TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/22 W176 2248683-1

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Veröffentlicht am 22.12.2021
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Entscheidungsdatum

22.12.2021

Norm

ASVG §358
B-VG Art133 Abs4
DSGVO Art16
DSGVO Art23 Abs1

Spruch


W176 2248683-1/3E

Im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Vorsitzenden und den fachkundigen Laienrichter Mag. BOGENDORFER und die fachkundige Laienrichterin Mag. ZIMMER als Besitzer bzw. als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RAe Dr. Max KAPFERER, Dr. Thomas LECHNER, Dr. Martin DELLASEGA, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 30.09.2021, Zl. D124.3055 2021-0.535.001 (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt), wegen Verletzung im Recht auf Berichtigung, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit einer am 29.09.2021 bei der Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) eingebrachten Datenschutzbeschwerde brachte der Beschwerdeführer (BF) vor, er sei von der mitbeteiligten Partei (mP) in seinem Recht auf Berichtigung verletzt worden, indem diese sein Geburtsdatum nicht berichtigt habe, obwohl er sein richtiges Geburtsdatum hinlänglich bewiesen habe. Der Beschwerde beigelegt war der an die mP gerichtete Antrag des BF vom 10.08.2020, sein Geburtsdatum von „ XXXX .02.1960“ auf „ XXXX .02.1954“ zu berichtigen (das in dem ihm am XXXX .06.2020 ausgestellten türkischen Reisepass aufscheint) sowie die darauf ergangene – abschlägige – Antwort der mP vom 11.09.2020.

2. In ihrer Stellungnahme vom 02.12.2020 brachte die mP zusammengefasst wie folgt vor: Mit Antrag vom 07.11.2008 habe der BF bei der mP die Zuerkennung einer Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension beantragt. Darin habe er als Geburtsdatum den XXXX .02.1960 angegeben. Auch in der damals vorgelegten Heiratsurkunde des BF vom XXXX .12.1986 sei als dessen Geburtsdatum der XXXX .02.1960 angeführt. Gemäß § 358 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) sei für die Feststellung des Geburtsdatums der versicherten Person die erste schriftliche Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Von dem so ermittelten Geburtsdatum dürfe nur dann abgewichen werden, wenn entweder der zuständige Versicherungsträger feststellt, dass ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Da kein unrichtiges Datum iSd Art. 16 Datenschutz-Grundverordnung, bestehe das geltend gemachte Recht auf Berichtigung nicht.

3. Der BF brachte keine weitere Stellungnahme bei der belangten Behörde ein.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde des BF als unbegründet ab.

In der Bescheidbegründung hielt sie zum einen fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass das Geburtsdatum des BF tatsächlich der XXXX .02.1954 und nicht der XXXX .02.1960 ist; denn das notwendige Beweismaß für eine solche Feststellung liege in Hinblick darauf, dass der BF letzteres Geburtsdatum selbst in seinem Antrag auf Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension angegeben habe und dieses auch in allen von ihm zuvor übermittelten Urkunden aufscheine, nicht vor. Zum anderen wurde auf § 358 ASVG verwiesen, wonach für die Feststellung des Geburtsdatums der versicherten Person deren erste schriftliche Angabe gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen sei.

5. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wobei er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Die Beweiswürdigung zur Negativfeststellung bezüglich des Geburtsdatums de BF belaste das Verfahren mit einem wesentlichen Verfahrensmangel, die belangte Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit zur Feststellung des wahren Geburtsdatums des BF unterlassen. Insbesondere habe sie ihn nicht aufgefordert zu erläutern, weshalb nun im Reisepass ein anderes Geburtsdatum eingetragen sei. Diesfalls hätte sie festgestellt, dass mit (der Beschwerde auch in deutscher Übersetzung beigelegtem) Beschluss des Amtsgerichtes XXXX /Türkei vom XXXX .06.2020 der Klage des BF auf Alterskorrektur stattgegeben und dessen Geburtsdatum auf XXXX .02.1954 korrigiert worden sei. Überdies wird auf ein (der Beschwerde ebenfalls beigelegtes) anatomisches-anthropologisches Gutachten von Univ. Prof. i.R. Dr. XXXX verwiesen, wonach mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass das Geburtsjahr des BF 1954 ist.

