TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/25 W182 2242250-1

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Entscheidungsdatum

25.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W182 2242250-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2021, Zl. 1271063700-201130088, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 46 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. I Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist staatenlos, ist in Kuwait geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Er gehört der arabischen Volksgruppe an, ist Muslim, reiste im November 2020 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte hier am 12.11.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.11.2020 sowie einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 02.12.2020 und 15.03.2021 begründete der BF seine Antragstellung im Wesentlichen damit, dass er als staatenloser „Bidun“, der wie seine Eltern und Großeltern väterlicherseits in Kuwait geboren sei, dort keinerlei Rechte habe und diskriminiert werde. Sie würden keine medizinische Behandlung, keinen Führerschein und keine Reisepässe bekommen. Bereits sein Großvater sei in Kuwait registriert worden. Dem BF sei jedoch sein Personalausweis (grüner Ausweis) im Jahr 2007 abgenommen worden, weil er sich geweigert habe, Unterlagen zu unterschreiben, wonach er entweder Iraker oder aus Saudi-Arabien sei. Die Lage der Bidun habe sich über die Jahre verschlechtert. Der BF habe keine Schule besuchen dürfen. Das Lesen und Schreiben habe er zu Hause gelernt. Er habe seit seinem 17. Lebensjahr in Kuwait in verschiedenen Branchen gearbeitet. In den letzten drei Jahren vor seiner Ausreise habe er nicht mehr arbeiten dürfen, es habe als „Schwarzarbeit“ gegolten. Der BF habe schlecht gelebt und wegen dieser sozialen Ungerechtigkeit das Herkunftsland verlassen. Er sei nicht verfolgt worden. Seine Ausreise habe etwa 8.300,- € gekostet und sei im Wesentlichen von seiner Mutter finanziert worden. Bei einer Rückkehr würde er von der Staatssicherheit angehalten und wegen seines Asylantrages befragt werden. Dann würde auch seine Familie Probleme bekommen. In Kuwait würden sich seine Eltern, zwei volljährige Brüder sowie eine Schwester aufhalten. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie bezeichnete der BF auf Nachfragen mit „zwischen arm und der Mittelschicht“, wobei er ergänzte, immer genug zu essen gehabt zu haben. Ein Onkel sei beim kuwaitischen Militär.

Vom BF wurden u.a. ein kuwaitischer Personalausweis in Kopie sowie diverse Berichte zur allgemeinen Lage der Bidun in Kuwait vorgelegt.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 09.05.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), und gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kuwait (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Kuwait zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde unter Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt ging davon aus, dass der BF ein staatenloser Bidun aus Kuwait sei, der arbeitsfähig sei und an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Er sei im Herkunftsstaat weder vorbestraft und würde dort auch von keiner Behörde gesucht werden. Er sei dort weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher Seite verfolgt worden, noch habe er dort künftig eine Bedrohung oder Verfolgung zu befürchten. Er habe aufgrund der allgemeinen Situation der Bidun den Herkunftsstaat verlassen. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er beherrsche die arabische Sprache, verfüge über Berufserfahrung sowie familiäre Anknüpfungspunkte in Kuwait. Seine Eltern, Geschwister und weitere Verwandte würden sich dort noch aufhalten. Der BF sei dazu imstande, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seiner Angehörigen den Lebensunterhalt in Kuwait zu sichern. Es habe zudem nicht festgestellt werden können, dass ihm im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werde.

2.1. Zum Herkunftsstaat wurde festgestellt:

„[…]

Politische Lage

Kuwait hat 4,2 Millionen EinwohnerInnen (Stand: Juli 2017), wovon 1,24 Millionen kuwaitische Staatsangehörige sind (AA 12.2018a). Kuwait ist ein konstitutionelles Fürstentum (Emirat), welches Elemente einer traditionellen Monarchie mit der parlamentarischen Regierungsform verbindet. An der Spitze des kuwaitischen Staates steht ein Emir. Die Emir-Würde wird innerhalb der Familie Al-Sabah weitergegeben. Laut Verfassung kommen hierfür nur Nachkommen von Scheich Mubarak des Großen in Frage (AA 12.2018b; vgl. FH 2018). Der Emir ernennt unter Mitwirkung des Parlaments den Thronfolger. Die Verfassung Kuwaits sieht eine Gewaltenteilung vor (AA 12.2018b). Die legislative Gewalt liegt bei der Nationalversammlung, jedoch wirkt der Emir durch sein Initiativ- und suspensives Vetorecht maßgeblich mit. Die exekutive Gewalt liegt bei dem vom Emir ernannten Ministerpräsidenten und den von diesem ernannten Ministern (AA 12.2018b; vgl. FH 2018). Das Amt des Ministerpräsidenten und wichtige Ministerien werden in der Regel mit Angehörigen der herrschenden Familie besetzt (AA 12.2018b).

Die Nationalversammlung ist ein auf vier Jahre gewähltes Einkammerparlament. Neben 50 gewählten Abgeordneten sind auch rund 15 Regierungsmitglieder ex officio Teil des Parlaments (BTI 2018, 8). Die Nationalversammlung wirkt bei der Ernennung der Regierung nicht mit, kann jedoch Minister zur Befragung vorladen und gegebenenfalls mittels Misstrauensvotum ihren Rücktritt durchsetzen. Gegen den Ministerpräsidenten ist ein Misstrauensvotum nicht zulässig. Das Parlament kann jedoch beschließen, dass es mit diesem nicht mehr zusammenarbeiten kann; der Emir entlässt daraufhin entweder den Ministerpräsidenten und ernennt ein neues Kabinett oder löst das Parlament auf (AA 12.2018b). Nach Auflösung des Parlaments müssen innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen ausgerufen werden, was in der Vergangenheit (z.B. 1986) nicht immer geschah (BTI 2018). Politische Parteien sind verboten (AA 12.2018b; vgl. FH 2018). Gesetzesinitiativen beruhen auf ad hoc-Koalitionen zwischen verschiedenen Parlamentariern (BTI 2018, 10).

Zwar gibt es ein demokratisch gewähltes Parlament, doch ist der Emir bei den meisten Regierungsbeschlüssen letztgültige Entscheidungsinstanz (USDOS 13.3.2019, 1). Gemäß BTI ist die Rolle des Parlaments dadurch eingeschränkt, dass Regierungsmitglieder ex officio auch Teil des Parlaments sind. Gesetzesentscheidungen würden somit oftmals ohne einen Mehrheitsbeschluss durch die gewählten Abgeordneten beschlossen. BTI betont allerdings, dass das Parlament mittels parlamentarischer Anfragen und Ministerbefragungen eine Kontrollfunktion ausübt (BTI 2018, 9).

