TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/6 W280 1317052-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.12.2021

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W280 1317052-3/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1969, StA. Russische Föderation, vertreten durch die Erwachsenenvertreterin XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .07.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2021, zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt VI. zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Ihrer Entlassung aus der Maßnahme“.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig, reiste im Jahr 2006 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .08.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im August 2007 wurde der BF erstmals mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Im Jänner 2008 wurde der BF mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX .01.2008, ZI XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Dem BF wurde des Weiteren gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Dagegen erhob der BF fristgerecht ein Rechtsmittel.

3. Im Oktober 2008 wurde der BF neuerlich durch ein österreichisches Strafgericht wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und des Vergehens der Weitergabe und Besitz nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, wovon ihm ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Im November 2009 wurde der BF mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 erster, zweiter und dritter Fall, Abs. 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.

4. Der Asylgerichtshof gab der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Beschwerde mit rechtskräftigem Erkenntnis vom XXXX .03.2012, ZI. XXXX , statt, erkannte dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Er begründete die Zuerkennung zusammengefasst mit der Anlastung einer staatsfeindlichen bzw. terroristischen Gesinnung aufgrund seiner Unterstützung von Widerstandskämpfern und seiner Zusammenarbeit mit der regierungskritischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“.

5. Auch in weiterer Folge trat der BF strafrechtlich in Erscheinung:

Im Juli 2015 wurde der BF von einem österreichischen Strafgericht wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer Geldstrafe verurteilt.

Im November 2015 wurde der BF mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

Schließlich wurde der BF mit Urteil eines österreichischen Strafgerichts vom August 2016 gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Einer dagegen erhobenen Berufung des BF wurde nicht stattgegeben.

6. Mit Beschluss eines Bezirksgerichts vom Oktober 2016 wurde für den BF ein Sachwalter (nunmehr Erwachsenenvertreter) bestellt.

7. Anfang 2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) von der rechtskräftigen Einweisung des BF informiert, woraufhin es ein Aberkennungsverfahren einleitete. Im Jänner 2018 erfolgte sodann eine Einvernahme des BF im Beisein seiner damaligen Erwachsenenvertreterin (vormals: Sachwalterin) vor dem BFA. Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF folglich im März 2018 aufgetragen, ergänzende Beweismittel vorzulegen und langten im April 2018 eine Stellungnahme samt Unterlagen zu den Erkrankungen des BF beim BFA ein. Im Juni 2018 stellte das BFA im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten der dargelegten Erkrankungen eine Anfrage an die Staatendokumentation, welche im Juli 2018 beantwortet und dem BF zur Kenntnis gebracht wurde. Mitte August 2018 langte eine dahingehende Stellungnahme des BF beim BFA ein.

8. Nach einem Bearbeiterwechsel beim BFA, intiierte dieses am im März 2020 Ermittlungen im Herkunftsstaat durch einen Gutachter, dessen Ergebnis, dass der BF sich seit Zuerkennung nicht in Russland aufgehalten hat und auch über keinen aktuellen Russischen Pass verfügt, wie auch nicht nach dem BF gefahndet wird, Ende Mai 2020 beim BFA einlangte. Eine weitere Anfrage des BFA an die Staatendokumentation ergab, dass sämtliche Medikamente des BF in der Russischen Föderation verfügbar sind.

Mit Verfahrensanordnung wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Mitte Juni 2020 ging eine dahingehende Stellungnahme samt einer aktuellen Medikamentenliste beim BFA ein.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen, im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom XXXX .07.2020 wurde dem BF der ihm zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig erließ das BFA gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.) und legte die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.). Zudem erließ das BFA gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

10. Dagegen erhob der BF durch seine gewillkürte Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und durchzuführen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das gegen den BF eingeleitete Aberkennungsverfahren einzustellen, in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu auszusprechen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation unzulässig ist, jedenfalls von der Verhängung eines Einreiseverbotes Abstand zu nehmen und Punkt VII. des angefochtenes Bescheides ersatzlos aufzuheben und in eventu das Verfahren an das BFA zurückzuverweisen.

Dabei wurde vorgebracht, dass von keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse in der Russischen Föderation gesprochen werden könne und daher kein Asylaberkennungsgrund vorliege. Der hilfsweise auf die strafrechtliche Delinquenz gestützten Asylaberkennung sei entgegenzuhalten, dass keine vorwerfbare Straftat vorliege, die Grundlage für die Asylaberkennung sein könne.

Der BF würde im Fall der Abschiebung nach Tschetschenien in eine auswegslose Lage geraten. Denn weder sei die Verfügbarkeit der benötigten Medikamente noch die entsprechende Betreuung, die ein in Österreich nach § 21 Abs. 1 StGB angehaltener Mensch benötige, in Tschetschenien gewährleistet. Jedenfalls sei aufgrund der Bedrohungslage auszusprechen, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation dauerhaft nicht zulässig sei.

Da dem BF strafbare Handlungen nicht zuzurechnen seien, er im Tatzeitpunkt nicht schuldfähig gewesen sei und sich im Maßnahmenvollzug befinde, fehle auch jedwede Grundlage für die Verhängung eines „achtjährigen“ Einreiseverbotes. Vom BF gehe keine Gefahr für die Allgemeinheit aus, da er sich, solange eine solche Gefahr bestehe, im Maßnahmenvollzug befinde.

Mit der Beschwerde wurde eine Stellungnahme des eines tschetschenischen Menschenrechtsanwalts vorgelegt.

