TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/23 W212 2244462-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2244462-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Somalia, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2021, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, stellte am 16.02.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin zuvor bereits am 26.06.2019 in Griechenland und am 15.09.2020 in Schweden erkennungsdienstlich behandelt wurde.

2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.02.2021 gab die Beschwerdeführerin zunächst an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an der Einvernahme hindern würden. Sie habe Somalia im April 2019 verlassen und sei zunächst mit dem Flugzeug in die Türkei gereist, wo sie sich zwei Wochen lang aufgehalten habe. Danach sei sie von Mai 2019 bis August 2020 in Griechenland aufhältig gewesen, wo sie auch einen Asylantrag gestellt und in der Folge einen positiven Asylbescheid und einen Konventionsreisepass erhalten habe. Nach Ausstellung des Konventionsreisepasses sei sie nach Schweden weitergereist, wo sie sich fünf Monate aufgehalten habe. Sie habe auch in Schweden einen Asylantrag gestellt, dieser sei jedoch negativ entschieden worden, weil sie bereits über einen positiven Bescheid aus Griechenland verfügt habe. Sie sei in der Folge über Dänemark am 16.02.2021 in Österreich eingereist. Griechenland habe sie verlassen, weil sie keine Unterstützung und keine Wohnung bekommen habe.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die Beschwerdeführerin an, ihr Vater sei verstorben und ihr Onkel väterlicherseits habe sie zwangsmäßig verheiraten wollen.

3. Mit Schreiben vom 04.03.2021 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Schweden. Mit Schreiben vom 05.03.2021 lehnte die schwedische Dublinbehörde die Aufnahme der Beschwerdeführerin mit der Begründung ab, dass ihr in Griechenland eine Aufenthaltsberechtigung und Asylstatus zuerkannt worden sei.

4. Ebenfalls am 04.03.2021 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Informationsersuchen nach Art. 34 Dublin III-VO an Griechenland. Mit Schreiben vom 17.03.2012 teilte die griechische Dublinbehörde mit, dass der Beschwerdeführerin am 06.03.2020 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei und eine bis 05.03.2023 gültige Aufenthaltsberechtigung erhalten habe. Sie habe außerdem einen Konventionsreisepass erhalten, der von 19.08.2020 bis 18.08.2025 gültig sei.

5. Am 19.04.2021 langte eine, von der Beschwerdeführerin im Zuge der Rückkehrberatung unterfertigte, Erklärung zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

6. Mit E-Mail vom 08.06.2021 wurde seitens der BBU GmbH beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachgefragt, ob die freiwillige Überstellung der Beschwerdeführerin möglich wäre.

7. Mit Schreiben vom 22.06.2021 verzichtete die Beschwerdeführerin im Dublinverfahren auf ein Parteiengehört, da sie nach Griechenland ausreisen wolle.

8. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2021, zugestellt am 30.06.2021 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführerin nach Griechenland zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt sowie gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Zur Lage in Griechenland wurden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 29.06.2021).

COVID-19-Pandemie

Letzte Änderung: 28.05.2021

Griechenland ist von COVID-19 stark betroffen. Es kommt weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet das European Centre for Disease Prevention and Control (AA 29.4.2021). Weitere Informationen bezüglich aktueller Covid-19-Maßnahmen in Griechenland können unter folgendem Link abgerufen werden: https://help.unhcr.org/greece/coronavirus/.

Ab Mai 2021 erfolgt eine sukzessive Öffnung des Landes, wobei auch die überregionale Bewegungsfreiheit wieder hergestellt werden soll (WKO 27.4.2021).

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Schutzmaßnahmen haben die griechische Wirtschaft hart getroffen. Diese wird 2020 um 10% schrumpfen und sich 2021 allmählich und 2022 in stärkerem Ausmaß erholen (OECD o.D.). Zudem hat Griechenland mit 15,8% (Stand: Dezember 2020) die höchste Arbeitslosenquote innerhalb der EU. Der Durchschnitt der EU-27 liegt bei 7,3% (Destatis o.D.).

Die COVID-19-Krise hat Griechenland dazu veranlasst, die Kapazitäten in allen Bereichen des - in den letzten Jahren vernachlässigten - Gesundheitssystems zu stärken (OECD 2021). Griechenland hat angekündigt, dass Asylsuchende und Flüchtlinge im griechischen Impfplan Berücksichtigung finden werden, wobei von den Asylwerbern erwartet wird, dass sie sich mit einer Krankenversicherungsnummer (AMKA-PAAYPA) registrieren (EASO 31.3.2021). Die Regierung wird beim Impfprogramm von UNHCR unterstützt, das Asylsuchende über Beratungsstellen und Dolmetscher mit Informationen über präventive und staatliche Maßnahmen versorgt und darüber hinaus bei der Einrichtung medizinischer Einheiten für Screening, Isolation und Quarantäne in der Nähe der Aufnahmezentren hilft. Die Hilfe wird allerdings durch den Mangel an medizinischem Personal erschwert (UNHCR 1.4.2021).

Während der Pandemie hat Griechenland durch Anpassung der festgelegten Gesundheitsstandards versucht, die Asylleistungen aufrechtzuerhalten. Um unnötige Wartezeiten zu vermeiden, wurden Termine telefonisch oder als elektronische Termine vereinbart (EASO 7.12.2020). Die damit verbundene zunehmende Digitalisierung öffentlicher Dienste hat die Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung für international Schutzberechtigte verschärft. Nach Angaben von Hilfsorganisationen haben etwa obdachlose Menschen oftmals nicht die Möglichkeit, online Termine zu buchen, und sind daher auf Unterstützung angewiesen (ProAsyl 4.2021, vgl. Fisher 29.1.2021). Die Bereitstellung von Informationen zum Asylverfahren, zu den Rechten und Pflichten von Asylbewerbern und umfangreiche Informationen zu COVID-19-Maßnahmen wurden durch neue Kommunikationskanäle wie Poster, Piktogramme, YouTube-Videos, Hotlines und Online-Plattformen ergänzt oder ersetzt (EASO 7.12.2020).