Aktiv wahlberechtigt sind alle Staatsangehörigen ab einem Alter von 21 Jahren – seit 2005 gilt dies auch für weibliche Staatsangehörige. Passiv wahlberechtigt sind alle Staatsangehörigen ab dem 30. Lebensjahr (AA 12.2018b). Die letzten Parlamentswahlen fanden am 26.11.2016 statt. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 70 Prozent deutlich höher als bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2013, welche von Teilen der Opposition boykottiert wurde (AA 12.2018b). Oppositionelle Kandidaten konnten bei der Parlamentswahl im Jahr 2016 24 der 50 Parlamentssitze gewinnen. Rund die Hälfte der Oppositionskandidaten entstammt islamistischen Bewegungen, die übrigen sind Nationalisten und Liberale (BAMF 05.12.2016, 2). Trotz Verboten sind Stimmenkauf, die Abhaltung von Vorwahlen unter verschiedenen Stämmen und Klientelismus (der Austausch von Wählerstimmen gegen bestimmte Dienste, arab. Wasta) laut BTI weit verbreitete Praktiken (BTI 2018, 9).

Im Dezember 2018 wurde erstmals die Immunität von zwei Parlamentsabgeordneten letztinstanzlich durch ein Gericht aufgehoben (GN 20.12.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.2018a): Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kuwait-node/kuwait/204128, Zugriff 20.2.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (12.2018b): Staatsaufbau/Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kuwait-node/-/204216, Zugriff 20.2.2019

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (05.12.2016): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/1057977/5250_1485424416_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-05-12-2016-deutsch.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report Kuwait, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kuwait.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 Kuwait Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kuwait, Zugriff 20.2.2019

?        GN - Gulf News (20.12.2018): Kuwait court unseats two lawmakers, https://gulfnews.com/world/gulf/kuwait/kuwait-court-unseats-two-lawmakers-1.61043187, Zugriff 20.2.2019

Sicherheitslage

Seit dem Zweiten Golfkrieg (1990-1991) fanden keine bedeutsamen militärischen Auseinandersetzungen innerhalb Kuwaits statt (BTI 2018, 6). Seit 2011 sind rund 13,500 US-amerikanische Soldaten in Kuwait stationiert. Nach Deutschland, Japan und Südkorea beherbergt Kuwait somit die viertgrößte Anzahl an US-Truppen außerhalb der USA (CRS 04.12.2018, 9). Im Juli 2018 kündigte das kuwaitische Verteidigungsministerium an, dass die Sicherheitssituation in Kuwait stabil sei und Proteste, welche im Irak nahe der kuwaitisch-irakischen Grenze stattfanden, keine negativen Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Kuwait hätten (KT 14.7.2018).

Ein Terroranschlag auf eine Moschee in Kuwait-Stadt im Jahr 2015, bei welchem 27 Personen starben und zu welchem sich ein lokaler Zweig des Islamischen Staats (IS) bekannte, führte zu erhöhter Aufmerksamkeit der kuwaitischen Sicherheitsbehörden. Ein Bericht an den US-Kongress kommt zu dem Schluss, dass die kuwaitischen Behörden seit diesem bislang größten Terroranschlag in Kuwait erfolgreich weitere Anschläge des IS oder anderer Gruppen verhindert haben (CRS 4.12.2018, 18). Der Recherchedienst des US-Kongresses berichtet weiters, dass kuwaitische Bürger terroristische Gruppen in anderen Staaten, wie zum Beispiel in Syrien, unterstützen würden (CRS 4.12.2018, 20).

Sowohl in Wüsten- wie auch Küstenregionen Kuwaits besteht die Gefahr von Landminen und nicht explodierter Bomben, welche aus der Zeit der irakischen Invasion stammen (AA 28.2.2019).

Das US-amerikanische Overseas Security Advisory Council (OSAC), eine Organisation, welche dem US-Außenministerium untersteht, geht davon aus, dass ein hoher Anteil an Verbrechen, bei denen die Opfer Personen mit niedrigem Einkommen sind – darunter zahlreiche Ausländer und Staatenlose –, nicht gemeldet werden. OSAC erwähnt in diesem Zusammenhang insbesondere Gewaltverbrechen, beispielsweise gegenüber Arbeitsmigranten oder Haushaltshilfen (OSAC 6.11.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (28.2.2019): Kuwait: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kuwait-node/kuwaitsicherheit/204130, Zugriff 28.2.2019

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report Kuwait, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kuwait.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        CRS - Congressional Research Service (4.12.2018): Kuwait: Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RS21513.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        KT – Kuwait Times, Kuwait security situation stable, northern borders under control, https://news.kuwaittimes.net/website/kuwait-security-situation-stable-northern-borders-under-control/, Zugriff 28.2.2019

?        OSAC - Overseas Security Advisory Council (6.11.2018): Kuwait 2018 Crime & Safety Report, https://www.osac.gov/Pages/ContentReportDetails.aspx?cid=24250, Zugriff 28.2.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Verfassung und Gesetzgebung sehen eine unabhängige Justiz vor (USDOS 13.3.2019). Dies ist in der Praxis allerdings nicht gewährleistet. Gemäß Freedom House ernennt der Emir alle Richter und die Exekutive bestätigt Beförderungen im Justizbereich. Gerichtsprozesse mit politischer Reichweite endeten häufig mit Urteilen zugunsten von Regierungspositionen (FH 2018).

Richter, welche kuwaitische Staatsbürger sind, werden auf Lebenszeit bestellt. Viele Richter sind keine kuwaitischen Staatsbürger und haben verlängerbare Verträge mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren. Das Justizministerium hat die Befugnis, Richter ihres Amtes zu entheben (USDOS 13.3.2019, 6).

Kläger ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft, welche in rechtliche Auseinandersetzungen mit kuwaitischen Staatsbürgern verwickelt sind, gaben oftmals an, dass Gerichte die Letzteren bevorzugen würden (USDOS 13.3.2019, 6).

Die Behörden können Verdächtige vier Tage lang ohne Anklage festhalten (FH 2018). Die Verfassung sieht die Unschuldsvermutung, sowie das Recht auf ein Gerichtsverfahren, vor, bei welchem der Angeklagte das Recht auf einen Verteidiger hat. Von Gesetzes wegen müssen die Angeklagten sofort über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert werden. Die Angeklagten haben das Recht auf eine angemessene Vorbereitungszeit für ihre Verteidigung. Gemäß dem Menschenrechtsbericht des US-amerikanischen Außenministeriums für das Jahr 2018 kam es zu Fällen, in denen Sprachbarrieren bei Prozessen zu Problemen führten, weil die Angeklagten kein Arabisch sprachen und der Verteidigung entgegen anderslautender gesetzlicher Bestimmungen kein Dolmetscher bereitgestellt wurde (USDOS 13.3.2019, 7). Die Rechtsanwaltsvereinigung ist gesetzlich dazu verpflichtet, Verteidiger für mittellose Angeklagte bereitzustellen. Angeklagte haben das Recht, Ankläger und Belastungszeugen mit den erhobenen Vorwürfen zu konfrontieren, wie auch eigene Zeugen im Gerichtsprozess zu präsentieren. Gemäß USDOS war dieses Recht in der Praxis nicht immer gewährleistet (USDOS 13.3.2019, 7). Angeklagte haben das Recht auf Berufung (USDOS 13.3.2019, 7).

