TE Bvwg Beschluss 2021/12/15 W279 2249028-1

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Entscheidungsdatum

15.12.2021

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W279 2249028-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. KOREN im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Mietwäsche ÖBB Lehrwerkstätten," der Auftraggeberin ÖBB Infrastruktur AG, Praterstraße 3, 1020 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte, vom 06.12.2021 das BVwG „möge für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens den Lauf der Angebotsfrist aussetzen und der Antragsgegenerin das Öffnen der Angebote im gegenständlichen Vergabeverfahren Mietwäsche für ÖBB-Lehrwerkstätten Referenznummer der Bekanntmachung: 59642 untersagen;“ folgenden Beschluss:

A)

Der Auftraggeberin wird gemäß § 351 BVergG 2018 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren die Teilnahmeanträge zu öffnen. Der Lauf der Angebotsfrist wird ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 06.12.2021, beim BVwG eingebracht am darauffolgenden Tag, begehrte die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlage sowie der Entscheidung der Nichtverlängerung für die Abgabefirst der Muster einleiten, die angefochtene Ausschreibung zur Gänze für nichtig zu erklären, in eventu die angefochtene Bestimmungen, in eventu die angefochtene Entscheidung, die Abgabefrist für die Muster nicht u verlängern, für nichtig zu erklären.

Ferner stellte die Antragstellerin die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Antragstellerin sieht in der Ausschreibung mehrere Rechtswidrigkeiten (insbesondere eine zu kurze Frist zur Fertigung von Textilmustern sowie eine Unmöglichkeit der Fertigung von Textilmustern aufgrund von Musterschutz) und erachtet sich dadurch als diskriminiert.

Die Auftraggeberin übermittelte am 10.12.2021 die allgemeine Auskunftserteilung, die die Angaben der Antragstellerin hinsichtlich des Ausschreibungsgegenstandes bestätigen, sowie eine Stellungnahme zur hier gegenständlichen einstweiligen Verfügung.

Die Auftraggeberin brachte keine eigenen oder öffentlichen Interessen vor, die einer einstweiligen Verfügung entgegenstünden und erhob dahingehend keine Einwände. Sie beantragte den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Nachprüfungsantrag vom 06.12.2021 zurück-, in eventu abzuweisen sowie jene Teile des Vergabeaktes, welche nicht die ASt betreffen, von der Akteneinsicht durch die ASt auszunehmen, da diese Informationen vertraulichen Charakter haben, deren Preisgabe ua eine Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung der AG darstellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Auftraggeberin führt ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem BVergG 2018 zum Abschluss eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich betreffend Mietwäsche für ihre Lehrwerkstättten durch. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte am 12.05.2021 im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union zu 2021/S 092-239809. (Vergabeakt).

2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation des Antragstellers zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zu prüfen, ob dem Antragsteller die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Einlangen der Erstangebote befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Ausschreibung – behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet hat, sowie dass der Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 ist somit nicht gegeben.

Die Bekanntgabe der Ausschreibung erfolgte am 12.05.2021, die Teilnahmeantragsfrist wurde mit 15.12.2021 festgelegt. Der Antrag wurde am 07.12.2021 eingebracht und ist somit nach § 343 Abs. 3 BVergG 2018 rechtzeitig. Der Antrag erfüllt – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Die Antragstellerin hat die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, „das Bundesverwaltungsgericht möge für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens den Lauf der Angebotsfrist aussetzen und der Antragsgegnerin das Öffnen der Angebote im gegenständlichen Vergabeverfahren „Mietwäsche für ÖBB-Lehrwerkstätten Referenznummer der Bekanntmachung: 59642“ untersagen“ beantragt.

Da bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin, die Ausschreibung rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Vertragsabschluss in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung des Abschlusses des Vertrages abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung und Abschluss der Vertrages nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin und einen Abschluss des Vertrages mit der Antragstellerin ermöglicht.

Die Auftraggeberin hat in ihrer Stellungnahme zum Vorbringen betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Schreiben vom 10.12.2021 keine Einwände gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erhoben.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussetzung der Angebotsfrist Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Fristenlauf Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Teilnahmeantrag Untersagung Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W279.2249028.1.00

Im RIS seit

07.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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