11. Am XXXX .08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein. Mit der Beschwerdevorlage wurde vom BFA beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

12. Am XXXX .11.2021 wurde vor dem BVwG mit dem BF, seiner Erwachsenenvertreterin und seiner Rechtsvertretung (Mag. Katarina UDEL in Substitution für RA Dr. Helmut BLUM) und einem Vertreter der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

13. Sowohl der belangten Behörde als auch der gewillkürten Vertretung des BF wurde im Rahmen der Verhandlung eine Frist von 14 Tagen für eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingeräumt. Die belangte Behörde übermittelte noch am gleichen Tag der Verhandlung eine solche, in welcher zu den Aberkennungsgründen und zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz ergänzende Ausführungen getätigt wurden, stützte nunmehr die Verhängung eines Einreiseverbotes auf die lex genralis des § 52 Abs. 2 FPG und beantragte dieses befristet auf fünf Jahre festzustezen. Der BF übrmittelte am 1.12.2021 eine schriftliche Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch genannte Identität (Namen und Geburtsdatum). Er ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und muslimischen Bekenntnisses. Seine Muttersprache ist Tschetschenisch und er spricht Russisch.

1.2. Der BF stammt ursprünglich aus der Stadt XXXX und lebte nach dem Tod seiner Eltern im Jahr 1984 bei seinem Onkel im Ort XXXX Er besuchte von 197 XXXX bis 198 XXXX die Grundschule, erlernte den Beruf eines Mechanikers und arbeitete folglich in unterschiedlichen Berufszweigen, u.a. als Autolackierer und selbständiger Transportunternehmer.

Im Oktober 2003 reiste der BF nach XXXX und wurde als Flüchtling registriert. Dort lernte er seine nunmehrige Ex-Frau XXXX , ebenfalls Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen, kennen und sie kehrten im Dezember 2005 gemeinsam zurück nach Tschetschenien, wo sie am XXXX .04.2006 vor dem Bezirksstandesamt XXXX heirateten.

1.3. Der BF reiste im Jahr 2006 alleine in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ungefähr sechs Monate später reiste ihm seine Ehefrau nach. Am XXXX 2007 wurde die gemeinsame Tochter XXXX , am XXXX .2009 die gemeinsame Tochter XXXX und am XXXX .2011 der gemeinsame Sohn XXXX in Österreich geboren.

Dem BF wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX .03.2012, Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass dem BF gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Asylgerichtshof begründete die Zuerkennung zusammengefasst mit der Anlastung einer staatsfeindlichen bzw. terroristischen Gesinnung aufgrund seiner Unterstützung von Widerstandskämpfern und seiner Zusammenarbeit mit der regierungskritischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“.

1.4. Der BF wurde während seines Aufenthalts in Österreich mehrfach straffällig und weist sieben Eintragungen im Strafregister der Republik Österreich auf, und zwar:

1) Erstmals wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .08.2007, XXXX , wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Dem Strafurteil lag zugrunde, dass der BF und ein weiterer Täter zusammen am XXXX .12.2006 (damit nur wenige Monate nach der Einreise des BF) einem Opfer fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Handy und ein Autoradio in einem EUR 3.000,- nicht übersteigenden Wert, durch Einbruch in dessen PKW mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch Zueignung der Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern, haben.

Bei der Strafbemessung wurde als mildernd die Unbescholtenheit des BF und die Bereitschaft zur Schadensgutmachtung sowie kein Umstand als erschwerend gewertet.

2) Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .01.2008, XXXX wurde der BF wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Darin wurden der BF sowie zwei Mittäter für schuldig befunden, am XXXX .11.2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken zumindest einer weiteren, den Behörden nicht näher bekannten Person in verabredeter Verbindung von mindestens drei Personen zwei Opfer durch das Versetzen von Schlägen auf den Hinterkopf, Faustschlägen und Schlägen mit dem Griff eines Messers auf den Kopf und durch das Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht und eines Messerstiches in den Bereich des Unterkiefers vorsätzlich am Körper verletzt und beim 1. Opfer eine Platzwunde am Hinterkopf, Schnittwunde am linken Zeigefinger sowie Blutunterlaufungen am Hals und Schmerzen im Gesicht und beim 2. Opfer eine Stichwunde im linken Unterkieferbereich, Schwellung im Bereich des linken Auges sowie Schmerzen im gesamten Kopfbereich verursacht zu haben.

Dabei wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung des BF das Geständnis als mildernd und die Vorstrafe als erschwerend.

3) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2008, AZ XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB und des Vergehens der Weitergabe und Besitz nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, wovon ihm ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF erstens am XXXX .04.2008 fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,- übersteigenden Wert Verfügungsberechtigten eines XXXX teils durch Aufbrechen eines Behältnisses mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Tresor der Firma XXXX mit einem am Tatort gefundenen Schlüssel geöffnet und sich daraus zwei Kassenladen zugeeignet sowie das Innenfach des Tresors aufgebrochen und sich den darin befindlichen Bargeldbetrag von EUR 6.744,- zugeeignet hat. Zweitens hat er am XXXX .06.2008 nachgemachtes oder verfälschtes Geld mit dem Vorsatz, dass es als echt und unverfälscht ausgegeben wird, von einem anderen übernommen und besessen, indem er zwei gefälschte Euro-500-Banknoten von einer unbekannten Person entgegennahm und einsteckte. Strafzumessungsgründe entält das strafgerichtliche Urteil keine.

4) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .11.2009, AZ XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 erster, zweiter und dritter Fall, Abs. 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.

