Entscheidungsdatum
06.12.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W240 2248895-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2021, Zl. 1288757102/211691052, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, ist am 09.11.2021 mit einem Flugzeug m Flughafen Wien-Schwechat angereist. Am selben Tag stellte er in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Als Grund für seinen Antrag auf internationalen Schutz gab er an: „Ich habe Probleme mit der syrischen Regierung, deshalb möchte ich hier um Asyl ansuchen.“
Im Zuge seiner Erstbefragung vom 09.11.2021 gab der BF an, in Österreich seien keine Familienangehörigen. Sein abgelaufener Reisepass liege im Akt, sein gültiger Reisepass sei bei den Behörden in Zypern. Er sei zwei Jahre lang in Zypern aufhältig gewesen und dann vier Tage in Rumänien, bevor er nach Österreich gelangt sei. In Zypern und Rumänien würden Migranten unmenschlich behandelt werden. In Zypern hätte man ihm Fingerabdrücke abgenommen, er habe unter Zwang einen Asylantrag stellen müssen, ansonsten wäre er nach Syrien abgeschoben worden. Er habe einen „einjährigen Aufenthalt bekommen, in ca. fünf Monaten laufe der Aufenthalt ab“ [sic]. Er wolle nicht nach Zypern zurück, weil er nicht menschlich behandelt worden sei.
Es wurden syrische Reisepässe des BF sichergestellt.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.11.2021 gab der BF nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters Folgendes an:
„(…)
LA: Sind Sie geistig und körperlich gesund?
VP: Ja.
LA: Stehen Sie in ärztlicher Behandlung? Nehmen Sie irgendwelche Medikamente?
VP: Ich habe nur am Knie ein bisschen Schmerzen, ich kann aber das Interview durchführen.
LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die an Sie gestellten Fragen wahrheitsgemäß und umfassend zu beantworten?
VP: Ja.
LA: Sollten sich für Sie im Verlauf der Einvernahme Unklarheiten ergeben, sollten Sie etwa eine Frage nicht richtig verstanden haben, oder bemerken, dass eine Ihrer Antworten offensichtlich von meiner Seite nicht richtig verstanden worden ist, können Sie jederzeit auch Gegenfragen stellen. Es soll in jedem Fall gewährleistet sein, dass eine fehlerfreie Kommunikation gegeben ist. Haben Sie das verstanden?
VP: Ja, Danke.
Anmerkung: Vor Beginn dieser Einvernahme erfolgte bereits am heutigen Tag eine Rechtsberatung der Verfahrenspartei durch die/den RechtsberaterIn – Uhrzeit 12:30 - 13:10, wozu der gesamte bisherige Akt zur Akteneinsicht überlassen worden ist.
LA: Haben Sie die Rechtsberatung verstanden?
VP: Ja.
LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung Ihrer Angaben, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) im Vorfeld ausgefolgt.
Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?
VP: Ja.
LA: Sie werden nun nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.
Es ist auch unumgänglich, dass Sie ohne unnötigen Aufschub Ihren Antrag auf internationalen Schutz begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.
In diesem Zusammenhang werden Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass Sie für den Fall, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen werden sollte, in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid neue Tatsachen und Beweismittel nur eingeschränkt vorbringen können (sog. Neuerungsverbot).
Anmerkung: Bedeutung bzw. Umfang dieses Neuerungsverbotes werden vom LA erklärt.
LA: Auf die Folgen von wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie hier und heute nochmals ausdrücklich hingewiesen.
Wenn Sie wissentlich falsche Angaben über Ihre Identität oder Herkunft machen, um die Duldung Ihrer Anwesenheit im österreichischen Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begehen Sie eine Verwaltungsübertretung nach dem FPG und können bestraft werden.
Sie werden auch nochmals darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie das Bundesamt über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten, trotz der dazu nun erfolgten Belehrung über die Folgen eines solchen Verhaltens, zu täuschen versuchen.
Ihnen wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, dass Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und unwahre Aussagen zur Abweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz wegen mangelnder Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens führen können.
Darüber hinaus werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ihren Angaben im Zulassungsverfahren hier in der EAST Flughafen eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt (Anmerkung: LA erklärt die Bedeutung dieser Bestimmungen).
