TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/16 W241 2017092-4

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Veröffentlicht am 16.11.2021
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Entscheidungsdatum

16.11.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W241 2017092-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2021, Zl. 770703510/211219728, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ist Staatsangehöriger der Republik Armenien.

1.2. Der (damals minderjährige) BF reiste am 16.06.2007 gemeinsam mit seinem Vater rechtswidrig nach Österreich ein und stellten sie erstmalig Anträge auf internationalen Schutz, welche nach erstinstanzlichen Entscheidungen vom 29.11.2007 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens abgewiesen wurden.

Vorgebracht wurde, dass die Mutter des Vaters des BF Aserbaidschanerin sei, weshalb sie verfolgt worden wären.

Zweites Verfahren:

1.3. Der BF und seine Familie reisten in weiterer Folge nach Frankreich. Sie stellten dort ebenfalls Asylanträge; jedoch wurden sie entsprechend den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung nach Österreich rücküberstellt.

1.4. Am 25.09.2008 brachten der BF und seine Familie erneut Anträge auf internationalen Schutz ein, welche vom Bundesasylamt mit Bescheiden vom 06.06.2009 in Spruchpunkt I. gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Mit Spruchpunkt II. wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien ausgewiesen.

1.5. Am 07.05.2009 wurde der BF gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 2, 130 Abs. 1 4. Fall iVm 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten und 30 Tagen, davon sieben Monate und 15 Tage bedingt, verurteilt.

1.6. In Erledigung der gegen die Bescheide vom 06.06.2009 erhobenen Beschwerden behob der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 23.07.2009 in Spruchpunkt I. die bekämpften Bescheide gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 34 Abs. 4 AsylG. Die gleichzeitig mit den Beschwerden gestellten Anträge auf Verfahrenshilfe wurden mit Spruchpunkt II. der Erkenntnisse gemäß § 23 AsylGHG als unzulässig zurückgewiesen.

1.7. Mit Bescheid vom 05.11.2009 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 25.09.2008 in Spruchpunkt I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nunmehr gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkt II. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Mit Spruchpunkt III. wies das Bundesasylamt den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien aus.

1.8. Am 08.11.2010 wurde der BF gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

1.9. Am 14.11.2011 wurde der BF gemäß §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, als Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verurteilt.

1.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 21.10.2014 wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

1.11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.12.2014 wurde der Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen.

1.12. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde am 24.02.2015 vom BVwG als unbegründet abgewiesen und die Abschiebung des BF nach Armenien für zulässig festgestellt.

1.13. Die für den 19.08.2015 geplante Abschiebung wurde vom BF vereitelt und konnte nicht durchgeführt werden.

Drittes Verfahren:

1.14. Am 23.09.2016 wurde der BF gemäß §§ 223 Abs. 2, 224 StGB § 15 iVm § 269 Abs. 1 1. Fall StGB, § 224a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 13 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.15. Am 29.09.2016 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Begründend gar der BF zusammengefasst an, dass sein Vater und sein Bruder nach ihrer Abschiebung nach Armenien verhaftet und der Bruder von der Polizei misshandelt worden sei. Gegen den BF liege ebenfalls ein Haftbefehl vor. Darüber hinaus würde er sowohl von den Behörden als auch von seinen Verwandten in Armenien aufgrund seiner Konversion zum Islam verfolgt werden. Weiters werde er zum Wehrdienst eingezogen.

1.16. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 14.02.2018 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

1.17. Am 27.07.2018 wurde der BF gemäß §§ 15, 127 StGB, §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und wegen § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

1.18. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.08.2018, L515 2017092-2/13E, als unbegründet abgewiesen.

1.19. Am 07.02.2019 wurde dem BFA durch die Justizanstalt mitgeteilt, dass der BF nicht mehr von einem bewilligten Ausgang zurückgekehrt sei und sich auf der Flucht befinde.

1.20. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Viertes, gegenständliches Verfahren:

1.21. Am 07.05.2021 wurde der BF gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall, 83 Abs. 1 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

1.22. Der BF stellte am 26.08.2021 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am 27.08.2021 gab er dazu an, dass er 2016 zum Islam konvertiert sei. Die beiden Onkel seiner Mutter und sein älterer Bruder hätten ihm schon 2019 bzw. 2020 gedroht, ihn umzubringen, wenn er wieder nach Armenien zurückkehren sollte Seine nach Armenien abgeschobenen Eltern hätten von einem Freund aus Wien von seiner Konversion erfahren.

1.23. In seiner Einvernahme am 13.09.2021 vor dem BFA gab der BF zu den Gründen für seine Antragstellung im Wesentlichen an, dass seine Eltern von einem Freund von seiner Konversion erfahren hätten. Sie hätten dann versucht, ihn von seinem neuen Glauben abzubringen. Sein Bruder hingegen habe ihm mit dem Umbringen gedroht, weshalb er letztlich den Kontakt abgebrochen habe. Nach der Abschiebung seiner Eltern hätte auch die übrige Verwandtschaft in Armenien von seiner Konversion erfahren. Dann sei er von seinen Onkeln telefonisch bedroht worden.