Als Reaktion auf Covid-19 schränkte Griechenland die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden innerhalb und außerhalb der Aufnahmelager der überfüllten Aufnahme- und Identifizierungszentren (RICs) auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sowie auf dem Festland in Evros teils erheblich ein (USDOS 30.3.2021, vgl. EASO 7.12.2020). Auf Anordnung der Behörden kann eine zeitlich begrenzte Quarantäne über die Betreuungseinrichtungen und deren Bewohner verhängt werden (EASO 7.12.2020). In vielen Einrichtungen kam es zur wiederholten und diskriminierenden Anordnung solcher Maßnahmen. Unter anderem wurden in den überfüllten Lagern auf Lesbos und Samos Covid-19-Ausbrüche registriert und Personen unter Quarantäne gestellt. Die schwierigen Lebensbedingungen führten dazu, dass bei der Durchführung dieser Quarantäne-Maßnahmen die Grundrechte der Menschen nicht immer gewahrt wurden (EASO 7.12.2020; vgl. AI 7.4.2021). Die strengen Hygiene-Auflagen und Aufrufe zum Social Distancing im Zuge der Bekämpfung von Covid-19 sind in den zahlreichen Flüchtlingslagern wegen der beengten Verhältnisse und der allgemein schwierigen Lebensumstände kaum effizient umzusetzen (RTI 06/2020).

Im Zuge der Covid-19-Schutzmaßnahmen wurde die Gültigkeit von Aufenthaltsgenehmigungen seit Juni 2020 mehrfach pauschal per Gesetz verlängert, zuletzt bis Ende Juni 2021 (ProAsyl 4.2021, vgl. EASO 7.12.2020); eine individuelle Verlängerung erfolgt nicht. Personen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist, sind daher aktuell nur im Besitz dieser abgelaufenen Aufenthaltsgestattung und damit vom Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung faktisch ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass die vorläufige Sozialversicherungsnummer (PAAYPA), die Asylbewerber seit April 2020 bei Ausstellung der Aufenthaltsgestattung erhalten und die ihnen Zugang zu Gesundheitsversorgung und theoretisch auch zum Arbeitsmarkt ermöglicht, an die Gültigkeitsdauer der ausgestellten Aufenthaltsgestattung geknüpft ist. Läuft die Aufenthaltsgestattung ab, wird die vorläufige Sozialversicherungsnummer automatisch deaktiviert. Im Zuge der pauschalen gesetzlichen Verlängerungen von Aufenthaltsgestattungen wurde nicht sichergestellt, dass die vorläufige Sozialversicherungsnummer aktiv bleibt (ProAsyl 4.2021).

Hinsichtlich der Anzahl von Dublin-Verfahren ist pandemiebedingt ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (ECRE 7.12.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.4.2021): Griechenland: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/griechenlandsicherheit/211534, Zugriff 2.5.2021

?        AI - Amnesty International: Griechenland 2020 (7.4.2021), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048854.html, Zugriff 7.5.2021

?        Destatis – Statistisches Bundesamt (o.D.): March 2021. EU unemployment rate at 7,3%, https://www.destatis.de/Europa/EN/Topic/Population-Labour-Social-Issues/Labour-market/EULabourMarketCrisis.html, Zugriff 8.5.2021

?        EASO – European Asylum Support Office (31.3.2021): COVID-19 vaccination for applicantsand beneficiaries of international protection, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/publications/EASO_Situational_Update_Vaccination31March..pdf, Zugriff 6.5.2021

?        EASO – European Asylum Support Office (7.12.2020): COVID-19 emergency measures in asylum and reception-systems, file:///tmp/mozilla_wh72750/COVID-19%20emergency%20measures%20in%20asylum%20and%20reception%20systems-December-2020_new.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (7.12.2020): Covid-19 measures and updates related to asylum and migration across Europe, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/12/ECRE-COVID-information-sheet-Dec-2020.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        Fisher Ariadne, Oxford University (29.1.2021): Impact of Covid-19 on Refugee Camps in Greece, https://www.law.ox.ac.uk/centres-institutes/centre-criminology/blog/2021/01/impact-covid-19-refugee-camps-greece, Zugriff 30.4.2021

?        OECD (o.D.): Greece, Economic Snapshot, https://www.oecd.org/economy/greece-economic-snapshot/, Zugriff 10.5.2021

?        OECD (2021): Greece, https://www.oecd.org/economy/growth/Greece-country-note-going-for-growth-2021.pdf, Zugriff 10.5.2021

?        Pro Asyl/RSA (4.2021): Stellungnahme; Zur Aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-International-Schutzberechtigt-Griechenland-PRO-ASYL_RSA-April-2021.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        RTI - Refugee Trauma Initiative (06/2020): The Impact of Covid-19 on Refugees in Greece, https://static1.squarespace.com/static/577646af893fc0b5001fbf21/t/5ef0bb675598594c56fcad77/1592835023114/2020-06_RTI_COVID19_REFUGEESGR.pdf, Zugriff 30.4.2021

?        UNHCR (1.4.2021): Greece Fact-Sheet, February 2021, file:///tmp/mozilla_wh72750/Greece%20bi-annual%20Factsheet%20Feb%202021-1.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        USDOS – US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Greece, https://www.ecoi.net/en/document/2048407.html, Zugriff 2.5.2021

?        WKO - Wirtschaftskammer Österreichs (27.4.2021): Corona-Virus. Situation in Griechenland, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus:-situation-in-griechenland.html, Zugriff 2.5.2021

Schutzberechtigte

Letzte Änderung: 28.05.2021

Laut Gesetz haben Schutzberechtigte in Griechenland dieselben Rechte wie griechische Staatsangehörige. Im Jahr 2020 ist aufgrund von beschleunigten Asylverfahren im Vergleich zu den Vorjahren die Anzahl international Schutzberechtigter sprunghaft gestiegen: Insgesamt wurde 35.372 Menschen internationaler Schutz zuerkannt (ProAsyl 4.2021). Das sind mehr als doppelt so viele Menschen als 2019 (AIDA 6.2020).

