TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/13 W128 2247507-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2022
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Entscheidungsdatum

13.01.2022

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §4
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §42 Abs1
SchUG §42 Abs14
SchUG §42 Abs6
StGG Art17

Spruch


W128 2247507-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX (Erstbeschwerdeführerin), vertreten durch die Kindesmutter, XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), beide vertreten durch HÄMMERLE & HÄMMERLE Rechtsanwälte GmbH, 8786 Rottenmann, Hauptplatz 111, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 06.12.2021, Zl. VIIIHa18/0621-BD-STMK/2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Formularantrag vom 29.06.2021 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme von XXXX , geb. 16.10.2008 (Erstbeschwerdeführerin) am häuslichen Unterricht auf der 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 an.

2. Mit Schreiben vom 06.08.2021 teilte die belangte Behörde der Zweitbeschwerdeführerin mit, dass eine Bearbeitung der Anzeige nicht möglich sei, da der erfolgreiche Abschluss der zuletzt besuchten Schulstufe zwingende Voraussetzung für die Teilnahme am häuslichen Unterricht sei. Gegenständlich habe die Zweitbeschwerdeführerin kein Zeugnis vorgelegt, womit der erfolgreiche Abschluss verbunden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe nach Absolvierung einer zulässigen Wiederholungsprüfung der Behörde ein entsprechendes Zeugnis vorzulegen.

3. Mit Bescheid vom 27.09.2021, Zl VIIIHa18/374-2021 untersagte die belangte Behörde die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am angezeigten häuslichen Unterricht und ordnete an, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe. Begründend wird ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/2021 die 6. Schulstufe besucht und diese nicht erfolgreich abgeschlossen habe, da das Jahreszeugnis ein „Nicht Genügend“ aufweise. Die für den häuslichen Unterricht erforderliche Externistenprüfung könne daher gemäß § 42 Abs. 6 SchUG nicht rechtzeitig abgelegt werden. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

4. Mit Schriftsatz vom 08.10.2021 erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend wird moniert, dass die Erstbeschwerdeführerin trotz des „Nicht genügend“ im Pflichtgegenstand Mathematik zum Aufsteigen berechtigt sei und daher bereits deshalb (und ohne Antreten zu einer Wiederholungsprüfung) die 6. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen habe. Die Behörde habe daher willkürlich gehandelt und wolle damit erreichen, dass die Erstbeschwerdeführerin trotz Corona-Maßnahmen die Schule im Präsenzbetrieb zu besuchen habe. Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht dargelegt, inwiefern ein großes öffentliches Interesse vorliege, um den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen.

5. Mit hg Beschluss vom 01.11.2021 wurde der Bescheid vom 27.09.2021 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Dazu wurde begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde die für die Ermessensentscheidung notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes in wesentlichen Bereichen gänzlich unterlassen habe.

6. Mit Schreiben vom 25.11.2021 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerinnen auf, bekanntzugeben, nach welchem Lehrplan und welcher Schulart der angezeigte häusliche Unterricht stattfinden soll.

7. Mit Schriftsatz vom 02.12.2021 teilten die Beschwerdeführerinnen durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit, dass die Erstbeschwerdeführerin nach dem Lehrplan der AHS Unterstufe unterrichtet werde. Zusätzlich bestehe ein „reger Austausch mit den Lehrern des Gymnasiums XXXX via Teams“ und würden von den Lehrern auch immer wieder Aufgabenstellungen an die Erstbeschwerdeführerin übermittelt.

8. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid untersagte die belangte Behörde neuerlich die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am angezeigten häuslichen Unterricht und ordnete an, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe. Begründend wird ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/2021 die 6. Schulstufe besucht und diese nicht erfolgreich abgeschlossen habe, da das Jahreszeugnis ein „Nicht Genügend“ aufweise. Die für den häuslichen Unterricht erforderliche Externistenprüfung nach der Schulart Gymnasium könne daher gemäß § 42 Abs. 6 SchUG nicht rechtzeitig abgelegt werden. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

9. Mit Schriftsatz vom 08.10.2021 erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend wird im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Die Erstbeschwerdeführerin sei trotz des „Nicht genügend“ im Pflichtgegenstand Mathematik zum Aufsteigen berechtigt und habe daher die 6. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen. Die Behörde habe daher willkürlich gehandelt und wolle damit erreichen, dass die Erstbeschwerdeführerin trotz Corona-Maßnahmen die Schule im Präsenzbetrieb zu besuchen habe. Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht dargelegt, inwiefern ein großes öffentliches Interesse vorliege, um den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen.

10. Mit Schreiben vom 23.12.2021, eingelangt am 04.01.2022, legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 29.06.2021 wurde die Teilnahme der schulpflichtigen Erstbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht auf der 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 angezeigt. Im Rahmen der Anzeige wurde nicht angegeben, auf welcher Schulstufe und aufgrund welcher Schulart der häusliche Unterricht stattfinden soll. Als Angabe über den zu unterrichtenden Lehrplan scheint der Vermerk „Lehrplan Österreich“ auf. Als Information über Kenntnisse und Bezugsquelle vermerkte die Zweitbeschwerdeführerin: „Ja, Bundesministerium Bildung und Schulbücher der Sprengelschule“.

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2020/2021 die Klasse 2c (6. Schulstufe) des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX Die besuchte Schulart war das Gymnasium, Realgymnasium, wirtschaftskundliches Realgymnasium (mit verordneter Stundentafel), 1. und 2. Klasse (AHS-Unterstufe).