Haben Sie diese Ausführungen verstanden?
VP: Ja.
Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird auf die Möglichkeit, Unterstützung durch die Mitarbeiter/innen der BBU hier am Flughafen zu finden, die Möglichkeit der Beiziehung eines Vertreters/Rechtsanwaltes, einer Vertrauensperson und auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR hingewiesen.
Wasser zu trinken wird bereitgestellt.
LA: Wenn Sie eine Pause benötigen, können Sie dies jederzeit verlangen.
VP: Ja.
LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der polizeilichen Erstbefragung am 09.11.2021 wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert? Wollen Sie etwas ergänzen?
VP: Ja ich habe die Wahrheit gesagt, es wurde rückübersetzt und möchte ergänzen. Im Mai 1982 war ich im Gefängnis in XXXX . Ich bin seit 36 Jahren und 8 Monaten auf der Flucht.
LA: Wie heißen Sie und wann und wo wurden Sie geboren?
VP: Mein Name ist XXXX und ich bin am XXXX / Syrien geboren.
LA: Sind Sie verheiratet? Wenn ja, wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Gattin?
VP: Ja ich bin verheiratet. Meine Frau heißt XXXX und ist 54 Jahre alt, sie ist marokkanische Staatsbürgerin. Auf Nachfrage, wir haben traditionell und registriert geheiratet. Ich glaube wir haben vor 12 Jahren geheiratet, 2009
LA: Wo befindet sich Ihre Frau?
VP: Sie lebt in Saudi-Arabien.
LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele? Nennen Sie den Namen und Geburtsdaten der Kinder.
VP: Ich habe 4 Söhne namens XXXX
Ein Teil der Kinder lebt in Syrien und ein paar in Saudi-Arabien.
LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat Syrien?
VP: Mein Bruder XXXX leben nach wie vor in Syrien. Meine Eltern sind bereits verstorben.
Ich habe noch zwei weitere Brüder in der Türkei, XXXX
LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen in Syrien den Lebensunterhalt?
VP: Mein ältester Sohn arbeitet und kümmert sich um diese. Ich habe auch 39 000 USD gehabt und meinen Kindern gegeben.
LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?
VP: Nein.
LA: Welche Schul- und Ausbildung haben Sie?
VP: Ich war acht Jahre in der Grundschule und habe danach als Seemann gearbeitet.
LA: Was haben Sie in Zypern gearbeitet – wovon gelebt?
VP: Ich habe ein paar Tage gearbeitet und danach haben sie mich entlassen. Auf Nachfrage, ich habe 7 000 USD gehabt. Ich habe 10 Tage in der Baubranche gearbeitet und 50 Euro verdient.
LA: Möchten Sie irgendwelche Beweismittel/Dokumente/ärztliche Befunde etc. vorlegen? Haben Sie Dokumente bei sich?
VP: Mein Militärheft.
Lt. auf VP 1979 war der letzte Aufschub vom Militärdienst, er wurde 10.04.1982 vom Militär entlassen.
Anm. Kopien in den Akt genommen.
Anm.: ein Reisepass, eine Einbandseite (syrischer Pass) sowie ein syrische ID Karte im Original wurden durch die Sicherheitsbehörde sichergestellt und befinden sich im Akt.
LA: Wann haben Sie Ihren Entschluss zur Ausreise gefasst?
VP: Aus Syrien bin am 21.01.1985 in Syrien, danach war ich in Griechenland, dort war ich bis 1992, dann weiter nach Ägypten bis 1996, danach Türkei ein paar Tage und dann nach Saudi Arabien, ca. 23 Jahre war ich dort, dann Ruanda Afrika 5-6 Monate, wollte dort ein Geschäft machen und von dort in die Türkei, dann nach Zypern.
LA: Nennen Sie mir den Weg Ihrer Ausreise? Wer hat das Ticket besorgt und wie? Wie erfolgte Ihre Ausreise legal oder illegal?
VP: Ohne Schlepper, ich bin legal ausgereist. Ich habe noch immer die Asylkarte von Zypern. Auf Nachfrage, ich habe diese weggeschmissen. Auf Nachfrage, im Flugzeug nach Österreich habe ich die Karte weggeschmissen. Mein gültiger syrischer Reisepass ist in Zypern, bei den Behörden.