1.24. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 29.09.2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entscheidender Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der BF keine neuen Fluchtgründe vorgebracht habe und sich auch kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellen habe lassen.

1.25. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 12.10.2021 Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF ist armenischer Staatsangehöriger.

Der (damals minderjährige) BF stellte erstmalig am 16.06.2007 (vertreten durch seinen Vater) einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher nach erstinstanzlicher Entscheidung vom 29.11.2007 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 sowie 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens abgewiesen wurde.

Am 25.09.2008 brachten der BF und seine Familie erneut Anträge auf internationalen Schutz ein. Mit Bescheid vom 05.11.2009 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des BF in bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nunmehr gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Mit Spruchpunkt III wies das Bundesasylamt den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien aus. Mit Erkenntnis des BVwG vom 21.10.2014 wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen. Mit Bescheid des BFA vom 12.12.2014 wurde der Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde am 24.02.2015 vom BVwG als unbegründet abgewiesen und die Abschiebung des BF nach Armenien für zulässig festgestellt.

Am 29.09.2016 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 14.02.2018 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.08.2018, L515 2017092-2/13E, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den GF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.2. Der BF hat am 26.08.2021 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und diesen mit einem Teil seines Fluchtvorbringens im dritten Asylverfahren, nämlich einer Verfolgung durch seine Familie aufgrund seiner Konversion zum Islam, begründet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des dritten Asylantrags des BF mit Erkenntnis des BVwG vom 08.08.2018, L515 2017092-2/13E, ergeben hätte.

Das Vorbringen des BF weist weder einen glaubhaften Kern noch Asylrelevanz auf. Es ergab sich zwischenzeitlich auch weder eine entscheidungsmaßgebliche Änderung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umständen. In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann keine sich in Bezug auf jenen Zeitpunkt, in dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich andere Situation festgestellt werden.

1.3. Der BF leidet an keinen physischen oder psychischen Erkrankungen oder Gebrechen. Er befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt keine Medikamente.

1.4. In Übereinstimmung mit den Feststellungen im gegenständlichen Bescheid des BFA wird zur Lage im Herkunftsstaat des BF festgestellt (gekürzt durch das BVwG):

COVID-19

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://ww w.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/i ndex.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Am 16.3.2020 rief die Regierung Armeniens den Ausnahmezustand aus, der fünf Mal verlängert wurde und am 11.9.2020 durch die Nationale Quarantäne ersetzt wurde, die nun bis 11.7.2021 gilt. Armenien ist das am stärksten betroffene Land im Südkaukasus. Trotz der Notsituation funktionieren fast alle Sektoren der armenischen Wirtschaft wieder, nachdem Unternehmen

Anfang Mai 2020 wiedereröffnen durften, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwehren. Das Einreiseverbot in die Republik Armenien für nicht-armenische Staatsbürger vom 17.3.2020 wurde am 12. August 2020 aufgehoben. Somit können Personen per Flug und per Landweg nach Armenien mit einem negativen PCR-Testergebnis, das max. 72 Stunden vor der Einreise gemacht wurde, einreisen (WKO 5.5.2021; vgl. AA 20.5.2021).

Alle Einreisenden, die ohne ein dokumentiertes PCR-Testergebnis einreisen, müssen sich auf eigene Kosten einem PCR-Test im Labor an der Grenze unterziehen und sich dort in Quarantäne begeben bis das Ergebnis bekannt wird. Die Ergebnisse dieser PCR-Tests werden im ARMEDSystem registriert und der getesteten Person innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung gestellt. Es gibt keine Einreiseerleichterungen für Geimpfte oder Genesene. Am 19. März 2020 haben die armenischen Behörden ein vorübergehendes Ausfuhr-Verbot für bestimmte medizinische Waren erlassen, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Das betrifft solche Güter wie medizinische Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, COVID-19-Test Kits, Atemschutzmasken, medizinische Masken, Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis und andere Artikel (WKO 5.5.2021).

Anfang Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen und Reisebeschränkungen innerhalb

Armeniens aufgehoben. Seit Anfang Juni 2020 gilt in Armenien eine allgemeine Masken-Pflicht für alle Personen und Kinder ab 6 Jahren an öffentlichen Orten inklusive Geschäften, Einkaufszentren, öffentliche Verkehrsmitteln sowie Taxis. Die einzige Ausnahme von der Masken-Pflicht gilt für Gäste in Cafés und Restaurants. Die Regierung hat verschiedene finanzielle Hilfspakete für sozial gefährdete Haushalte und Privatpersonen und wirtschaftlich betroffene KMUs, Freizeit- und Tourismusunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, etc. bereitgestellt. Dazu zählen zinsfreie Kredite und staatliche Garantien, Stundungen für Kreditrückzahlungen, Subventionen für Gas- und Stromkosten (WKO 5.5.2021).