Anerkannte Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Ein Recht auf Familienzusammenführung besteht zwar formal (allerdings nur für anerkannte Flüchtlinge), ist aber aufgrund der Auflagen in der Praxis nur schwer zu erreichen. Wird dieses innerhalb von drei Monaten ab Statuszuerkennung beantragt, entfallen Einkommenserfordernisse. Anerkannte Flüchtlinge haben das Recht auf ein Reisedokument. Das gilt auch für subsidiär Schutzberechtigte, wenn sie einen Nachweis ihrer diplomatischen Vertretung vorlegen können, dass es ihnen nicht möglich ist, einen nationalen Reisepass zu erhalten. Diese Voraussetzung ist für viele äußerst schwierig zu erfüllen und überdies von der diplomatischen Vertretung des Herkunftslandes abhängig (AIDA 6.2020).

Residence Permit Card

Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).

Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen. Zur Beantragung der RPC reicht in Griechenland ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der Asylbehörde, mit dem einer Person internationaler Schutz zuerkannt wurde, nicht aus. Zusätzlich wird ein sogenannter „ADET-Bescheid“ benötigt. Bei diesem handelt es sich um einen Bescheid des zuständigen Regionalbüros der Asylbehörde, durch den die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis angewiesen wird. Der ADET-Bescheid wird nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt. In diesem Fall müssen Schutzberechtigte einen Termin beim zuständigen Regionalbüro vereinbaren, um sich den ADET-Bescheid aushändigen zu lassen (ProAsyl 4.2021).

Nach dem Erhalt des positiven Asylbescheides kann der Asylberechtigte zwei Ansuchen einreichen: eines für die Residence Permit Card (RPC) und ein weiteres für ein Reisedokument. Die Anträge erfolgen beim Asylservice. Mit dem Asylbescheid und dem Ansuchen für die RPC kann man per E-Mail einen Fingerabdruck-Termin beantragen. Die Antwort hierauf dauert zwischen zwei Wochen und zwei Monaten, COVID-bedingt oftmals länger. Von der Antwort bis zum Fingerabdruck-Termin dauert es in der Regel neuerlich mehrere Wochen, woraufhin bis zum tatsächlichen Erhalt der RPC nochmals drei bis acht Monate (COVID-bedingt teilweise länger) vergehen. Die Ausstellung der RPC erfolgt durch die griechische Polizei (VB 1.3.2021). Die Gültigkeit der RPC beträgt für Asylberechtigte drei Jahre (um weitere drei Jahre verlängerbar) und für subsidiär Schutzberechtigte ein Jahr (um ein weiteres Jahr verlängerbar) und geht durch Ausreise und spätere Wiedereinreise nach Griechenland nicht verloren (VB 12.4.2021).

Reisedokument

Um ein Reisedokument beantragen zu können, bestehen folgende Voraussetzungen:

?        Wenn die betreffenden Schutzberechtigten in einem Camp oder in einer anderen staatlichen Unterkunft untergebracht und dort registriert sind, können sie unmittelbar nach Erhalt des positiven Asylbescheides parallel die Residence Permit Card (RPC) und ein Reisedokument beantragen. Sie werden hierbei aktiv vom Management des Camps bzw. der Unterkunft unterstützt (VB 12.4.2021).

?        Wenn anerkannte Schutzberechtigte hingegen nicht in einem Camp oder einer staatlichen Einrichtung untergebracht und registriert sind, ist für den Antrag eines Reisedokumentes eine RPC erforderlich (VB 12.4.2021).

Das Ausstellungsdatum des Asylbescheids darf nicht länger als sechs Monate zurückliegen; andernfalls muss beim Asylservice eine Neuausstellung des Bescheides erwirkt werden. Der Asylbescheid und die RPC müssen eingescannt und bei der Fremdenpolizei online eingegeben werden. Die Gebühr hierfür beträgt derzeit 84,- Euro. Danach muss wiederum per E-Mail um einen Fingerabdruck-Termin angesucht werden (Wartezeit: eine Woche bis zwei Monate). Die Ausfolgung eines Reisedokuments erfolgt dann nach drei bis acht Monaten (COVID-bedingt auch länger) durch die griechische Polizei (VB 1.3.2021).

Nach Erfahrung des letzten Jahres suchen fast alle anerkannten Flüchtlinge um ein Reisedokument an (VB 24.2.2021). Syrische Schutzberechtigte werden hierbei in der Praxis bevorzugt behandelt; für andere Nationalitäten kann das Prozedere Monate dauern (VB 12.4.2021).

