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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1995, Zl. 4.283.193/6-III/13/95, betreffend Feststellung nach § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 4. April 1995 wurde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. März 1995, mit dem festgestellt worden war, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers der in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 und 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes 1991 dahingehend entschieden, daß bezüglich des Beschwerdeführers festgestellt wurde, es seien die in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 und 5 oder 6 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Tatbestände eingetreten.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer, der als rumänischer Staatsangehöriger am 24. September 1989 in das Bundesgebiet eingereist sei, mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 5. Februar 1991 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt, zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet jedoch gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. nicht berechtigt worden sei. Das seinerzeitige Vorbringen, welches zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt habe, habe seine Qualifizierung in der Richtung, daß sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befunden habe und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt gewesen sei, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, "aus dem Hintergrund" des seinerzeitigen totalitären Staatssystems in Rumänien bezogen. Da dieses System nicht mehr existiere, sei auch die seinerzeit festgestellte Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers entfallen. Die belangte Behörde übernahm die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und hielt der Berufungsbehauptung des Beschwerdeführers, nunmehr staatenlos zu sein, entgegen, daß er sein diesbezügliches Vorbringen durch keinerlei vorgelegte Dokumente hätte untermauern können und es daher völlig unglaubwürdig sei bzw. sich als reine Schutzbehauptung darstelle, durch die die Ergreifung fremdenpolizeilicher Maßnahmen verhindert werden solle. Doch selbst unter der Annahme, daß seine Behauptung zutreffen sollte, würde sie sich als wirkungslos erweisen, da Rumänien in diesem Falle im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 6 der Genfer Flüchtlingskonvention als das "frühere Aufenthaltsland" des Beschwerdeführers anzusehen wäre, wohin zurückzukehren der Beschwerdeführer ebensowenig ablehnen könne. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, es drohe ihm im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung durch den rumänischen Geheimdienst, weil er im Verdacht stünde, militärische Geheimnisse verraten zu haben, bewertete die belangte Behörde als logisch nicht nachvollziehbar. Einerseits bedürfe es, um Verfolgung im Sinne der Genfer (Flüchtlings)Konvention zu üben, staatlicherseits einer hiezu geeigneten, das ganze Hoheitsgebiet umfassenden Infrastruktur. Fehle eine solche in Rumänien, wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausgeführt habe, so sei daraus zu schließen, daß in Rumänien die Voraussetzung für eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht gegeben sei. Wenn der Beschwerdeführer in Replizierung auf die diesbezügliche Feststellung der Erstbehörde ausgeführt habe, es sei unplausibel, daß die rumänische Staatspolizei ihre Ermittlungen auf die Aussage seines Vaters hin eingestellt hätte, so sei andererseits selbst im Falle des Zutreffens seiner Behauptung, von Ermittlungen bezüglich des Verdachtes des Verrates militärischer Geheimnisse weiterhin betroffen zu sein, festzustellen, daß in der Abführung derartiger Ermittlungen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt hätte werden können, da es sich dabei allenfalls um legitime staatliche Ermittlungen betreffend einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt handeln würde, dem berechtigte staatliche Sicherheitsinteressen zugrunde lägen. Diesfalls wäre es plausibel, daß nach dem Beschwerdeführer - zumindest landesweit - gefahndet würde, was wohl Grenzkontrollbehörden und reguläre Polizeibehörden miteinschließen würde. Bezeichnenderweise sei der Beschwerdeführer jedoch - trotz mehrfacher direkter Kontakte mit solchen Organen (in Rumänien) - völlig unbehelligt geblieben und habe auch solche nicht gefürchtet, weil er sonst nicht des öfteren das Risiko einer Reise nach Rumänien auf sich genommen hätte. Daraus ergäbe sich wiederum die Unglaubwürdigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien drohe ihm Verfolgung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, seine seinerzeitige Anerkennung als Flüchtling sei vor dem Hintergrund des damals in Rumänien bestehenden totalitären Staatssystems erfolgt - diese Annahme findet in den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Oktober 1989 Deckung -, nicht entgegen. Er bringt hingegen vor, es drohe ihm im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien die Verfolgung durch den "rumänischen Geheimdienst" und es stünde zu befürchten, daß er unter Anwendung von Zwang und Gewalt verhört und zu einem Geständnis (bezüglich des Verrates von militärischen Geheimnissen) gezwungen werden würde. Es sei davon auszugehen, daß der rumänische Geheimdienst über eine das gesamte Hoheitsgebiet Rumäniens umfassende Infrastruktur verfüge, welche eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ermöglichen würde. Seine im Verfahren aufgestellte Behauptung, daß zwischen dem Geheimdienst und den übrigen rumänischen Sicherheitsbehörden kein bzw. kein vollständiger und lückenloser Informationsaustausch stattfinden würde, sei durchaus glaubwürdig, liege es doch im Wesen eines Geheimdienstes, daß dieser eigenständig, ohne Verbindung zu anderen Behörden tätig werde. Seine Berufungsausführungen schienen damit logisch, nachvollziehbar und richtig.