Der BF wurde darin für schuldig befunden, im Zeitraum von XXXX .01.2009 bis XXXX .07.2009 in mehrfachen Angriffen Täter mit Strafe bedrohter Handlungen gegen fremdes Vermögen nach der Tat gewerbsmäßig dabei unterstützt, Sachen die sie dadurch erlangt hatten, zu verheimlichen oder zu verwerten bzw. solche Sache gekauft oder sonst an sich gebracht, wobei die mit Strafe bedrohten Handlungen, nämlich überwiegende durch Einbruch begangen Diebstähle (§§ 127, 129 Z 1 StGB), teils mit einer fünf jahre erreichenden Freihheitsstrafe bedroht sind, zu haben, indem er mehrfach Diebesgut im Gesamtwert von zumindest EUR 205.300,- von unbekannten Tätern übernahm und teils anderen zum Verkauf anbot bzw. teils anderen verkaufte.

Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung sowie als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen und die 3-fache Qualifikation gewertet.

5) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .07.2015, XXXX wurde der BF wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 260 Tagessätzen à EUR 4,-, sohin gesamt EUR 1.040,- (im Nichteinbringungsfall 130 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF, wenn auch nur fahrlässig, bis zum XXXX .03.2015 eine verbotene Waffe, und zwar eine Schusswaffe mit Vorderschaftrepetiersystem („Pumpgun“) der Marke XXXX besessen hat.

Das Strafgericht wertete bei der Strafbemessung als mildernd das Geständnis und keinen Umstand als erschwerend. Zu den fehlenden Diversionsvoraussetzungen wurde zudem festgehalten, dass der BF die Tendenz einer unangebrachten Bagatellisierung der Tat erkennen ließ.

6) Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .11.2015, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen à EUR 4,-, sohin Gesamtgeldstrafe EUR 560,- (im Fall der Uneinbringlichkeit 70 tage Ersatzfreiheitsstrafe), verurteilt.

Darin wurde der BF für schuldig befunden, mit einem weiteren Täter am XXXX .06.2015 im bewussten und gewollten Zusammenwirken einem Opfer fremde bewegliche Sachen im Wert von ca. EUR 2.900,-, nämlich vier Stück Kompletträder, XXXX felgen samt XXXX reifen sowie zwei Stück Kompletträder XXXX Felgen samt Bereifung mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem der weitere Täter das Haus durch die offene Haustüre betrat, um sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht beim BF als mildernd die Schadensgutmachung und als erschwerend die Vorstrafen, darunter auch einschlägige.

7) Schließlich wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .08.2016, XXXX , in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen. Der Einweisung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am XXXX .11.2015 kontaktierte der BF seinen Schwager und machte ihm – teils unter Verwendung wirrer Formulierungen – Vorhalte, dass dieser es unterlassen hatte, der (geschiedenen) Gattin des BF die Kinder wegzunehmen und ihm zuzuführen. Im Zuge eines am Nachmittag geführten Telefonates äußerte er schließlich: „Ich werde dich umbringen und noch zwei aus deiner Familie! Ich bring dich um! Ich pfeif drauf!“.

Am XXXX .02.2016 wurde der BF wegen Selbst- und Fremdgefährdung nach den Bestimmungen des UbG in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie des Landeskrankenhauses XXXX untergebracht. Am drauffolgenden Tag verlangte er von einem dort beschäftigten Krankenpfleger nach einem Ladekabel für sein Handy. Nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass ihm – aus Sicherheitsgründen – dieses nicht ausgefolgt werden dürfe, begann der BF lautstark aggressiv zu schimpfen, riss sich seine Pyjama-Jacke vom Kopf und schleuderte diese dem Krankenpfleger ins Gesicht. Schließlich rüttelte er an der verschlossenen Tür und suchte nach einem Fluchtweg aus der Abteilung. Da eine Beruhigung des BF auch unter Beiziehung weiterer Pflegekräfte und eines Facharztes nicht glückte, alarmierte das Pflegepersonal schließlich die Polizei, der es gelang, den BF im Bett zu fixieren. Danach äußerte der BF gegenüber dem Krankenpfleger: „Ich werde dich noch abstechen. Ich bring dich um. Wir haben uns nicht das letzte Mal gesehen und dann schauen wir weiter. Ich werde dir dein Kreuz brechen und dich an die Hunde verfüttern. Ich werde meinen Kollegen rufen. Ich werde dich in den XXXX . Ich werde auch deine Mutter vergewaltigen und deine Kinder werden auch bezahlen dafür. Ich werde dich umbringen, wenn ich hier rauskomme“.

Bei sämtlichen oben beschriebenen Äußerungen ging es dem BF darum, die Opfer nachhaltig in Furcht vor einem Anschlag auf ihr Leben zu versetzen, wobei er darauf abzielte, diese mit dem Tod zu bedrohen.

Ca. im Jänner 2015 begannen der BF und ein selbstständiger Fliesenleger eine geschäftliche Beziehung im Zuge dieser dem BF EUR 30.000,- übergab. Nachem die versprochene Gegenleistung ausblieb, stellte der Fliesenleger den BF zur Rede, woraufhin dieser äußerte, dass alleine der Fliesenleger aus diesem Geschäftsfall leistungspflichtig sei und dass der BF den Fliesenleger, sollte dieser nicht weiter zahlen, erschießen werde.

Diese Formulierung des BF war von der Absicht getragen, das Opfer in Furcht und Unruhe zu setzen, ihm Furcht dahingehend einzujagen, er werde seine Ankündigungen wahr machen und ihn töten. Er zielte darauf ab, dass das Opfer weitere Geldmittel zur Verfügung stellt, wobei ihm bewusst war, dass dieser ohne dieses eingesetzte Druckmittel dazu nicht bereit gewesen wäre.