HELIOS Programm („Hellenic Support for Beneficiaries of International Protection“)

Nach Ausfolgung des Asylbescheides erhält der Asylberechtigte eine SMS-Mitteilung, dass er nun vom Cash Card Programm für Asylwerber abgemeldet wird und dass er die zur Verfügung gestellte Unterkunft sofort verlassen muss (das Gesetz sieht hier eine Frist von einem Monat vor). Nur Schwangere ab dem 7. Schwangerschaftsmonat bekommen inkl. Familie einen Aufschub von 2 Monaten (VB 1.3.2021). Der Verbleib mehrerer tausend Menschen in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften wird von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation einstweilen toleriert, allerdings ist nicht absehbar, für wie lange. Die Versorgung dieser in den Unterkünften noch geduldeten Flüchtlinge wird zum größten Teil von NGOs und Freiwilligen übernommen, wobei offensichtlich die jeweiligen Camp- oder Sitemanager eher willkürlich über Verfügbarkeit und Vergabe entscheiden (VB 19.3.2021).

Die griechische Regierung verweist anerkannte Schutzberechtigte für Unterstützungsmaßnahmen bei der Integration meist auf das Programm HELIOS. Zusätzlich hat die griechische Regierung im September 2020 mit IOM ein ergänzendes Programm ins Leben gerufen, das anerkannten Schutzberechtigten eine zweimonatige Unterbringung in Hotels ermöglichen soll. Gedacht ist dieses Programm als eine Art Puffer für Schutzberechtigte von den Inseln, die auf das Festland verbracht wurden und sich noch nicht bei Helios einschreiben konnten. Geplant war dieses Programm für 1.500 bis 2.000 Personen. Laut IOM haben insgesamt 2.504 Personen von dieser Maßnahme profitiert. Das Programm lief regulär Ende 2020 aus, wurde einmal bis Ende Februar 2021 verlängert. Anfang März hat Griechenland bei der EU-Kommission einen Antrag auf Weiterfinanzierung gestellt (VB 12.4.2021).

Bei HELIOS handelt sich um ein Projekt von IOM zur Integration von Schutzberechtigten, die in einer offiziellen Unterbringungseinrichtung leben (AIDA 6.2020; vgl. IOM o.D.).
Helios ist das einzige aktuell in Griechenland existierende offizielle Integrationsprogramm für internationale Schutzberechtigte. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF); Umgesetzt wird das Programm von IOM in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Programm wurde im Juli 2019 gestartet und hat eine Laufzeit bis Juni 2021. Neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration beinhaltet es Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum (ProAsyl 4.2021).

Voraussetzungen für den Zugang zu den Fördermaßnahmen von Helios:

?        Zugang haben Schutzberechtigte, denen nach dem 1.1.2018 internationaler Schutz zuerkannt wurde sowie deren Familienangehörige, die mittels Familienzusammenführung nach Griechenland gekommen sind (solange ihre Angehörigen Helios-berechtigt sind) (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Die betreffenden Schutzberechtigten müssen darüber hinaus zum Zeitpunkt der Zustellung ihres Anerkennungsbescheids offiziell in einem Flüchtlingslager, einem Empfangs- und Identifikationszentrum (RIC), einem Hotel im Rahmen des IOM-Programms FILOXENIA oder einer Wohnung des ESTIA-Programms registriert gewesen sein und tatsächlich dort gelebt haben (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Die Anmeldung zu Helios darf nicht später als 12 Monate nach Anerkennung des Schutzstatus erfolgen. Das Mindestalter beläuft sich auf 16 Jahre (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Es erfolgt eine Beitrittserklärung (Declaration of Participation) mit Unterschrift aller volljährigen Familienangehörigen und Kenntnisnahme aller Rechte und Pflichten aus dem Helios Programm. Diese ist nicht bindend und kann jederzeit widerrufen werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Zudem benötigen die Teilnehmer zumindest Residence Permit Card (RPC), Steuernummer, Bankkonto, Sozialversicherungsnummer und Wohnungsnachweis. Diese sind schwierig zu erlangen, der Erhalt dauert Wochen bis Monate (VB 19.3.2021) .

Keinen Zugang zu Fördermaßnahmen aus dem HELIOS-Programm haben demzufolge international Schutzberechtigte, die entweder vor dem 1. Januar 2018 internationalen Schutz erhalten haben oder die zwar nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, jedoch zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung nicht in einer offiziellen Unterkunft in Griechenland gelebt haben, oder die sich nicht innerhalb eines Jahres nach Anerkennung für HELIOS registriert haben. Somit besteht in aller Regel für Schutzberechtigte, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, keine Möglichkeit, von Helios zu profitieren (ProAsyl 4.2021).

Helios bietet folgende Leistungen an:

?        Durchführung von Integrationskursen in Integrationslernzentren, die in ganz Griechenland eingerichtet wurden. Jeder Kurszyklus dauert sechs Monate und besteht aus Modulen zum Erlernen der griechischen Sprache, zur kulturellen Orientierung, zur Berufsvorbereitung und zu Lebenskompetenzen (IOM o.D.).

?        Unterstützung der Begünstigten auf dem Weg zu einer eigenständigen Unterkunft in Wohnungen, die auf ihren Namen angemietet wurden, u. a. durch die Bereitstellung von Beiträgen zu den Miet- und Einzugskosten und die Vernetzung mit Wohnungseigentümern.
d.h. es erfolgt keine Beistellung von Wohnraum, es können aber Mietzuschüsse gewährt werden (IOM o.D.).

?        Bereitstellung von individueller Unterstützung u.a. durch Berufsberatung, Zugang zu berufsbezogenen Zertifizierungen und Vernetzung mit privaten Arbeitgebern (IOM o.D.).

?        Regelmäßige Bewertung des Integrationsfortschritts der Begünstigten, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, sich sicher bei griechischen öffentlichen Dienstleistern zurechtzufinden, sobald sie das HELIOS-Projekt verlassen und anfangen, unabhängig in Griechenland zu leben (IOM o.D.).