LA: Sie haben bereits in Zypern um Asyl angesucht!
VP: Ja, Zypern. Ich habe alle Unterlagen dort gelassen. Auf Nachfrage, 21.11.2019.
LA: Welchen Status haben Sie auf Zypern?
VP: Nach 8 Monaten habe ich ein Jahr bekommen. Die haben mir gedroht, wenn ich keinen Titel bekomme, schieben sie mich zurück nach Syrien.
LA: Warum sind Sie jetzt von Zypern nach Österreich gekommen?
VP: Ich habe kein besseres Land gefunden, es ist modern und schön. Ich wollte zuerst in die Niederlande, da dort die Familienzusammenführung leichter ist als in Österreich. Ich bin seit 3 Jahren weg von meinen Kindern.
LA: Warum haben Sie in Zypern keine Familienzusammenführung gemacht?
VP: Es gibt das dort nicht.
LA: Was hat Ihnen in Zypern nicht gepasst und weswegen Sie nun nach Österreich gekommen sind?
VP: Der Rassismus dort. Keine Gerechtigkeit. Ich bin seit 36 Jahren auf der Flucht.
LA: Sie gaben an, dass Sie in Zypern einen Asylantrag gestellt haben und eine Schutzstatus erhielten. Es wird Ihnen mitgeteilt, dass das Bundesamt gemäß der Dublin-Verordnung Konsultationen in Form einer Anfrage mit Zypern führt.
§ 28 Mitteilung wird ausgefolgt – VP verweigert die Unterschrift, LA, RB und Dolmetscher unterschreiben.
Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen. Der VP wird das weitere Vorgehen erklärt – Konsultationsverfahren mit Zypern und in weitere Folge ein § 4a Bescheid.
Sie haben bereits einen Schutzstatus, es ist nicht möglich, dass Sie in verschiedenen Ländern einen Asylantrag stellen, obwohl Sie bereits einen Schutzstatus haben.
VP: Nein, ich will das nicht. Ich mache Beschwerde. Bin ich jetzt nicht in Österreich.
LA: Erklärt den Sondertransitbereich.
VP: Ich werde von Zypern nach Syrien abgeschoben.
LA erklärt der VP die Dublinregelung und dass er nicht nach Syrien abgeschoben wird.
LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?
RB: Nein.
LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundesgebiet NICHT gestattet wie bereits ausgeführt, wird ein Konsultationsverfahren mit Zypern geführt. Sie erhalten danach einen Bescheid und haben eine Woche Rechtsmittelfrist, danach das Bundesverwaltungsrecht 2 Wochen Frist zur Entscheidung.
VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.
VP: Wo sind die Menschenrechte?
LA: Sie haben einen Schutz bereits erhalten.
LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?
VP: Ja.
RB: Erklärt VP, dass dieser in der Beschwerde alles anführen kann, was ihn stört.
LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?
VP: In Zypern ist es nicht sicher. Es kommen syrische Besucher und ich bin nicht sicher dort.
LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?
VP: Habe ich gut verstanden.
LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
VP: Ja.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es hat alles gepasst.
