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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der T in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1995, Zl. 4.241.195/8-III/13/95, betreffend Feststellung nach § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. April 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994, mit dem festgestellt worden war, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin, einer ungarischen Staatsangehörigen, bezüglich der mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. August 1988 festgestellt worden war, daß auf sie die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zutreffen, der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genannte Tatbestand eingetreten ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführerin nach Aufhebung ihres Bescheides vom 14. Juni 1994 durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0678, Gelegenheit geboten worden sei, ihre Berufung gegen diesen Bescheid durch Geltendmachung anderer als offenkundiger Verfahrensmängel zu ergänzen. Diese Gelegenheit habe die Beschwerdeführerin dadurch wahrgenommen, daß sie mit Schriftsatz vom 30. März 1995 ausgeführt habe, die erstinstanzliche Behörde habe versäumt, sie zur Vornahme der von ihr wahrzunehmenden Verfahrenshandlungen anzuleiten und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Die Erstbehörde habe offensichtlich nur unzureichende Fragen bei der Sachverhaltserhebung gestellt, da die Beschwerdeführerin andernfalls umfassend und verständlich dargestellt hätte, warum eine Rückkehr nach Ungarn für sie mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten verbunden sei. Aufgrund der mangelnden Manuduktion hätte die Beschwerdeführerin "übersehen" anzugeben, daß sie Mutter eines unehelichen Kindes sei. Der Vater des Kindes sei Österreicher, sodaß im Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin sowohl dem Kind als auch dem Kindesvater jede Möglichkeit genommen sei, einen "Vater-Kind-Kontakt" zu pflegen.
Dem hielt die belangte Behörde entgegen, daß im Fall der Beschwerdeführerin keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zur Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens vorgelegen hätten. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen Umwälzungen in ihrem Heimatstaat bestehe objektiv kein Anlaß für die Beschwerdeführerin, eine asylrechtlich relevante Verfolgung in Ungarn befürchten zu müssen. Die Beschwerdeführerin habe auch das subjektive Vorliegen dieser Furcht weder in ihrer niederschriftlichen Einvernahme noch in ihrer ergänzenden Berufung dargetan. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Nachteile, die mit dem Verlust ihres "Flüchtlingsstatus" verbunden seien, erschienen zwar nachvollziehbar, würden jedoch unter dem asylrechtlichen Gesichtspunkt jeglicher Relevanz entbehren, sodaß, selbst wenn man auf die Berufungsausführungen einzugehen hätte, dem Rechtsmittel nicht stattgeben könnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin stellt in Abrede, daß in ihrem Fall keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für die Notwendigkeit der Ergänzung oder Wiederholung des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens vorliege. Mit dieser Bestreitung ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht.
Zunächst ist festzuhalten, daß zufolge der von der belangten Behörde herangezogenen Z. 5 des Art. 1 des Abschnittes C der Genfer Flüchtlingskonvention dieses Abkommen auf Personen nicht mehr angewendet wird, wenn die Umstände aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden sind, nicht mehr bestehen und sie es DAHER nicht weiterhin ablehnen können, sich unter den Schutz des Heimatlandes zu stellen.
Die Beschwerdeführerin ist der Annahme der belangten Behörde, daß im Heimatland der Beschwerdeführerin politische Umwälzungen stattgefunden hätten, die u.a. in der Abhaltung freier Wahlen und der demokratischen Legitimierung der Regierung sowie der Änderung der Rechtslage und -anwendung ihren Ausdruck gefunden hätten, im gesamten Verfahren nicht entgegengetreten. Sie hat vielmehr in ihrer Berufung vom 19. April 1994 ausdrücklich eingeräumt, daß sich die politischen Verhältnisse in Ungarn grundsätzlich insofern geändert hätten, als sich in Ungarn ein demokratisch gewähltes Parlament habe etablieren können und daß eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung bestünde. Auch in der Beschwerde wird diese Annahme der belangten Behörde nicht bestritten.
Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, ist als Voraussetzung für das Vorliegen des Tatbestandes des Art. 1 des Abschnittes C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nur maßgeblich, ob die Umstände, aufgrund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und die Person es DAHER - also wegen des Wegfalls dieser Umstände - nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 30. März 1995 andere, außerhalb der zu ihrer Anerkennung als Flüchtling maßgeblichen Umstände gelegene Gründe geltend gemacht, die es nach Meinung der Beschwerdeführerin ermöglichen würden, abzulehnen, in ihr Heimatland zurückzukehren. Da die von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsergänzung geltend gemachten Gründe - mochten sie nun tatsächlich gegeben sein oder nicht - für das von der Erstbehörde nach § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1991 abgeführte Verfahren ohne Bedeutung waren, war die belangte Behörde nicht gehalten, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens iS des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, dessen Anwendung ihr durch das erwähnte hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994 überbunden war, vorzunehmen. Es kann daher vorliegendenfalls dahinstehen, ob die Erstbehörde tatsächlich gehalten gewesen wäre, die Beschwerdeführerin in dem von ihr geltend gemachten Sinne anzuleiten. Dies trifft im übrigen auch auf den in der Berufung der Beschwerdeführerin vom 19. April 1994 erhobenen - später nicht mehr aufrecht erhaltenen - Einwand zu, sie würde im Falle ihrer Rückkehr nach Ungarn dort über keine gesicherte Unterkunft verfügen.
Die Beschwerdeführerin bringt überdies vor, die belangte Behörde hätte unberücksichtigt gelassen, daß "Ungarn" ihr bei der Einreise (dorthin) "Schwierigkeit machen" könne. Es drohe ihr der Nachteil, daß sie offensichtlich von ihrem Heimatland nicht mehr aufgenommen werden würde, da die ungarische Botschaft in Wien der Beschwerdeführerin "bereits angekündigt" habe, daß sie nicht ohne weiteres einen neuen ungarischen Paß beanspruchen könne. Auch dieser Beschwerdeeinwand geht an der bestehenden Rechtslage vorbei. Abgesehen davon, daß mit der von der belangten Behörde getroffenen Feststellung nicht zwingend die Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland verbunden ist, wären die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang behaupteten Schwierigkeiten für die Frage des Vorliegens des Tatbestandes des Art. 1 des Abschnittes C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bezüglich der Person der Beschwerdeführerin ohne Belang, weil diese Bestimmung nicht auf die Möglichkeit der Rückkehr des ehemaligen Flüchtlings in sein Heimatland abstellt.
Da schließlich mit dem bekämpften Bescheid kein Abspruch darüber erfolgt ist, ob die Beschwerdeführerin in ihr Heimatland abgeschoben werden soll, vermögen die auf Art. 8 MRK aufbauenden Beschwerderügen schon aus diesem Grunde eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht darzutun.
Die Beschwerde erweist sich somit aus den dargestellten Gründen als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010125.X00Im RIS seit
20.11.2000