Tourismusunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, etc. bereitgestellt. Dazu zählen zinsfreie Kredite und staatliche Garantien, Stundungen für Kreditrückzahlungen, Subventionen für Gas- und Stromkosten (WKO 14.7.2021).

Es bestehen aufgrund der Pandemie keine besonderen Beschränkungen innerhalb des Landes (AA 28.9.2021).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Armenien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armen iensicherheit/201872 , Zugriff 28.9.2021

•        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (14.7.2021): Coronavirus: Situation in Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html , Zugriff 1.10.2021

•        Politische Lage

Letzte Änderung: 05.10.2021

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielte auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab (USDOS 30.3.201; vgl. FH 3.3.2021, AA 20.6.2021). Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt

(AA 20.6.2021). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister steht an der Spitze der Regierung, während der Präsident vorwiegend repräsentative Funktionen ausübt (USDOS 30.3.2021).

Die Nationalversammlung besteht aus mindestens 101 Mitgliedern, die für eine fünfjährige

Amtszeit durch eine Kombination aus nationalem und bezirksbezogenem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert. Weitere Sitze können hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten (FH 3.3.2021).

Neue Rahmenbedingungen haben sich zunächst durch die friedlich verlaufende sog. „Samtene Revolution“ im April/Mai 2018 ergeben, die von einer autokratischen Regierung unter dem ehemaligen Staatspräsidenten Serzh Sargsyan zu einer demokratisch legitimierten Regierung unter Premierminister Nikol Pashinyan führte. Die Niederlage im Berg-Karabach-Krieg (27. September –9. November 2020) und eine für Armenien schmerzhafte Waffenstillstandsvereinbarung werden in weiten Teilen der armenischen Bevölkerung Pashinyan angelastet. Obwohl seine Popularität in der Bevölkerung stark abgenommen hat, konnte die Opposition im Lande ihre Forderung nach Rücktritt von PM Pashinyan zunächst nicht durchsetzen. Ende März 2021 hat PM Pashinyan dann aber doch vorgezogene Neuwahlen für den 20. Juni 2021 angekündigt und am 25. April seinen Rücktritt eingereicht, um Neuwahlen zu ermöglichen (AA 20.6.2021).

Die internationalen Beobachter der OSZE haben die vorgezogene Parlamentswahl in Armenien am 20.06.21 als demokratisch, fair und frei eingestuft. Den Wählern seien eine breite Palette von Möglichkeiten geboten, die freiheitlichen Grundrechte seien respektiert worden und die Kandidaten konnten einen freien Wahlkampf führen. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan hatte die Parlamentswahl mit rund 54 Prozent der Stimmen gewonnen (BAMF 28.6.2021; vgl EurasiaNet 21.6.2021). Nach dem vorläufigen Wahlergebnis könnten daneben nur die Parteienbündnisse von Ex-Präsident Robert Kotscharjan mit rund 21 Prozent und des früheren Präsidenten Sersch Sargsjan und des ehemaligen Geheimdienstchefs Artur Wanezjan mit 5,2 Prozent der Stimmen in das Parlament einziehen (BAMF 28.6.2021).

Sechs Wochen nach der Parlamentswahl in Armenien ist Nikol Paschinjan am 02.08.21 für eine neue Amtszeit zum Ministerpräsidenten der Südkaukasus-Republik ernannt worden. Paschinjans Partei Bürgervertrag war bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 20.06.21 auf knapp 54 Prozent der Stimmen gekommen BMAF 16.8.2021).

Die Republikanische Partei (HHK) und ihre Verbündeten nutzten in der Vergangenheit Stimmenkauf, Wählereinschüchterung und den Missbrauch von Verwaltungsressourcen, um den Volkswillen zu verzerren, aber das Parlament verabschiedete 2018 ein Gesetz, das verschiedene Handlungen im Zusammenhang mit dem Stimmenkauf unter Strafe stellte. Bei den vorgezogenen Wahlen und den Kommunalwahlen 2018 und 2019 gingen diese Praktiken zurück (FH

3.3.2021).