Es bestehen aufgrund der Pandemie keine besonderen Beschränkungen innerhalb des Landes (AA 20.5.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2021): Armenien: Reise- und Sicherheitshinweise, https:

//www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872 , Zugriff 20.5.2021

WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich](5.5.2021): Coronavirus: Situation in Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html , Zugriff 20.5.2021

Politische Lage

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 9.12.2018 konnten nach übereinstimmender Meinung aller Wahlbeobachter als frei und fair bezeichnet werden. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielt auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab (USDOS 30.3.201; vgl. FH 3.3.2021). Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt (AA 27.4.2020). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister steht an der Spitze der Regierung, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 30.3.2021).

Die Nationalversammlung besteht aus mindestens 101 Mitgliedern, die für eine fünfjährige Amtszeit durch eine Kombination aus nationalem und bezirksbezogenem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert, und weitere Sitze können hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten (FH 3.3.2021).

Oppositionsführer Nikol Paschinjan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018; vgl. AA 27.4.2020). Bei den als „Samtene Revolution“ bezeichneten Demonstrationen im April/Mai 2018 verhielten sich die Sicherheitskräfte zurückhaltend. Auch die Demonstranten waren bedacht, keinerlei Anlass zum Eingreifen der Sicherheitskräfte zu bieten (AA 27.4.2020).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Paschinjan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche

Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Paschinjan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Die HHK und ihre Verbündeten nutzten in der Vergangenheit Stimmenkauf, Wählereinschüchterung und den Missbrauch von Verwaltungsressourcen, um den Volkswillen zu verzerren, aber das Parlament verabschiedete 2018 ein Gesetz, das verschiedene Handlungen im Zusammenhang mit dem Stimmenkauf unter Strafe stellte. Bei den vorgezogenen Wahlen und den Kommunalwahlen 2018 und 2019 gingen diese Praktiken zurück (FH 3.3.2021).

Armenien befindet sich nach den Massenprotesten gegen die Regierung und den Wahlen im Jahr 2018, die eine etablierte politische Elite vertrieben, inmitten eines bedeutenden Übergangs. Die neue Regierung hat versprochen, sich mit langjährigen Problemen wie systemischer Korruption, undurchsichtiger Politikgestaltung, einem fehlerhaften Wahlsystem und schwacher Rechtsstaatlichkeit zu befassen. Die Politik des Landes wurde ernsthaft destabilisiert und mehr als 2.400 Soldaten wurden 2020 getötet, als Kämpfe mit Aserbaidschan über die Kontrolle des Territoriums von Berg-Karabach ausbrachen (FH 3.3.2021).

Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 27.4.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der _Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020

ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia

– 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html , Zugriff 21.3.2019

BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-1739 8605 , Zugriff 21.3.2019

CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.go v/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 7.5.2019

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017:

Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia /405890?download=true , Zugriff 21.3.2019

RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-furt her-electoral-reforms/29647816.html , 21.3.2019

RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-af ter-securing-parliament-majority/29708811.html , Zugriff 21.3.2019

USDOS – U.S. Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices:

Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff 7.4.2021

Sicherheitslage

Im Ende September 2020 aufgeflammten Konflikt um die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gelang es, unter Vermittlung Russlands, einen Waffenstillstand zu erreichen. Armenien, das als Schutzmacht für Bergkarabach agiert, stimmte unter massivem Druck der Neun-Punkte Erklärung zu. In der Erklärung verpflichteten sich die Parteien zu einem vollständigen Einstellen aller Kampfhandlungen auf den zuletzt gehaltenen Positionen. Darüber hinaus werden die von Armenien im ersten Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre eroberten sieben aserbaidschanische Bezirke rund um Bergkarabach schrittweise an Baku zurückgegeben. Vier davon gingen bereits im Zuge der Kampfhandlungen seit September weitgehend an Aserbaidschan verloren. Mit der Erklärung wurde ebenso eine russische Friedensmission etabliert, die den Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie auf Seiten Bergkarabachs sichern soll. Neben den Peace keepern soll auch ein außerhalb Karabachs befindliches Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe entstehen. Ebenso vereinbart wurde ein Austausch der Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten. Der letzte Punkt der Vereinbarung weist auf die Öffnung aller Wirtschafts- und Transportwege in der Region hin. Demzufolge muss Armenien Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der südwestlich von Armenien gelegenen und an die Türkei grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan sicherstellen. Der Status von Bergkarabach wurde in der Erklärung offengelassen (IFK 11.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin, sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Alijew und der armenische Regierungschef Nikol Paschinian auf eine neue Grenzziehung und die Stationierung eines russischen Militärkontingents zur Sicherung des neuen Status quo im Konflikt um Berg-Karabach geeinigt. Aserbaidschan übernimmt rund die Hälfte des abtrünnigen Gebiets, darunter die zweitgrößte Stadt Schuscha, die strategisch von immenser Bedeutung ist (DerStandard 10.11.2020).

Unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin haben die verfeindeten Nachbarn

Aserbaidschan und Armenien bei einem ersten gemeinsamen Treffen in Moskau am 11.01.21 neue Schritte für einen Wiederaufbau der umkämpften Südkaukasusregion Berg-Karabach vereinbart. Rund zwei Monate nach dem Ende der Kampfhandlungen um Berg-Karabach betonten die drei Spitzenpolitiker im Kreml, dass das Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten werde. Es seien aber noch nicht alle Punkte umgesetzt, so Paschinian. Zugleich betonte er, dass der Konflikt um Berg-Karabach nicht endgültig beigelegt sei. Insbesondere sei der politische Status ungeklärt. Die nun getroffenen Vereinbarungen für eine Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur Berg-Karabachs sollen zu noch verlässlicheren Sicherheitsgarantien für beide Seiten führen. Die Vize-Regierungschefs von Aserbaidschan und Armenien sowie Russlands würden nun eine Arbeitsgruppe bilden, um konkrete Projekte bei der Wiederherstellung der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen umzusetzen (BAMF 18.1.2021).

Die militärische Niederlage löste eine scharfe politische Krise in Armenien aus, in der die Opposition gegen Premierminister Nikol Pashinian seinen Rücktritt forderte (HRW 13.1.2021; vgl. DerStandard 10.11.2020). Tausende Menschen demonstrierten in Jerewan gegen die Waffenruhe. Sie beschimpften Paschinian als „Verräter“ und forderten seinen Rücktritt. Hunderte der Demonstranten stürmten den Regierungssitz und das Parlamentsgebäude (Krone 10.11.2020). Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Es gab dutzende Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete (DerStandard 11.11.2020 vgl. ZeitOnline 11.11.2020).

Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan hat zugestimmt, vorgezogene Parlamentswahlen am 20.06.2021 abzuhalten, um die innenpolitische Krise zu entschärfen, die durch den Krieg mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach ausgelöst wurde. Nach zahlreichen Treffen mit Oppositionsvertretern und Gesprächen mit Präsident Armen Sarkissjan ibezeichnete Paschinjan am 18.03.2021 die vereinbarten Neuwahlen des Parlaments als besten Ausweg aus der derzeitigen Krise des Landes. Seit dem verlorenen Krieg um Berg-Karabach und dem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen versuchen die Opposition und Nationalisten bei regelmäßigen Demonstrationen den Rücktritt von Ministerpräsident Paschinjan zu erzwingen (BAMF 22.3.2021).

Nikol Paschinjan hat für April seinen Rücktritt angekündigt (Krone 28.3.2021; vgl BAMF 29.3.2021). Er werde aber bis zur vorgezogenen Wahl des Parlaments geschäftsführend im Amt bleiben. Um das armenische Parlament aufzulösen, wie z.B. vor Neuwahlen, muss der Regierungschef laut Verfassung zunächst zurücktreten. Die Abstimmung ist für den 20.06.21 angesetzt. Paschinjan sicherte im Fall einer Niederlage zu, das Wahlergebnis zu akzeptieren und für einen geregelten Übergang zu sorgen. Paschinjan gilt nach seinem überwältigenden Wahlsieg bei den letzten Parlamentswahlen vom Dezember 2018 jedoch nicht als chancenlos bei den geplanten Neuwahlen. Gerade in ländlichen Regionen gilt er nach wie vor als sehr beliebt. Am 28.03.21 gab es in der Hauptstadt Jerewan neue Proteste der Opposition, die erneut Paschinjans Rückzug aus der Politik forderte (BAMF 29.3.2021).

Ministerpräsident Nikol Paschinjan hat, wie im März 2021 angekündigt, am 25.04.21 seinen Rücktritt erklärt. Bis zu den vorgezogenen Parlamentswahlen am 20.06.21 werde er geschäftsführend im Amt bleiben. Um das armenische Parlament aufzulösen, muss der Ministerpräsident zurücktreten. Paschinjan will am 20.06.21 erneut für das Amt kandidieren. Die Neuwahlen sollen das Land aus einer innenpolitischen Krise führen (BAMF 26.4.2021).