Das geschilderte Verhalten des BF war Ausfluss einer psychischen Erkrankung. Zufolge dieser Erkrankung war der BF zu den Tatzeitpunkten weder im Stande, die Tragweite und Bedeutung seines Verhaltens zu erkennen, noch dieser Einsicht gemäß zu handeln. Aufgrund der Natur der bei dem BF vorliegenden Erkrankung und den damit einhergehenden Denk- und Wahrnehmungsstörungen ist auch in Hinkunft mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret zu erwarten, dass der Betroffene unter dem Einfluss dieser Erkrankung weitere Handlungen mit schweren Folgen, wie zum Beispiel Aggressionsdelikte mit lebensbedrohlichen Verletzungen oder Todesdrohungen begehen wird. Das Gericht hegte jedoch - unbeschadet davon, dass das krankheitsbedingt verzerrte Realitätsbild des BF Grund für sein Handeln war – keine Zweifel, dass der BF das festgestellte Verhalten bewusst, gewollt und gezielt gesetzt hat und es darauf abgesehen hatte o.a. Personen gefährlich mit dem Tod zu bedrohen bzw. in einem Fall zusätzlich diese Person zur verlangten Handlung zu bewegen.

Einer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des BF wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX .01.2017, AZ XXXX keine Folge gegeben.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Seit ca. zwei Jahren konsumiert der BF keine Drogen mehr.

Neben seinen strafgerichtlichen Verurteilungen wurde vom Präsidenten des Landesgerichts XXXX mit Bescheid vom XXXX .2016 gegen den BF, aufgrund einer gegen seine geschiedene Frau gerichteten Morddrohung, ein Betretungsverbot für die Gerichtsgebäude erlassen.

1.5. Der BF lebt seit seiner Einreise durchgehend in Österreich. Nach der Einreise seiner Ehefrau wohnte er zunächst gemeinsam mit ihr bzw. seinen Kindern in einem Haushalt.

In der Folge suchte seine Ehefrau erstmals im August 2012 mit den Kindern wegen des gewalttätigen Verhaltens des BF durch Schläge gegenüber ihrer Person Schutz in einem Frauenhaus, wo diese zwei Monate verblieben. Sie wollte sich vom BF trennen und bezog in weiterer Folge eine eigene Wohnung. Am XXXX .01.2014 wurde die Ehe einvernehmlich geschieden. Ca. im März 2015 zog der BF wiederum, gegen den Willen seiner geschiedenen Frau, in deren und der Kinder Wohnung ein.

Aufgrund der vom BF ausgehenden körperlichen Gewalt und dessen sexueller Übergriffe nahm diese folglich wiederum Kontakt mit einer Gewaltschutzeinrichtung auf und flüchtete diese zusammen mit den Kindern Anfang September 2015 mit Unterstützung öffentlicher Stellen aus der bisherigen Wohnung. Mit Beschluss des BG XXXX vom XXXX .12.2015 wurde die alleinige Obsorge hinsichtlich der gemeinsamen Kinder der ehemaligen Ehefrau des BF zugesprochen. Aufgrund des vom BF auf seine Ex-Frau ausgeübten psychischen Drucks und der neuerlich zumindest seit Anfang Mai 2015 ausgeübten Gewalt- und Misshandlungsexzesse gegenüber dieser, wurde im Zuge des Obsorgeverfahrens Anzeige wegen Fortgesetzter Gewaltausübung an die Staatsanwaltschaft XXXX erstattet. Von einer Verfolgung gegenüber dem BF wurde in weiterer Folge aufgrund des Unterbringungsantrages Abstand genommen.

Seit Dezember 2016 halten sich die Kinder des BF in der Ortschaft XXXX in Tschetschenien auf, wo diese derzeit im Haus von XXXX , einem Onkel der Kinder und dortigen Erziehungsberechtigten untergebracht sind.

Festgestellt wird, dass es sich bei dem Cousin des BF namens XXXX mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit um eine Personenidentität mit der Person namens XXXX handelt.

Der BF verfügt abseits seiner von ihm geschiedenen Ehefrau und deren Bruder über keine Verwandten oder sonstigen engen Bezugspersonen im Bundesgebiet.

1.6. Der BF hat die deutsche Sprache erlernt, verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, hat sich in der Vergangenheit sporadisch ehrenamtlich beim Integrationszentrum „ XXXX “ als Dolmetscher für die russische und tschetschenische Sprache betätigt und gründete einen tschetschenischen Jugendverein in XXXX . Die Zusammenarbeit seitens des Integrationszentrums wurde nach Bekanntwerden von Drogendelikten und der Haftstrafen des BF beendet.

1.7. Er befand sich in Österreich in folgenden legalen Beschäftigungsverhältnissen: Als geringfügig beschäftigter Angestellter im Zeitraum von XXXX .04.2012 bis XXXX .10.2012, als Arbeiter in den Zeiträumen von XXXX .07.2012 bis XXXX .05.2013 und von XXXX .05.2013 bis XXXX .09.2013 sowie als Angestellter im Zeitraum von XXXX .09.2014 bis XXXX .02.2015. Zeitweilig bezog der BF auch Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, Überbrückungshilfe oder Krankengeld.

1.8. Der BF verfügt weiterhin über Anknüpfungspunkte zu seinem Herkunftsstaat, die über die bloße Staatszugehörigkeit hinausgehen. Neben den unter Pkt. 1.5 genannten Verwandten lebt auch ein Onkel sowie dessen Ehefrau als auch seine eigenen Kinder dort und unterhält der BF auch Kontakt zu diesen.

