Entscheidungsdatum
11.01.2022Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W227 2250104-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch seine Erziehungsberechtigte XXXX , diese vertreten durch DDr. FÜRST, RA in A-2340 Mödling, Wienerstraße 9, gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 18.11.2021, GZ.: I-302/1466-2021 zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18.11.2021, GZ.: I-302/1466-2021 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der Sohn der Beschwerdeführerin gemäß § 49 Abs.1 SchUG vom weiteren Schulbesuch am XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule) ausgeschlossen (Spruchpunkt 1.) und verfügt, dass einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukommt (Spruchpunkt 2.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt 1. ausgeführt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin schwerwiegend gegen seine Pflichten als Schüler verstoßen und den Zielsetzungen des § 43 Abs. 1 SchUG iVm § 2 SchOG zuwidergehandelt habe sowie zu Spruchpunkt 2., dass aufgrund eines bestimmten, von diesem am 19.10.2021 gesetzten Verhaltens in Zusammenschau mit dessen Persönlichkeitsstruktur, welche auf eine dauerhafte Gefährdung von Mitschülern schließen lasse, es im Interesse der körperlichen Sicherheit der Mitschüler und somit aus öffentlichem Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.
3. Am 14.12.2021 erhob die Beschwerdeführerin über ihre gesetzliche Vertretung Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Umfang und beantragte u.a., der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da weder aus dem vom Schüler gesetzten Verhalten noch aus dessen Persönlichkeitsstruktur die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung dringend geboten sei.
4. Einlangend am 30.12.2021 wurde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Rahmen der Vorlage der Beschwerde wurde in dem dafür vorgesehenen Formblatt der belangten Behörde in der Zeile „Beschwerdevorentscheidung“ das Kästchen „Nein“ angekreuzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18.11.2021 wurde der Schüler vom weiteren Besuch der gegenständlichen Schule ausgeschlossen und gleichzeitig verfügt, dass einer Beschwerde dagegen keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Mit der gegenständlichen Beschwerde vom 14.12.2021 wurde u.a. der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde angefochten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien) wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 i.d.g.F., entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F., sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde)
3.2.1. Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Gemäß § 49 Abs. 1 SchUG ist, wenn ein Schüler seine Pflichten (§ 43) in schwer wiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß § 47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt, der Schüler von der Schule auszuschließen. An allgemein bildenden Pflichtschulen ist ein Ausschluss nur zulässig, wenn das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt und die Erfüllung der Schulpflicht gesichert ist.
3.2.2. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Entscheidung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.
3.2.3. Ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert eine Abwägung der durch die angefochtene Entscheidung berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen anderer Parteien und ist nur dann zulässig, wenn der vorzeitige Vollzug des Bescheides wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist.
Bei der vom Verwaltungsgericht vorzunehmenden Entscheidung über die Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, die auf dem Boden der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage zu treffen ist, darf das Verwaltungsgericht regelmäßig von den nicht von vornherein als unzutreffend erkennbaren Annahmen der belangten Behörde ausgehen (VwGH 16.12.2020, Ra 2020/11/0207).
Verfahrensgegenständlich steht das öffentliche Interesse an der Gewährleistung der Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schulen (vgl. § 2 SchOrgG) dem Interesse der Beschwerdeführerin, dass ihr Sohn an seiner Stammschule verbleiben kann, entgegen. Dabei kommt dem genannten öffentlichen Interesse ein höheres Gewicht zu, weil bei einem nicht sofortigen Vollzug des Bescheides – den nicht von vornherein als unzutreffend erkennbaren Erwägungen der belangten Behörde folgend - eine erhebliche Gefahr besteht, dass die Mitschüler des Sohnes der Beschwerdeführerin durch dessen Verhalten in deren psychischer und physischer Unversehrtheit beeinträchtig werden, während bei einem sofortigen Vollzug für den Schüler auf Grund der Regelung des § 8 Abs. 2 Z 2 PflSchErh-GG ein Rechtsanspruch auf Besuch einer sprengelfremden Schule besteht und dessen weitere schulische Karriere somit nicht gefährdet erscheint (vgl. Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 6a zu § 49 SchUG [S. 676])
Da die Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verlangt, dass über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung „ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden“ ist, besteht keine Möglichkeit, etwaige weitere ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage, Anm. 8 zu § 13 VwGVG [S. 124]) und ist aufgrund des vorgelegten Aktenstandes zu entscheiden. Aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen wäre, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde dringend geboten sei. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass in einem Verfahren wie dem gegenständlichen – weil Gefahr im Verzug gegeben ist – der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Regelfall ist (vgl. Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 16a zu § 49 SchUG [S. 677]). Verfahrensgegenständlich würde die belangte Behörde sich selbst widersprechend handeln, wenn sie einerseits den Schulausschluss mit Gefahr im Verzug begründete und andererseits die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde nicht ausschlösse.
Die belangte Behörde hat somit zu Recht verfügt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukommt.
3.2.4. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung:
3.2.4.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2.4.2. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 4 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde „ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden“, was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.2.5. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes erweisen sich als klar und eindeutig.
3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Gefahr im Verzug Interessenabwägung öffentliche Interessen SchulausschlussEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2022:W227.2250104.1.00Im RIS seit
08.02.2022Zuletzt aktualisiert am
08.02.2022