Soweit sich die belangte Behörde auf § 358 ASVG berufe, sei dies insofern rechtswidrig, als diese Bestimmung in Hinblick auf Art. 16 DSGVO, das dem BF europarechtlich ein subjektives Recht einräume, unrichtige personenbezogene Daten zu berichtigen, unangewendet bleiben müsse. Auch sei § 358 ASVG offensichtlich verfassungswidrig, da dem BF dadurch jegliche Möglichkeit eines Gegenbeweises genommen werde, wofür keine sachliche Rechtfertigung erkennbar sei.

6. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wobei sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht legt seiner Entscheidung den unter Punkt I. dargestellten Sachverhalt zugrunde.

1.2. Dabei wird insbesondere festgestellt:

1.2.1 Der BF stellte 07.11.2008 bei der mP einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension/Berufsunfähigkeitspension und gab dabei den XXXX .02.1960 als sein Geburtsdatum an. Dieses Datum ist auch auf dem am XXXX .07.2010 ausgestellten türkischen Personalausweis sowie dem am XXXX .12.1986 ausgestellten Familienbuch/Heiratsurkunde als Geburtsdatum des BF angeführt.

1.2.2. Das Urteil des Amtsgerichtes XXXX , mit dem das Geburtsdatum des BF auf XXXX .02.1960 korrigiert wird, datiert vom 16.06.2020. Der türkische Reisepass, in dem als Geburtsdatum des BF dieses Datum aufscheint, wurde am XXXX .06.2020 ausgestellt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen und sind zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde

3.1.1.1 Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

3.1.1.2.1 Gemäß Art. 16 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Unter Berücksichtigung der Zwecke der Verarbeitung hat die betroffene Person das Recht, die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten – auch mittels einer ergänzenden Erklärung – zu verlangen.

Gemäß Art. 23 Abs. 1 DSGVO können durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter unterliegt, die Pflichten und Rechte gemäß den Art. 12 bis 22 und Art. 34 sowie Art.5, insofern dessen Bestimmungen den in den Art. 12 bis 22 vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die Folgendes sicherstellt:

a)       – d) (…)

e)       den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, insbesondere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereich sowie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit;

f)       – j) (…)

Gemäß § 358 ASVG ist für die Feststellung des Geburtsdatums der versicherten Person ist die erste schriftliche Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Von dem so ermittelten Geburtsdatum darf nur dann abgewichen werden, wenn
1.         der zuständige Versicherungsträger feststellt, dass ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt oder
2.         sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

Gemäß § 21 Abs. 1 Sozialversicherung-Datenschutzverordnung (SV-DSV 2018) besteht das Recht auf Berichtigung von personenbezogenen Daten nach Art. 16 DSGVO in den Stammdaten der Datenverarbeitungen der Sozialversicherung nur insoweit, als nicht andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (wie z. B. § 358 ASVG betreffend die Feststellung des Geburtsdatums). Das Recht auf Berichtigung umfasst keinesfalls ein Recht auf Veränderungen in Programmabläufen.

3.1.1.2.2. Insbesondere im pensionsversicherungsrechtlichen Verfahren ist offenkundig das Geburtsdatum des Versicherten von besonderer Bedeutung. § 358 ASVG ist va auf Fälle zugeschnitten, in denen es um Versicherte geht, die aus Staaten kommen, in denen in der jüngeren Vergangenheit die Führung der Personenstandsregister nicht in allen Landesteilen regelmäßig und verlässlich erfolgte, soweit eine solche Verwaltung überhaupt etabliert war. Vielfach besteht dort daher die Möglichkeit, unrichtig eingetragene Geburtsdaten in einem (uU sogar gerichtlichen) Verfahren korrigieren zu lassen (vgl exemplarisch den Sachverhalt in OGH 10 ObS 200/03i, SSV-NF 18/54 sowie in 10 ObS 76/09p, SZ 2009/68 = SSV-NF 23/39). Dies hat zu Unzukömmlichkeiten im zeitlichen Zusammenhang mit dem Pensionsalter geführt (s ME 262 BlgNR 21. GP 19 und AB 892 BlgNR 21. GP 8; zur Entstehungsgeschichte einlässlich Potz, RdW 2010, 222 f). Die Bestimmung soll Missbräuchen im Zusammenhang mit altersbezogenen Leistungsansprüchen vorbeugen; es wird leistungsrechtlich an jenem Pensionsalter festgehalten, das sich aus dem während des Anwartschaftserwerbs maßgeblichen Geburtsdatum errechnet. Die Bestimmung ist daher nicht nur verfahrensrechtlich zu verstehen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht enthält § 358 ASVG insoweit, als eine Tatsache unter bestimmten, im Gesetz selbst festgelegten Voraussetzungen für wahr zu halten ist, eine Beweisregel (OGH 10 ObS 200/03i, SSV-NF 18/54; krit Potz, RdW 2010, 222 [225 f]).