Haushaltshilfen sind laut Gesetz von Prozesskosten befreit. Wenn ausländische Arbeitskräfte bei Rechtsstreitigkeiten über keine eigene rechtliche Vertretung verfügen, übernimmt diese Rolle ein Staatsanwalt – in der Vergangenheit geschah dies allerdings unter geringer, oder keiner Einbindung der Arbeitskräfte oder ihrer Angehörigen. Fälle, bei denen Arbeitskräfte durch Dritte vertreten wurden, endeten oftmals mit außergerichtlichen Einigungen und Geldzahlungen der Arbeitgeber, um Gerichtsprozesse zu vermeiden (USDOS 13.3.2019, 7).

Willkürliche Verhaftungen finden trotz eines Verbotes insbesondere bei Aufenthaltsfragen immer wieder statt (USDOS 13.3.2019, 6). Rechtsfragen zu Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus, wie auch zahlreiche Bestimmungen des Einwanderungsgesetzes unterliegen nicht dem Rechtsweg und Personen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft, welchen Vergehen in diesem Bereich vorgeworfen werden, können derartige Beschuldigungen nicht gerichtlich anfechten. Vergehen gegen Paragrafen, welche nicht im Strafgesetzbuch geregelt sind (z.B. Aufenthaltsfragen oder Übertretungen im Straßenverkehr), können bei Personen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft mit administrativer Abschiebungen geahndet werden. Im Vergleich zu einer gerichtlichen Abschiebung, welche bei strafrechtlich relevanten Vergehen erfolgen kann, ist eine juristische Anfechtung von administrativen Abschiebungen nicht möglich (USDOS 13.3.2019, 6).

Quellen:

?        - FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 Kuwait Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kuwait, Zugriff 20.2.2019

?        - USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei hat die alleinige Verantwortung für den Gesetzesvollzug in Angelegenheiten, die nicht die nationale Sicherheit betreffen. Die Kuwait State Security (KSS) ist für geheimdienstliche und die nationale Sicherheit betreffende Angelegenheiten zuständig. Beide unterstehen dem Innenministerium und damit einer zivilen Behörde. Neben den Streitkräften, welche für die äußere Sicherheit des Landes zuständig sind und dem Verteidigungsministerium unterstehen, gibt es eine Nationalgarde, welche kritische Infrastruktur bewacht, und das Innen- wie auch Verteidigungsministerium unterstützt (USDOS 13.3.2019, 4). Gemäß dem US-amerikanischen Außenministerium sind die zivilen Behörden in der Lage, die Sicherheitskräfte zu kontrollieren und die Regierung verfügt über Möglichkeiten, Missbrauch und Korruption durch die Sicherheitskräfte zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 13.3.2019, 4).

USDOS beurteilt die Polizei als üblicherweise effektiv bei der Ausübung ihrer Kernaufgaben (USDOS 13.3.2019, 4). Es gab allerdings Berichte, dass einige Polizeistationen Beschwerden nicht ernst nahmen, insbesondere wenn diese von AusländerInnen, sowie von Vergewaltigungsopfern oder Opfern häuslicher Gewalt mit und ohne kuwaitischer Staatsbürgerschaft stammten. Vorwürfe von Verbrechen von Staatsbürgern gegenüber Nichtstaatsbürgern führten selten zu Anklagen. Derartige Fälle wurden oftmals außergerichtlich mittels Geldzahlungen geregelt (USDOS 13.3.2019, 4).

Vorwürfe von Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte werden vom District Chief Investigator [Anm.: in etwa Bezirksstaatsanwalt] untersucht und an die Gerichte weitergeleitet (USDOS 13.3.2019, 4).

Schiiten sind in den niedrigeren Rängen von Polizei und Militär vertreten (CRS 4.12.2018, 7). Seit einem Gesetzesbeschluss im März 2018 können bestimmte Bidun, also in Kuwait ansässige Personen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft, wieder in den Militärdienst eintreten (CEIP 25.4.2018). Die Bidun stellten einst den Kern der kuwaitischen Sicherheitskräfte dar. Im Jahr 2004 setzte das Militär Maßnahmen, welche die Entfernung der Bidun aus dem Militärdienst zum Ziel hatten. Um einem Mangel an Rekruten entgegenzuwirken, sollen Söhne von ehemaligen Soldaten aus der Gruppe der Bidun, welche 30 Jahre lang Militärdienst in Kuwait verrichteten, im Militärdienst getötet wurden oder als vermisst gelten, nun wieder in die Streitkräfte eintreten dürfen (TNA 2.4.2017; vgl. CEIP 25.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, 16).

Quellen:

?        CEIP – Carnegie Endowment for International Peace (25.4.2018): Building New Gulf States Through Conscription, https://carnegieendowment.org/sada/76178, Zugriff 22.2.2019

?        CRS - Congressional Research Service (4.12.2018): Kuwait: Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RS21513.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        TNA – The New Arab (2.4.2017): Kuwait soldier shortage sees 'stateless' called up for duty, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/4/2/kuwait-soldier-shortage-sees-stateless-called-up-for-duty, Zugriff 22.02.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Verfassung und Gesetzgebung verbieten Folter und andere unmenschliche Behandlung. Es gibt jedoch Berichte über Misshandlungen und Folter von Häftlingen durch Polizisten und Mitglieder der Kuwait State Security (KSS; die kuwaitischen Sicherheitskräfte) (USDOS 13.3.2019, 1-2). Dies betrifft vorwiegend die so genannten Bidun (FH 2018; vgl. USDOS 13.3.2019, 2). Das US-amerikanische Außenministerium berichtet zudem über Fälle von AusländerInnen, welche angaben, in einer Haftanstalt während Befragungen misshandelt worden zu sein (USDOS 13.3.2019, 2).

Quellen:

?        - FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 Kuwait Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kuwait, Zugriff 20.2.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

Korruption

Korruption ist in Kuwait weit verbreitet (FH 2018; vgl. BTI 2018, 33). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) nahm Kuwait 2018 den 78. Platz von 180 ein und erreichte eine Punktezahl von 41 auf einer Skala von 0 (höchst korrupt) bis 100 (weitgehend korruptionsfrei) (TI 2018). Nepotismus (arab. Wasta) ist von der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bishin zu einfachen tagtäglichen Interaktionen mit staatlichen Institutionen weit verbreitet (BTI 2018, 33).

Quellen:

?        - BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report Kuwait, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kuwait.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        - FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 Kuwait Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kuwait, Zugriff 20.2.2019

?        - TI – Transparency International (2018): Kuwait Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/KWT#, Zugriff 22.2.2019

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Wesentliche Menschenrechtsprobleme in Kuwait betreffen Vorwürfe von Folter von Häftlingen durch Mitglieder der Sicherheitskräfte, politische Gefangene, willkürliche Verhaftungen, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit (insbesondere von Angehörigen der Bidun), sowie Menschenhandel, die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen unter Männern, wie auch von Transgender-Personen sowie Zwangsarbeit, insbesondere von ausländischen Arbeitskräften (USDOS 13.3.2019; vgl. CRS 4.12.2018, 5; vgl. HRW 17.1.2019; vgl. AI o.D.).