Menschenrechts-Nichtregierungsorganisationen (NGOs) äußerten weiterhin ihre Besorgnis über

Todesfälle außerhalb von Kampfhandlungen in der Armee und das Versagen der Strafverfolgungsbehörden, glaubwürdige Untersuchungen dieser Todesfälle durchzuführen. Laut zivilgesellschaftlichen Organisationen und Familien der Opfer machte die Praxis, viele Todesfälle außerhalb von Kampfhandlungen zu Beginn der Ermittlungen als Selbstmord zu qualifizieren, es unwahrscheinlicher, dass Missbräuche aufgedeckt und untersucht werden würden. Laut Menschenrechtsanwälten war das größte Hindernis bei der Untersuchung militärischer Todesfälle die Zerstörung oder Nichtaufbewahrung wichtiger Beweise, sowohl durch die militärische Führung als auch durch die spezielle Untersuchungsstelle, die an einem Fall arbeitete (USDOS

30.3.2021).

Quellen:

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (26.4.2021): Briefing Notes, Armenien, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes

/2021/briefingnotes-kw17-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 27.4.2021

BAMF - Bundeamt für Migration und Flüchtlinge (29.3.2021): Briefing Notes, Armenien, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw13-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 30.3.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.3.2021): Briefing Notes, Armenien, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw12-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 24.3.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.3.2021): Briefing Notes, Armenien, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw09-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 3.3.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (18.1.2021): Briefing Notes, Armenien, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw03-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 22.1.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2021): Briefing Notes, Armenien, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw08-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 24.2.2021

DerStandard (20.2.2021): Proteste in Armenien gegen Regierungschef Paschinian, https://www. derstandard.at/story/2000124347798/proteste-in-armenien-gegen-regierungschef-paschinian, Zugriff 22.2.2021

DerStandard (10.11.2020): Umstrittener Waffenstillstand in Bergkarabach, https://www.derstandar

d.at/story/2000121604696/umstrittener-waffenstillstand-in-bergkarabach , Zugriff 12.11.2020

DerStandard (11.11.2020): Erdogan verkündet Einigung auf Überwachung der Feuerpause in Bergkarabach, https://www.derstandard.at/story/2000121627117/erdogan-verkuendet-vereinbaru ng-zur-ueberwachung-der-waffenruhe-massenproteste-in-armenien , Zugriff 12.11.2020

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021

IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement [Österreich] (11.2020): Bergkarabach: Neuordnung der regionalen Machtverhältnisse, https://www.bundesheer.at/php_docs/download_f ile.php?adresse=/pdf_pool/publikationen/ifk_monitor_65_lampalzer_bergkarabach_nov_20_web .pdf , Zugriff 27.11.2020

Krone (28.3.2021): Armeniens Ministerpräsident tritt im April zurück, https://www.krone.at/2376845, Zugriff 29.3.2021

Krone (10.11.2020): Einigung auf Waffenruhe in Berg-Karabach, https://www.krone.at/2272372 , Zugriff 12.11.2020

USDOS - U.S.Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff 9.4.2021

ZeitOnline (11.11.2020): Tausende Armenier protestieren gegen Abkommen mit Aserbaidschan, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/bergkarabach-konflikt-armenien-aserbaidschan-abk ommen-massenproteste-nikol-paschinjan , Zugriff 12.11.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter ist in Art. 162 und 164 der Verfassung verankert. Die Verfassung von 2015 hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Das Vertrauen in das Justizsystem ist allerdings weiterhin schwach, da die Mehrzahl der Richter ihre Ämter unter der Vorgängerregierung erlangt hat. Die im Oktober 2019 verabschiedete Reform zur Justizstrategie zielt auf einen personellen Wechsel im Justizapparat ab. Verfahrensgrundrechte, wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es in den letzten Jahren bereits Fortschritte, die Zahl der Pflichtverteidiger wurde erhöht und kostenlose Rechtshilfe kommt einer breiteren Bevölkerung zugute. Die Einflussnahme durch Machthaber auf laufende Verfahren war in der Vergangenheit in politisch heiklen Fällen verbreitet. Die derzeitige Regierung unter Premierminister Paschinjan hat sich von solchen Praktiken distanziert (AA 27.4.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sehen das Recht jeder Person vor, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Nach Angaben von Rechtsexperten hatten Verdächtige keine praktischen Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme anzufechten (USDOS 30.3.2021).

Nach dem Gesetz muss eine Ermittlungsbehörde Personen innerhalb von drei Stunden nach der Ingewahrsamnahme entweder festnehmen oder freilassen. Innerhalb von 72 Stunden muss die Ermittlungsbehörde die festgenommene Person freilassen oder Anklage erheben und einen Haftbefehl von einem Richter einholen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Polizei die Festgenommenen über die Gründe für ihre Festnahme oder Inhaftierung sowie über ihre Rechte zu schweigen, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen und ein Telefonat zu führen, informieren muss. Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern waren sich nur wenige Inhaftierte ihres Rechts auf rechtliche Vertretung bewusst. Beobachter wiesen darauf hin, dass die Polizei es manchmal vermied, Personen ihr Recht auf ein ordentliches Verfahren zu gewähren, indem sie sie unter dem Vorwand, sie seien keine Verdächtigen, sondern wichtige Zeugen, vorlud und festhielt, anstatt sie formell zu verhaften. Auf diese Weise war die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne ihnen einen Verteidiger zur Seite zu stellen (USDOS 30.3.2021).

