TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/17 W205 2202619-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2021
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Entscheidungsdatum

17.12.2021

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG-DV 2005 §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch



W205 2202619-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Kongo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2021, Zl. 1115000604-210250473, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG und § 4 Abs. 2 AsylG-DV stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Vorverfahren:

1.1.    Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.    Mit Bescheid vom 04.07.2018, Zl. 1115000604 - 160690023, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Republik Kongo zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

1.3.    Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2018, Zl. I420 2202619-1, hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wurde stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. Ferner wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

1.4.    Am 30.10.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.5.    Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2018 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

1.6.    Am 13.11.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen.

1.7.    Mit Bescheid vom 23.11.2018, Zl. 1115000604-181032444, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Republik Kongo gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Republik Kongo gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde zudem ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs 1 AsylG 2005 aufgetragen, ab 13.11.2018 im Quartier XXXX Unterkunft zu nehmen.

1.8.    Einer gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.01.2019, Zl. I412 2202619-2 hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. stattgegeben und diese aufgrund von Begründungsmängeln behoben. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wurde als unbegründet abgewiesen.

1.9.    Nachdem der Beschwerdeführer neuerlich niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen wurde, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2018 mit Bescheid vom 23.02.2019, Zl. 1115000604/181032444-EAST-Ost, hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Republik Kongo zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 1a FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

1.10.   Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2019, Zl. I417 2202619-3, als unbegründet abgewiesen.

In der rechtlichen Beurteilung wird insbesondere Folgendes ausgeführt:

„Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als unbegründet abzuweisen.“

1.11.   Der Anzeige einer Landespolizeidirektion vom 16.04.2019 lässt sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufgrund eines zu Tage getretenen Festnahmeauftrags gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG festgenommen wurde.

1.12.   Am 17.04.2019 wurde der Beschwerdeführer vom BFA niederschriftlich einvernommen und am selben Tag mittels Mandatsbescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

1.13.   Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.05.2019, Zl. W171 2218451-1, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiter vorliegen.

1.14.   Nach neuerlicher Einvernahme des Beschwerdeführers wurde mit Mandatsbescheid vom 12.08.2019 gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer habe sich beginnend mit 13.08.2019 jeden 2. Tag bei einer genannten Polizeiinspektion regelmäßig zu melden. Ferner wurde der Beschwerdeführer an diesem Tag aus der Haft entlassen.

1.15.   Am 22.10.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG sowie die Aufhebung der Meldeverpflichtung.

1.16.   Mit 23.10.2019 wurde die dem Beschwerdeführer auferlegte Meldeverpflichtung aufgehoben.

1.17.   Im Aktenvermerk vom 19.02.2020 betreffend „Vorliegen von Duldungsgründen im Kartenantragsverfahren“ ist festgehalten, dass die Voraussetzungen des „§ 46a Abs. 1 Z 3“ vorlägen und eine Karte für Geduldete daher amtswegig ausgestellt werde. Ferner geht daraus hervor, dass die Nationalität des Beschwerdeführers nicht feststehe, da seit der HRZ-Beantragung am 31.07.2018 seitens der Vertretungsbehörde der Republik Kongo trotz mehrfacher Urgenzen, bisher keine Rückmeldung erfolgt sei. Das Verfahren zur Durchsetzung und Effektuierung der Ausreiseentscheidung könne derzeit unter keinen Umständen fortgeführt werden. Dieser Umstand sei nicht im Verschulden des Beschwerdeführers gelegen und sei eine Abschiebung daher derzeit nicht möglich, da kein Dokument vorliege oder ausgestellt werde.

1.18.   Am 18.05.2020 übernahm der Beschwerdeführer eine am 09.03.2020 ausgestellte und bis 09.03.2021 gültige Karte für Geduldete.

1.19.   Aus dem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 03.06.2020 geht hervor, dass der Beschwerdeführer einen offenen Strafbetrag von EUR 5.500,- nicht habe bezahlen können und daher der Behörde zum zwangsweisen Antritt der 14-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe vorgeführt worden sei.