?        Organisation von Workshops, Aktivitäten und Veranstaltungen sowie Erstellung einer landesweiten Medienkampagne, um den Wert der Integration von Migranten in die griechische Gesellschaft hervorzuheben (IOM o.D.).

Für anerkannte Schutzberechtigte in den Camps erfolgt die Einschreibung in Helios relativ rasch. Wenngleich die Schutzberechtigten dann das Camp verlassen müssen, werden viele nach wie vor geduldet. Anschließend gibt es zwei Mal pro Woche Sprach- und Ethikunterricht sowie eine finanzielle Unterstützung in Höhe von etwa 390 Euro/Monat als Mietzuschuss (VB 12.4.2021). Bedingung für den Mietenzuschuss ist die Vorlage eines Mietvertrags mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten sowie ein griechisches Bankkonto und eine Steueridentifikationsnummer. Die Zuschüsse werden immer nur rückwirkend ausgezahlt (ProAsyl 4.2021). Das bedeutet, dass Schutzberechtigte bereits eine Wohnung gefunden und in der Praxis auch die erste Monatsmiete sowie die Mietkaution aus eigenen Mitteln bezahlt haben müssen. Zudem findet eine Wohnung in der Praxis nur, wer einen festen Job hat. Das ist für Flüchtlinge in einem Land mit 16% Arbeitslosigkeit nahezu aussichtslos (PNP – 8.3.2021). Zudem sind die Mieten vor allem in Athen in den vergangenen beiden Jahren um bis zu 30% gestiegen. Die Zuschüsse reichen daher zur Begleichung der Miete oftmals nicht aus. Nur etwa 16% aller international Schutzberechtigten haben Mietbeihilfen aus dem Helios-Programm erhalten (ProAsyl 4.2021). Laut IOM haben bis 26.02.2021 7.571 Personen im Rahmen von Helios Mietbeihilfe in Anspruch genommen (VB 12.4.2021).

Das Programm endet nach sechs Monaten (VB 12.4.2021). Je nach Unterkunft beginnt der Start der Ausbildung (Bildungsprogramme; vor allem Sprachen) unterschiedlich – es kann sein, dass erst zwei Monate nach der Einschreibung mit der Ausbildung begonnen wird – dann bleiben noch 4 Monate Nettozeit; derzeit werden viele Unterrichtseinheiten online unterrichtet, was Probleme mit Internet, Technik, Übersetzern usw. verursacht. Ist während der Laufzeit Unterricht aus verschiedenen Gründen nicht möglich, werden die 390 Euro an finanzieller Unterstützung pro Monat nicht ausbezahlt. Aus genannten Gründen wird das Helios Programm von den Betroffenen nur in wenigen Fällen als wirkliche Unterstützung wahrgenommen (VB 1.3.2021).

Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card

Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

Wohnungsmöglichkeiten

Ab Juni 2020 sind alle Schutzberechtigten gesetzlich verpflichtet, die Flüchtlingslager beziehungsweise Unterkünfte, in denen sie während des Asylverfahrens untergebracht waren, innerhalb von 30 Tagen ab Schutzzuerkennung zu verlassen. Verlängerungen des Aufenthalts in den Unterkünften sind nur in außergewöhnlichen Fällen möglich. In der Folge mussten in den vergangenen Monaten Tausende Menschen ihre Unterkünfte räumen, auch wenn eine Verlängerung des Aufenthalts in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation toleriert wurde. Jedenfalls gab es zahlreiche Berichte über obdachlose Flüchtlinge. Medien und NGOs dokumentierten, dass viele von ihnen Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen auf dem Festland hatten und in Athen im Freien schliefen (AI 7.4.2021, vgl. ProAsyl 4.2021, VB 19.3.2021).

In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte - ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

Lebenshaltung

Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).

Medizinische Versorgung

Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu medizinischer Versorgung wie griechische Staatsangehörige, in der Praxis schmälert aber der Ressourcenmangel im griechischen Gesundheitssystem diesen Zugang, was aber in gleichem Maße auch für griechische Staatsbürger gilt. Bei Flüchtlingen kommen jedoch auch Verständigungsschwierigkeiten und Probleme beim Erlangen der Sozialversicherungsnummer (AMKA) hinzu (AIDA 6.2020).

Die AMKA kann bei der Gesundheitsbehörde (EKKA) elektronisch beantragt werden, man braucht dazu aber eine RPC und ein Jobangebot einer Firma. Ohne Jobangebot können Flüchtlinge eine PAAYPA (vorläufige AMKA für Fremde) beantragen. Mit AMKA ist voller Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, usw. möglich, mit PAAYPA hingegen nur beschränkt. Manche Einrichtungen akzeptieren eine PAAYPA nicht. Jene Personen wären dann auf Privatärzte oder NGOs angewiesen (VB 1.3.2021). Zudem gibt es in Athen einige „Sozial-Apotheken“ wo billige oder sogar kostenlose Medikamente und medizinische Artikel erhältlich sind – diese unterstützen auch einkommenslose Griechen (VB 12.4.2021).