Armenien befindet sich nach den Massenprotesten gegen die Regierung und den Wahlen im Jahr 2018, die eine etablierte politische Elite vertrieben, inmitten eines bedeutenden Übergangs. Die neue Regierung hat versprochen, sich mit langjährigen Problemen wie systemischer Korruption, undurchsichtiger Politikgestaltung, einem fehlerhaften Wahlsystem und schwacher Rechtsstaatlichkeit zu befassen. Die Politik des Landes wurde ernsthaft destabilisiert und mehr als 2.400 Soldaten wurden 2020 getötet, als Kämpfe mit Aserbaidschan über die Kontrolle des Territoriums von Berg-Karabach ausbrachen (FH 3.3.2021).

Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 20.6.2021).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 4.2021), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2056110/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_absch iebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_April_2021%29%2C_2

0.06.2021.pdf Zugriff 20.7.2021

•        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (16.8.2021): Briefing Notes, Armenien, Zugriff 19.8.2021

•        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (28.6.2021): Briefing Notes, Armenien, Zugriff 29.6.2021

•        EurasiaNet (21.6.2021): Armenia’s Pashinyan wins reelection in landslide, https://www.ec oi.net/de/dokument/2054242.html, Zugriff 2.7.2021

•        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Armenia, https://www.ecoi .net/de/dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

•        RFE/RL– Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian ReappointedArmenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-ar menian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html , Zugriff 21.3.2019

•        USDOS – U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff

7.4.2021

•        Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.10.2021

Im Ende September 2020 aufgeflammten Konflikt um die vonArmenien kontrollierte Region Bergkarabach gelang es, unter Vermittlung Russlands, einen Waffenstillstand zu erreichen.Armenien, das als Schutzmacht für Bergkarabach agiert, stimmte unter massivem Druck der Neun-PunkteErklärung zu. In der Erklärung verpflichteten sich die Parteien zu einem vollständigen Einstellen aller Kampfhandlungen auf den zuletzt gehaltenen Positionen. Darüber hinaus werden die von Armenien im ersten Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre eroberten sieben aserbaidschanische Bezirke rund um Bergkarabach schrittweise an Baku zurückgegeben. Vier davon gingen bereits im Zuge der Kampfhandlungen seit September weitgehend an Aserbaidschan verloren. Mit der Erklärung wurde ebenso eine russische Friedensmission etabliert, die den Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie auf Seiten Bergkarabachs sichern soll. Neben den Peacekeepern soll auch ein außerhalb Karabachs befindliches Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe entstehen. Ebenso vereinbart wurde ein Austausch der Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten.

Der letzte Punkt der Vereinbarung weist auf die Öffnung aller Wirtschafts- und Transportwege in der Region hin. Demzufolge muss Armenien Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der südwestlich von Armenien gelegenen und an die Türkei grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan sicherstellen. Der Status von Bergkarabach wurde in der Erklärung offen gelassen (IFK 11.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin, sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Alijew und der armenische Regierungschef Nikol Paschinian auf eine neue Grenzziehung und die Stationierung eines russischen Militärkontingents zur Sicherung des neuen Status quo im Konflikt um Berg-Karabach geeinigt. Aserbaidschan übernimmt rund die Hälfte des abtrünnigen Gebiets, darunter die zweitgrößte Stadt Schuscha, die strategisch von immenser Bedeutung ist (DerStandard 10.11.2020).

Unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin haben die verfeindeten Nachbarn

Aserbaidschan und Armenien bei einem ersten gemeinsamen Treffen in Moskau am 11.01.21 neue Schritte für einen Wiederaufbau der umkämpften Südkaukasusregion Berg-Karabach vereinbart. Rund zwei Monate nach dem Ende der Kampfhandlungen um Berg-Karabach betonten die drei Spitzenpolitiker im Kreml, dass das Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten werde. Es seien aber noch nicht alle Punkte umgesetzt, so Paschinian. Zugleich betonte er, dass der Konflikt um Berg-Karabach nicht endgültig beigelegt sei. Insbesondere sei der politische Status ungeklärt. Die nun getroffenen Vereinbarungen für eine Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur Berg-Karabachs sollen zu noch verlässlicheren Sicherheitsgarantien für beide Seiten führen. Die Vize-Regierungschefs von Aserbaidschan und Armenien sowie Russlands würden nun eine Arbeitsgruppe bilden, um konkrete Projekte bei der Wiederherstellung der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen umzusetzen (BAMF 18.1.2021).