1.9. Der BF wird seit XXXX .03.2016 angehalten, wobei er sich seit XXXX .08.2017 im Maßnahmenvollzug in der Justizanstalt (JA) XXXX befindet. Dort zeigte sich der BF oberflächlich freundlich, wurde aber dennoch von mehreren Mitpatienten beschuldigt, diese unter Druck gesetzt zu haben. Es kam auch zu mehrfachen Meldungslegungen betreffend den Konsum illegaler Substanzen. Er ist arbeitsfähig und arbeitet regelmäßig in der hauseigenen Wäscherei der Justizanstalt. Im Zeitraum von XXXX .01.2017 bis XXXX .09.2021 wurde der BF abseits seiner Erwachsenenvertreterinnen, eines Sachverständigen, Polizeibeamter, seiner geschiedenen Frau und Rechtsanwälten von sieben verschiedenen Personen in Haft respektive im Maßnahmenvollzug, in Summe 19 Mal besucht. Auf seinen im Bundesgebiet aufhältigen Neffen XXXX (Anm.: im Verhandlungsprotokoll XXXX ) entfallen hierbei drei Besuche (à 1 Mal 2017, 2018 und 2021), auf seinen Freund XXXX in Summe neun Besuche (8 Mal 2017 und 1 Mal 2018). Keine Besuche wurden von einem Freund XXXX dokumentiert. Zu der im Bundesgebiet aufhältigen Nichte XXXX hat der BF keinen Kontakt.

Zuletzt wurde mit Beschluss des Landesgerichts XXXX als Vollzugsgericht vom XXXX .2021, XXXX , die weitere Anhaltung des BF für erforderlich erachtet. Eine Entlassung des BF aus der Maßnahme ist derzeit nicht absehbar.

1.10. Der BF leidet an einer wahnhaften Störung (ICD-10: F22.0), einer psychische und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch, wobei dieser gegenwärtig abstinent ist dies aber in beschützender Umgebung (ICD-10: F19.21), an chronischer Virushepatitis C (ICD-10: B 18.2), an einer chronisch obstruktive Lungenerkrankung (ICD-10: J44.9), an Migräne ohne Aura (DD: Spannungskopfschmerz), Z.n Septumplastik bei Septumdeviation und bds. Nasennebenhöhlensaierung 04/2019 Re-FESS bds. In AN 9/2021 bei rezidivierendes Polyposis nasi und chronischer Sinusitis bda. Z.n. TBC diagnostiziert.

Aufgrund seiner Erkrankungen nimmt der BF derzeit folgende Medikamente ein:

?        Mometason Hexal Nasenspray (Wirkstoff: Mometasonfuroat)

?        Sertralin Accord 100 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Sertralin)

?        Sertralin Easy 50 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Sertralin)

?        Trevicta 263 mg Depot-Injektionssuspension (Wirkstoff: Paliperidon)

?        Zurcal 40 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Pantoprazol)

Sämtliche Erkrankungen des BF sind in der Russischen Föderation behandelbar und für ihn zugänglich. Der BF gehört auch keiner Hoch-Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an und ist dieser bereits zwei Mal gegen den Sars-COVID 19 Erreger geimpft.

Nach seiner Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wurde für den BF mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .10.2016, AZ XXXX , ein Sachwalter bestellt. Nach einer Umbestellung auf den Verein VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung als Sachwalter mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .11.2017, AZ XXXX , wurde dieser mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .01.2019, AZ XXXX , Frau XXXX als gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt.

1.11. Ein konkreter Anlass, dass die Aberkennung des dem BF in Österreich gewährten Asylstatus unzulässig wäre, kann nicht festgestellt werden.

Die Umstände, aufgrund derer ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, bestehen zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer als Unterstützer der Widerstandskämpfer und der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien eine konkrete, gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung oder eine generelle Verfolgungsgefahr oder Bedrohung von staatlicher oder nicht-staatlicher Seite zu befürchten hätte. Es wird auch nicht nach dem BF gefahndet.

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der BF leidet an keiner Erkrankung, die in der Russischen Föderation nicht behandelt werden könnte. Er liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Dem BF droht auch keine Verfolgung bei der Wiedereinreise in die Russische Föderation.

1.12. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stellt zum Zeitpunkt der (hypothetischen) Entlassung aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

1.13. Die Feststellung der maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation basiert auf Auszügen der vom BVwG in das Verfahren eingeführten Länderinformation der BFA-Staatendokumentation zur Russischen Föderation aus dem COI-CMS, Version 4, sowie den vom BFA bzw. dem BVwG in das Verfahren eingeführten Anfragebeantwortungen der BFA-Staatendokumentation:

1.13.1. Auszug Länderinformation der BFA-Staatendokumentation zur Russischen Föderation aus dem COI-CMS, Version 4:

COVID-19-Situation

Letzte Änderung: 17.11.2021

Russland ist von COVID-19 landesweit sehr stark betroffen. Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) (AA 27.10.2021) (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 zuständig, beispielsweise in Bezug auf Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CWRR 9.11.2021).

Einen strengen Lockdown gab es landesweit im ersten Halbjahr 2020 (ÖB Moskau 6.2021). Von 30.10. bis 7.11.2021 verordnete Präsident Putin einen weiteren Lockdown bzw. eine arbeitsfreie Woche als kurzfristige Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus. In vielen Regionen waren die Einschränkungen teilweise bereits vorher in Kraft getreten (WKO 8.11.2021; vgl. HB 29.10.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 8.11.2021; vgl. AA 27.10.2021). In allen öffentlich zugänglichen Räumen und Verkehrsmitteln ist ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen (AA 27.10.2021; vgl. WKO 8.11.2021). Bei Verstößen gegen die Hygienevorschriften können hohe Geldstrafen verhängt werden (AA 27.10.2021). Die medizinische COVID-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CWRR o.D.a).