Um die Spitäler als erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme zu entlasten, wurde mit dem Gesetz 4486/2017 24 die Grundlage für die Einführung eines medizinischen Erstversorgungsnetzwerkes (TOMY) geschaffen. Dieses Netzwerk orientiert sich an den Prinzipien der WHO, die seit 2018 in Griechenland ein Country Office unterhält (WHO 2019, WHO 20.6.2021). Das Team der Erstversorgung besteht aus Allgemeinmedizinern, Kinderärzten, Pflegefachpersonen und Sozialarbeitern und ist nun erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen der Menschen in den Regionen abseits der großen Ballungszentren. Sie übernehmen Behandlung und Pflege sowie die Überwachung von Krankheiten und arbeiten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung. Bei Bedarf werden Patienten dann an andere Gesundheitszentren und städtische Tageskliniken überwiesen, wo spezialisierte und diagnostische Abklärungen, ein 24-Stunden-Betrieb und ambulante Behandlungen angeboten werden. Zudem übernehmen diese Zentren die Koordination der TOMYs ihres Sektors, die ambulante Pflege der Patienten, die Überweisungen an übergeordnete Spitäler und die Verantwortung für die psychologische und psychiatrische Gesundheitsversorgung in den Gemeinden. Im Sommer 2019 waren 120 solcher TOMY-Zentren in Betrieb (WHO 2019, vgl. OECD o.D.).

Durch die massiven Einsparungen am Gesundheitspersonal in den Jahren der Wirtschaftskrise kann der Zugang zum Gesundheitssystem mit langen Wartezeiten verbunden sein (AI 3.3.2021).

Für den Bezug von Medikamenten ist ein Rezept eines Arztes einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung erforderlich. Rezepte werden über das Online-Portal https://www.e-prescription.gr elektronisch ausgestellt und können unter Angabe der AMKA dann in jeder Apotheke eingelöst werden (AI 3.3.2021). Handgeschriebene Rezepte werden nur von Sozialapotheken entgegen genommen. Ohne AMKA können Rezepte in der Krankenhausapotheke jenes Spitals, wo der betreffende Arzt praktiziert, eingelöst werden (UNHCR 4.3.2021). Die Kosten für verschreibungsfreie Medikamente müssen zur Gänze vom Patienten getragen werden; für verschreibungspflichtige Medikamente sind entsprechende Zuzahlungen erforderlich (WHO 2018).

Arbeitsmarkt

Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.).

Voraussetzungen ist u.a. der Nachweis der Unterkunft: Wenn der Schutzberechtigte in einer offenen Unterkunft, einer Wohnung oder einer Aufnahmeeinrichtung einer NGO oder eines anderen Akteurs wie z. B. einer Gemeinde wohnt, kann er von der die Unterkunft verwaltenden Stelle eine Bescheinigung zum Nachweis der Adresse anfordern. Bei Miete ist der Mietvertrag oder eine entsprechende Stromabrechnung vorzulegen. Bei Beherbergung durch eine griechische Person oder einen anderen Migranten oder anerkannten Flüchtling muss der Schutzberechtigte von eben dieser Person eine offizielle, schriftliche Beherbergungsbestätigung vorlegen, die zudem die Steuernummer und die in einem Bürgerzentrum beglaubigte Unterschrift des Unterkunftsgebers enthält (UNHCR o.D., vgl. ProAsyl 4.2021).

Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (AMKA). Diese ist auch erforderlich, um versichert zu sein und von den Sozialversicherungsbestimmungen für Arbeitsunfall, Mutterschaft, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Familienpflichten zu profitieren. Die ???? sichert die Rechte des Schutzberechtigten in Bezug auf Arbeit und Rente und erleichtert auch den Zugang zu Krankenhaus- und pharmazeutischer Versorgung. Den Antrag auf eine AMKA kann in einem AMKA-Büro der Sozialversicherungsanstalt oder in einem Bürgerservicezentrum (KEP) gestellt werden. An manchen Orten wird die AMKA schnell an Asylbewerber vergeben, an anderen Orten verlangen die Behörden zusätzliche Unterlagen (UNHCR o.D.).

Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben, bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020).

Sechs Monate nach Einbringung eines Asylantrags ist legale Arbeit erlaubt, in Ausnahmefällen (Hochsaison Landwirtschaft oder Tourismus) kann bei Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes und Garantiestellung durch den Arbeitgeber schon ab acht bis zehn Wochen legal einer Beschäftigung nachgegangen werden. Allerdings wollen Arbeitgeber ohne vorhandene AMKA (permanente Sozialversicherungsnummer) keine Arbeitnehmer einstellen. Es ist keine Residence Permit Card (RPC) für die legale Ausübung einer selbstständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich (VB 12.4.2021).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (6.2020): Country Report: Greece, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2020/07/report-download_aida_gr_2019update.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Greece 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048689.html, Zugriff 12.5.2021

?        AI – Amnesty International (3.3.2021): Resuscitation required. The Greek Health System after a decade of austerity, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR2521762020ENGLISH.PDF, Zugriff 13.5.2021

?        OM – International Organisation for Migration (o.D.): Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (HELIOS), https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios, Zugriff 1.5.2021

?        MIT – Mobile Info Team (2.2021): The living conditions of applicants and beneficiaries of international protection, https://www.antigone.gr/wp-content/uploads/library/selected-publications-on-migration-and-asylum/greece/en/Accommodation_report_MIT_2021_small.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        OECD - European Observatory on Health Systems and Policies (o.D.): State of Health in the EU, 2019. Greece: Country Health Profile, https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/state/docs/2019_chp_gr_english.pdf, 13.5.2021.