2.       Gegenständlicher Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

2.1.    Mit Schreiben vom 18.01.2021 beantragte der Beschwerdeführer beim BFA die Ausstellung einer neuen Karte für Geduldete, die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG sowie die Heilung des Mangels vom Erfordernis eines Reisepasses und einer Geburtsurkunde. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit 09.03.2021 seit mindestens einem Jahr geduldet, stelle keine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreichs dar, sei unbescholten und habe sich immer wohl verhalten. Der Beschwerdeführer sei als Flüchtling „irregulär“ nach Österreich eingereist und habe keine Dokumente bei sich gehabt. Er habe auch keine Möglichkeit, sich einen Reisepass seines Heimatlandes zu besorgen, diese Konstellation habe zur Rechtsposition des Geduldeten geführt. Die Geburtsurkunde habe der Beschwerdeführer beim BFA im Asylverfahren abgegeben und nicht zurückbekommen. Er habe keine Möglichkeit eine neue Geburtsurkunde zu erhalten, weshalb sicherheitshalber auch der Antrag gestellt werde, die Heilung des Mangels vom Erfordernis der Geburtsurkunde zuzulassen.

2.2.    Aus dem Aktenvermerk vom 05.03.2021 geht hervor, dass um Mitteilung ersucht werde, ob in nächster Zeit eine Aussicht bestehe, dass für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

2.3.    Mit Schreiben des BFA vom 09.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme in der Angelegenheit „Antrag auf ATB abweisen“ stattgefunden und ergeben habe, dass im Jahr 2019 sein Asylverfahren abgeschlossen und ihm 2020 eine Karte für Geduldete ausgestellt worden sei. Er besitze keinerlei Dokumente, sie seine Identität beweisen würde und habe sich bisher nicht bei der Konsularabteilung der Republik Kongo über die Ausstellung eines Reisedokuments erkundigt. Der Beschwerdeführer könne innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung eine Stellungnahme abgeben und werde gebeten, angeführte Fragen zu beantworten.

2.4.    In der Stellungnahme vom 04.05.2021 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, es sei unrichtig, dass der Beschwerdeführer „keinerlei Dokumente besäße“, die seine „Identität beweisen“ könnten. Es sei bereits im verfahrenseinleitenden Antrag dargelegt worden, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren eine Geburtsurkunde vorgelegt habe. Weder aus eigenem, noch seitens der Behörde sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, ein Reisedokument oder Ersatzreisedokument zu erlangen und habe der Beschwerdeführer diesbezüglich bereits einen Antrag auf Heilung des Mangels gestellt. Beim Antragsteller lägen die Voraussetzungen gemäß § 57 AsylG vor und sei das Vorliegen von Negativvoraussetzungen auch von der Behörde nie behauptet worden. Es werde ersucht, eine Duldungskarte ehestens auszustellen.

2.5.    Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 21.06.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „besonderer Schutz“ vom 18.01.2021 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag auf Mängelheilung vom 18.01.2021 gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Die belangte Behörde stellte unter anderem fest, dass keinerlei familiäre und soziale Bindungen und Beziehungen des Beschwerdeführers zu Österreich bestünden. Er habe im Vergleich zum Vorverfahren keine Veränderung bezüglich seiner allseitigen Verhältnisse behauptet. Es bestünden eine seit 03.04.2019 rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer habe seine Geburtsurkunde im Zuge der Asylantragstellung abgegeben, besitze keinen Reisepass und habe laut eigenen Angaben keine Möglichkeit, sich einen solche zu besorgen.

In rechtlicher Hinsicht wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert habe, dass eine neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre.

Betreffend Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer weder eine Geburtsurkunde noch einen Reisepass habe vorlegen können. Es wäre dem Beschwerdeführer ohne weiteres zuzumuten gewesen, sich bei der Botschaft seines Landes die erforderlichen Unterlagen zu besorgen. Der Beschwerdeführer habe keinen Nachweis erbracht und auch nicht behauptet, jemals bei der zuständigen Botschaft vorgesprochen zu haben.

2.6.    In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, es gebe keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kongo in Österreich. Weiters wurde die erstattete Stellungnahme vom 04.05.2021 zum Beschwerdevorbringen erhoben. Dem Beschwerdeführer sei nach längerer Zeit in Schubhaft unbestritten eine Karte für Geduldete ausgestellt worden. Weder aus eigenem, noch seitens der Behörde sei es möglich gewesen, ein Reisedokument oder ein Ersatzreisedokument zu erlangen. Die Feststellung, wonach er mit zwei Frauen verheiratet sei und für drei Kinder sorgepflichtig sei, sei unrichtig. Der Beschwerdeführer sei nur einmal traditionell verheiratet gewesen, wobei die Lebensgemeinschaft aktuell nicht mehr bestehe. Es werde nicht begründet, warum der Antrag zurückgewiesen werde. Es heiße im Bescheid bloß, dass keine neuerliche Rückkehrentscheidung notwendig sei. In der Gesamtschau ergebe sich ein „zusammengestoppelter“ Bescheid mit Begründungen „ohne Hand und Fuß“.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 23.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt sowie gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2019, rechtskräftig seit 03.04.2019, als unbegründet abgewiesen.