Mit diesen Beschwerdebehauptungen kann der belangten Behörde aus nachstehenden Gründen nicht wirksam entgegengetreten werden:
Zunächst ist festzuhalten, daß zufolge der von der belangten Behörde wahlweise herangezogenen Z. 5 und 6 des Art. 1 des Abschnittes C der Genfer Flüchtlingskonvention dieses Abkommen auf Personen nicht mehr angewendet wird, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden sind, nicht mehr bestehen und sie es DAHER - also wegen des Wegfalls dieser Umstände - nicht weiterhin ablehnen können bzw. in der Lage sind, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen bzw. in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Gefahr einer - allenfalls unter Anwendung von Zwang und Gewalt betriebenen - Verfolgung durch den rumänischen Geheimdienst wegen des Verdachtes des Verrates von militärischen Geheimnissen ein Umstand gewesen wäre, der zur seinerzeitigen Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling geführt hat.
Der Beschwerdeführer hat allerdings bei seiner niederschriftlichen Anhörung am 3. März 1995 angegeben, er sei von September 1986 bis Jänner 1988 bei einer Panzereinheit gewesen und sei eine Zeit in Temesvar dem dortigen Munitionsdepot als Wache zugeteilt gewesen. Er habe somit genau gewußt, wo die rumänische Armee ihre Waffen versteckt hatte. Als er seinerzeit aus Rumänien gemeinsam mit anderen geflüchtet sei, sei ihm als einzigen die Flucht gelungen. Die anderen seien "von Ungarn alle nach Rumänien zurückgeschickt" worden. Aus diesem Grund habe der (rumänische) Geheimdienst schon damals vermutet, daß er sich seine Flucht durch Preisgabe der Lage der Munitionsdepots erkauft habe. In den Jahren 1990 bis 1992 sei sein Vater von der Staatspolizei mehrmals dahingehend befragt worden, ob der Beschwerdeführer diesem etwas über Munitionslager in Temesvar erzählt habe. Sein Vater habe aber immer angegeben, daß er darüber nichts wisse. In den letzten Jahren sei sein Vater von der Polizei aber nicht mehr befragt worden. Bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, daß ihn der Staatssicherheitsdienst vorladen und befragen werde, ob er militärische Geheimnisse an Ungarn weitergegeben habe. Diesbezüglich habe er sicher ein Verhör (zu erwarten) und er würde unter Umständen zu einem Geständnis gezwungen werden.
Damit macht der Beschwerdeführer einen Nachfluchtgrund geltend, der zwar nicht zu seiner seinerzeitigen Anerkennung als Flüchtling geführt hat, jedoch von der belangten Behörde zu Recht wegen des engen Zusammenhanges mit der Flucht, die seinerzeit zur Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling geführt hat, in die Beurteilung der Frage einbezogen wurde, ob der Beschwerdeführer es weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen bzw. in sein früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
In diesem Zusammenhang erweist sich die Qualifizierung des Vorbringens des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren, trotz mehrmaliger Kontakte mit Grenz- bzw. Polizeiorganen Rumäniens im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien einer Verfolgung durch den dortigen Geheimdienst ausgesetzt zu sein, als logisch nicht nachvollziehbar, als zutreffend.
Seine Berufungsbehauptung, er habe zwischenzeitlich die rumänische Staatsbürgerschaft verloren, hält der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufrecht. Sie erwiese sich im übrigen im Hinblick auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des bekämpften Bescheides als wirkungslos.
Da die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen der Tatbestände des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 bzw. 6 der Genfer Flüchtlingskonvention hinsichtlich des Beschwerdeführers ausgegangen ist, kann dahinstehen, ob nicht etwa auch hinsichtlich seiner Person der Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention eingetreten ist.
Da sich die Beschwerde aus den dargestellten Gründen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010120.X00Im RIS seit
20.11.2000