(…)“
Das BFA richtete ein auf Dublin-III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Zypern. Mit Schreiben vom 16.11.2021 teilte Zypern den österreichischen Behörden mit, dass eine Zuständigkeit Zyperns für das Asylverfahren betreffend den BF aufgrund der Dublin-III-VO nicht besteht, weil dem BF in Zypern der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, er habe bis zum 15.07.2022 einen Aufenthaltstitel („valid residence permit until 15.07.2022“)
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 19.11.2021 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der BF nach Zypern zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Zypern gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Die Feststellungen zur Lage in Zypern im vorzitierten Bescheid gestalten sich wie folgt:
(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 26.03.2018)
Allgemeines zum Asylverfahren
Der Asylum Service ist als Fachabteilung des zypriotischen Innenministeriums für das Führen von Asylverfahren in 1. Instanz zuständig. Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit mehrstufiger Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2018; vgl. MoI 15.3.2018). Zwischen Antrag und Asylinterview können 1-2 Jahre liegen. Daher wurde Zypern 2017 von EASO-Experten unterstützt, was die Verfahren beschleunigte. Die Beschwerdemöglichkeiten werden - bei fehlender Rechtsvertretung - als nicht sehr aussichtsreich beschrieben. In diesem Zusammenhang wird der Zugang zu staatlicher Rechtshilfe als ineffektiv kritisiert (AIDA 2.2018; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2018): National Country Report Cyprus, provided by Cyprus Refugee Council and edited by European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_cy_2017update.pdf, Zugriff 5.3.2017
- MOI – Ministry of Interior (15.3.2018): Asylum Service, http://www.moi.gov.cy/moi/asylum/asylumservice.nsf/asylumservice10_gr/asylumservice10_gr?OpenDocument, Zugriff 16.3.2018
Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die jeweils für weitere drei Jahre verlängerbar ist. Subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die jeweils für weitere zwei Jahre verlängerbar ist. Bei der Verlängerung der Aufenthaltstitel kommt es regelmäßig zu Verzögerungen, was zu Problemen beim Zugang zu einigen Leistungen führen kann – Zugang zu medizinischer Versorgung, Schulbildung und zum Arbeitsmarkt sind aber weiterhin gegeben. Nach fünf Jahren Aufenthalt in der Republik Zypern und der Erfüllung bestimmter anderer Kriterien, haben Schutzberechtigte Anspruch auf eine Langzeitaufenthaltsgenehmigung. Genaue Daten liegen nicht vor, aber es sieht so aus als hätte seit der Einführung dieser Möglichkeit im Jahr 2007, erst ein Betroffener einen Langzeitaufenthalt bekommen. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft ist frühestens nach fünf bis sieben Jahren dauerndem Aufenthalt möglich. 20-30 Flüchtlinge erhielten eine solche im Jahr 2016 (AIDA 2.2018). Schutzberechtigte dürfen ab Statuszuerkennung zu denselben Bedingungen arbeiten wie Staatsbürger (AIDA 2.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Nach der Zuerkennung des Schutztitels ist theoretisch unbegrenzt der weitere Aufenthalt im Unterbringungszentrum für Asylwerber möglich. Privater Wohnraum muss eigenverantwortlich gesucht werden und es gibt keine einschlägigen staatlichen Unterstützungsmechanismen für Schutzberechtigte. Nahezu alle Schutzberechtigten sind darauf angewiesen nach Zuerkennung des Schutzstatus finanzielle Hilfe durch das nationale Guaranteed Minimum Income (GMI) zu beantragen. Wenn die Schutzberechtigten noch im Asylwerberzentrum untergebracht sind, wird der Antrag priorisiert. Das GMI übernimmt Wohnkosten aber erst dann, wenn bereits Wohnraum gemietet wurde, kann also nicht verwendet werden um Anzahlungen oder Kautionen zu leisten – dafür müssen die Schutzberechtigten ihre monatlichen Handgelder zur Deckung des persönlichen Bedarfs aufwenden. Daher bleiben Schutzberechtigte in der Praxis oft noch für Monate im Zentrum. Es sind aber keine Fälle bekannt, in denen Schutzberechtigte aus dem Zentrum geworfen worden wären, bevor sie eine Wohnmöglichkeit gefunden hatten (AIDA 2.2018). Es gibt praktisch keine Übergangsunterstützung für Asylwerber, die einen Schutztitel erhalten. Für bereits im Asylverfahren privat Untergebrachte, kann dies zu einer Lücke in der Unterstützung führen und daher ein Obdachlosigkeitsrisiko bergen (UNHCR 4.2017). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 15 Die Sprachbarriere, finanzielle Schwierigkeiten, hohe Mieten und hohe Arbeitslosigkeit sind Probleme beim Zugang zu Wohnraum. Schutzberechtigte haben denselben Zugang zum Bildungssystem und zum Gesundheitssystem wie Staatsbürger. Das bedeutet, dass beim Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen Behandlungsgebühren anfallen, die in den ersten drei Jahren höher sind. Frühestens nach drei Beitragsjahren in der Sozialversicherung wird eine Gesundheitskarte ausgestellt und sinken somit die Gebühren auf den Mindestbetrag (3-6 Euro pro Arztbesuch; 0,50 Euro pro verschriebenes Medikament; maximal aber 10 Euro. Notfallbehandlung mit Karte ist kostenfrei, ohne Karte 10 Euro Gebühr). Die signifikant höheren Gebühren in den ersten drei Beitragsjahren, von denen einzelne Gruppen wie etwa Schwangere, Arbeitslose und chronisch Kranke ausgenommen sind, werden als Zugangshindernis betrachtet (AIDA 2.2018). Quellen: - AIDA – Asylum Information Database (2.2018): National Country Report Cyprus, provided by Cyprus Refugee Council and edited by European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_cy_2017update.pdf, Zugriff 5.3.2017 - UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (4.2017): Reception Conditions For Asylum-seekers in the Republic of Cyprus, www.unhcr.org.cy/fileadmin/user_upload/Images/