Sport-, Kultur-, Unterhaltungs-, Werbeveranstaltungen und Messen sind erlaubt, wenn die Teilnehmeranzahl 50% der gesamten Raumkapazität nicht übersteigt. Veranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmern sind nur mit QR-Codes (welche den österreichischen 3-G-Regeln entsprechen) möglich. Am Arbeitsplatz sind Hygienevorschriften (u.a. Temperaturmessungen, Mundschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 8.11.2021).

Zu den Impfstoffen, welche in der Russischen Föderation entwickelt wurden und dort eingesetzt werden, zählen: Gam-COVID-Vac (Sputnik V), EpiVacCorona, Sputnik Light, EpiVacCorona-N, CoviVac und Ad5-nCoV (CWRR o.D.b). Aufgrund stark steigender COVID-19-Erkrankungen im Sommer und Herbst 2021 haben mehrere Regionen Russlands Unternehmen im Dienstleistungsbereich verpflichtet, Angestellte gegen COVID-19 zu impfen (WKO 8.11.2021). In Russland herrscht eine Impfskepsis unter der Bevölkerung (RFE/RL 6.10.2021; vgl. LM 14.8.2021). Rund 30% der Bürger sind vollständig geimpft (Ria.ru 6.10.2021; vgl. DS 30.9.2021, RFE/RL 6.10.2021). COVID-Impfungen sind für russische Staatsbürger kostenlos (ÖB Moskau 6.2021). Der Ministerpräsident Michail Mischustin unterzeichnete am 8.9.2021 ein Dekret, wonach für jede Impfung gegen das Coronavirus an die impfenden Ärzte eine Prämie von mindestens 200 Rubel (ca. 2,50 Euro) ausbezahlt werden soll (Russland-Analysen 20.9.2021).

Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei den Grenzkontrollen keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, welche nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Russische Staatsbürger, welche mit einem in Russland zugelassenen Impfstoff geimpft sind, und genesene russische Staatsbürger dürfen ohne PCR-Test und Quarantäne nach Russland einreisen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden mehrmals wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Auch mit anderen Ländern bestehen reguläre Flugverbindungen (WKO 8.11.2021). Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Dauer der Pandemie aufrechterhalten (WKO 8.11.2021; vgl. AA 27.10.2021).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Die meisten Hilfsprogramme sind Ende 2020 ausgelaufen. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Reduktion der Sozialabgaben sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse hinzu (WKO 8.11.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, eröffnete die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, bot zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen an, etc. (CWRR o.D.c). Viele der Maßnahmen waren nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und hatten einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 8.11.2021). Unterstützung gab es für „systemrelevante“ Unternehmen, außerdem finanzielle Unterstützung der regionalen Budgets. Laut einem Bericht der Menschenrechts-Ombudsperson haben 4,5 Millionen kleine und mittlere Unternehmen während der Pandemie aufgehört zu existieren. Soziale Unterstützungsleistungen hatten v.a. Familien mit Kindern zum Ziel. Zusätzliche Bonuszahlungen gab es für medizinisches Personal (ÖB Moskau 6.2021). Die Wirtschaft ist wieder stark gewachsen (WIIW o.D.). Von Jänner bis August 2021 stieg die Industrieproduktion um +4,5%, was auf die Rohstoffproduktion (+2,1%) und mehr noch auf die verarbeitende Industrie (+5,3%) zurückzuführen ist (WKO 10.2021). Es kam zu einer beträchtlichen Beschleunigung der Inflation (WIIW o.D.). Im März 2020 fielen die Ölpreise aufgrund des Ölpreiskampfes zwischen Russland und Saudi-Arabien sowie der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie mit einem starken Nachfragerückgang auf die Weltwirtschaft erneut auf ein historisches Tief und führten zu einer Abwertung des Rubels von 25%. Ein starker Ölpreisanstieg von über 50% sorgte 2021 für eine Stärkung des Rubels, welcher derzeit knapp unter 85 Rubel je Euro gehandelt wird (WKO 10.2021).

Moskau:

In Moskau herrscht Maskenpflicht (plus Handschuhpflicht im Moskauer Gebiet). Im öffentlichen Verkehr gelten Maskenpflicht und Distanzregelungen. Konzert-, Sport-, Unterhaltungsveranstaltungen u.Ä. mit mehr als 500 Personen sind nur mit QR-Codes erlaubt (CWRR 9.11.2021). Mindestens 30% aller Arbeitskräfte sowie ältere Arbeitnehmer und chronisch Kranke haben Fernarbeit zu leisten. Ausgenommen sind vollständig Geimpfte und Genesene (Mos.ru 21.10.2021; vgl. CWRR 9.11.2021). Strafen werden auferlegt wegen Verletzungen der Maskenpflicht, Nichteinhaltung von Distanzregelungen sowie Quarantäne-Verstößen (Mos.ru o.D.b). Zwei Drittel der für COVID-Patienten zur Verfügung stehenden Krankenhausbetten sind aktuell belegt (RFE/RL 6.10.2021). Bis 1.1.2022 müssen mindestens 80% der Mitarbeiter in Dienstleistungsunternehmen in Moskau geimpft sein (Mos.ru 21.10.2021). 39,5% der Moskauer sind geimpft (Ria.ru 6.10.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.a). Im Moskauer Gebiet herrscht in u.a. folgenden Bereichen eine Impfpflicht: Staatsdienst, Dienstleistungen an der Bevölkerung, Bildung, Gesundheitswesen, Tourismus und Gastgewerbe sowie Kultur und Sport (CWRR 9.11.2021).