Das Jahreszeugnis vom 09.07.2021 enthält im Pflichtgegenstand „Mathematik“ die Beurteilung „Nicht genügend“. Die Erstbeschwerdeführerin ist zum Aufsteigen in die 3. Klasse (7. Schulstufe) und zur Ablegung einer Wiederholungsprüfung in Mathematik berechtigt.

Zur Wiederholungsprüfung ist die Erstbeschwerdeführerin nicht angetreten.

Der angezeigte häusliche Unterricht richtet sich nach dem Lehrplan der AHS-Unterstufe.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Die o.a. Feststellungen konnten auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei getroffen werden. Insbesondere ist auf das Jahreszeugnis und das Anzeigeformular zu verweisen.

Dass die Erstbeschwerdeführerin nicht zur Wiederholungsprüfung angetreten ist, wurde dem erkennenden Richter am 03.11.2021 von der Schulleitung des BG/BRG XXXX mitgeteilt.

Der für den angezeigten häuslichen Unterricht maßgebliche Lehrplan wurde der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 02.12.2021 von der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerinnen mitgeteilt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):

„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

[…]

Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“

Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

§ 11 SchPflG lautet (auszugsweise):

„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

[…]

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“

Gemäß § 25 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idgF ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.

§ 42 SchUG lautet (auszugsweise):

„Externistenprüfungen

§ 42. (1) Die mit dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) sowie die mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlußprüfung verbundenen Berechtigungen können auch ohne vorhergegangenen Schulbesuch durch die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Externistenprüfung erworben werden.

[…]

(6) Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung ist, daß der Prüfungskandidat zum (ersten) Prüfungstermin nicht jünger ist als ein Schüler bei Absolvierung des betreffenden Bildungsganges ohne Wiederholen oder Überspringen von Schulstufen wäre. Soweit es sich um eine Externistenprüfung handelt, die einer Reifeprüfung, einer Reife- und Diplomprüfung, einer Diplomprüfung oder einer Abschlußprüfung entspricht, bezieht sich dieses Alterserfordernis auf den Zeitpunkt der Zulassung zur Hauptprüfung. Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.

[…]

(14) Die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen gelten auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und § 22 Abs. 4 des Schulpflichtgesetzes 1985 abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.

[…]“

3.2.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 42 SchUG, was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 angeordneten "Prüfung" zu verstehen ist. Aus diesen Regelungen folgt insbesondere auch, dass der "Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts" iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen (§ 42 SchUG 1986) abgelegte Prüfung erbracht werden kann. Daraus erhellt, dass die in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 genannte Prüfung ohne Einschränkung - somit auch hinsichtlich der Zulassung zu dieser Prüfung - dem Regelungsregime des § 42 SchUG 1986 unterliegt (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Wie zweifelsfrei aufgrund des Zeugnisses vom 09.07.2021 festzustellen ist, wurde der Pflichtgegenstand Mathematik mit „Nicht genügend“ (5) beurteilt. Somit hat die Erstbeschwerdeführerin die 6. Schulstufe der Schulart „Gymnasium, Realgymnasium, wirtschaftskundliches Realgymnasium (mit verordneter Stundentafel), 1. Und 2. Klasse“ gemäß § 25 Abs. 1 SchUG im Schuljahr 2020/2021 nicht erfolgreich abgeschlossen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 2 SchUG dennoch zum Aufsteigen in die 7. Schulstufe dieser Schulart berechtigt ist, da unter den Voraussetzungen der lit. a bis c leg. cit. ein Aufsteigen trotz nicht erfolgreichen Abschlusses der vorangegangenen Schulstufe bloß möglich ist und nicht die Schulstufe als erfolgreich abgeschlossen gilt. Dies ergibt sich schon alleine aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 SchuG, der regelt, dass ein Schüler „ferner“ – also auch wenn die vorangegangene Schulstufe gemäß Abs. 1 nicht erfolgreich abgeschlossen wurde – zum Aufsteigen berechtigt ist.

Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG 1986 auf die Prüfung iSd § 11 Abs. 4 SchPflG anzuwenden ist. Dieser stellt aber nicht auf eine Berechtigung zum Aufsteigen ab, sondern alleine auf den erfolgreichen Abschluss einer Schulstufe. Damit ist aber ausgeschlossen, dass die Erstbeschwerdeführerin vor Schulschluss des Schuljahres 2021/2022 zu einer Prüfung über die 7. Schulstufe der Schulart Gymnasium antreten darf, da sie, wie oben ausgeführt, die 6. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat und somit ein Antritt zu der erforderlichen Prüfung frühestens 12 Monate danach möglich ist.

Folglich ist es ausgeschlossen, dass die Erstbeschwerdeführerin den zureichenden Erfolg des angezeigten häuslichen Unterrichts nach der Schulart AHS Unterstufe gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG rechtzeitig nachzuweisen vermag.

Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Steiermark nicht entgegenzutreten, wenn sie den von der Beschwerdeführerin am 29.06.2021 angezeigten und mit Schriftsatz vom 02.12.2021 als dem Lehrplan der AHS-Unterstufe folgend präzisierten Unterricht von vornherein für unzulässig erachtete und daher untersagte.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.4. Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung.

3.2.5. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Aufstiegsklausel häuslicher Unterricht negative Beurteilung öffentliche Schule Pflichtgegenstand Schulstufe Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholungsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W128.2247507.2.00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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