Dem Beschwerdeführer wurde am 09.03.2020 eine bis 09.03.2021 gültige Karte für Geduldete ausgestellt.

Am 18.01.2021 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, die neuerliche Ausstellung einer Karte für Geduldete sowie die Heilung des Mangels vom Erfordernis eines Reisepasses und einer Geburtsurkunde.

2.       Beweiswürdigung:

Der unstrittige Verfahrensgang ergab sich aus dem vorliegenden Akteninhalt iZm dem Beschwerdevorbingen sowie aus der Einsicht in die beim Bundesverwaltungsgericht zu den Zahlen I420 2202619-1, I412 2202619-2, I417 2202619-3 und W171 2218451-1 geführten Verfahren.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 sind Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 jener wegen entschiedener Sache nachgebildet, sodass die diesbezüglichen (zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten) Grundsätze herangezogen werden können (vgl. VwGH 26.06.2020, Zl. Ra 2017/22/0183). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 05.09.2008, Zl. 2005/12/0078).

3.3. Die belangte Behörde stützte die zurückweisende Entscheidung des verfahrenseinleitenden Antrags auf § 58 Abs. 10 AsylG und argumentierte, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung nicht derart wesentlich geändert habe, dass eine neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre.

Vorliegend wurde zwar – wie im angefochtenen Bescheid angeführt – mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2019 die mit Bescheid vom 23.02.2019 gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bestätigt. Eine auf die Nichterforderlichkeit einer neuerlichen Abwägung nach Art. 8 EMRK aufbauende Zurückweisung kommt nach § 58 Abs. 10 Satz 1 AsylG jedoch nur hinsichtlich eines Antrags gemäß § 55 AsylG in Betracht.

Für den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG ist jedoch der zweite Satz des § 58 Abs. 10 AsylG einschlägig. Eine Zurückweisung ist demnach bei Anträgen möglich, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen. Da mit Bescheid vom 23.02.2019 auch eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde und die dagegen erhobene Beschwerde rechtskräftig abgewiesen wurde, folgt der verfahrenseinleitende Antrag einer rechtskräftigen Entscheidung nach und ist diese Voraussetzung somit erfüllt.

Für eine zurückweisende Entscheidung ist jedoch weiters erforderlich, dass aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Dem hg. Erkenntnis vom 26.03.2019 lag insbesondere zugrunde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder 1a FPG geduldet war. Im vorliegenden Antrag wird demgegenüber ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer mit 09.03.2020 das erste Mal eine bis 09.03.2021 gültige Karte für Geduldete ausgestellt worden sei, die Voraussetzungen für die Duldung weiterhin vorlägen, er keine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich darstelle und er unbescholten sei. Die Ausstellung einer Duldungskarte für den Beschwerdeführer wurde auch im angefochtenen Bescheid im Zuge der Darstellung des Verfahrensganges festgehalten und ist zudem aus der Aktenlage ersichtlich. Die Behörde (bzw. das VwG) ist bei der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz bei der Beurteilung des ersten Tatbestandselements des § 57 Abs. 1 Z 1 erster Halbsatz AsylG 2005, dass "der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 leg.cit. seit mindestens einem Jahr geduldet ist", an das Vorhandensein einer bereits ausgestellten Karte für Geduldete gebunden (vgl. VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0019). Angesichts dessen ist nach dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers ein geänderter Sachverhalt hinsichtlich der in § 57 AsylG normierten Voraussetzungen gegeben und wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu Unrecht gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und dieser ersatzlos zu beheben.

Im fortzusetzende Verfahren wird das Bundesamt folglich eine weitere Prüfung des vorliegenden Antrags vorzunehmen haben.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Im Hinblick darauf, dass das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nunmehr wieder offen ist, kann - schon aus diesem Grund - der Abspruch über den unter einem gestellten Antrag auf Zulassung der Heilung des Mangels der fehlenden Vorlage eines Reisepasses sowie einer Geburtsurkunde nach § 4 AsylG-DV keinen Bestand haben.

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher stattzugeben und dieser ersatzlos zu beheben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung.

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 nicht einschlägig, sondern die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG 2014 zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (unter anderem) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196).

Da bereits aufgrund der Aktenlagen feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz ersatzlose Behebung geänderte Verhältnisse Karte für Geduldete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2202619.4.00

Im RIS seit

07.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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