Die militärische Niederlage löste eine scharfe politische Krise in Armenien aus, in der die Opposition gegen Premierminister Nikol Pashinian seinen Rücktritt forderte (HRW 13.1.2021; vgl. DerStandard 10.11.2020). Tausende Menschen demonstrierten in Jerewan gegen die Waffenruhe. Sie beschimpften Paschinian als „Verräter“ und forderten seinen Rücktritt. Hunderte der Demonstranten stürmten den Regierungssitz und das Parlamentsgebäude (Krone 10.11.2020). Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Es gab dutzende Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete (DerStandard 11.11.2020; vgl. ZeitOnline 11.11.2020).

Bei Zusammenstößen mit aserbaidschanischen Streitkräften sind drei armenische Soldaten an der Grenze zwischen den beiden Ländern getötet worden. Wie das armenische Verteidigungsministerium am Mittwoch mitteilte, habe Jerewan nach einem aserbaidschanischen „Angriff“ eine „bewaffnete Aktion“ eingeleitet. Zwei weitere Menschen wurden demnach bei den Zusammenstößen im nordöstlichen Grenzgebiet verletzt. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Verantwortung für die Eskalation (DerStandard 28.7.2021).

Quellen:

•        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.1.2021): Briefing Notes, Armenien, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Information szentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw03-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 22.1.2021

•        DerStandard (28.7.2021): Drei armenische Soldaten bei Zusammenstößen getötet, https: //www.derstandard.at/story/2000128514406/drei-armenische-soldaten-bei-zusammenst oessen-getoetet, Zugriff 28.7.2021

•        DerStandard (10.11.2020): Umstrittener Waffenstillstand in Bergkarabach, https://www.de rstandard.at/story/2000121604696/umstrittener-waffenstillstand-in-bergkarabach , Zugriff

12.11.2020

•        DerStandard (11.11.2020): Erdogan verkündet Einigung auf Überwachung der Feuerpause in Bergkarabach, https://www.derstandard.at/story/2000121627117/erdogan-verku endet-vereinbarung-zur-ueberwachung-der-waffenruhe-massenproteste-in-armenien , Zugriff 12.11.2020

•        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Armenia, https://www.ecoi .net/de/dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021

•        IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement [Österreich] (11.2020): Bergkarabach: Neuordnung der regionalen Machtverhältnisse, https://www.bundesheer.at/ph p_docs/download_file.php?adresse=/pdf_pool/publikationen/ifk_monitor_65_lampalzer_b ergkarabach_nov_20_web.pdf , Zugriff 27.11.2020

•        Krone (10.11.2020): Einigung auf Waffenruhe in Berg-Karabach, https://www.krone.at/2 272372 , Zugriff 12.11.2020

•        ZeitOnline (11.11.2020): Tausende Armenier protestieren gegen Abkommen mit Aserbaidschan, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/bergkarabach-konflikt-armenien-ase rbaidschan-abkommen-massenproteste-nikol-paschinjan , Zugriff 12.11.2020

•        Regionale Problemzone: Berg-Karabach (Nagorny Karabach)

Letzte Änderung: 06.10.2021

Das Gebiet von Bergkarabach (russ.: Nagorno-Karabakh oder auch Nagorny-Karabakh; in Armenien überwiegend „Artsakh“ genannt) ist zwischen Aserbaidschan und Armenien unverändert umstritten. International wird die sogenannte „Republik Bergkarabach“ („RBK“) von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Insbesondere die Statusfrage des hauptsächlich von Armenier*innen bewohnten Gebiets von Bergkarabach bleibt offen. Auch Armenien erkennt die ’Republik Berg-