St. Petersburg:

In St. Petersburg ist das Tragen von Masken und Handschuhen obligatorisch. Im öffentlichen Verkehr gelten Maskenpflicht und Distanzregelungen. Massenveranstaltungen sind verboten (CWRR 9.11.2021; vgl. Gov.spb 30.8.2021). Für Gastronomiebetriebe gelten beschränkte Öffnungszeiten. Theateraufführungen und Konzerte dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Plätze belegt sind. 30% der Staatsbediensteten und ältere Personen haben Fernarbeit zu verrichten. Es herrscht eine Impfpflicht für Mitarbeiter in Bereichen, welche für das Gesellschaftsleben wesentlich sind (CWRR 9.11.2021). 1.983.695 Personen sind vollständig geimpft [ca. 37% der Petersburger; Anm. der Staatendokumentation]. 9.488 Betten sind für COVID-Patienten insgesamt verfügbar, wovon 34,43% derzeit unbelegt sind (Gov.spb 12.11.2021).

Tschetschenien:

In Tschetschenien herrscht Masken- und Handschuhpflicht. Im öffentlichen Verkehr sind Masken zu tragen (CWRR 9.11.2021). Es gilt eine Impfpflicht für Staatsbedienstete, Mitarbeiter in den Bereichen Handel, Massenmedien, Gastronomie, Nahrungsmittelindustrie, Bildung, Tourismus usw. (Ria.ru 27.7.2021). Ungeimpften Personen wird seitens öffentlich Bediensteter mit Entlassung gedroht, mit Verweigerung medizinischer Hilfe etc. Für das Erledigen von Einkäufen (z.B. in Apotheken) oder für den Besuch von Kaffeehäusern ist ein Impfzertifikat erforderlich (CK 5.7.2021). Tschetschenien hat mit 65,64% eine der höchsten Impfquoten Russlands. 71,3% der über 60-Jährigen sind geimpft (Chechnya.gov 20.9.2021; vgl. ÖB Moskau 6.2021). Insgesamt sind in Tschetschenien 755 an COVID erkrankte Personen registriert (davon 346 Personen in stationärer Behandlung und 409 Personen in ambulanter Behandlung). Seit Anfang der Pandemie verstarben 568 Personen (Chechnya.gov 20.9.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.10.2021): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536, Zugriff 12.11.2021

?        Chechnya.gov – ????? ????????? ?????????? [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (20.9.2021): ?. ??????? ?????? ????????? ?? ?????? ? ?????????????? ????????? [R. Kadyrow hielt Sitzung zur Bekämpfung der Coronavirus-Infektion ab], http://chechnya.gov.ru/novosti/r-kadyrov-provel-soveshhanie-po-borbe-s-koronavirusnoj-infektsiej/, Zugriff 12.11.2021

?        CK – Caucasian Knot (5.7.2021): Week in the Caucasus: review of main events of June 28-July 4, 2021, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/56028, Zugriff 12.11.2021

?        CWRR – COVID-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (9.11.2021): ???????? ? ?OVID-19 ? ???????? [COVID-19-Situation in den Regionen], https://???????????????.??/information/, Zugriff 10.11.2021

?        CWRR – COVID-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.a): ????? ?????????? ??????? [FAQ], https://???????????????.??/faq/, Zugriff 5.10.2021

?        CWRR – COVID-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.b): ??? ? ?????????? ?????? COVID-19 [Alles über die COVID-19-Impfung], https://???????.???????????????.??/#faq27, Zugriff 5.10.2021

?        CWRR – COVID-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.c): ???? ????????? ??????? [Unternehmensunterstützungsmaßnahmen], https://???????????????.??/what-to-do/business/, Zugriff 5.10.2021

?        DS – Der Standard (30.9.2021): Höchstwert von 867 Corona-Toten in 24 Stunden in Russland, https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000130049914/redcontent/1000244645?responsive=false, Zugriff 12.11.2021

?        E-dag.ru – Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (12.11.2021): ?????????? ? ?????????? ?????????? ????????? ?????????? ???????? ?????? COVID-19 [Information über COVID-19-Impfung der Bevölkerung der Republik Dagestan], https://mydagestan.e-dag.ru/vaccination-against-covid-19/, Zugriff 12.11.2021

?        Gov.spb – ????????????? ?????-?????????? [St. Petersburger Verwaltung] [Russische Föderation] (12.11.2021): ?????????????????? ???????? 12.11.2021 [Epidemiologische Situation 12.11.2021], https://www.gov.spb.ru/covid-19/, Zugriff 12.11.2021

?        Gov.spb – ????????????? ?????-?????????? [St. Petersburger Verwaltung] [Russische Föderation] (30.8.2021): ???? ???????? [Kontrollmaßnahmen], https://www.gov.spb.ru/covid-19/mery-kontrolya/, Zugriff 12.11.2021

?        HB – Handelsblatt (29.10.2021): Russland entgleitet die Kontrolle in der Coronakrise, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-russland-entgleitet-die-kontrolle-in-der-coronakrise/27751164.html?ticket=ST-6229042-SkvjqKAObFUJcXv02wlz-cas01.example.org, Zugriff 15.11.2021

?        KM – Kommersant (21.7.2021): ? ????????? ????? ???????????? ?????????? ?? COVID-19 ??? ????????? ????????? ??????? [In Dagestan wurde COVID-19-Impfpflicht für einzelne Bürgergruppen eingeführt], https://www.kommersant.ru/doc/4909903, Zugriff 12.11.2021