Trotz Reformen sind ausländische Arbeitskräfte – welche rund zwei Drittel der Bewohner Kuwaits ausmachen – rechtlich nicht ausreichend abgesichert, um Misshandlungen, Zwangsarbeit und Abschiebungen aufgrund von geringfügigen Übertretungen zu verhindern (HRW 17.1.2019).

Frauen sind gegenüber Männern beispielsweise im Eherecht, oder bei der Weitergabe der Staatsbürgerschaft an ihre Nachkommen benachteiligt. Ebenso gibt es kein Gesetz, welches häusliche Gewalt oder Vergewaltigung innerhalb der Ehe verbietet. Das Strafausmaß für Männer, welche weibliche Familienangehörige aufgrund von Ehebruchvorwürfen ermorden, beschränkt sich auf eine vergleichsweise niedrige Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren. Vergewaltiger können einer Strafe durch die Heirat des Vergewaltigungsopfers entgehen (HRW 17.1.2019). Gewalt gegenüber Frauen, insbesondere gegenüber Haushaltshilfen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft, ist weit verbreitet (CRS 4.12.2018, 6).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (o.D.): Kuwait 2017/2018, https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/kuwait/report-kuwait/, Zugriff 22.2.2019

?        CRS - Congressional Research Service (4.12.2018): Kuwait: Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RS21513.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Kuwait, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/kuwait, Zugriff 22.2.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

[…]

Religionsfreiheit

Rund drei Viertel der Bewohner Kuwaits sind Muslime, wobei von diesen rund zwei Drittel sunnitischen Glaubens und ein Drittel schiitischen Glaubens ist. Christen machen rund 13-15 % der Gesamtbevölkerung aus, 3-10 % sind Hindus und bis zu drei Prozent Buddhisten (Brockhaus o.D.).

Die kuwaitische Verfassung definiert den Islam als Staatsreligion und die Scharia als eine wichtige Quelle der Gesetzgebung, schreibt allerdings auch die Gleichheit aller Personen unabhängig von ihrer Religion fest (USDOS 29.5.2018; vgl. FH 2018). Nicht-sunnitischen religiösen Gruppen ist die Ausübung ihres Glaubens im Privaten grundsätzlich erlaubt (FH 2018) und der Staat trifft Maßnahmen, um eine sichere Religionsausübung auch für nicht-sunnitische religiöse Gemeinschaften – insbesondere für Schiiten während des Ashura-Festes und anderen Feiertagen – zu garantieren (USDOS 29.5.2018, 1). Während die Verfassung Religionsfreiheit gewährleistet, schreibt sie allerdings auch vor, dass die Religionsausübung im Einklang mit etablierten Traditionen stehen muss, und der öffentlichen Ordnung und Moral nicht zuwiderlaufen darf (USDOS 29.5.2018).

Schiiten, die rund ein Drittel der Bevölkerung in Kuwait ausmachen, genießen volle politische Rechte (FH 2018). Freedom House berichtet jedoch von einer Zunahme an Schikanen gegenüber dieser Gruppe in jüngster Vergangenheit (FH 2018).

Es gibt kein Gesetz, welches eine Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verbietet, jedoch sind Personen, welche dies tun, sozialem Druck ausgesetzt und Personen nicht-muslimischen Glaubens ist es verboten, Muslime zu konvertieren. Zudem verlieren Apostaten bestimmte Rechte und können beispielsweise von muslimischen Angehörigen nicht erben. Ehen werden nach einer Konversion annulliert (USDOS 29.5.2018, 2-3).

Eine Diffamierung der drei Buchreligionen (Judentum, Christentum, Islam) ist gesetzlich verboten und kann mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden, ebenso wie die Weiterverbreitung von Inhalten, welche von einer religiösen Gruppe als beleidigend empfunden werden könnten (USDOS 29.5.2018). Während des Ramadans ist das Essen, Trinken oder Rauchen im öffentlichen Raum verboten. Ebenso verboten ist der Besitz und Import von Schweinefleisch und Alkohol. Während sunnitisch-islamischer Religionsunterricht für muslimische Schüler Pflicht ist, existiert ein Gesetz, welches Religionsunterricht für andere Glaubensrichtungen in höheren Schulen verbietet. Eine Einbürgerung von Personen nicht-muslimischen Glaubens ist verboten (USDOS 29.5.2018). Rund 250 kuwaitische Staatsbürger sind Christen, welche die Staatsbürgerschaft vor der Einführung dieses Gesetzes erhalten haben (GN 20.11.2018). Hochzeiten zwischen muslimischen Frauen und nicht-muslimischen Männern sind verboten. Muslimische Männer können Angehörige aller drei Buchreligionen heiraten. Für Personen, welche keiner der drei Buchreligionen angehören, ist eine Heirat in Kuwait nicht möglich (USDOS 29.5.2018, 3-6). Mehrere christliche Konfessionen sind offiziell anerkannt (USDOS 29.5.2018, 4). Religionsgemeinschaften müssen bei der Stadtverwaltung um eine Lizenz zur Eröffnung einer Glaubensstätte ansuchen. Insgesamt sind neben der Stadtverwaltung drei Ministerien in den Entscheidungsprozess eingebunden, zudem muss die ansuchende Religionsgemeinschaft eine schriftliche Zustimmung aller unmittelbaren Nachbarn zur Eröffnung einer Glaubensstätte vorlegen. Gemäß USDOS sind die Entscheidungskriterien der Behörden bei der Lizenzvergabe nicht transparent. Religiöse Gruppen ohne Lizenz können ihre Religion in privaten Häusern, Hotels oder gemieteten Villen ausüben, solange dadurch keine Nachbarn gestört werden und Versammlungsgesetze sowie das Missionierungsverbot berücksichtigt werden (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

?        Brockhaus (o.D.): Kuwait, https://brockhaus.at/ecs/enzy/article/kuwait, Zugriff 26.2.2019

?        FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 Kuwait Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kuwait, Zugriff 20.2.2019

?        GN – Gulf News (20.11.2018): Kuwait may grant citizenship to non-Muslims, https://gulfnews.com/world/gulf/kuwait/kuwait-may-grant-citizenship-to-non-muslims-1.60475237, Zugriff 20.02.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): Kuwait 2017 International Religious Freedom Report, https://www.state.gov/documents/organization/281236.pdf, Zugriff 26.2.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Annähernd 70 Prozent der kuwaitischen Bevölkerung sind keine kuwaitischen Staatsbürger. Viele der Einwohner stammen aus dem Nahen Osten, vom indischen Subkontinent und aus Südostasien. Diskriminierung gegenüber Ausländern und den Bidun ist in den meisten Bereichen des täglichen Lebens allgegenwärtig, beispielsweise bei der Arbeit, Ausbildung, im Bereich Wohnen, im gesellschaftlichen Zusammenleben und bei der Gesundheitsversorgung. Mittels einer sogenannten „administrativen Abschiebung“ können Personen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft für geringfügige Vergehen, wie zum Beispiel den Betrieb eines Taxis ohne Lizenz, deportiert werden. Administrative Abschiebungen können auf dem Rechtsweg nicht beeinsprucht werden (USDOS 13.3.2019, 26).