Die Regelung gilt prozedural nur im Verfahren vor den Sozialversicherungsträger, weist aber einen darüber hinausgehenden materiellrechtlichen Gehalt auf, der auch die Gerichte bindet, wenngleich das Gericht im Rahmen seiner sukzessiven Kompetenz die Sache neu zu entscheiden hat und dabei in keiner Weise an die Feststellungen des Versicherungsträgers gebunden ist (zur Beachtlichkeit der Bestimmung im Gerichtsverfahren vgl die stRspr seit OGH 10 ObS 200/03i, SSV-NF18/54 [ausdrücklich unter Ablehnung von OGH 10 ObS 67/03f]; zuletzt 10 ObS 124/16g; der Rsp des OGH im Kern zust Potz, RdW 2010, 222 [225]).

§ 358 ASVG vermittelt dem Sozialversicherungsträger kein selbständiges Recht, über das richtige Geburtsdatum des Versicherten abzusprechen (vgl VwGH 2003/08/0101, ARD 5679/16/2006). Allerdings haben die Sozialversicherungsträger die hier in Rede stehenden Daten ihrem weiteren Verfahren, insbesondere bei der Berechnung von Ansprüchen und Anwartschaften, zugrunde zu legen, soweit kein Grund für eine Abweichung besteht (s gleich unten Rz 5 ff). Auch die Zusammenarbeit mit den Meldebehörden und die Verwendung der dort gespeicherten Daten erfolgt nicht für Zwecke der Feststellung oder Berechnung von Leistungsansprüchen oder Anwartschaften, sondern lediglich zur eindeutigen Identifizierung des Versicherten (§ 360 Abs. 6 ASVG). Im Verfahren in Verwaltungs- oder Leistungssachen ist den Versicherungsträger die Korrektur des ihnen gegenüber angegebenen Datums hingegen nicht nur nicht aufgegeben, sondern sogar verwehrt, soweit nicht einer der taxativ aufgezählten Fälle einer Abweichung vorliegt (Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 358 ASVG (Stand 1.7.2018, rdb.at)).

3.1.2. Der erkennende Senat des Bundesverwaltungsgerichts gelangt aus nachstehenden Gründen zur Auffassung, dass der Beschwerde keine Berechtigung zukommt:

Zwar hat die betroffene Person gemäß Art. 16 DSGVO das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen und enthält diese Bestimmung selbst keine Ausnahmen vom Recht auf Berichtigung.

Allerdings eröffnet Art. 23 DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Beschränkungen von diesem Betroffenenrecht durch Rechtsvorschriften vorzusehen. Die Bestimmungen des § 358 ASVG und des § 21 SV-DSV sind dementsprechend als Beschränkungen gemäß Art. 23 DSGVO anzusehen, weshalb sie – sofern sie auf § 23 DSGVO gestützt werden können – als lex specialis dem allgemeinen Berichtigungsrecht nach Art. 16 DSGVO vorgehen.

Gleichzeitig sieht Art. 23 DSGVO für den nationalen Gesetzgeber Einschränkungen für die Ergreifung gesetzlicher Maßnahmen zur Beschränkung des Berichtigungsrechts vor.

Art. 23 DSGVO legt in Abs. 1 bestimmte Schutzziele fest, zu deren Gunsten gesetzliche Eingriffe in das Berichtigungsrecht erlaubt sind. Dabei ist der Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten zu achten und müssen die in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sein. Darüber hinaus müssen die Gesetzgebungsmaßnahmen weitere in Art. 23 Abs. 2 DSGVO normierte Vorgaben in Bezug auf Zwecke der Verarbeitung, Verarbeitungskategorien, Kategorien personenbezogener Daten, Speicherfristen, Umfang der vorgenommenen Beschränkungen, Garantien gegen Missbrauch oder unrechtmäßigen Zugang oder unrechtmäßiger Übermittlungen, Angaben zum Verantwortlichen etc. erfüllen.