Langwierige Untersuchungshaft blieb ein Problem (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Einige Beobachter sahen in der exzessiven Untersuchungshaft ein Mittel der Ermittler, um Angeklagte zu Geständnissen oder zur Offenlegung von selbstbelastenden Beweisen zu bewegen. Obwohl das Gesetz von den Staatsanwälten verlangt, alle zwei Monate eine gut begründete Begründung für die Verlängerung der Untersuchungshaft vorzulegen, verlängerten Richter routinemäßig die Haft aus unklaren Gründen. Die Behörden hielten sich in der Regel an die Sechs-Monats-Grenze in gewöhnlichen Fällen und eine 12-Monats-Grenze für schwere Verbrechen als Gesamtdauer der Untersuchungshaft. (USDOS 30.3.2021).

Die Gerichte sind einer systemischen politischen Einflussnahme ausgesetzt, und die gerichtlichen Institutionen werden durch Korruption unterminiert. Richter fühlen sich Berichten zufolge unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig. Die Behörden wenden das Gesetz selektiv an, und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist weder in Zivil- noch in Strafsachen garantiert (FH 3.3.2021).

Das Gesetz sieht vor, dass Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise vorlegen und den Behördenakt im Vorfeld eines Prozesses einsehen können, aber Angeklagte und ihre Anwälte hatten nur sehr wenige Möglichkeiten, Behördenzeugen oder die Polizei anzufechten, während die Gerichte dazu neigten, das Beweismaterial der Staatsanwaltschaft routinemäßig zu akzeptieren. Insbesondere verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer in einem Fall. Angeklagte, Staatsanwälte und Geschädigte haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil Berufung einzulegen. Die Organe der Strafjustiz verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die bei Vernehmungen erlangt wurden, um Verurteilungen zu erreichen (USDOS 30.3.2021).

Obwohl die Bürger Zugang zu Gerichten hatten, um Schadensersatz für angebliche Menschenrechtsverletzungen einzuklagen, wurden die Gerichte weithin als korrupt wahrgenommen. Die Bürger hatten auch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzten, vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Bürger, die den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben, können bei angeblichen Verstößen der Regierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention den EGMR anrufen. Die Regierung hielt sich im Allgemeinen an die vom EGMR ausgesprochenen Entschädigungszahlungen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der

_Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

USDOS – U.S. Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices:

Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff 7.4.2021

Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Aktivitäten und die Grenzkontrolle verantwortlich ist. Der Special Investigative Service (SIS) ist eine separate Behörde, die sich auf die Voruntersuchung von Fällen spezialisiert hat, in denen es um mutmaßliche Missbräuche von Amtsträgern geht. Das Untersuchungskomitee ist für die Durchführung von Voruntersuchungen in allgemeinen zivilen und militärischen Strafsachen zuständig und umfasst die Ermittlungsdienste. Der Nationale Sicherheitsdienst und die Polizeichefs sind direkt dem Premierminister unterstellt und werden vom Präsidenten auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Das Kabinett ernennt die Leiter des Sonderermittlungsdienstes und des Ermittlungsausschusses auf Empfehlung des Premierministers. Die zivilen Behörden hatten eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021, vgl. AA 27.4.2020).

Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD (Nationaler Sicherheitsdienst) dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 27.4.2020).

Im April verabschiedete die Regierung eine Strategie und einen Aktionsplan zur Polizeireform für 2020-2022. Der Plan beinhaltet die Wiedereinführung eines Innenministeriums und die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über die Polizei. Die Reformen sehen auch die Schaffung einer neuen Patrouillenpolizei und die Gewährung von Ermittlungsbefugnissen für die Polizei vor (HRW 13.1.2021).

Es gab Berichte über Misshandlungen in Polizeistationen, die im Gegensatz zu Gefängnissen und polizeilichen Gewahrsamseinrichtungen keiner öffentlichen Überwachung unterlagen. Die Organe der Strafjustiz verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die bei Vernehmungen erlangt wurden, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Angaben von Menschenrechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensverstöße erlangten Beweisen, unzureichend. Laut Menschenrechtsanwälten war die Videoaufzeichnung in den Polizeistationen kein wirksamer Schutz gegen Missbrauch, da dieselben Polizeistationen die Kontrolle über die Server hatten, auf denen die Aufnahmen gespeichert waren, und diese manipulieren konnten. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festgehalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne dass das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der

_Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020

HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021

SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): History http://www.ccc.am/en/14 28926241 , Zugriff 24.6.2020

USDOS - U.S. Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html , Zugriff 7.4.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt (AA 27.4.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).