Für weitergehende Informationen zu den Bidun, wie auch der Gruppe der Palästinenser in Kuwait s. die Unterkapitel „16.1 Bidun“ und „16.2 Palästinenser“.

Quellen:

?        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Kuwait, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/kuwait, Zugriff 22.2.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

Bidun

Gemäß Regierungsangaben gehören rund 88,000 Bewohner Kuwaits der Gruppe der Bidun an (USDOS 13.3.2019, 16), während Human Rights Watch ihre Zahl auf rund 100,000 beziffert (HRW 17.1.2019). Diese Personen werden vom kuwaitischen Staat als illegale Einwohner angesehen, womit ihnen zahlreiche Rechte verwehrt bleiben (USDOS 13.3.2019, 17; vgl. MRGI 12.2017).

„Bidun” (oder Bidoon/Bedoon/Bedun, in der Langform bidoon jinsiya, arab. „ohne Staatsbürgerschaft“) bezieht sich auf eine Gruppe von Menschen, welche zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Kuwaits nicht die kuwaitische Staatsbürgerschaft erhalten hat, oder nicht um diese ansuchte. Der Begriff Bidun sollte nicht mit dem Begriff „Beduine“ verwechselt werden, da es sich bei Letzteren um eine weiter gefasste soziokulturelle Gruppe von Wüstenbewohnern und nomadischen Hirten in der Region handelt – auch wenn es in gewissen Bereichen zu einer Überschneidung der beiden Gruppen kommt (MRGI 12.2017).

Gemäß der NGO Minority Rights Group International bevorzugte das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1959, welches die Bedingungen für den Erwerb der kuwaitischen Staatsbürgerschaft regelte, Stadtbewohner und die Mitglieder einiger einflussreicher Stämme oder Familien bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft. Die Mitglieder vieler Stämme aus entlegenen Gebieten verabsäumten es, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, um eine Staatsbürgerschaft anzusuchen, unter anderem aufgrund von fehlenden Dokumenten, Analphabetismus oder einem fehlenden Verständnis für die Konsequenzen des in Kraft tretenden Staatsbürgerschaftsgesetzes. Rund ein Drittel der Bevölkerung Kuwaits erlangte zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Kuwaits die Staatsbürgerschaft nicht und wird dementsprechend als „bidoon jinsiya“, also als „ohne Staatsbürgerschaft“, bezeichnet (MRGI 12.2017).

Die Mehrheit der heutigen Bidun sind somit Nachkommen von regionalen nomadischen Stämmen, welche durch Kuwait, den Irak, Saudi Arabien und Syrien zogen (LIFOS 27.6.2017, 4; vgl. MRGI 12.2017). Ein weiterer, kleinerer Teil der Bidun stammt ursprünglich aus arabischen Staaten wie zum Beispiel dem Irak, Saudi Arabien, Syrien und Jordanien und wurde in den 1960er und 1970er Jahren aufgrund des Mangels an kuwaitischen Rekruten in die neu entstehenden kuwaitischen Sicherheitskräfte aufgenommen. Da eine Aufnahme von fremden Staatsbürgern in den Militärdienst politisch brisant erschien, wurden diese Personen gemäß Minority Rights Group International ebenfalls als Bidun registriert. Bis in die 1990er Jahre lag der Anteil der Bidun in den Streitkräften Kuwaits angeblich bei rund 80 Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass diese Gruppe Kuwait nach dem Golfkrieg weitgehend verlassen hat. Die heutigen Bidun gehören daher mehrheitlich der ersten Gruppe an Bidun an, welche über keine andere Staatsbürgerschaft verfügt und staatenlos ist (MRGI 12.2017).

Bidun hatten in den ersten Jahrzehnten der Unabhängigkeit weitgehend die gleichen Rechte wie die kuwaitischen Staatsbürger (beispielsweise beim Zugang zum Arbeitsmarkt, zu öffentlicher Ausbildung und kostenfreier Gesundheitsversorgung, sowie bei der Ausstellung von Dokumenten, wie zum Beispiel Heiratsurkunden). Eine Ungleichbehandlung manifestierte sich vor allem im Bereich der politischen Mitbestimmung, weil Bidun vom Wahlrecht ausgeschlossen waren. Mitte der 1980er änderte sich die Lage zu Ungunsten der Bidun. Im Jahr 1986 erklärte die kuwaitische Regierung die Bidun zu illegalen Einwohnern und schloss sie von einer kostenfreien Ausbildung, Wohnbau und Gesundheitsversorgung aus. Die Regierung begann, ein Gesetz zum Aufenthalt von Fremden auf die Bidun anzuwenden und wies in weiterer Folge einige Bidun aus Kuwait aus – auch nachdem ein Berufungsgericht dies als nicht rechtmäßig beurteilte, weil kein anderer Staat diese Personen als Staatsbürger anerkannte (MRGI 12.2017).

Die irakische Invasion Kuwaits im Jahr 1990 und der darauffolgende Golfkrieg hatten weitere Konsequenzen auf die Behandlung der Bidun durch den kuwaitischen Staat. Nach dem Rückzug der irakischen Armee fanden Massenentlassungen von Bidun aus dem militärischen Dienst statt und manche der Entlassenen wurden vor Militärgerichten der Kollaboration angeklagt. Infolge der Kriegsereignisse geflüchtete Bidun wurden an einer Rückkehr nach Kuwait gehindert, andere wurden in überfüllten Straflagern festgehalten. Gemäß Minority Rights Group International wurden rund 10,000 Bidun deportiert und insgesamt nahm die Anzahl der Bidun in Kuwait um mehr als die Hälfte von rund 250,000 auf 100,000 Personen ab (MRGI 12.2017).

Jene Bidun, welche in Kuwait verblieben, werden vom kuwaitischen Staat auch weiterhin als illegale Einwohner betrachtet, und oftmals als opportunistische ausländische Staatsbürger dargestellt, die ihre ursprünglichen Ausweispapiere zerstört hätten, um vom kuwaitischen Wohlfahrtsstaat zu profitieren (MRGI 12.2017; vgl. CRS 4.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, 16). Gemäß Minority Rights Group International trifft dies zwar möglicherweise auf eine Minderheit unter jenen zu, die sich selbst als Bidun bezeichnen, die Mehrheit hat dieser Quelle zufolge allerdings nie eine fremde Staatsbürgerschaft besessen (MRGI 12.2017).