?        LM – Le Monde (14.8.2021): Covid-19 dans le monde : nombre inégalé de morts en Russie, nouveau tour de vis à Sydney [Covid-19 weltweit: Unübertroffene Anzahl von Todesfällen in Russland, neue Einschränkungen in Sydney], https://www.lemonde.fr/planete/article/2021/08/14/covid-19-dans-le-monde-nombre-inegale-de-morts-en-russie-nouveau-tour-de-vis-a-sydney_6091433_3244.html, Zugriff 12.11.2021

?        Mos.ru – Offizielle Webseite des Moskauer Bürgermeisters [Russische Föderation] (21.10.2021): ???? ?????? ? ????????????? ? ?????? [Anti-Coronavirus-Maßnahmen in Moskau], https://www.mos.ru/city/projects/measures/, Zugriff 12.11.2021

?        Mos.ru – Offizielle Webseite des Moskauer Bürgermeisters [Russische Föderation] (o.D.a): ????????? ? ????????? ?????????? [Erst- und Zweitimpfung], https://www.mos.ru/city/projects/covid-19/privivka/, Zugriff 8.10.2021

?        Mos.ru – Offizielle Webseite des Moskauer Bürgermeisters [Russische Föderation] (o.D.b): ??????????? ?????? [Strafberufung], https://www.mos.ru/city/projects/covid-19/shtraf/, Zugriff 8.10.2021

?        ÖB Moskau – Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (6.2021): Asylländerbericht Russische Föderation, http://www.ecoi.net/en/file/local/2059888/RUSS_%C3%96B_Bericht_2021_06.docx , Zugriff 12.11.2021

?        RAD – Russian Analytical Digest (Nr. 263) / Anna Tarasenko (15.2.2021): Mitigating the Social Consequences of the COVID-19 Pandemic: Russia’s Social Policy Response, https://css.ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/gess/cis/center-for-securities-studies/pdfs/RAD263.pdf#page=12, Zugriff 12.11.2021

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (6.10.2021): Russia's COVID-19 Deaths Surpass 900 A Day For First Time, https://www.rferl.org/a/russia-900-covid-deaths-day/31495828.html, Zugriff 12.11.2021

?        Ria.ru – RIA Nowosti (6.10.2021): ?????????? ?? COVID-19 ? ?????? [COVID-19-Impfung in Russland], https://ria.ru/20210409/vaktsinatsiya-1727390452.html, Zugriff 12.11.2021

?        Ria.ru – RIA Nowosti (27.7.2021): ????? ?????? ???????????? ?????????? ??? ????????? ????????? ??????? [Tschetschenien führt Impfpflicht für einzelne Bürgergruppen ein], https://ria.ru/20210727/vaktsinatsiya-1743086194.html, Zugriff 12.11.2021

?        Russland-Analysen (Nr. 406) (20.9.2021): Covid-19-Chronik (2.8.-12.9.2021), https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/406/RusslandAnalysen406.pdf, Zugriff 12.11.2021

?        WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Russia – Overview, https://wiiw.ac.at/russia-overview-ce-10.html, Zugriff 12.11.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (8.11.2021): Coronavirus: Situation in Russland, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-russland.html, Zugriff 12.11.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (10.2021): Wirtschaftsbericht Russische Föderation, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/russische-foederation-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 12.11.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 15.11.2021

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.com 19.3.2018; vgl. FH 3.3.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 1.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 1.2021a; vgl. FH 3.3.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 3.3.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 1.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).

Der Föderationsrat ist als 'obere Parlamentskammer' das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 1.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 1.2021a; vgl. AA 1.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 1.2021a).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteienstärke gliedert sich nach den Wahlen von September 2021 wie folgt: Einiges Russland (324 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (57 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (21 Sitze), Gerechtes Russland (27 Sitze) und die neu gegründete Partei Neue Leute (13 Sitze). Alle in der Duma vertretenen Parteien gelten als dem Kreml nahestehend (BAMF 27.9.2021). Diese sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik (SWP 11.2018). Während Präsident Putin und die Zentrale Wahlkommission von einer 'freien und fairen' Abstimmung sprachen, bezeichnete die unabhängige Wahlrechtsorganisation Golos die Wahl mit Blick auf Berichte über massive Unregelmäßigkeiten als 'eine der schmutzigsten' in der Geschichte des Landes. Aufgrund der Wahlfälschungsvorwürfe kam es zu Demonstrationen und Festnahmen (BAMF 27.9.2021).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannt annektierten Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 1.2021a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ('exekutive Machtvertikale') deutlich (GIZ 1.2021a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung meist ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten Parteien waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer 'smarten Abstimmung' aufgerufen. Die Bürger sollten irgendjemand wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

Der Rat der Europäischen Union hat am 12.7.2021 beschlossen, die auf bestimmte Wirtschaftssektoren der Russischen Föderation abzielenden und wegen Destabilisierung der Ukraine verhängten Sanktionen um weitere sechs Monate bis zum 31.1.2022 zu verlängern (Rat der EU 12.7.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2021c): Russische Föderation – Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710, Zugriff 1.10.2021

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw39-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 28.9.2021

?        BTI - Bertelsmann Transformation Index (2020): BTI 2020 Country Report, Russia, https://bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RUS.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (5.2.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/russia/, Zugriff 16.2.2021

?        EASO – European Asylum Support Office [EU] (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 10.3.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html, Zugriff 16.2.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2020 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046536.html, Zugriff 5.3.2021

?        GIZ – Deut

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten