TE Bvwg Beschluss 2021/12/13 W240 2239803-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.12.2021
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Entscheidungsdatum

13.12.2021

Norm

AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2

Spruch


W240 2239805-1/12E
W240 2239803-1/12E
W240 2239807-1/11E
W240 2239806-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von XXXX , alle StA. Syrien, alle vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2021,
Zlen 1.). 1273164604/210038741, 2.) 1273165405/210038750, 3.) 1273163705/210038784 und 4.) 1273163901/210038776 beschlossen:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2239805-1 ist der Vater und die Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2239803-1 ist die Mutter der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin zu W240 2239807-1 und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin zu W240 2239806-1. Alle Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer reisten am 28.12.2020 in Österreich ein und stellten am 11.01.2021 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Betreffend die Beschwerdeführer liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 10.01.2017 hinsichtlich Griechenland vor.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.01.2021 brachte der Erstbeschwerdeführer insbesondere vor, dass neben der Zweit- bis Viertbeschwerdeführerin in Österreich noch eine volljährige Tochter und ein volljähriger Sohn leben würden namens XXXX , in Deutschland lebe noch eine volljährige Tochter. Er leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern würden oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würde. Er habe geplant nach Österreich zu gelangen, weil ein nunmehr volljähriger Sohn und eine nunmehr volljährige Tochter in Österreich leben würden. Sein syrischer Reisepass sei ihm von den syrischen Behörden abgenommen worden. Er sei in Griechenland vier Jahre und drei Monate aufhältig gewesen. Er sei in Griechenland Asylberechtigter, die Unterlagen habe er in Griechenland gelassen, er habe nur seine griechische Asyl-Berechtigungskarte und den griechischen Konventionsreisepass mit. In Griechenland habe er ebenso wie seine Familie kein Essen und keine medizinische Versorgung erhalten. Es habe keine Menschlichkeit und Gerechtigkeit in Griechenland gegeben. Nach seinem Aufenthalt in Griechenland ab 14.10.2016 bis 28.12.2020 sei er mit der Familie mit dem Flugzeug nach Wien geflohen. Er wolle in Österreich bleiben, weil zwei seiner volljährigen Kinder in Österreich seien.

Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.01.2021 gleichlautende Angaben wie ihr Ehemann und brachte im Wesentlichen vor, sie würde an keinen Krankheiten oder Beschwerden leiden, welche sie an der Einvernahme hindern würden, sie könnte der Einvernahme ohne Probleme folgen. Sie habe den Herkunftsstaat im Jahr 2012 illegal verlassen und wäre über die Türkei und Griechenland nach Österreich gereist. In Griechenland habe sie sich mit ihren Familienangehörigen vier Jahre und drei Monate aufgehalten. Sie habe in Griechenland einen Asylantrag gestellt und es sei ihr in Griechenland der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Mit dem Flugzeug sei sie am 28.12.2020 zusammen mit ihrem Ehemann und den beiden minderjährigen Töchtern nach Österreich gereist. In Österreich würden sich zwei weitere volljährige Kinder namens XXXX aufhalten.

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 28.01.2021 die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA. Dabei erklärte, dass er damit einverstanden sei, dass die Zweitbeschwerdeführerin für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer spreche. Das Sorgerecht hätten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam. Er gab an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er nehme Medikamente gegen erhöhten Blutdruck und habe aufgrund eines Bandscheibenvorfalls vor fünf oder sechs Jahren Probleme mit den Bandscheiben. In Griechenland sei er bei einem Arzt in Behandlung gewesen, einen Folgebehandlungstermin habe er trotz Nachfrage nie bekommen. In Österreich sei er nicht bei einem Arzt gewesen. Seine Angaben im Zuge der Erstbefragung hätten der Wahrheit entsprochen und er wolle nichts korrigieren. Eine seiner Töchter lebe in Berlin, in Österreich würden seit zwei Jahren eine weitere Tochter und seit fünf Jahren ein Sohn leben. Beide seien anerkannte Flüchtlinge. Persönlich habe er seine Kinder seit der Ankunft in Österreich noch nicht getroffen. Kontakt habe er ein- bis zweimal pro Woche telefonisch gehalten. Sein Sohn habe die Beschwerdeführer finanziell überstützt bevor sie nach Österreich gekommen seien. Die Beschwerdeführer seien nicht von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer bzw. von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder einer gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen. Nach Vorhalt, dass die Beschwerdeführer in Griechenland anerkannte Flüchtlinge seien und beabsichtig werde sie dorthin zu überstellen, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er lieber hier sterbe, als nach Griechenland zurückzugehen. Die Beschwerdeführer seien gezwungen worden, ihre Fingerabdrücke abzugeben, andernfalls hätte man sie in die Türkei geschickt. In Griechenland hätten sie sich vier Jahre und drei Monate aufgehalten und auf eine Gelegenheit gewartet nach Österreich zu kommen. Sie hätten zwei Jahre auf Ausweise gewartet. Er habe in Griechenland nicht versucht Arbeit zu finden, da er wegen seines Rückens nicht arbeiten könne und sie gleich nach Erhalt ihrer Ausweise das Land verlassen hätten. Das Camp in Griechenland sei abgebrannt, wobei den Beschwerdeführern nichts passiert sei. Darüber hinaus sei es zu keinen den Erstbeschwerdeführer persönlich betreffenden Vorfällen gekommen. Nach Österreich seien die Beschwerdeführer gereist, da hier zwei Kinder des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin leben würden. Zu dem Länderinformationsblatt gab der Erstbeschwerdeführer an, dass Flüchtlinge in Griechenland wie Tiere behandelt werden würden. Nach der Zuerkennung des Asylstatus habe sich die Lage nicht verbessert. Als er einmal ohnmächtig geworden sei, habe sich niemand um ihn gekümmert und die gerufene Rettung sei nie gekommen.

Betreffend den BF1 wurden folgende Unterlagen zusammen mit Bestätigungen über den Flug am 28.12.2020 nach Österreich vorgelegt (AS 23ff im Akt der BF1):

?        syrische ID-Card

?        griechischer Aufenthaltstitel, gültig bis XXXX .2023,

?        griechischer Konventionspass, gültig ab XXXX 2020 bis XXXX 2025,

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 28.01.2021 die niederschriftliche Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA. Dabei gab sie an, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie sei die Mutter der Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, spreche für diese und habe das Sorgerecht gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer. Sie leide seit fünf Jahren an Rheuma, nehme deshalb Cortison und Vitamine und sei in Griechenland bei einem Privatarzt in Behandlung gewesen. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen seien gesund und würden keine Medikamente benötigen. Ihre im Zuge der Erstbefragung vom 11.01.2021 getätigten Angaben würden der Wahrheit entsprechen, Korrekturen wolle sie keine vornehmen. Zwei ihrer Brüder würden in der Schweiz und eine Tochter in Deutschland leben. In Österreich würden seit 2015 ein Sohn und seit etwa zwei Jahren eine Tochter der Zweitbeschwerdeführerin leben. In Österreich hätte sie ihre im Bundesgebiet lebende Tochter und ihr Sohn jeweils einmal getroffen. Ihr Sohn hätte die Beschwerdeführer, bevor sie nach Österreich kamen, finanziell mit EUR 100 bis EUR 300 unterstützt. Die Beschwerdeführer seien in Österreich nicht von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer bzw. von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder einer gerichtlichen Verfügung betroffen gewesen. Nach Vorhalt, dass die Beschwerdeführer in Griechenland anerkannte Flüchtlinge seien und beabsichtigt werde sie dorthin zu überstellen, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie wegen ihrer Kinder hier sei. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen hätten in Griechenland keine Zukunft. Die Beschwerdeführer hätten sich vier Jahre und drei Monate in Griechenland aufgehalten und seien nicht früher nach Österreich gekommen, da sie lange auf ihre Pässe warten mussten. Das Geld für die Reise nach Österreich hätten sie sich zum Teil geliehen und zum Teil von Verwandten aus Syrien erhalten. Sie konkret betreffende Vorfälle habe es nicht gegeben. In Griechenland seien sie immer staatlich untergebracht gewesen. Sie wolle nun bei ihren Kindern bleiben.

Betreffend die BF2 wurden folgende Unterlagen vorgelegt (AS 23ff und AS 105ff im Akt der BF2):

?        syrische ID-Card

?        griechischer Aufenthaltstitel, gültig bis XXXX .2023,

?        griechischer Konventionspass, gültig ab XXXX 2020 bis XXXX 2025,

?        medizinische Unterlagen aus Griechenland samt Internetrecherche zum Medikament Prezolon, mit dem Wirkstoff Prenisolon (Wirkstoff hat hauptsächlich entzündungshemmende, antiallergische und Immunsuppressive Eigenschaften) und zum Medikament Filicine, 5 mg, mit dem Wirkstoff Folsäure (essentiell für die Syntheses von DNA und die Funktion des Zellkerns).

Zusammen mit den Dokumenten betreffend die volljährigen Beschwerdeführer wurde auch die Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung samt mündlicher Verkündung des Asylstatus betreffend den volljährigen Sohn XXXX vom XXXX .2018 zu W224 2144164-1 übermittelt (AS 117f im Akt der BF2). Der volljährige Sohn gab im Rahmen der Beschwerdeverhandlung insbesondere auch an, dass seine Familie in Griechenland sei und seine Großeltern in Syrien, zu diesen habe er keinen Kontakt. Konkret sei eine Schwester des Beschwerdeführers in Deutschland, wo diese mit ihrem Ehemann lebe, seine Eltern und drei seiner Schwestern würden in Griechenland, auf der Insel XXXX leben. Dort erhalte die Familie Unterstützung von einer deutschen Organisation, es sei ein Haus für die Familie gemietet worden und die Familie habe um Asyl angesucht.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 08.02.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzubegeben haben (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Griechenland traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros, Rhodos und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei, wird bei Personen, die nach dem 20. März 2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. (Für zusätzliche Informationen siehe Abschnitt 6.2 Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)). Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2019; für ausführliche Informationen zum Asylverfahren siehe folgende Quellen: AIDA 3.2019; vgl. MCP o.D.a; MCP o.D.b; USDOS 13.3.2019).

2019 gab es in Griechenland bis 30. Juni 30.443 Asylanträge (VB 21.8.2019).

Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren und Personal; der unhygienischen Zustände; der Überbelegung; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Inhaftierung in überfüllten Reception and Identification Centres (RIC) (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; UNHCR 4.2019).

Berichten zufolge wendet Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks an, besonders beim Fluss Evros, der die natürliche Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet, um Migranten vom griechischen Territorium fernzuhalten. Berichte verweisen auf die systematische Gewaltanwendung durch Strafverfolgungsbehörden im Grenzgebiet Evros, gefolgt von illegaler Abschiebung von Personen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können (GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019; AIDA 3.2019; DZ 24.3.2019). In diesem Zusammenhang wurde keine ordnungsgemäße offizielle Untersuchung eingeleitet. Eine vom Ombudsmann eingeleitete Untersuchung von Amts wegen vom Jahr 2017 ist immer noch nicht abgeschlossen (AIDA 3.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es gibt auch Berichte über Push-Backs, Gewalt, Diebstähle und Misshandlung durch uniformierte und maskierte Truppen ohne erkennbare Insignien (CoE-PACE 8.6.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es kommt zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge, Migranten und deren Verteidiger. Auf den Inseln nimmt die fremdenfeindliche Rhetorik in den lokalen Gemeinschaften zu. Eine Polizeistatistik vom März 2018 zeigt einen deutlichen Anstieg an Hassverbrechen im Vergleich zum Vorjahr (UNHCR 21.3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; EK 7.9.2018; BPB 30.3.2019).

Seit Mai 2019 verzeichnet Griechenland einen unerwarteten Anstieg von Geflüchteten, die aus der Türkei eingereist sind (DZ 9.8.2019). Einem Bericht vom Juli 2019 zufolge waren die Kapazitäten in den Hotspots erneut auf Rekordniveau, die Ankünfte überstiegen die Transfers auf das Festland mehrere Wochen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem ausgelastete Kapazitäten am Festland und mangelnde Rückführungen in die Türkei (VB 23.7.2019). Mit 29. August 2019 betrug die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten auf den Inseln 24.672, der höchste Stand seit drei Jahren. Schließlich wurde am 31. August 2019 die Entlastung der Inseln durch Transfers der Betroffenen in bereits bestehende Unterkünfte auf dem Festland entschieden. Am 2. September 2019 begann der Transfer von 1.500 Migranten aus Lesbos zum Lager Nea Kavala im Norden Griechenlands (ÖB 2.9.2019; vgl. NCCBCIA 30.8.2019; EK 30.8.2019; UNHCR 26.8.2019). Die Rückführung in die Türkei auf der Basis des Sicherer-Drittstaat-Prinzips kann nur von den Inseln aus stattfinden. Die Rücknahmeverpflichtung der Türkei endet, wenn Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt werden (DS 4.9.2019; vgl. DW 2.9.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (20.3.2019): Current Developments in Greece‘s Refugee and Asylum Policy, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/287927/current-developments-in-greece-s-refugee-and-asylum-policy, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],

https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-        DS – Der Standard (4.9.2019): Ausschreitungen in überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, https://www.derstandard.at/story/2000108241874/ausschreitungen-in-ueberfuelltem-fluechtlingslager-auf-lesbos, Zugriff 26.9.2019

-        DW – Deutsche Welle (2.9.2019): Griechenland verlegt über tausend Flüchtlinge, https://www.dw.com/de/griechenland-verlegt-%C3%Bcber-tausend-fl%C3%Bcchtlinge/a-50261110, Zugriff 26.9.2019

-        DZ – Die Zeit (9.8.2019): Griechenland will Migranten schneller in die Türkei abschieben, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration, Zugriff 26.9.2019

-        DZ – Die Zeit (24.3.2019): Im Freien gefangen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-tuerkei-abkommen-griechenland-gefluechtete-fluechtlingslager, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Ekathimerini (30.8.2019): Greece sees first mass arrival of migrant boats in three years, http://www.ekathimerini.com/244080/article/ekathimerini/news/greece-sees-first-mass-arrival-of-migrant-boats-in-three-years, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Ekathimerini (7.9.2018): Two migrant teens attacked in northern Greece, NGO reports, http://www.ekathimerini.com/232394/article/ekathimerini/news/two-migrant-teens-attacked-in-northern-greece-ngo-reports, Zugriff 26.9.2019

-        GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor) (6.2019): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece,

https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html, Zugriff 26.9.2019

-        MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.a): Applying for asylum, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=62, Zugriff 26.9.2019

-        MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.b): Asylum in Greece, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=103, Zugriff 26.9.2019

-        NCCBCIA – National Coordination Center for Border Control, Immigration and Asylum (30.8.2019): National Situational Picture Regarding the Islands at Eastern Aegean Sea (29/8/2019), https://infocrisis.gov.gr/5593/national-situational-picture-regarding-the-islands-at-eastern-aegean-sea-29-8-2019/?lang=en, Zugriff 26.9.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (2.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (26.8.2019): Aegean Islands – Weekly Snapshot 19-25 August 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71021, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (21.3.2019): Refugees in Greece still exposed to racist violence, https://www.unhcr.org/gr/en/11282-refugees-in-greece-still-exposed-to-racist-violence.html, Zugriff 26.9.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

-        VB des BM.I Griechenland (21.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I Griechenland (23.7.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Aktuelle Entwicklungen des griechischen Asylgesetzes (seit Ende 2019)

Letzte Änderung: 19.3.2020

Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit eine Verschärfung des Asylgesetzes beschlossen. Die weitreichende Asylgesetzgebung soll ab Anfang 2020 gültig sein. Einige der wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst:

-        Verfahren in 5 Stufen: 1.) Information 2.) Aufenthalt in Aufnahmezentren 3.) Registrierung und medizinische Kontrolle (Vulnerabilität führt zu prioritärem Verfahren, hat aber keine substanzielle Auswirkung auf den Asylantrag) 4.) „neues Asylverfahren“ 5.) Beförderung entweder auf das Festland (vulnerable Personen) oder in Rückführungszentren.

-        Aufnahmephase: Bei Nichtbeachtung von Überstellungsentscheidungen erfolgt eine automatische Zuweisung ins Rückführungsverfahren; der Antrag wird innerhalb von drei Tagen abgewickelt; ebenso gilt dies bei einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln in den Hotspots.

-        Verfahrensdauer: Laut dem neuen Gesetz beträgt das reguläre Asylverfahren 6 Monate (+ 3 Monate bei Massenzustrom), das beschleunigte Verfahren 20 Tage (+ 10 Tage bei Massenzustrom) und das Schnellverfahren (Fast-Track) auf den Inseln 7 Tage. Folgeanträge werden innerhalb von 5 Tagen geprüft.

-        Subsidiärer Schutz: Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis bei Gewährung von subsidiären Schutz wurde von drei Jahren auf ein Jahr gekürzt.

-        Beschwerdefristen: Zukünftig betragen die Beschwerdefristen beim regulären Asylverfahren 3 Monate, beim beschleunigten Verfahren 40 Tage, bei Unzulässigkeit 30 Tage, bei Beschwerden von Inhaftierten 20 Tage.

-        Zugang zu Beschäftigung wird erst nach 6 Monaten nach Einbringung des Asylantrags gewährt.

-        Haft: Das Gesetz sieht vor, dass Flüchtlinge „ausnahmsweise und aus bestimmten Gründen“ für 50 Tage in Haft gehalten werden können, die verlängert werden kann, aber nicht länger als 18 Monate dauern darf.

-        Aufenthaltsrecht: Ein Aufenthaltsrecht in Griechenland besteht nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der ersten Beschwerdeinstanz, ein Verfahren in der zweiten Instanz hat keine aufschiebende Wirkung für die Rückführung.

-        Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses: Im bisherigen System setzten sich die Beschwerdeausschüsse für abgelehnte Asylwerber aus zwei griechischen Richtern und einem vom UNHCR ausgebildeten unabhängigen Sachverständigen im Flüchtlingsrecht zusammen. Die Ausschüsse sollen zukünftig aus drei Verwaltungsrichtern bestehen. Weiters kann eine Einzelrichterkonstellation beispielsweise für beschleunigte Verfahren angewendet werden.

-        Unbegleitete Minderjährige/Vulnerable: Das neue Gesetz sieht vor, dass das beschleunigte Verfahren auf unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen angewendet werden kann. Es gibt Änderungen bei der Definition der Familienangehörige, die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung bedeuten können. Weiters wurde das Vulnerabilitätskriterium Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (inklusive Überlebende von Schiffsbrüchen) gestrichen.

-        Zugang zu medizinischer Versorgung: Ab 2020 werden Asylwerber nur noch Zugang zur Notfallversorgung haben.

-        Unterbringung: Die neue Regelung sieht vor, dass anerkannte Flüchtlinge gezwungen werden, ihre Unterkunft innerhalb von zwei Monaten statt den bisherigen sechs Monaten nach Schutzgewährung zu verlassen.

-        Verpflichtung der Bewerber zu persönlicher Vorsprache bei jedem Schritt des Asylverfahrens: so soll sicherstellen, dass sich der Asylwerber in der zugewiesenen Region aufhält.

-        NGOs: die am System beteiligten NGOs müssen künftig eine Zertifizierung besitzen (ÖB 23.10.2019a; vgl. AI 24.10.2019; DZ 1.11.2019; EK 22.10.2019; GGHR 1.11.2019; ECRE 31.10.2019; HRW 29.10.2019; TNH 4.11.2019; UNHCR 24.10.2019; MoCP 11.11.2019).


1.         UNHCR, der Ombudsmann, die Nationale Menschenrechtskommission, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Athener Anwaltskammer zeigten sich tief besorgt über das Ziel der Gesetze, über die Vereinbarkeit ihrer Bestimmungen mit dem nationalen und internationalen Recht und den Verwaltungsdruck, den die Gesetze auf die Asylbehörden ausüben können. Oppositionsparteien (SYRZIA, KINAL, KKE) äußerten bei den Diskussionen im Parlamentsausschuss am 29.10.2019 ähnliche Bedenken (ECRE 31.10.2019; vgl. ÖB 23.10.2019a; ÖB 23.10.2019b; BI 1.11.2019; HRW 29.10.2019; UNHCR 24.10.2019).


2.         Die Opposition sowie NGOs hatten auch Kritik an der Begutachtungsfrist geübt, die mit vier Arbeitstagen sehr kurz bemessen war. Die kurze Frist zur öffentlichen Konsultation des Gesetzesentwurfs wurde von der Nationalen Kommission für Menschenrechte ebenfalls kritisiert, die die Regierung in Menschenrechtsfragen berät (ÖB 23.10.2019a; vgl. UNHCR 24.10.2019).

Kommentar der Staatendokumentation: Die weiteren praktischen Auswirkungen ab 1.1.2020 werden beobachtet und es wird gegebenenfalls mittels KI reagiert.

Die griechische Regierung hat als Reaktion auf die aktuelle Lage an der griechisch-türkischen Grenze am 2. März 2020 ein Notstandsgesetz erlassen. Gemäß den neusten Bestimmungen wird die Registrierung von Asylanträgen irregulär eingereister Personen ab dem 1. März 2020 voraussichtlich für einen Monat ausgesetzt (ELENA 6.3.2020; vgl. FIDH 5.3.2020; DS 1.3.2020). Darüber hinaus sieht das Gesetz die sofortige Rückkehr irregulär eingereister Personen in ihr Herkunftsland oder in ein Transitland vor, wenn es möglich ist (dabei ist es jedoch noch unklar, wie die Aussage „wenn es möglich ist“ von den griechischen Behörden interpretiert wird) (AI 2.3.2020; vgl. FIDH 10.3.2020). Zudem soll die illegale Einreise scharf sanktioniert werden (PA 4.3.2020). Berichten zufolge haben beispielsweise die Gerichte bereits Haftstrafen für Personen verhängt, welche die Grenze ohne Papiere überquert haben und zwar unter Umständen, die, so die Kritik, die Möglichkeit auf ein faires Verfahren mit einer ordnungsgemäßen Abwicklung, ausschlossen (HRW 4.3.2020; vgl. HRW 10.3.2020).

Eine weitere Reaktionsmaßnahme der griechischen Regierung war die Entsendung von Polizei, Armee und Spezialkräften an die Grenzen, die Durchführung von Militärübungen mit scharfer Munition in der Nähe der Landesgrenze des Evros und der Ägäis, und das Ansuchen um verstärkte Unterstützung bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) (HRW 4.3.2020; vgl. AI 2.3.2020).

Die Europäische Union (EU) stellte sich angesichts der Lage an der griechisch-türkischen Grenze demonstrativ hinter die griechische Regierung. Demnach hieß es in der Erklärung, auf die sich die Minister der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem Sondertreffen einigten, dass illegale Grenzübertritte nicht toleriert werden (DST 5.3.2020; vgl. FAZ 5.3.2020).

Die Maßnahmen der griechischen Behörden gegen zunehmende Ankünfte von Migranten über Land und Meer wurden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und NGOs stark kritisiert (FIDH 10.3.2020; vgl. AI 2.3.2020; DW 3.3.2020; PA 4.3.2020; HRW 4.3.2020; BBC 9.3.2020; FIDH 5.3.2020).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (24.10.2019): Amnesty International Submission on the proposed changes to the Greek Law on International Protection [EUR 25/1280/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2018926/EUR2512802019ENGLISH.PDF, Zugriff 19.12.2019

-        AI – Amnesty International (2.3.2020): Greece: Inhumane asylum measures will put lives at risk, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025631.html, Zugriff 18.3.2020

-        BBC News (9.3.2020): EU to take in some child migrants stuck in Greece, https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-51799470, Zugriff 18.3.2020

-        BI – Balkan Insight (1.11.2019): Tougher Greek Asylum Law Criticised by Rights Groups, https://balkaninsight.com/2019/11/01/tougher-greek-asylum-laws-criticised-by-rights-groups/, Zugriff 19.12.2019

-        DS – Der Spiegel (1.3.2020): Griechenland setzt Asylrecht für einen Monat aus, https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-griechenland-setzt-asylrecht-fuer-einen-monat-aus-a-14421c7e-80da-43d7-976c-9d00cae92127, Zugriff 18.3.2020

-        DST – Der Standard (5.3.2020): Neuer EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei in Arbeit, https://www.derstandard.at/story/2000115347037/neuer-eu-fluechtlingepakt-mit-der-tuerkei-in-arbeit, Zugriff

-        DW – Deutsche Welle (3.3.2020): Wie Empörung in blinde Wut umschlägt, https://www.dw.com/de/wie-emp%C3%B6rung-in-blinde-wut-umschl%C3%A4gt/a-52619223, Zugriff 18.3.2020

-        DZ – Die Zeit (1.11.2019): Griechisches Parlament verschräft Asylgesetz, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/kyriakoks-mitsotakis-griechenland-asylgesetz-verschaerfung, Zugriff 19.12.2019

-        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (31.10.2019): Greece: New Restrictions on Rights and Procedural Guarantees in International Protection Bill*, https://www.ecre.org/greece-new-restrictions-on-rights-and-procedural-guarantees-in-international-protection-bill/, Zugriff 19.12.2019

-        EK – Ekathimerini (22.10.2019): Asylum bill faces criticism by human rights organizations, http://www.ekathimerini.com/245728/article/ekathimerini/news/asylum-bill-faces-criticism-by-human-rights-organizations, Zugriff 19.12.2019

-        ELENA – European Legal Network on Asylum (6.3.2020): Weekly Legal Update, https://mailchi.mp/ecre/elena-weekly-legal-update-6-march-2020?e=989a4aebdd#11, Zugriff 18.3.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine (5.3.2020): Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-bekraeftigt-ihre-entschlossenheit-zum-schutz-der-aussengrenzen-16664531.html, Zugriff 18.3.2020

-        FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), ActionAid Hellas; ActionAid International; ActionAid Italia, et al. (Autor) (10.3.2020): Refugees Crisis - Protect our laws and humanity!, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/refugees-crisis-protect-our-laws-and-humanity, Zugriff 18.3.2020

-        FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), IUIA-IROL - Institute for the Rule of Law – International Association of Lawyers; ELDH - European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights; AED - European Democratic Lawyers; et al. (Autor) (5.3.2020): Greece - violation of refugees' human rights is unjustifiable, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/greece-violation-of-refugee-s-human-rights-is-unjustifiable, Zugriff 18.3.2020

-        GGHR – Government Gazette of the Hellenic Republic (1.11.2019): Law No 4636 On International Protection and other provisions, per E-Mail via ÖB Athen

-        HRW – Human Rights Watch (10.3.2020): Greece/EU: Allow New Arrivals to Claim Asylum, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026151.html, Zugriff 18.3.2020

-        HRW – Human Rights Watch (4.3.2020): Greece/EU: Respect Rights, Ease Suffering at Borders, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025901.html, Zugriff 18.3.2020

-        HRW – Human Rights Watch (29.10.2019): Greece: Asylum Overhaul Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019174.html, Zugriff 19.12.2019

-        MoCP – Hellenic Republic Ministry of Citizen Protection (11.11.2019): Overview of Law 4636/2019 on International Protection, Bericht via VB, per E-Mail

-         ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019a), Bericht der ÖB, per E-mail

-         ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019b), Bericht der ÖB, per E-mail

-        PA – Pro Asyl (4.3.2020): Die griechisch-türkische Grenze darf nicht zur menschenrechtsfreien Zone werden!, https://www.proasyl.de/news/die-griechisch-tuerkische-grenze-darf-nicht-zur-menschenrechtsfreien-zone-werden/, Zugriff 18.3.2020

-         TNH – The New Humanitarian (4.11.2019): Briefing: How will Greece’s new asylum law affect refugees?, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2019/11/04/Greece-new-asylum-law-refugees, Zugriff 19.12.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (24.10.2019): UNHCR urges Greece to strenghten safeguards in draft asylum law, https://www.unhcr.org/gr/en/13170-unhcr-urges-greece-to-strengthen-safeguards-in-draft-asylum-law.html, Zugriff 19.12.2019

Vulnerable

Letzte Änderung: 4.10.2019

Vulnerable

Vulnerable Gruppen werden von den griechischen Gesetzen sehr großzügig definiert. Sie umfassen unbegleitete Minderjährige (UM), Behinderte oder unheilbar Kranke, Alte, Schwangere, Wöchnerinnen, alleinstehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt sowie Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Opfer von Menschenhandel (AIDA 3.2019).

Für Vulnerable sind bestimmte Verfahrensgarantien festgelegt, die Berichten zufolge aber nicht immer eingehalten werden (AIDA 3.2019).

In Athen werden Vulnerable an das Center for Reception and Solidarity der Gemeinde Athen in Frourarchion verwiesen. 2018 wurden dort 2.318 Asylanträge registriert. Die Weiterleitung von schutzbedürftigen Personen nach Frourarchion zwecks Registrierung erfolgt über NGOs oder andere Stellen. Bei der Registrierung in Frourarchion kann es jedoch aus Kapazitätsgründen zu Verzögerungen kommen. Wenn im Verfahren der Verdacht auf Vulnerabilität aufkommt, ist eine medizinische/psychologische Prüfung zu veranlassen. Derzeit gibt es keine öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die auf die Identifizierung oder Unterstützung von Folteropfern in ihrem Rehabilitationsprozess spezialisiert sind. Daher müssen NGOs das übernehmen. In Athen können Opfer von Folter zur Identifikation an die NGO Metadrasi verwiesen werden. Dies ist angesichts der nicht immer gesicherten Finanzierung der NGOs problematisch. Die NGOs Greek Council for Refugees und das Tageszentrum Babel (“Prometheus” project – Rehabilitation Unit for Victims of Torture) bieten in Kooperation mit Ärzte ohne Grenze (MSF) Rehabilitationsmaßnahmen an – ebenso mit unsicherer Finanzierungslage (AIDA 3.2019).

Die eingeschränkte Verfügbarkeit und der Zustand der öffentlichen Einrichtungen für psychisch Kranke sind laut UNHCR ein besonderes Problem. Öffentliche Einrichtungen und Kliniken, die psychisch erkrankte Flüchtlinge und Migranten in Athen versorgen, haben ebenso wie NGOs (z.B. Babel und ESTIA) Wartelisten von mehreren Monaten. Sogar für dringende Fälle wie Überlebende von Schiffbrüchen oder Folteropfer, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, beträgt die Wartezeit für den ersten Termin bei der NGO Babel vier Monate (Pro Asyl/RSA 8.2018).

Vulnerable fallen nicht unter das Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln – ihre Anträge gelten als zulässig. Die Identifikation von gefährdeten Personen im Zusammenhang mit dem Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln erfolgt entweder vom griechischen Reception and Identification Service (RIS) vor der Registrierung des Asylantrags oder während des Asylverfahrens (AIDA 3.2019).

Seit Mitte 2017 werden medizinische und psychosoziale Untersuchungen im Rahmen des Aufnahme- und Identifikationsverfahrens durch das Centre of Disease Control and Prevention (KEELPNO), eine öffentliche Einrichtung des Gesundheitsministeriums, durchgeführt. Das medizinische Team von KEELPNO stellt ein Gutachten über den Grad der Vulnerabilität („high“ oder „medium“) aus, das zum Teil des Asylantrags wird. Wenn Personen als besonders („high) gefährdet eingestuft werden, werden sie von KEELPNO an ein öffentliches Krankenhaus oder einen Facharzt verweisen oder wenn es möglich ist, auf das Festland gebracht. Im Falle einer mittleren („medium“) Vulnerabilität können die Betroffenen außerhalb des Aufnahme- und Identifikationszentrums untergebracht werden, wo die Bedingungen möglicherweise besser sind. 2018 kam es aufgrund der Unterbesetzung der KEELPNO-Einheiten zu erheblichen Verzögerungen bei der Identifikation von Vulnerabilität bei Neuankömmlingen auf den Inseln. Laut GCR führten diese Verzögerungen und die zeitweise dysfunktionalen Identifikationsverfahren dazu, dass eine bedeutende Anzahl von Asylverfahren eingeleitet wurde, ohne die Betroffenen auf Vulnerabilität zu prüfen. Somit wurde ein systematisches Versagen bei der Identifikation und beim Schutz gefährdeter Personen, insbesondere auf den Inseln, festgestellt (AIDA 3.2019; vgl. Oxfam 9.1.2019; RI o.D.a; RI o.D.b).

Das Gesetz sieht vor, dass Personen während des Fast-Track-Grenzverfahrens bei Verdacht auf Vulnerabilität zu jedem Zeitpunkt an die medizinische und psychosoziale Einheit des RIC verwiesen werden können. Trotz dieser Bestimmungen kann es aufgrund des Mangels an medizinischer und psychosozialer Versorgung äußerst kompliziert und manchmal unmöglich sein, dass Asylwerber während des Verfahrens erneut auf Vulnerabilität geprüft werden. Infolgedessen kommen Hinweise auf Verwundbarkeit oft während den von EASO-Mitarbeitern geführten Interviews zur Zulässigkeit zum Vorschein, die de facto eine entscheidende Rolle bei der Identifikation und Bestimmung von Vulnerabilität und damit bei der Sicherstellung von Verfahrensgarantien spielen. Die Identifikationsmechanismen für Vulnerabilität durch EASO sind jedoch in keiner Weise im griechischen Gesetz klar geregelt, sondern durch interne Standard Operating Procedures von EASO, von denen unklar ist, ob sie sich nach den einschlägigen nationalen gesetzlichen Bestimmungen richten. Darüber hinaus wurden Bedenken hinsichtlich der Identifikationsmechanismen durch EASO geäußert. Eine im Jahr 2018 veröffentlichte Analyse stellte fest, dass von 40 untersuchten Fällen, 33 zu Unrecht nicht als vulnerabel eingestuft wurden, obwohl sie einer Überprüfung auf Vulnerabilität durch einen EASO-Experten unterzogen wurden. Schließlich haben EASO-Experten keinen direkten Zugang zum Antragsteller. Die Identifikation auf Verwundbarkeit erfolgt auf der Grundlage der Dokumente im Akt des Antragstellers (AIDA 3.2019).

Vulnerable Gruppen (ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile mit Kindern, Folteropfer, Opfer von Schiffbrüchen und unbegleitete Minderjährige) kommen für die Rückkehr in die Türkei nicht infrage, sondern müssen auf das griechische Festland gebracht werden, wenn ihr Verfahren in die sogenannte regular procedure übernommen wird. Auf dem Festland werden diese vulnerablen Fälle dann üblicherweise UNHCR zur Unterbringung übergeben, oder in staatlicher Unterbringung versorgt, oder sie bringen sich auf eigene Faust unter. Jedoch sind viele Vulnerable weiterhin auf den Inseln, auch unbegleitete Minderjährige, ohne dass ihre Bedürfnisse besonders beachtet würden (EP 5.2017).

Im Rahmen des Aufnahme- und Identifikationsverfahrens (Reception and Identification Procedure – RIC) sollen vulnerable Antragssteller vom Leiter des RIC an die zuständige Einrichtung für Sozialbetreuung und -schutz verwiesen werden. Engpässe bei der Identifikation von Vulnerabilität sowie kritischer Mangel an Aufnahmeplätzen auf den Inseln hindern gefährdete Personen daran, die speziellen Aufnahmebedingungen zu genießen. Dies könnte auf dem Festland ebenfalls der Fall sein, da die Kapazitäten der Einrichtungen des National Centre for Social Solidarity (EKKA) begrenzt sind; da es keinen klaren Überweisungsweg zum Zugang zu temporären Camps gibt und weil die Aufnahmebedingungen in vielen der Camps schlecht sind. Darüber hinaus kann die hohe Auslastungsquote der durch das UNHCR-Programm zur Verfügung gestellten Aufnahmeplätzen dazu führen, dass neu ankommenden schutzbedürftigen Familien und Einzelpersonen keinen Zugang zu dieser Art von Unterkunft haben (AIDA 3.2019; vgl. UNHCR 27.12.2018). Im Camp Moria auf Lesbos führt das komplizierte und sich ständig ändernde Verfahren zur Klassifizierung von Vulnerabilität zu Verwirrung und Verzögerungen; es herrscht Mangel an qualifiziertem Personal wie Ärzte und Psychologen; vulnerable Personengruppen, wie Opfer von Folter und sexueller Gewalt, werden in unsicheren Teilen Camps untergebracht; Schwangere und Mütter mit Neugeborenen werden auch im Winter in Zelten untergebracht, (Oxfam 9.1.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of migrants and refugees on the Greek islands: more needs to be done [Doc. 14837], https://www.ecoi.net/en/file/local/2004109/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019

-        EKKA – National Center for Social Solidarity (31.8.2019): Situation Update: Unaccompanied Children (UAC) in Greece, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71285, Zugriff 26.9.2019

-        EP – Europäisches Parlament (5.2017): International Protection in Greece; Background information for the LIBE Committee delegation to Greece 22-25 May 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1497249698_ipol-stu-2017-583145-en.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        Oxfam (9.1.2019): Vulnerable and abandoned, https://www-cdn.oxfam.org/s3fs-public/file_attachments/2019-01_greece_media_briefing_final.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

-        RI – Refugee Info (o.D.a): Vulnerability Assessment on the Greek Islands, https://www.refugee.info/greece/islands-asylum-information—greece/vulnerability-assessment-on-the-greek-islands?language=en, Zugriff 26.9.2019

-        RI – Refugee Info (o.D.b): Asylum in Greece, https://www.refugee.info/greece/mainland-asylum-information—greece/asylum-in-greece-overview?language=en, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (27.12.2018): Thousands of asylum-seekers moved off Greek islands, https://www.unhcr.org/news/latest/2018/12/5c24d1524/thousands-asylum-seekers-moved-greek-islands.html, Zugriff 26.9.2019

-        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019

Versorgung

Letzte Änderung: 4.10.2019

Das Gesetz sieht vor, dass die Bereitstellung der Aufnahmebedingungen für Asylwerber durch die zuständige Behörde in Zusammenarbeit mit den gegebenenfalls zuständigen Regierungsstellen, internationalen Organisationen und zugelassenen gesellschaftlichen Akteuren gewährleistet wird. Die materiellen Aufnahmebedingungen sind unter anderem von den verfügbaren materiellen Ressourcen der Betroffenen abhängig. Unter bestimmten Umständen kann die materielle Versorgung auch gekürzt oder gestrichen werden. In der Praxis sind Asylwerber auf den Inseln von gewissen Aufnahmebedingungen ausgeschlossen. Dies gilt auch für Asylwerber, die sich in Haftanstalten befinden. Die materielle Versorgung wird entweder in Form von Sachleistungen oder als Geldleistungen erbracht. Im Rahmen der sogenannten Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) unter der Leitung von UNHCR, finanziert von der Europäischen Kommission, werden mittels einer speziellen Karte vorab festgelegte monatliche Bargeldzuwendungen (Cash-Card-Programm) für Flüchtlinge und Asylwerber ausbezahlt. Dies bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Grundbedarf selbst zu decken, wodurch sie auch die lokale Wirtschaft unterstützen (AIDA 3.2019; vgl. EK 2.4.2018; EK 20.12.2018). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Der Auszahlungsbetrag liegt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2018; vgl. UNHCR 7.2019). Antragsteller dürfen in Griechenland arbeiten, sobald sie über die dazu notwendigen Dokumente („international protection applicant card“ oder „asylum seeker‘s card“) verfügen. Aber die hohe Arbeitslosigkeit und bürokratische Hürden (z.B. Schwierigkeiten beim Zugang zur Steuernummer) schränken die Möglichkeiten ein, eine legale Beschäftigung finden zu können (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (20.12.2018): Migration und Grenzen: Kommission genehmigt 305 Mio. EUR für unter Druck stehende Mitgliedstaaten, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6884_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece, https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/, Zugriff 26.9.2019

Unterbringung auf dem Festland

Letzte Änderung: 4.10.2019

Das sogenannte Reception and Identification Service (RIS) und das sogenannte Directorate for the Protection of Asylum Seekers werden gegebenenfalls als zuständige Behörde für die Aufnahme von Asylwerbern benannt. Darüber hinaus werden im Rahmen des Hilfsprojekts der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA), eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, Anträge auf Unterbringung von vulnerablen Asylwerbern bearbeitet. Das sogenannte National Center for Social Solidarity (EKKA) ist für die Unterbringungsvermittlung von UM zuständig (AIDA 3.2013).

Wenn die Unterbringung von Antragsstellern in Form von Sachleistungen erfolgt, sollte eine oder eine Kombination der folgenden Unterbringungsformen angewendet werden: (a) Unterbringung an der Grenze oder in den Transitzonen; (b) Aufnahmezentren in adaptierten öffentlichen oder privaten Gebäuden, welche von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen verwaltet werden; (c) Privathäuser, Wohnungen oder Hotels, die im Rahmen des Unterbringungsprogramms für Antragssteller gemietet und entweder von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen oder von internationalen Organisationen betrieben werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018).

2016 wurde auf dem Festland eine Reihe von temporären Lagern errichtet, um die Bedürfnisse von Drittstaatsangehörigen zu befriedigen, die nach der Schließung der Westbalkanroute in Griechenland aufhältig waren. Es gibt ca. 25 solcher Einrichtungen, die auf unklarer Rechtsbasis operieren. Nur drei dieser Zentren können als offiziell bezeichnet werden: Elaionas, Schisto und Diavata, die Ende Dezember 2018 eine Gesamtkapazität von 4.106 Plätzen hatten. Etwa 21 weitere Zentren sind inoffiziell existent. Inklusive Elaionas, Schisto und Diavata lag die Auslastung der temporären Unterbringungszentren am 7.9.2018 bei 16.110 Personen. Aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage für die Errichtung der überwiegenden Mehrheit der Lager gelten keine Mindestnormen und sind keine Hausregeln in Kraft. Weiters gibt es in Griechenland keine Möglichkeit, eine Beschwerde gegen die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen einzureichen. Die Bedingungen sind je nach Einrichtung auf dem Festland unterschiedlich, da an jedem Standort verschiedene Arten von Unterkünften und Dienstleistungen angeboten werden. Eine beträchtliche Anzahl der Lager besteht aus vorgefertigten Einheiten oder befindet sich in Gebäuden oder Militärbaracken. In einigen Lagern auf dem Festland wurden Zelte aufgestellt, um den erhöhten Bedarf an Unterkünften im Jahr 2018 zu decken. In mehreren Einrichtungen sind die Umstände nach wie vor schlecht, da Überbelegung, mangelnde Leistungserbringung (unter anderem in Hinsicht auf medizinische und psychologische Versorgung), Gewalt, Sicherheitsdefizite und fehlende Rechtsgrundlage gemeldet werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommdH 6.11.2018). Ausführliche Informationen zu den verfügbaren Diensten und Defiziten in den einzelnen Lagern auf dem Festland sind dem im 9.2018 herausgegebenen Protection Monitoring Tool zu entnehmen (ASB/DRO/IOM/UNHCR 9.2018).

Die Binnenverteilung der Flüchtlinge erfolgt nur schleppend, so ist der Großteil in Athen und Thessaloniki untergebracht (UNHCR 9.2019; vgl ÖB 23.9.2019).

Das Hilfsprojekt der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) ist eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, mit dem Ziel Flüchtlinge außerhalb von Lagern unterzubringen und zu versorgen (EK 2.4.2018). Von den insgesamt 23.156 Plätzen (Stand 1.1.2019) befinden sich 1.510 Plätze auf den Inseln. Bis Ende Dezember 2018 waren 22.686 Personen im Rahmen des Programms untergebracht, davon 5.649 anerkannte Flüchtlinge und 17.037 Asylwerber. In den ESTIA-Einheiten werden hauptsächlich Familien mit einer Durchschnittsgröße von fünf Personen untergebracht; 48% der Untergebrachten sind Kinder (AIDA 3.2019). Das ESTIA-Unterbringungsprogramm steht nur besonders schutzbedürftigen Asylwerbern offen (Pro Asyl/RSA 8.8.2018).

Trotzdem führen Kapazitätsmangel, kontinuierliche Ankünfte und die geringen Rückführungszahlen zu einer allgemeinen Überbelegung der griechischen Aufnahmezentren, insbesondere auf den Ägäischen Inseln, wo die Situation besonders kritisch ist, aber auch auf dem Festland (CoE-CommdH 6.11.2018). Ein weiteres Problem stellen die Mittel- und Obdachlosigkeit dar. Die Zahl der obdachlosen Antragssteller ist unbekannt. Aufgrund des Mangels an Unterbringungskapazitäten auf dem Festland greifen Neuankömmlinge, einschließlich Vulnerable, auf Notunterkünfte zurück oder bleiben in den städtischen Gebieten von Athen, Thessaloniki und Petra obdachlos. Andere leben unter prekären Bedingungen in besetzten oder verlassenen Gebäuden ohne Zugang zu Strom oder Wasser (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 8.8.2018; MSF 18.3.2019).

Im Nordosten Griechenlands, nahe der türkischen Grenze, befanden sich im Erstaufnahme- und Identifikationszentrum (RIC) von Fylakio, auch als „Hotspot“ genannt, Ende 2018 240 Personen (davon ca. 120 UM) (AIDA 3.2019).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        ASB/DRO/IOM/UNHCR – Arbeiter Samariter-Bund/Danish Refugee Council/ UN High Commissioner for Refugees (9.2018): Protection Monitoring Tool – Open Reception Facilities (sites) in the Mainland, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/67419.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        CoE-CommdH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019

-        EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm, Zugriff 26.9.2019

-        MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html, Zugriff 26.9.2019

-        Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2, Zugriff 26.9.2019

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (23.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (9.2019): Diplomatic Missions Briefing, Bericht per E-Mail

Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)

Letzte Änderung: 4.10.2019

Seit Inkrafttreten der EU-Türkei-Erklärung vom 18.3.2016 hat sich die Funktion der griechischen Hotspot-Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos grundlegend gewandelt. Von Registrierungs- und Verteilungszentren wurden sie zu Erstaufnahme- und Identifikationszentren (RIC - Reception and Identification Centres) und Langzeitlager umgewandelt, in denen Zulässigkeitsprüfungen und Asylverfahren durchgeführt werden, was durch die geografische Restriktion der Bewegungsfreiheit auf die Inseln in Folge der EU-Türkei-Erklärung ermöglicht wird. Menschen werden dabei nach dem irregulären Übertritt der europäischen Außengrenze in der Ägäis auf den griechischen Hotspot-Inseln festgesetzt und an der Weiterreise gehindert (BM 5.2019; vgl. AIDA 3.2019). Wird in den Hotspots ein Asylantrag gestellt, ist dieser im Grenzverfahren beschleunigt zu behandeln. Ein wichtiges Element des beschleunigten Grenzverfahrens ist die Zulässigkeitsprüfung. Dabei wird geprüft, ob die Türkei für einen Antragsteller entweder als sicherer Drittstaat oder als fi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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