Karabach’ offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Berg-Karabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe. Die meisten Gesetzesinitiativen im Rahmen der Anpassung an das EU-Recht werden auch von der Republik Bergkarabach übernommen. In Eriwan gibt es eine bergkarabachische Vertretung, und auf armenischen Landkarten erscheint die „RBK“, einschließlich der besetzten Gebiete, als unabhängiger Staat. Bergkarabach hat einen eigenen Verteidigungsminister und eine Armee, die aber sicherheits-politisch eng mit den armenischen Streitkräften zusammenarbeitet. Die „RBK“ verfügt über eigene staatliche Strukturen. Zum Teil gelten eigene Gesetze, zum Teil werden die armenischen Gesetze angewendet. Die eigenständigen Verwaltungsstrukturen der „RBK“ sind eng an die Armeniens gebunden (AA 20.6.2021). Armenien finanziert 55 Prozent des Budgets der Republik Arzach (ChH 4.6.2020). Nach der Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 4.3.2020k). Am 31.3.2020 fanden in Berg-Karabach - international nicht anerkannte - Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt (HBS 2.4.2020). Die Partei des Freien Vaterlandes von Harutjunyan gewann bei den Parlamentswahlen mehr als 40 Prozent der Stimmen und wird

16 der 33 Sitze kontrollieren, während die größte Oppositionskraft, die Partei der Vereinigten Heimat von Samvel Babajan, neun Sitze erhielt (CW 16.4.2020).

Armenische Wahlbeobachter berichten von weitverbreiteten Verletzungen des Wahlgeheimnisses (EN 1.4.2020). Kritisiert wurde weiters, dass wegen COVID-19 kein Wahlkampf geführt werden konnte wie in „normalen“ Zeiten – und zudem der Urnengang selbst das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Virus deutlich erhöht habe (HBS 2.4.2020; vgl. EN 1.4.2020). Der im zweiten Wahlgang unterlegene Präsidentschaftskandidat Masis Mailjan forderte die Wähler auf, wegen der Pandemie nicht an den Wahlen teilzunehmen und weigerte sich auch, an Fernsehdebatten teilzunehmen (CW 16.4.2020).

Die Republik Arzach wurde bis zu den Wahlen von Verbündeten der 2018 von Paschinjan gestürzten armenischen Regierung regiert. Die Führer des ehemaligen armenischen Regimes, darunter die ehemaligen Präsidenten Serzh Sargsyan und Robert Kocharyan, unternahmen einige vage Anstrengungen, um über Berg-Karabach als letzte Bastion die Macht in Armenien

wiederzugewinnen. Ihr favorisierter Kandidat, Vitaliy Balasanyan, versäumte bei den Präsidentenwahlen am 31.3.2020 den Einzug in den zweiten Wahlgang (EN 1.4.2020).

Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien. Im Jahr 2019 wurden Veränderungen durch die politische Öffnung in Armenien im Jahr 2018 mitbewirkt. Politische Kritiker der Führung, denen zuvor selbst kurze Auftritte verboten waren, wurden zu regelmäßigen Gästen in Sendungen zu aktuellen Themen. Darüber hinaus werden nun regelmäßig Debatten organisiert, um wichtige Themen des lokalen öffentlichen Lebens anzusprechen. Oppositionspolitiker haben auch gute Verbindungen zu unabhängigen Medien in Armenien, wodurch deren Ansichten auch in Berg-Karabach vermittelt werden. Dennoch praktizieren viele Journalisten Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als ’nationale Kirche’ des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen (FH 4.3.2020).

Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Berg-Karabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es ’behördliche’ Unterstützung (AA 20.6.2021).

Ein gemeinsames türkisch-russisches Beobachtungszentrum zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg-Karabach hat am 30.1.2021 seinen Betrieb aufgenommen. Die Türkei war einer der Hauptunterstützer Aserbaidschans in dem Konflikt. Im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens wurden ein Teil des aserbaidschanischen Territoriums von Berg-Karabach und alle umliegenden sieben Bezirke unter aserbaidschanische Verwaltung gestellt, nachdem sie fast 30 Jahre lang von ethnischen Armeniern kontrolliert wurden. Rund 2.000 russische Friedenssoldaten sind auch entlang der Frontlinie und zum Schutz einer Landverbindung zwischen Berg-Karabach und Armenien im Einsatz (RFE/RL

30.1.2021).