Im Jahr 2000 wurde ein Gesetz erlassen, welches eine Einbürgerung von Bidun und ihrer Nachkommen ermöglicht, sofern diese nachweisen können, dass sie im Rahmen der Volkszählung von 1965 registriert worden waren. Dies gelang allerdings nur einer kleinen Gruppe von Bidun. Gemäß Minority Rights Group International wird der problematische rechtliche Status der Bidun noch weiter durch die restriktiven Bestimmungen Kuwaits bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft verschärft. Diese kann in der Regel nur von Männern weitergegeben werden (MRGI 12.2017). LIFOS nennt die Kinder kuwaitischer Mütter und staatenloser Väter daher als dritte Gruppe von Bidun, welche in Kuwait leben (LIFOS 27.6.2017, 4).

Der kuwaitische Staat stellt inzwischen „Referenz-“ oder Ausweisdokumente für Bidun in drei verschiedenen Farben aus, wobei die Farbe den von der Regierung vermuteten Status des Bidun angibt: Insbesondere jene Bidun, die im Besitz von Papieren zur Volkszählung von 1965 sind, erhalten ein grünes Dokument, Personen, von denen die Behörden vermuten, dass sie über eine andere Staatsbürgerschaft verfügen, oder deren Status weiter untersucht werden muss, erhalten rote oder gelbe Karten. Besitzer dieser Ausweisdokumente sind kuwaitischen Staatsbürgern nicht gleichgestellt. Bidun, welche über keine Papiere verfügen, sind von vielen Grundrechten ausgeschlossen, und laufen in Gefahr, verhaftet zu werden (MRGI 12.2017). Es wird davon ausgegangen, dass sich die Mehrheit der Bidun inzwischen registriert hat, um Ausweisdokumente zu erhalten (LIFOS 27.6.2017).

Bidun, welche diese Referenzdokumente besitzen, sind dazu angehalten, im so genannten „Zentralsystem zur Aufhebung des illegalen Aufenthaltsstatus“ (Central System to Resolve Illegal Residents´ Status, kurz: Al-Jihaz Al-Markezi) um Erlaubnis zur Ausstellung von Dokumenten, wie Geburts- und Heiratsurkunden, oder Todesscheinen anzusuchen. Es existieren allerdings Berichte, wonach manchen Bidun dies verwehrt wurde, oder Bestechungsgelder gefordert wurden. Auch sollen die Behörden Bidun manchmal raten, ihren Rechtsstatus durch Angabe einer anderen Nationalität zu „klären“, um die geforderten Dokumente zu erhalten. Damit verwirken sie die Möglichkeit, zukünftig um die kuwaitische Staatsbürgerschaft anzusuchen (MRGI 12.2017). Das US-amerikanische Außenministerium berichtet von Vorwürfen von Bidun gegenüber Beamten der zuständigen Behörde, dass diese Blankounterschriften fordern, die schließlich um „Geständnisse“ über die „wahre“ Nationalität des Unterzeichners ergänzt würden. Der Argumentation entsprechend, dass die Mehrheit der Bidun tatsächlich Staatsbürger anderer Staaten wären, setzt die Regierung auch zunehmend Anreize, wie zum Beispiel eine bevorzugte Behandlung bei der Einstellung oder die Möglichkeit, einen Führerschein zu erwerben, um Bidun zur Deklaration einer (fremden) Staatsangehörigkeit zu bewegen (USDOS 13.3.2019, 16).

Registrierte Bidun haben einen Anspruch auf Sozialleistungen, wie zum Beispiel einer kostenlosen Gesundheitsversorgung und (privater) Ausbildung (LIFOS 27.6.2017, 4; vgl. USDOS 13.3.2019, 16). Bidun berichten allerdings, dass sie diese Leistungen aufgrund bürokratischer Hürden oftmals nicht erhalten würden (USDOS 13.3.2019, 16). Gemäß Minority Rights Group International ist es Kindern der Bidun in Ermangelung einer kuwaitischen Staatsbürgerschaft nicht möglich, öffentliche Schulen zu besuchen. Die meisten betroffenen Kinder konnten allerdings in privaten Schulen unterrichtet werden, wobei die Eltern üblicherweise rund ein Drittel der Schulgebühren bezahlen und der restliche Betrag von öffentlichen und privaten Wohlfahrtseinrichtungen beglichen wird (MRGI 12.2017). Der Standard der privaten Bildungseinrichtungen liegt unter jenem der öffentlichen Schulen (MRGI 12.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, 17). Seit dem akademischen Jahr 2013/2014 ist ein Studium an der Universität von Kuwait für Bidun möglich, wobei diese hierzu eine Freigabe des „Zentralsystems zur Aufhebung des illegalen Aufenthaltsstatus“ benötigen und pro Jahr höchstens 100 Bidun aufgenommen werden (MRGI 12.2017).

Im Bereich der Gesundheitsversorgung können Bidun kostengünstige staatliche Versicherungspolizzen erwerben, die allerdings zahlreiche Gesundheitsleistungen nicht enthalten. Bidun, welche über keine Ausweispapiere verfügen, können zudem von öffentlichen Krankenhäusern abgewiesen werden. Private Spitäler sind dagegen für viele Bidun zu teuer (MRGI 12.2017).

Bidun werden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt (LIFOS 27.6.2017; vgl. MRGI 12.2017). Auch wenn Ministerien beispielsweise Bidun anstellen, geschieht dies meist mittels Verträgen mit geringer Arbeitsplatzsicherheit und unter Ausschluss von Leistungen, wie zum Beispiel einem bezahlten Krankenstand, Urlaub, oder einer Pension. Die Gehälter von Bidun sind sowohl im öffentlichen, als auch im privaten Sektor üblicherweise niedriger als für kuwaitische oder fremde Staatsbürger. Viele Bidun arbeiten im informellen Sektor, beispielsweise als Straßenverkäufer. Da es ihnen nicht möglich ist, Genehmigungen zu erhalten, oder legal Besitz zu erwerben, besteht für sie das Risiko einer Verhaftung oder Konfiskation ihrer Waren (MRGI 12.2017).

Seit einem Gesetzesbeschluss im März 2018 können bestimmte Bidun wieder in den Militärdienst eintreten (CEIP 25.4.2018). Bidun, welche einst einen bedeutsamen Teil der kuwaitischen Sicherheitskräfte stellten, wurden ab 2004 nicht mehr in den Militärdienst aufgenommen. Um einem Mangel an Rekruten entgegenzuwirken, dürfen Söhne von ehemaligen Soldaten aus der Gruppe der Bidun, welche 30 Jahre lang Militärdienst in Kuwait verrichteten, im Militärdienst getötet wurden oder als vermisst gelten, nun wieder in die Streitkräfte eintreten (TNA 2.4.2017; vgl. CEIP 25.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, 16).

Zwischen 2014 und 2016 trat die kuwaitische Regierung einem Bericht der Washington Post zufolge mit der Regierung der Komoren in Verhandlungen ein, welche die Verleihung der komorischen Staatsbürgerschaft an kuwaitische Bidun gegen Geldzahlungen zum Ziel hatten (WP 17.5.2016). Nach einem Regierungswechsel auf den Komoren wurden diese Pläne nach Angaben der komorischen Regierung im Mai 2016 eingestellt (Reuters 23.3.2018).