?        Pro Asyl/RSA (4.2021): Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-International-Schutzberechtigt-Griechenland-PRO-ASYL_RSA-April-2021.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        UNHCR – The UN Refugee Agency (o.D.): Living in Greece, https://help.unhcr.org/greece/living-in-greece/, Zugriff 10.5.2021

?        VB des BM.I Griechenland (24.2.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (1.3.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (19.3.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (12.4.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        WHO – World Health Organization (20.6.2018): WHO eröffnet neues Länderbüro in Griechenland, https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2018/who-opens-new-country-office-in-greece, Zugriff 13.5.2021

?        WHO – World Health Organization (2018): Medicines Reimboursement Policies in Europe, https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0011/376625/pharmaceutical-reimbursement-eng.pdf, Zugriff 10.5.2021

?        WHO – World Health Organization (2019): Monitoring and documenting systemic and health effects of health reforms in Greece, https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0011/394526/Monitoring-Documenting_Greece_eng.pdf, Zugriff 14.5.2021

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass aus den Angaben der Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass sie tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Die Beschwerdeführerin habe insbesondere in Griechenland den Status einer Begünstigten internationalen Schutzes und könne daher nicht erkannt werden, dass ihr ihre gesetzlich gewährleisteten Rechte in Griechenland verweigert würden. Eine Schutzverweigerung in Griechenland könne auch nicht erwartet werden. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass die Beschwerdeführerin an einer schweren körperlichen Krankheit oder einer schweren psychischen Störung leide. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG sei nicht zu erteilen. Hinderungsgründe an der Außerlandesbringung seien im Hinblick auf das Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte und die kurze Aufenthaltsdauer nicht gegeben.

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden auch Feststellungen in Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus getroffen.

9. Mit Schriftsatz vom 13.07.2021 wurde gegen den Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland habe auf der Straße schlafen müssen. Sie habe zwar zweimal eine vorübergehende Bleibe bei einem Mann aus Somalia und bei einem arabischstämmigen Mann gefunden, diese jedoch schnell wieder aufgegeben, da sie sexuellen Belästigungen ausgesetzt gewesen sei. Sie sei außerdem psychisch unter Druck gesetzt und beschimpft worden, als man erfahren habe, dass die Beschwerdeführerin homosexuell sei. Sie leide an einer psychischen Erkrankung, die sich durch die Erlebnisse in Somalia, der Flucht nach Europa und den Lebensumständen in Griechenland entwickelt hätte und habe sowohl in Griechenland als auch in Schweden Selbstmordversuche begangen. Die Erstbefragung habe vor einem männlichen Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes stattgefunden, weshalb die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, sämtliche Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Griechenland sprechen würden, anzugeben. Außerdem habe die belangte Behörde es unterlassen eine Einvernahme durchzuführen. Der Beschwerdeführerin sei nicht bewusst gewesen, welche Bedeutung einem Parteigehör zukomme und sei sie darüber nicht belehrt worden. Die Behörde hätte bei richtiger Beurteilung feststellen müssen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Griechenland eine Verletzung der EMRK bedeuten würde und damit unzulässig sei. In der Beschwerde wurde weiters auf die Stellungnahme von Pro Asyl vom 09.12.2020, einen Artikel aus der Tageszeitung Der Standard vom Dezember 2020, einen Bericht des Mobile Info Teams vom Februar 2021, zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 09.10.2020 und vom 11.02.2021 und die Pressemitteilung vom 26.01.2021 des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen Bezug genommen. Aus diesen Länderberichten gehe deutlich hervor, dass sich die Lage von Schutzberechtigten schwerwiegend verschlechtert habe, sodass sie de facto keine Sozialleistungen erhalten, keinen Zugang zum Gesundheitssystem, zum Wohnungsmarkt, sowie zum Arbeitsmarkt hätten und bei einer Rückkehr der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt seien.

10. Die Beschwerdevorlage langte am 16.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Am 04.08.2021 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine E-Mail der BBU GmbH vom 03.08.2021 in dem nachgefragt wurde, wann die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin nach Griechenland möglich sei.

12. Am 01.09.2021 langte ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Unterstützungsleistungen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts wurde mitgeteilt, dass der Ausreisetermin für den 21.09.2021 festgelegt worden sei.

13. Am 20.09.2021 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein E-Mail der BBU GmbH weiter, in dem mitgeteilt wurde, dass der Flug der Beschwerdeführerin für den 21.09.2021 storniert werden müsse, da sie zur vereinbarten PCR-Testung nicht erschienen und nicht auch erreichbar gewesen sei.

14. Mit E-Mail vom 28.09.2021 gab die BBU beim BFA bekannt, dass die BF gerne am 06.10.2021 nach Athen fliegen wolle.

15. Ebenfalls am 28.09.2021 teilte das BFA zum Antrag vom 27.09.2021 mit, dass die Heim- bzw. Ausreisekosten für die BF übernommen werden und die Ausreise unverzüglich, längstens jedoch bis 27.11.2021 zu erfolgen habe.

16. Am 15.10.2021 teilte das BFA mit, dass die BF am 12.10.2021 über den Luftweg komplikationslos nach Griechenland überstellt worden sei.

17. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, reiste über Griechenland in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und stellte dort laut EURODAC-Treffermeldung am 26.06.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 06.03.2020 wurde ihr der Status einer Asylberechtigten zuerkannt und ihr eine bis 05.03.2023 gültige Aufenthaltsberechtigung ausgefolgt. Ebenfalls erhielt sie einen Konventionsreisepass gültig von 19.08.2020 bis 18.08.2025.

Am 15.09.2020 stellte sie einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Schweden, entzog sich dort aber dem Verfahren und stellte in der Folge am 16.02.2021 den gegenständlichen Asylantrag in Österreich.

Am 16.04.2021 erklärte sich die Beschwerdeführerin zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland bereit. Sowohl am 08.06.2021 als auch am 03.08.2021 wurde mittels E-Mail vonseiten ihres Beraters bei der Rückkehrberatung der BBU GmbH nachgefragt, wann die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin möglich wäre. Am 22.06.2021 verzichtete die Beschwerdeführerin auf ein Parteingehör im Dublinverfahren.