Armenien und Aserbaidschan hatten sich seit dem 27.09.2020 sechs Wochen lang schwere Kämpfe um Berg-Karabach geliefert. Dabei starben auf armenischer Seite nach offiziellen Angaben 3.773 Soldaten, auf aserbaidschanischer Seite 2.783 Soldaten. Hinzu kommen noch insgesamt etwa 200 getötete Zivilisten auf beiden Seiten. Erst ein unter Vermittlung des russischen Präsidenten Putin vereinbarter Waffenstillstand am 09.11.2020 beendete den kriegerischen Konflikt. Teil des Übereinkommens ist auch, dass Russland mit eigenen Friedenstruppen die Vereinbarung militärisch absichert. Mittlerweile sind rund 2.000 russische Soldaten entlang der Waffenstillstandslinie stationiert worden. Des Weiteren sind russische Friedenstruppen zu dessen Sicherung im Latschin-Korridor postiert, der Armenien mit Berg-Karabach verbindet. Auch wenn der Waffenstillstand überwiegend eingehalten wird, kommt es vereinzelt immer wieder zu Grenzzwischenfällen, wodurch es bereits Tote und Verletzte auf beiden Seiten gegeben haben soll. Armeniens Ministerpräsident Paschinjan sprach sich deshalb für eine Ausweitung des Einsatzes russischer Grenzschützer aus, um die Festlegung einer Demarkationslinie ohne militärische Zusammenstöße zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit dem Berg- Karabach-Konflikt soll es vereinzelt auch zu Misshandlungen und Kriegsverbrechen gegenüber armenischen Volkszugehörigen in Berg-Karabach gekommen sein. Insgesamt bleibt die humanitäre und wirtschaftliche Lage dort schwierig. Die Infrastruktur, insbesondere in mehreren Grenzdörfern, ist zum Teil komplett zerstört worden und die Versorgung der Menschen problematisch. Schätzungen gehen davon aus, dass von den bislang rund 150.000 in Berg-Karabach lebenden Menschen bis Ende 2020 rund 100.000 nach Armenien geflüchtet waren. Inzwischen sollen davon rund 50.000 Menschen wieder nach Berg-Karabach zurückgekehrt sein, insbesondere in die Hauptstadt Stepanakert. Mehrere armenische und ausländische Hilfsorganisationen sind in Berg-Karabach für den Wiederaufbau unterstützend tätig (BAMF 30.8.2021; vgl. USDOS

30.3.2021, AI 7.4.2021, ICG 9.6.2021).

Während des jüngsten 6-wöchigen Krieges wurden über 3.900 armenische und 2.900 aserbaidschanische Soldaten getötet oder vermisst, und es gab viele Opfer unter der Zivilbevölkerung. Über 91.000 Armenier und 84.000 Aserbaidschaner wurden zunächst vertrieben (CoE-PACE

13.9.2021).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 4.2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2056110/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_absch iebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_April_2021%29%2C_2 0.06.2021.pdf , Zugriff 20.7.2021

•        AI - Amnesty International (7.4.2021): Aserbaidschan 2020, https://www.amnesty.de/infor mieren/amnesty-report/aserbaidschan-2020, Zugriff 25.5.2021

•        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.8.2021): Briefing Notes, Armenien/Aserbaidschan, Zugriff 31.8.2021

•        ChH – Chatham House (4.6.2020): South Caucasus States Set to Diverge Further due to COVID-19, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/south-caucasus-states-set-di verge-further-due-covid-19 , Zugriff 5.6.2020

•        CoE-PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (13.9.2021): Humanitarian consequences of the conflict between Armenia and Azerbaijan [Doc. 15363], https://www.ec oi.net/en/file/local/2060650/doc.+15363.pdf , Zugriff 1.10.2021

•        CW – Caucasus Watch (16.4.2020): Zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Bergkarabach wurde trotz des erklärten Ausnahmezustands abgehalten, https://caucasuswatc h.de/news/2623.html , Zugriff 23.4.2020

•        EN – Eurasianet (1.4.2020): Karabakh elections to go to a second round, https://eurasian et.org/karabakh-elections-to-go-to-a-second-round , Zugriff 23.4.2020

•        FH-Freedom House (4.3.2020k): Freedom in the World 2020 – Nagorno Karabakh,https://freedomhouse.org/country/nagorno-karabakh/freedom-world/2020 , Zugriff

5.6.2020

•        HBS – Henirich-Böll-Stiftung / Stefan Meister (2.4.2020): Covid-19 im Südkaukasus – Schnelle Reaktionen und autoritäre Reflexe, https://www.boell.de/de/2020/04/02/covid-1

9-im-suedkaukasus-schnelle-reaktionen-und-autoritaere-reflexe , Zugriff 23.4.2020

•        ICG - International Crisis Group (9.6.2021): Post-war Prospects for Nagorno-Karabakh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053478/264-nagorno-karabakh.pdf, Zugriff 22.6.2021

•        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (30.1.2021): Turkish-Russian Center Begins Monitoring Nagorno-Karabakh Truce, https://www.ecoi.net/de/dokument/2044432.html, Zugriff 15.2.2021

•        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human

Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff

7.4.2021

•        Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.10.2021

Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter ist inArt. 162 und 164 der Verfassung verankert. Die Verfassung von 2015 hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Das Vertrauen in das Justizsystem ist allerdings weiterhin schwach, da die Mehrzahl der Richter ihre Ämter unter der Vorgängerregierung erlangt hat. Die im Oktober 2019 verabschiedete Reform zur Justizstrategie zielt auf einen personellen Wechsel im Justizapparat ab. Verfahrensgrundrechte, wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es in den letzten Jahren bereits Fortschritte, die Zahl der Pflichtverteidiger wurde erhöht und kostenlose Rechtshilfe kommt einer breiteren Bevölkerung zugute. Die Einflussnahme durch Machthaber auf laufende Verfahren war in der Vergangenheit in politisch heiklen Fällen verbreitet. Die derzeitige Regierung unter Premierminister Paschinjan hat sich von solchen Praktiken distanziert (AA 20.6.2021; vgl. USDOS 30.3.2021).

Das zivil- und strafrechtliche Gerichtssystem besteht aus drei Instanzen; daneben existieren eine Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Verfassungsgericht. Die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis hat sich seit Mitte 2018 verbessert. Die Regierung treibt eine Justizreform mit dem Ziel größerer Effizienz der Justiz voran, die allerdings seit 2020 ins Stocken geraten ist (AA 20.6.2021).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sehen das Recht jeder Person vor, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Nach Angaben von Rechtsexperten hatten Verdächtige keine praktischen Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme anzufechten (USDOS 30.3.2021).

Nach dem Gesetz muss eine Ermittlungsbehörde Personen innerhalb von drei Stunden nach der Ingewahrsamnahme entweder festnehmen oder freilassen. Innerhalb von 72 Stunden muss die Ermittlungsbehörde die festgenommene Person freilassen oder Anklage erheben und einen Haftbefehl von einem Richter einholen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Polizei die Festgenommenen über die Gründe für ihre Festnahme oder Inhaftierung sowie über ihre Rechte zu schweigen, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen und ein Telefonat zu führen, informieren muss. Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern waren sich nur wenige Inhaftierte ihres Rechts auf rechtliche Vertretung bewusst. Beobachter wiesen darauf hin, dass die Polizei es manchmal vermied, Personen ihr Recht auf ein ordentliches Verfahren zu gewähren, indem sie sie unter dem Vorwand, sie seien keine Verdächtigen, sondern wichtige Zeugen, vorlud und festhielt, anstatt sie formell zu verhaften. Auf diese Weise war die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne ihnen einen Verteidiger zur Seite zu stellen (USDOS 30.3.2021).