Die Regierung Pashinyan geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an. Die Menschenrechtslage hat sich insgesamt verbessert. Mängel bestehen jedoch nach wie vor bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze. Vor allem im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität und beim Aufbrechen der alten verkrusteten Strukturen hat Premierminister Pashinyan sichtbare Erfolge erzielt (AA 27.4.2020).

Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten: Folter, willkürliche Inhaftierung, wenn auch mit weniger Berichten als 2019, harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen, ernsthafte Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre, Menschenhandel, Gewaltverbrechen oder Gewaltandrohungen gegen Personen der Zivilgesellschaft und sexueller Minderheiten sowie Kinderarbeit. Die Regierung unternahm Schritte zur Untersuchung und Bestrafung mutmaßlicher Verstöße durch ehemalige und aktuelle Regierungsbeamte und Strafverfolgungsbehörden (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung verbieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der politischen Meinung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögensstatus, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände. Andere Gesetze und Vorschriften verbieten ausdrücklich die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aufgrund des Geschlechts. Die Regierung setzte die geltenden Gesetze nicht effektiv durch, und es gab keine wirksamen rechtlichen Mechanismen zur Umsetzung der geltenden Vorschriften (USDOS 30.3.2021).

Laut Menschenrechtsaktivisten trug die Straflosigkeit für frühere Fälle von Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden weiterhin zum Fortbestehen des Problems bei. Darüber hinaus behaupteten Beobachter, dass das Versäumnis, vergangene Fälle strafrechtlich zu verfolgen, mit der mangelnden Veränderung in der Zusammensetzung der Strafverfolgungsbehörden seit dem politischen Übergang 2018 zusammenhängt (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung Armeniens erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Sie nahm Gesetzesänderungen und Verordnungen zur Stärkung der Gesundheits- und Arbeitsaufsichtsbehörde vor und führte Schulungen für Strafverfolgungsbeamte durch. Die Behörden erhöhten die Zahl der Ermittlungen und Strafverfolgungen, und die Kommission zur Identifizierung von Opfern funktionierte weiterhin gut. Die Regierung hat seit 2014 keine Verurteilung wegen Zwangsarbeit mehr erhalten. Es fehlt an proaktiven Identifizierungsbemühungen, wie z.B. Standardindikatoren zur Überprüfung gefährdeter Bevölkerungsgruppen. Die Opfer von Menschenhandel sahen sich, wie die Opfer anderer Verbrechen, mit einem eingeschränkten Zugang zur Justiz konfrontiert, u.a. aufgrund fehlender opferorientierter Verfahren und formeller Maßnahmen zum Schutz der Opfer und Zeugen (USDOS 25.6.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001

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USDOS – U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff 7.4.2021

USDOS – US Department of State [USA] (25.6.2020): 2020 Trafficking in Persons Report: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2036210.html , Zugriff 28.9.2020

Meinungs- und Pressefreiheit

Verfassung und Gesetz sehen Meinungsfreiheit vor, auch für die Presse; während die Regierung dieses Recht im Allgemeinen respektierte, schränkte sie es durch den COVID-19-bedingten Ausnahmezustand und die kriegsbedingte Ausrufung des Kriegsrechts ein (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 7.4.2021). Einzelpersonen durften die Regierung kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen (USDOS 30.3.2021).

Die private Diskussion ist relativ frei und lebendig. Das Gesetz verbietet das Abhören oder andere elektronische Überwachungen ohne richterliche Genehmigung, obwohl es der Justiz an Unabhängigkeit mangelt und ihr vorgeworfen wurde, Strafverfolgungsbehörden, die um Zustimmung bitten, übermäßig zu bevorzugen (FH 3.3.2021).

Den Medien fehlte es im Allgemeinen an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder Gruppen, von denen die meisten Berichten zufolge mit den früheren Behörden oder der größten parlamentarischen Oppositionspartei verbunden waren, besaßen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, die tendenziell die politischen Neigungen und finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelten. Die Rundfunkmedien, insbesondere das öffentliche Fernsehen, blieben für die Mehrheit der Bevölkerung eine der wichtigsten Quellen für Nachrichten und Informationen. Das öffentliche Fernsehen war weitgehend ausgewogen und offen und zugänglich für oppositionelle Stimmen und berichtete weiterhin über vielfältigere Themen von öffentlichem Interesse als vor der Revolution 2018 (USDOS 30.3.2021).

Das lokale NGO-Komitee zum Schutz der Meinungsfreiheit berichtete von zwei Fällen von Gewalt gegen Reporter in den ersten neun Monaten des Jahres. Es gab Fälle, in denen Beamte oder ehemalige Beamte die Arbeit von Journalisten behinderten oder dies versuchten. Es gab auch Berichte über die Einschüchterung von Journalisten durch Strafverfolgungsbehörden (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021).

Die Gewalt gegen Journalisten ist seit 2018 zurückgegangen, kommt aber immer noch vor (FH

3.3.2021). Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2020 befindet sich Armenien auf Platz 61 von 180 gelisteten Ländern (RSF 21.4.2020).