Aufgrund ihrer Staatenlosigkeit können Bidun nicht frei nach Kuwait ein- und ausreisen (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Reisedokumente werden normalerweise nicht an Bidun ausgestellt. Jedoch wird manchen Bidun ein temporäres Reisedokument ohne Verleihung der kuwaitischen Staatsbürgerschaft unter Artikel 17 des kuwaitischen Nationalgesetzes ausgestellt, beispielsweise um eine medizinische Behandlung im Ausland zu ermöglichen, zu Ausbildungszwecken, oder um an der Hadsch (Pilgerfahrt nach Mekka) teilzunehmen (LIFOS 27.6.2017, 4; vgl. USDOS 13.3.2019). Das US-amerikanische Außenministerium berichtet allerdings, dass „Artikel 17-Pässe“ seit 2014 nur noch aus humanitären Gründen ausgestellt werden (USDOS 13.3.2019).

Es existieren nur wenige Informationen zur Frage, ob Bidun nach einer Ausreise wieder nach Kuwait zurückkehren können. Die schwedische Länderinformationseinheit LIFOS geht davon aus, dass nur als „echt“ klassifizierte Bidun (d.h. Personen, welche nicht aus einem anderen Staat stammen) mit Zustimmung der kuwaitischen Behörden wieder nach Kuwait zurückkehren können (LIFOS 27.6.2017, 5). Das kuwaitische Innenministerium gibt an, dass eine Rückkehr mit gültigem Reisepass möglich ist. Bei abgelaufenem Reisepass wird von einer kuwaitischen Botschaft ein Reisedokument zur Rückkehr nach Kuwait ausgestellt. Eine Quelle der Staatendokumentation bezweifelte allerdings, dass die kuwaitischen Behörden staatenlosen Personen die Erlaubnis zur Einreise nach Kuwait erteilen würden (ÖB Kuwait 24.1.2018).

Informationen zu den Bidun können unter anderem auch den Abschnitten „4. Rechtsschutz/Justizwesen“ und „12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition“ entnommen werden.

Quellen:

?        CEIP – Carnegie Endowment for International Peace (25.4.2018): Building New Gulf States Through Conscription, https://carnegieendowment.org/sada/76178, Zugriff 22.2.2019

?        CRS - Congressional Research Service (4.12.2018): Kuwait: Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RS21513.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        LIFOS – Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (27.6.2017): “Bidooner” i Kuwait, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404451/1226_1500965236_170627601.pdf, Zugriff 27.2.2019

?        MRGI – Minority Rights Group International (12.2017): Bidoon, https://minorityrights.org/minorities/bidoon/, Zugriff 13.3.2019

?        ÖB Kuwait (24.01.2018): Auskunft der Botschaft, per E-mail

?        Reuters (23.3.2018): Exclusive: Comoros passport scheme was unlawful, abused by 'mafia' networks – report, https://www.reuters.com/article/us-comoros-passports-exclusive/exclusive-comoros-passport-scheme-was-unlawful-abused-by-mafia-networks-report-idUSKBN1GZ37H, Zugriff 14.3.2019

?        TNA – The New Arab (2.4.2017): Kuwait soldier shortage sees 'stateless' called up for duty, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/4/2/kuwait-soldier-shortage-sees-stateless-called-up-for-duty, Zugriff 22.02.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

?        WP – Washington Post (17.5.2016): The controversial plan to give Kuwait’s stateless people citizenship of a tiny, poor African island, https://www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2016/05/17/the-controversial-plan-to-give-kuwaits-stateless-people-citizenship-of-a-tiny-poor-african-island/?utm_term=.9b44a1a14692, Zugriff 15.3.2019

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land im Allgemeinen. Zahlreiche Gesetze schränken Auslandsreisen für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel die Bidun oder ausländische Arbeitskräfte jedoch ein. Bidun erhielten von den kuwaitischen Behörden teilweise Reisedokumente, um Auslandsaufenthalte zu medizinischen oder Ausbildungszwecken, wie auch eine Teilnahme an der Hadsch (Pilgerfahrt nach Mekka) zu ermöglichen. Seit 2014 stellt das kuwaitische Innenministerium gemäß dem Menschenrechtsbericht des US-amerikanischen Außenministeriums nur noch aus humanitären Gründen sogenannte Artikel-17-Pässe – also temporäre Reisedokumente für staatsbürgerschaftslose Personen – für Bidun aus (USDOS 13.3.2019, 13-14). Die Bewegungsfreiheit von ausländischen Arbeitskräften wird unter Umständen durch das so genannte kafala-System eingeschränkt, welches Arbeitsmigranten weitgehend von Sponsoren und Arbeitnehmern abhängig macht. Letztere behalten oftmals die Pässe der ausländischen Arbeitnehmer ein, um einen Arbeitsplatzwechsel dieser zu verhindern (WP 3.4.2018; vgl. TG 23.7.2018). Ein Abkommen zwischen der philippinischen und kuwaitischen Regierung verbietet seit 2018 die Abnahme des Passes philippinischer ArbeitsmigrantInnen,von denen sich über 200,000 in Kuwait aufhalten (BBC 11.5.2018; vgl. TG 23.7.2018). Die kuwaitische Regierung kündigte im Jänner 2019 eine geplante Diskussion der Abschaffung des kafala-Systems im Ministerrat an (KT 15.1.2019).

Quellen:

?        BBC – British Broadcasting Corporation (11.5.2018): Philippines and Kuwait sign agreement on workers' rights, https://www.bbc.com/news/world-asia-44088011, Zugriff 20.02.2019

?        KT - Kuwait Times (15.1.2019): Kuwait mulling cancellation of kafala system for expats, https://news.kuwaittimes.net/website/kuwait-mulling-cancellation-of-kafala-system-for-expats/, Zugriff 27.2.2019

?        TG - The Guardian (23.7.2018): Kuwaiti star faces backlash over Filipino worker comments, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/23/who-will-refund-me-kuwaiti-star-ignites-row-over-filipinos-days-off, Zugriff 20.02.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

?        WP – Washington Post (3.4.2018): How a maid found dead in a freezer set off a diplomatic clash between the Philippines and Kuwait, https://www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2018/04/03/how-a-maid-found-dead-in-a-freezer-set-off-a-diplomatic-clash-between-the-philippines-and-kuwait/?utm_term=.30fdecacc750, Zugriff 20.02.2019

[…]

Grundversorgung/Wirtschaft

Aufgrund der reichen Ölvorkommen ist Kuwait trotz derzeit sinkender Ölpreise ein wohlhabendes Land. Unter den kuwaitischen Staatsbürgern gibt es anhand absoluter Kriterien keine Armut, der Reichtum des Landes ist allerdings ungleich verteilt. Nur rund ein Drittel der Bewohner Kuwaits sind kuwaitische Staatsbürger. Ein großer Teil der übrigen Bewohner sind Arbeitsmigranten, welche oftmals sozial ausgegrenzt und wirtschaftlich ausgebeutet werden. Ebenso sind auch die Bidun von zahlreichen staatlichen Leistungen ausgeschlossen. Gemäß offizieller Statistik waren 2014 rund 80 Prozent der Erwerbstätigen im übersättigten öffentlichen Sektor beschäftigt (BTI 2018, 17).