Langwierige Untersuchungshaft blieb ein Problem (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Einige Beobachter sahen in der exzessiven Untersuchungshaft ein Mittel der Ermittler, um Angeklagte zu Geständnissen oder zur Offenlegung von selbstbelastenden Beweisen zu bewegen. Obwohl das Gesetz von den Staatsanwälten verlangt, alle zwei Monate eine gut begründete Begründung für die Verlängerung der Untersuchungshaft vorzulegen, verlängerten Richter routinemäßig die Haft aus unklaren Gründen. Die Behörden hielten sich in der Regel an die Sechs-Monats-Grenze in gewöhnlichen Fällen und eine 12-Monats-Grenze für schwere Verbrechen als Gesamtdauer der Untersuchungshaft. (USDOS 30.3.2021).

Die Gerichte sind einer systemischen politischen Einflussnahme ausgesetzt, und die gerichtlichen Institutionen werden durch Korruption unterminiert. Richter fühlen sich Berichten zufolge unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig. Die Behörden wenden das Gesetz selektiv an, und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist weder in Zivil- noch in Strafsachen garantiert (FH 3.3.2021).

Das Gesetz sieht vor, dass Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise vorlegen und den Behördenakt im Vorfeld eines Prozesses einsehen können, aber Angeklagte und ihre Anwälte hatten nur sehr wenige Möglichkeiten, Behördenzeugen oder die Polizei anzufechten, während die Gerichte dazu neigten, das Beweismaterial der Staatsanwaltschaft routinemäßig zu akzeptieren. Insbesondere verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer in einem Fall. Angeklagte, Staatsanwälte und Geschädigte haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil Berufung einzulegen. Die Organe der Strafjustiz verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die bei Vernehmungen erlangt wurden, um Verurteilungen zu erreichen (USDOS 30.3.2021).

Obwohl die Bürger Zugang zu Gerichten hatten, um Schadensersatz für angebliche Menschenrechtsverletzungen einzuklagen, wurden die Gerichte weithin als korrupt wahrgenommen. Die Bürger hatten auch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzten, vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Bürger, die den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben, können bei angeblichen Verstößen der Regierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention den EGMR anrufen. Die Regierung hielt sich im Allgemeinen an die vom EGMR ausgesprochenen Entschädigungszahlungen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 4.2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2056110/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_absch iebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_April_2021%29%2C_2 0.06.2021.pdf, Zugriff 20.7.2021

•        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Armenia, https://www.ecoi .net/de/dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

•        USDOS – U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff

7.4.2021

•        Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 06.10.2021

Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Aktivitäten und den Grenzschutz verantwortlich ist. Der Special Investigative Service (SIS) ist eine separate Behörde, die sich auf die Voruntersuchung von Fällen spezialisiert hat, in denen es um mutmaßliche Missbräuche von Amtsträgern geht. Das Untersuchungskomitee ist für die Durchführung von Voruntersuchungen in allgemeinen zivilen und militärischen Strafsachen zuständig und umfasst die Ermittlungsdienste. Der Nationale Sicherheitsdienst und die Polizeichefs sind direkt dem Premierminister unterstellt und werden vom Präsidenten auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Das Kabinett ernennt die Leiter des Sonderermittlungsdienstes und des Ermittlungsausschusses auf Empfehlung des Premierministers. Die zivilen Behörden hatten eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021, vgl. AA 27.4.2020).

Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD (Nationaler Sicherheitsdienst) dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA

20.6.2021).

Im April verabschiedete die Regierung eine Strategie und einen Aktionsplan zur Polizeireform für 2020-2022. Der Plan beinhaltet die Wiedereinführung eines Innenministeriums und die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über die Polizei. Die Reformen sehen auch die Schaffung einer neuen Patrouillenpolizei und die Gewährung von Ermittlungsbefugnissen für die Polizei vor (HRW 13.1.2021).

Es gab Berichte über Misshandlungen in Polizeistationen, die im Gegensatz zu Gefängnissen und polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen keiner öffentlichen Überwachung unterlagen. Die Organe der Strafjustiz verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die bei Vernehmungen erlangt wurden, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Angaben von Menschenrechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensverstöße erlangten Beweisen, unzureichend. Laut Menschenrechtsanwälten war die Videoaufzeichnung in den Polizeistationen kein wirksamer Schutz gegen Missbrauch, da dieselben Polizeistationen die Kontrolle über die Server hatten, auf denen die Aufnahmen gespeichert waren, und diese manipulieren konnten. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festgehalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS

11.3.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 4.2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2056110/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_absch iebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_April_2021%29%2C_2 0.06.2021.pdf , Zugriff 20.7.2021

•        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Armenia, https://www.ecoi .net/de/dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021

•        SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): History http://www.ccc. am/en/1428926241 , Zugriff 24.6.2020

•        USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html , Zugriff

7.4.2021

•        Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 06.10.2021

Die Verfassung und das Gesetz verbieten solche Praktiken. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte weiterhin Personen in ihrem Gewahrsam folterten oder anderweitig misshandelten. Nach Angaben von Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, nicht aber andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung (USDOS 30.3.2021). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder

Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Auch nach der „Samtenen Revolution“ sollen körperliche Misshandlungen vereinzelt vorkommen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 20.6.2021). Laut Menschenrechtsaktivisten trug die Straffreiheit für frühere Fälle von Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden weiterhin zum Fortbestehen des Problems bei (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 20.6.2021).

Es gab Berichte über Misshandlungen in Polizeistationen, die im Gegensatz zu Gefängnissen und polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen keiner öffentlichen Überwachung unterlagen. Die Organe der Strafjustiz verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die bei Vernehmungen erlangt wurden, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Angaben von Menschenrechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensverstöße erlangten Beweisen, unzureichend (USDOS 30.3.2021). In einem Antwortschreiben an das Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 23.12.2019 auf 4 (HCA 25.2.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.6.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 4.2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2056110/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_absch iebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_%28Stand_April_2021%29%2C_2 0.06.2021.pdf , Zugriff 20.7.2021

•        HCA – Helsinki Committee of Armenia (25.2.2020): Human Rights in Armenia – 2019 Report, http://armhels.com/wp-content/uploads/2020/02/Ditord-2020Eng_Ditord-2019ar m-2.pdf , Zugriff 24.6.2020

•        USDOS – U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff

7.4.2021

•        Korruption

Letzte Änderung: 06.10.2021

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen bei behördlicher Korruption vor. Das Land hat ein Erbe von systemischer Korruption in vielen Bereichen. Die Bekämpfung der Korruption hatte für die Regierung weiterhin oberste Priorität, und die Regierung ergriff im Laufe des Jahres weitere Maßnahmen zur Beseitigung der Korruption. Die Behörden verabschiedeten weiterhin gesetzliche Maßnahmen um Antikorruptionsmaßnahmen zu institutionalisieren (USDOS 30.3.2021).

Im April 2020 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Möglichkeiten der Staatsanwälte erweitert, korrupte Handlungen ehemaliger Beamter zu untersuchen. Nach dem neuen Gesetz können Staatsanwälte leichter die Beschlagnahme unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte beantragen, wenn deren Status vor Gericht bewiesen wird, und sie dürfen Taten untersuchen, die zehn Jahre zurückliegen. Anfang Dezember legte das Kabinett einen Gesetzesentwurf vor, der die Einrichtung des Anti-Korruptionskomitees (ACC) abschließt, das ursprünglich für 2019 als Teil eines Dreijahresplans zur Korruptionsbekämpfung vorgesehen war. Das ACC sowie ein spezialisiertes Anti-Korruptionsgericht sollen 2021 ihre Arbeit aufnehmen (FH 3.3.2021).

Das Gesetz verlangt von hochrangigen Beamten und ihren Familien, jährliche Vermögenserklärungen abzugeben, die teilweise im Internet öffentlich zug

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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