Am 01.09.2021 stellte die Beschwerdeführerin über ihre Rechtsberatung einen Antrag auf freiwillige Ausreise und wurde ihr Ausreisetermin für den 21.09.2021 festgelegt. Der Flug musste storniert werden, weil die Beschwerdeführerin zum vereinbarten PCR-Testtermin nicht zugegen war. Am 27.09.2021 wurde ein weiterer Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt und wurde die BF in der Folge am 12.10.2021 auf dem Luftweg nach Griechenland überstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Situation von Schutzberechtigten im Mitgliedstaat Griechenland an.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im Zielstaat sprechen würden, liegen keine vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Griechenland Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 22.11.2021, 1.010.981 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 11.525 Todesfälle; in Griechenland wurden zu diesem Zeitpunkt 861.117 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 17.075 Todesfälle bestätigt (WHO, 22.11.2021).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.

Aktuell befindet sich Österreich auf der sogenannten grünen Liste des Europäischen Zentrums für Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Reisende aus Österreich können daher ohne Einschränkungen nach Griechenland einreisen, sofern die 3G-Regel eingehalten wird und die Reiseregistrierung mittels „Passenger Locator Form“ (kurz „PLF“ auf der Homepage https://travel.gov.gr/#/ vor der Einreise vorzunehmen. Daraufhin wird ein QR-Code zugesandt, der bei der Einreise und von Flug- und Fährgesellschaften beim Check-In/Boarding kontrolliert wird. Zudem müssen alle Reisenden mindestens 14 Tage zuvor die Impfung gegen COVID-19 abgeschlossen haben – eine Teilimpfung ist nicht ausreichend – und ein Impfzertifikat oder einen nicht mehr als 72 Stunden alten negativen PCR-Test vorlegen. Für das ganze Land gilt die Sicherheitsstufe 2 (Sicherheitsrisiko) (BMEIA, 22.11.2021).

Die 21-jährige Beschwerdeführerin leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten oder gesundheitlichen Problemen und nimmt keine Medikamente. Sie fällt somit nicht unter die oben angeführten Risikogruppen. Dass sie an einer psychischen Erkrankung leidet und Suizidversuche unternommen hat, konnte nicht festgestellt werden und legte die Beschwerdeführerin diesbezüglich auch keine medizinischen Unterlagen oder Befunde vor.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keine Familienangehörigen zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung besteht und hat sie auch sonst keine sozialen Kontakte, die sie im besonderen Maße an Österreich binden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sind nicht hervorgekommen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen über die Einreise der Beschwerdeführerin und die Asylantragstellungen in Griechenland und Schweden ergeben sich aus den diesbezüglichen EURODAC-Treffermeldungen. Die Festellungen hinsichtlich der geführten Konsultationsverfahren mit Griechenland und Schweden ergeben sich aus den hierzu geführten Schriftwechseln, die im Verwaltungsakt enthalten sind. Die Feststellung hinsichtlich des Bestehens des Flüchtlingsstatus in Griechenland beruht auf der diesbezüglichen Information der griechischen Behörden und ihren eigenen Angaben.

Dass die Beschwerdeführerin eine Erklärung über die freiwillige Ausreise und einen Verzicht auf Parteiengehör abgegeben hat, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt. Aus dem E-Mail ihrer Berater bei der Rückkehrberatung der BBU GmbH und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergibt sich weiters, dass vonseiten der BBU GmbH zweimal nachgefragt wurde, wann die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin möglich sei.

Die Feststellungen zu den Anträgen auf freiwillige Rückkehr vom 01.09.2021 und 27.09.2021, dem geplanten Ausreisetermin, der Stornierung des ersten Fluges und die schließlich freiwillige Ausreise über den Luftweg am 12.10.2021 ergeben sich aus den Eingaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und deren Korrespondenz mit der BBU GmbH.

Die Feststellungen zur Gesamtsituation von subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in Griechenland resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Bei diesen vom BFA herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zur Situation von Asylberechtigten in Griechenland geben. Insbesondere werden auch die Rechte und Versorgungsleistungen, die Schutzberechtigten in Griechenland zukommen umfassend dargelegt. Allerdings wird durchaus auch auf Schwierigkeiten, die auf anerkannte Flüchtlinge in Griechenland unter Umständen zukommen können, verwiesen, sodass gesagt werden kann, dass die Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden ein durchaus differenziertes Bild der Situation Schutzberechtigter in Griechenland zeichnen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausbilität der Aussagen besteht kein Grund an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Gesundheits- und Sozialversorgung auch Feststellungen zur Lage bezüglich Unterbringung und Arbeitsmarktsituation von Personen mit Schutzstatus getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das griechische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Griechenland den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.

Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Schutzberechtigten in Griechenland, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Fall bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen sowie mit der Europäischen Kommission. Mittlerweile haben zahlreiche Mitgliedstaaten die Überstellungen aber wieder aufgenommen, wobei der Großteil der Mitgliedstaaten derzeit um einen Verweis zum Gesundheitszustand (keine COVID-Symptome) ersucht und die Fristen für die Bekanntgabe der Überstellungen zum Teil geringfügig erweitert wurden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage und ihren eigenen Angaben. Sie legte keinerlei medizinische Unterlagen vor, obwohl die Beschwerdeführerin während ihres siebenmonatigen Aufenthalts in Österreich problemlos Zugang zu ärztlicher Behandlung gehabt hätte. Inbesondere wurde kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte im Österreich ergeben sich aus der Aktenlage und den Angaben der Beschwerdeführerin, wonach sie keine Familienangehörigen in Österreich habe. Hinweise auf eine fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführerin in Österreich haben sich im Verfahren nicht ergeben und ist eine solche angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet auch nicht zu erwarten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

„§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       …

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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