Nach Art. 23 Abs. 1 lit e DSGVO ist der „Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses (…) eines Mitgliedstaates, insbesondere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses (…) eines Mitgliedsstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereichs sowie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit“ als ein zulässiges Schutzziel normiert. Die in Art. 23 Abs. 1 lit e DSGVO enthaltene Aufzählung von Zielen ist eine demonstrative (arg „insbesondere….etwa“) und ist diese Bestimmung der DSGVO insofern ein Auffangtatbestand (vgl. Bäcker in Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO, Art 23 Rz 22) für sämtliche, nicht einem anderen Schutzziel des Art. 23 Abs. 1 zuordenbare öffentliche Interessen (arg „sonstige“).

Zweck des Berichtigungsrechts ist es, ein richtiges Bild vom Betroffenen zu erwirken, das der Realität entspricht. Aus diesem Grund soll er das Recht haben, für unzutreffende Daten, die eine eigene Aussage beinhalten, eine Berichtigung beim Verantwortlichen zu verlangen (vgl. Haidinger in Knyrim (Hrsg.), DatKomm Art 16, 17 Rz 22). Gegenstand des Berichtigungsrechts sind unrichtige, den Betroffenen betreffende personenbezogene Daten.

Die Bestimmung des § 358 ASVG sieht vor, dass für die Feststellung des Geburtsdatums eine zeitliche Bindung bestehen soll, nämlich die erste schriftliche Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger. Sie kann sodann nur bei offensichtlichen Schreibfehlern oder unter der Voraussetzung der Vorlage einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsträger ausgestellt wurde, aus der sich ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Regelung verhindert es nicht, dass im Falle des Nicht-Zutreffens einer der beiden Kriterien eine Korrektur in Form einer ergänzenden Angabe erfolgt, wodurch ein richtiges Bild vom Betroffenen wiedergegeben werden kann. Insofern widerspricht § 358 ASVG nicht dem Wesensgehalt des Berichtigungsrechts. Aus § 21 Abs. 3 SV-DSV geht sogar hervor, dass Geburtsdatenvarianten gespeichert werden sollen, wenn sie der Feststellung der Identität beitragen können. Diese Bestimmung ist von der Formulierung her offen für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung, damit der Wesensgehalt des Berichtigungsrecht, nämlich ein zutreffendes Bild vom Versicherten zu haben, erreicht werden kann.

Weitere Kriterien nach Art. 23 DSGVO sind die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Maßnahme, um das Schutzziel zu erreichen. Verhältnismäßig ist eine Maßnahme dann, wenn sie geeignet ist, das Schutzziel zu erreichen und nicht von vornherein schon eine Aussichtslosigkeit besteht, und nicht über das notwendige Ausmaß zur Zielerreichung hinausgehen (vgl. EuGH vom 30.11.1995, C-55/94 oder vom 11.7.1989, C-265/87).

Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass die Bestimmung des § 358 ASVG geeignet ist, Missbräuchen im Zusammenhang mit altersbezogenen Leistungsansprüchen vorzubeugen und damit einem wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse der Republik Österreich als Mitgliedstaat der Europäischen Union im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit zu dienen. Zugleich ist die Norm verhältnismäßig, da sie das Recht auf Berichtigung keineswegs gänzlich beseitigt, sondern für Konstellationen, in denen typischerweise berechtigterweise eine Berichtigung möglich sein soll, Ausnahmen zulässt.

Daraus folgt, dass § 358 ASVG entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht unangewendet zu bleiben hat.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, liegen die Voraussetzungen einer Berichtigung gemäß § 358 ASVG im gegenständlichen Fall nicht vor; dies stellt die Beschwerde auch keineswegs in Abrede.

Sofern eine Verfassungswidrigkeit von § 358 ASVG behauptet wird, sind beim erkennenden Senat durch die betreffenden Ausführungen in der Beschwerde keine Normbedenken entstanden (vgl. dazu auch VfGH 26.11.2020, E 3828/2019, wonach das datenschutzrechtliche Berichtungsrecht den Gesetzgeber nicht daran hindert, ein vom biologischen Geburtsdatum abweichendes Datum [§ 358 ASVG] zur Beurteilung u.a. altersbezogener Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Sozialversicherung heranzuziehen).

Da dem angefochtenen Bescheid somit eine Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden kann, war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

3.1.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben.

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Berichtigungsantrag Datenberichtigung Datenschutz Datenschutzverfahren Geburtsdatum öffentliche Interessen Pensionsversicherung personenbezogene Daten Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2248683.1.00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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