ReceptionConditionsRecommendations.pdf, Zugriff 23.3.2018 - USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cyprus, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395381.html, Zugriff 15.3.2018
Die Behörde führte begründend aus, dass die Identität aufgrund des syrischen Reisepasses – der abgelaufene Reisepass sei in Österreich vorgelegt worden - fest. Der BF schildere, er habe seine zypriotische Karte für subsidiär Schutzberechtigte im Flugzeug am Weg nach Österreich weggeschmissen. Sein gültiger syrischer Reisepass befinde sich bei den Behörden in Zypern. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass der BF an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Aus der Meldung Gesundheitszustand/SOT vom 10.11.2021, ergebe sich, dass er keine lebensbedrohenden Erkrankungen angegeben habe. Er habe eine Knieverletzung und würde zwei Mal täglich Medikamente einnehmen. Die Feststellung, wonach ihm am 28.05.2021 der subsidiäre Schutz zuerkannt worden sei, mit der Gültigkeit bis 15.07.2022, ergebe sich aus der Mitteilung der zypriotischen Behörden vom 16.11.2021, welche dem Bundesamt vorliege. Es seien aufgrund der Angaben des BF keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Zypern Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass dem BF eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Dem BF sei die Einreise in das österreichische Bundesgebiet nicht gestattet worden. Er verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Aus dem vorliegenden Sachverhalt habe sich die Zuständigkeit Zyperns für das Asylverfahren des BF ergeben. Nachdem sich weiters keine Gründe für einen Selbsteintritt und eine inhaltliche Prüfung seines Vorbringens durch das Bundesamt ergeben hätte, stehe im gegenständlichen Fall die Zulassung einer zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen. Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums beziehe, führte das BFA aus, dass diese - aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse im Mitgliedstaat Zypern - nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können. Aus den Angaben des BF seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass der BF tatsächlich konkret Gefahr liefe, im Mitgliedstaat Zypern Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
3. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, der BF lebe seit 2019 als subsidiär Schutzberechtigter in Zypern, seine letzte gültige Aufenthaltsberechtigung sei seit 28.05.2021 bis 15.07.2022 gültig. Er sei in Zypern in der Baubranche tätig gewesen. Er sei legal von Zypern nach Österreich gereist und habe am 09.11.2021 gegenständlichen Antrag eingebracht. Der BF habe in Zypern in einer menschenunwürdigen Unterkunft gelebt und habe auch nicht ausreichend Zugang zum Sozialsystem erhalten oder zur notwendigen medizinischen Versorgung. Es sei ihm auch die Familienzusammenführung verweigert worden. Der BF leide an Schmerzen aufgrund seiner Knieverletzung sowie Herzproblemen und fürchte, dass sein Schutzstatus in Zypern nicht verlängert werde. Er fürchte, obdachlos zu werden und dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtere sowie dass er dann keine hinreichende Versorgung in Zypern erhalte. Das BFA hätte sich mit der tatsächlichen Situation in Zypern auseinandersetzen müssen. Es habe keine Einzelfallprüfung stattgefunden, ob dem BF in Zypern eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in Zypern seien unvollständig und veraltet. Zitiert wurde ein Bericht der Cyprus Refugee Council vom April 2021, wonach Schutzberechtigte in Zypern Schwierigkeiten beim Zugang von Wohnraum und einem Risiko von Obdachlosigkeit ebenso wie Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Sozialsystem hätten. Hätte das BFA ein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt, wäre es zum Schluss gelangt, dass eine Abschiebung des BF nach Zypern eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde. Ohne auf die Situation in Zypern näher einzugehen, sei das BFA zum Schluss gelangt, dass in Zypern ausreichend Versorgung für Schutzberechtigte gewährleistet sei. Der BF wäre im Fall der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, in eine iSd Art. 3 EMRK relevanten Notlage zu geraten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Stattgebung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG) idgF lauten:
§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.
…
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
…
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl.Nr.79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/18/0049 vom 03.05.2016) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich dem § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut der soeben zitierten Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener nach § 4 AsylG 2005- keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann (Hinweis E vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0483; vgl. auch ErlRV 952 BlgNR 22. GP 33), stellt § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen würde können oder ihm etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könne, ist daher gemäß § 4a AsylG nicht zu prüfen.
Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO (VwGH Ra 2016/19/0072, 30.06.2016 mit Hinweis auf Ra 2016/18/0049, 03.05.2016).
Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung.
Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass dem BF in Zypern der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass im nunmehr angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen betreffend Schutzberechtigte in Zypern wiedergegeben wurden, welche über dreieinhalb bis vier Jahr alt sind. Beweiswürdigend wurde vom BFA zur Lage im Mitgliedstaat ausgeführt, es seien aufgrund der Angaben des BF keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Zypern Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass dem BF eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde insbesondere auch ausgeführt, dass der BF an Schmerzen aufgrund seiner Knieverletzung sowie Herzproblemen leide und er fürchte, dass sein Schutzstatus in Zypern nicht verlängert werde. Er fürchte, obdachlos zu werden und dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtere sowie dass er dann keine hinreichende Versorgung in Zypern erhalte.
In der Beschwerde wurde diesbezüglich insbesondere moniert, das BFA hätte sich mit der tatsächlichen Situation in Zypern auseinandersetzen müssen, was jedoch nicht erfolgt sei. Es habe keine Einzelfallprüfung stattgefunden, ob dem BF in Zypern eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in Zypern seien unvollständig und veraltet und wurde in der Beschwerde ein aktuellerer Bericht der Cyprus Refugee Council vom April 2021 zitiert, wonach Schutzberechtigte in Zypern Schwierigkeiten beim Zugang von Wohnraum und einem Risiko von Obdachlosigkeit ebenso wie Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Sozialsystem hätten.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die aktuelle Medienberichterstattung zu verweisen, wonach Zypern angegeben hatte, die Bearbeitung von Asylanträgen aufgrund der angespannten Situation, vor allem wegen der gewaltigen Masse an Migranten, welche nach Zypern kommen, auszusetzten. Vor diesem Hintergrund ist im gegenständlichen Fall, insbesondere auch, weil es sich beim BF um einen 64jährigen Mann mit behaupteten gesundheitlichen Beschwerden handelt, festzuhalten, dass keine aktuellen Feststellungen zur Situation von Schutzberechtigten gegenständlicher Entscheidung zugrunde liegen und der entscheidungswesentliche Sachverhalt daher nicht hinreichend festgestellt wurde.
Zusammenfassend kann auf der dem BVwG zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Sachverhaltsgrundlage keineswegs mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass für den BF nach einer Überstellung nach Zypern aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit das Risiko gegeben sein könnte, sich in einer Situation extremer materieller Not zu befinden (vgl. EuGH 19.03.2019, C-298/17 ua, Ibrahim) und damit eine Gefahr einer Verletzung der EMRK, insbesondere des Art. 3, drohen könnte.
Aus dem Gesagten folgt, dass fallgegenständlich der entscheidungsrelevante Sachverhalt jedenfalls unzureichend ermittelt wurde, sodass mit Behebung der Entscheidungen nach
§ 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG vorzugehen war.
Im fortgesetzten Verfahren ist sohin eine auf den BF bezogene Abklärung der aktuellen tatsächlichen Unterbringungs- und Versorgungslage unter Mitberücksichtigung allfälliger sich aus der gegenwärtigen Corona-Pandemie ergebender zusätzlich erschwerender Bedingungen vorzunehmen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben. Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation medizinische Versorgung Mitgliedstaat real risk Rechtsschutzstandard subsidiärer Schutz Versorgungslage VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2248895.1.00Im RIS seit
08.02.2022Zuletzt aktualisiert am
08.02.2022