Unabhängige und investigative Medien arbeiten in Armenien relativ frei. Ihre Produkte sind in der Regel online zu finden. Kleine unabhängige Zeitungen und Zeitschriften lieferten eine solide Berichterstattung über die Proteste im Jahr 2018 und stellten die Erzählungen der staatlichen Sender und anderer etablierter Medien in Frage (FH 3.3.2021).

Im März 2020 nutzte die Regierung die COVID-19-Notstandsbefugnisse, um die Medien daran zu hindern, über Informationen aus inoffiziellen Quellen zu berichten, und mehrere Medien und Journalisten wurden in diesem Monat gezwungen, Artikel und Beiträge in sozialen Medien zu bearbeiten (FH 3.3.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3

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AI - Amnesty International (7.4.2021): Armenien 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048848 .html, Zugriff 9.4.2021

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

RSF - Reporter ohne Grenzen (21.4.2020): Rangliste der Pressefreiheit 2020, https://www.report er-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2020/Rangliste_der_P ressefreiheit_2020_-_RSF.pdf, Zugriff 8.4.2021

USDOS – U.S. Department of State (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048138.html, Zugriff 8.4.2021

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung und der Vereinigung vor. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, schränkte aber die Versammlungsfreiheit unter dem mit COVID-19 verbundenen Ausnahmezustand und der konfliktbedingten Verhängung des Kriegsrechts ein (USDOS 30.3.2021; vgl. AI 7.4.2021, FH 3.3.2021). Die Verfassung (Art. 44) garantiert das Recht auf Organisation von und Teilnahme an „friedlichenund nicht bewaffneten“ Versammlungen. Das Versammlungsgesetz entspricht EU-und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert. Die Massendemonstrationen im April/Mai 2018 (sog. „Samtene Revolutiuon“) verliefen friedlich.

Beide Seiten –Demonstranten wie Sicherheitskräfte –zeigten große Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein, damit die Lage nicht eskaliere. Nur in wenigen Fällen wurde der Polizei von den Demonstranten vorgeworfen, in unangemessener Weise gegen sie vorgegangen zu sein (AA 27.4.2020).

Vom 11. November bis zum Jahresende hielt die Opposition in ganz Eriwan Kundgebungen und andere Protestaktionen ab und forderte den Rücktritt von Premierminister Pashinyan. Vor der Aufhebung des Versammlungsverbots am 2. Dezember nahm die Polizei gelegentlich Oppositionsführer und Kundgebungsteilnehmer wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Kriegsrechts fest. Während einige behaupteten, die Verhaftungen seien politisch motiviert, wiesen Menschenrechtsorganisationen diese Behauptungen weitgehend zurück (USDOS 30.3.2021).

Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der imApril 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert

(HCA 1.2019). Die 194 im Jahr 2019 durchgeführten Versammlungen in Jerewan waren ihrer Natur nach extrem divers, jedoch wurde die Versammlungsfreiheit durch Polizeiinterventionen öfters gestört (HCA 25.2.2020).

Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedlich sind. Einige problematische Gesetzesbestimmungen schränken die Versammlungsfreiheit jedoch ein. So erlaubt das Gesetz beispielsweise nicht, dass sich Menschen vor dem Eingang bestimmter öffentlicher Gebäude versammeln (OHCHR 16.11.2018).

Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf (AA 27.4.2020; vgl. OHCHR 16.11.2018). Das Gesetz schützt das Recht der Arbeitnehmer, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, zu streiken und Tarifverhandlungen zu führen. Dieser Schutz wird jedoch nicht gut durchgesetzt, und die Arbeitgeber sind in der Regel in der Lage, Gewerkschaftsaktivitäten in der Praxis zu blockieren (FH 3.3.2021).

Kleine politische Parteien waren besonders aktiv in ihrem öffentlichen Widerstand gegen das

Waffenstillstandsabkommen vom November 2020, das den Konflikt in Berg-Karabach beendete. Ende Dezember 2020 wurden Änderungen des Parteiengesetzes im Parlament verabschiedet. Die Änderungen binden die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die weibliche und landesweite Repräsentation und begrenzen individuelle Spenden (FH 3.3.2021).

Das Gesetz schränkt weder die Registrierung noch die Tätigkeit von politischen Parteien ein (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Ausw%C3

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der

_Republik_Armenien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020

AI - Amnesty International (7.4.2021): Armenien 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048848.html, Zugriff 9.4.2021

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2048576.html, Zugriff 13.4.2021

HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019 arm-1.pdf , Zugriff 24.6.2020

HCA – Helsinki Committee of Armenia (25.2.2020): Human Rights in Armenia – 2019 Report, http://armhels.com/wp-content/uploads/2020/02/Ditord-2020Eng_Ditord-2019arm-2.pdf , Zugriff 24.6.2020

OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E ,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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