Die Einnahmen aus den Ölverkäufen ermöglichen es dem kuwaitischen Staat, seinen Staatsbürgern kostenlose Gesundheitsversorgung, geförderten Wohnraum, zinsfreie Kredite, kostenlose Ausbildung bis zum Universitätsabschluss und eine garantierte Beschäftigung bereitzustellen (BTI 2018, 23-24). Dies gilt allerdings nur für Staatsbürger. Für Personen ohne kuwaitischer Staatsbürgerschaft ist Ausbildung weder kostenlos noch verpflichtend. Ein Dekret des Ministerats sah im Jahr 2011 eine Ausweitung des Zugang zu Bildungsleistungen für Bidun vor. Dies wurde allerdings nicht zur Gänze umgesetzt (USDOS 13.3.2019, 24).

Der Staat subventioniert zahlreiche Dienste und Güter, wie zum Beispiel Elektrizität, Wasserversorgung, Treibstoff und für bestimmte Lebensmittel. Aufgrund der sinkenden Ölpreise versuchte die Regierung, die Ausgaben in diesem Bereich einzuschränken. Das Parlament lehnte einen entsprechenden Vorschlag ab und beschloss einen Gegenantrag, welcher kuwaitische Staatsbürger von den Preiserhöhungen ausnehmen sollte, und eine Streichung der Subventionen bei der Energie- und Wasserversorgung für Personen ohne kuwaitische Staatsbürgerschaft vorsah (BTI 2018, 23-24).

Neben Ungleichbehandlungen von Personen ohne kuwaitischer Staatsbürgerschaft bei der Verteilung staatlicher Sozialleistungen ist das so genannte kafala-System eine wesentliche Quelle für die Ungleichheit und Diskriminierung von ausländischen Arbeitskräften, weil es diese von lokalen Sponsoren oder Arbeitgebern abhängig macht. Letztere behalten oftmals die Pässe der ausländischen Arbeitnehmer ein, was zu einer Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen führen kann (BTI 2018, 25; vgl. WP 3.4.2018; vgl. TG 23.7.2018). Die kuwaitische Regierung kündigte im Jänner 2019 eine geplante Diskussion zur Abschaffung des kafala-Systems im Ministerrat an (KT 15.1.2019).

Quellen:

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report Kuwait, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kuwait.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        KT - Kuwait Times (15.1.2019): Kuwait mulling cancellation of kafala system for expats, https://news.kuwaittimes.net/website/kuwait-mulling-cancellation-of-kafala-system-for-expats/, Zugriff 27.2.2019

?        TG - The Guardian (23.7.2018): Kuwaiti star faces backlash over Filipino worker comments, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/23/who-will-refund-me-kuwaiti-star-ignites-row-over-filipinos-days-off, Zugriff 20.02.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

?        WP – Washington Post (3.4.2018): How a maid found dead in a freezer set off a diplomatic clash between the Philippines and Kuwait, https://www.washingtonpost.com/news/worldviews/wp/2018/04/03/how-a-maid-found-dead-in-a-freezer-set-off-a-diplomatic-clash-between-the-philippines-and-kuwait/?utm_term=.30fdecacc750, Zugriff 20.02.2019

Medizinische Versorgung

Gemäß einem Artikel aus dem Jahr 2017 ist das kuwaitische Gesundheitssystem überlastet. Die Regierung strebt daher einen Ausbau der Bettenanzahl in Krankenhäusern an. Staatliche Krankenhäuser sollen zukünftig kuwaitischen Staatsbürgern vorbehalten sein, während die Errichtung separater Einrichtungen für Ausländer und Nichtstaatsbürger geplant ist. Letztere müssen für die Gesundheitsversorgung mehr zahlen als kuwaitische Staatsbürger (GTAI 9.2.2017).

Zur Gesundheitsversorgung der Bidun siehe Abschnitt „16.1 Bidun“.

Quellen:

?        GTAI – Germany Trade & Invest (9.2.2017): Kuwaits Gesundheitssektor ist im Umbruch, https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=kuwaits-gesundheitssektor-ist-im-umbruch,did=1640788.html, Zugriff 27.2.2019

?        LIFOS – Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (27.6.2017): “Bidooner” i Kuwait, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404451/1226_1500965236_170627601.pdf, Zugriff 27.2.2019

?        MRGI – Minority Rights Group International (12.2017): Bidoon, https://minorityrights.org/minorities/bidoon/, Zugriff 13.3.2019

?        USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Kuwait 2018 Human Rights Report, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2018&dlid=289216, Zugriff 14.3.2019

Rückkehr

Wenn ein (ausländischer) Besitzer einer Aufenthaltsbewilligung von Kuwait das Land für mehr als sechs Monate verlässt, ist eine Einreise nach Kuwait nicht mehr möglich, selbst wenn die Bewilligung noch gültig ist. In diesem Fall ist es notwendig, erneut einen Antrag für eine Aufenthaltsbewilligung zu stellen, welchem nicht notwendigerweise stattgegeben werden muß (ESKC befragt von IRBC 31.1.2014).

Zur Rückkehr von Bidun siehe Abschnitt „16.1 Bidun“.

Quellen:

?        ESKC – Embassy of the State of Kuwait in Canada (27.1.2014): Telephone interview with a visa officer

?        IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (31.1.2014): The State of Kuwait Residence Permit, KWT104739.FE, http://www.refworld.org/docid/5372117d0.html, Zugriff 27.2.2019

[…]“

Begründend wurde in der Beweiswürdigung u.a. ausgeführt:

„[…] Zunächst gilt es festzuhalten, dass Sie weder im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung noch bei der Einvernahme vor dem BFA eine individuell gegen Ihre Person gerichtete, asylrelevante Verfolgung aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Ethnie, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Gesinnung in Kuwait substantiieren konnten, noch vermochten Sie konkrete Beispiele von gegen Ihre Person gerichteten persönlichen Bedrohungen, Tätigkeiten oder Misshandlungen von staatlicher oder privater Seite zu nennen. Die von Ihnen immer wieder ins Treffen geführte Schlechterstellung von kuwaitischen Nichtstaatangehörigen gegenüber kuwaitischen Staatsbürgern betreffen im Herkunftsstaat nicht nur Sie alleine, sondern - laut Länderinformationen - ca. 70 % der Bevölkerung Kuwaits. Von 4,2 Millionen Einwohner Kuwaits sind lediglich 1,4 Millionen auch tatsächlich kuwaitische Staatsangehörige, wobei sich der Rest in Staatenlose, wie Sie (das sind ca. 88.000 bis 100

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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