TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/5 W228 2225197-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.01.2022
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Entscheidungsdatum

05.01.2022

Norm

ASVG §410
ASVG §44
ASVG §49
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch



W228 2225197-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. XXXX und Mag. XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von DI XXXX , SVNr: XXXX , vertreten durch Dr. XXXX em., Mag. XXXX , gegen den Bescheid der vormaligen Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), vom 02.10.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der Spruch mit der Maßgabe abgeändert, dass folgende Beitragsgrundlagen für folgende Zeiträume abgeändert festgestellt werden:

Zeitraum

Allgemeine Beitragsgrundlage

Beitragsgrundlage Sonderzahlung

01.01.2013-31.12.2013

41.424,00 €

7.996,00 €

01.01.2014-31.12.2014

44.724,00 €

8.954,00 €

01.01.2015-31.12.2015

45.612,00 €

7.602,00 €

01.01.2016-31.12.2016

46.248,00 €

7.708,00 €

01.01.2017-31.12.2017

46.848,00 €

7.808,00 €

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 02.10.2019, Zl. XXXX , hat die vormalige Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), gemäß § 410 ASVG die im Bescheid angeführten Beitragsgrundlagen und Beitragsgrundlagen für Sonderzahlungen für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.08.2018 für Frau DI XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) aufgrund ihrer Beschäftigung bei der XXXX GmbH (in der Folge: Dienstgeberin) festgestellt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Dienstgeberin aufgrund eines unbestrittenen Dienstverhältnisses zur Pflichtversicherung gemeldet gewesen sei. Ab dem Kalenderjahr 2013 habe die Beschwerdeführerin eine unterkollektivvertragliche Entlohnung moniert. Im Rahmen der von der ÖGK durchgeführten Erhebung habe festgestellt werden können, dass eine Vorreihung in eine andere Erfahrungsstufe hätte erfolgen müssen, was zu einer Korrektur der Beitragsgrundlagen und Sonderzahlungen der Jahre 2013 und 2014 geführt habe. Ansonsten sei der Beschwerdeführerin zu entgegnen, dass weitere Feststellungen aufgrund in dieser Hinsicht fehlender arbeitsrechtlicher Entscheidungen nicht möglich seien. In welche Beschäftigungsgruppe die geleisteten Arbeiten letztlich einzureihen seien, bleibe einer arbeitsrechtlichen Entscheidung überlassen. Die Beschwerdeführerin sei zwar als Softwareentwicklerin eingestellt gewesen, habe aber nach der Schilderung der Tätigkeiten durch die Dienstgeberin nur Arbeiten einer anderen Beschäftigungsgruppe geleistet. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schriftstücke und Stellungnahmen werde eine Unterentlohnung behauptet; jedoch seien weder Gegenargumente übermittelt worden, noch habe die Beschwerdeführerin – im Gegensatz zur Dienstgeberin – geschildert, welche Arbeitsleistungen von ihr durchgeführt wurden, die eine Umstufung und damit verbunden die Feststellung eines höheren Anspruchsverdienstes rechtfertigen würden.

Gegen diesen Bescheid erhob die damalige Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30.10.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Beitragsgrundlagen für die Jahre 2013 und 2014 erhöht habe; die Beitragsgrundlagen der Folgejahre 2015 bis 31.08.2018 seien jedoch unverändert geblieben. Da die Dienstgeberin jedoch die gemäß dem Arbeitsvertrag anzuwendende kollektivvertragliche Einstufung sowie Vorrückung in die Erfahrungsstufe und die jährlichen Erhöhungen nicht korrekt berücksichtigt habe, sei die Beschwerdeführerin in den Jahren 2013 bis September 2017 nicht entsprechend der geltenden einzel- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen bezahlt worden. Die Beitragsgrundlagen für diesen Zeitraum wären daher – gemäß dem Anspruchslohnprinzip – zu berichtigen gewesen. Die Beschwerdeführerin habe keiner einvernehmlichen Herabstufung im Rahmen einer Dienstvertragsänderung zugestimmt und keinen Verzicht auf die Ansprüche abgegeben.

Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 07.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 02.06.2021 der damaligen Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin das Beschwerdevorlagescheiben vom 05.11.2019 übermittelt.

Am 24.06.2021 übermittelte die nunmehrige Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser Stellungnahme wurde die Beschwerde bezüglich der Beitragsgrundlagen Sonderzahlungen auf den Zeitraum ab 01.01.2015 eingeschränkt. Da trotz der Nachzahlung durch die Dienstgeberin ab 01.09.2017 die von der ÖGK festgestellte Beitragsgrundlage (sowie Beitragsgrundlage Sonderzahlungen) 2017 nicht der allgemeinen Beitragsgrundlage sowie der Beitragsgrundlage Sonderzahlungen unter Heranziehung des monatlichen Gehaltes 2017 entspreche, werde der an das Bundesverwaltungsgericht gestellte Abänderungsantrag auf den Zeitraum bis 31.12.2017 ausgedehnt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 25.06.2021 der Rechtsvertretung der Dienstgeberin den Schriftverkehr mit der (damaligen und nunmehrigen) Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin übermittelt.

Am 14.07.2021 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung der Dienstgeberin beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 19.08.2021 langte eine seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin erstattete Replik zur Stellungnahme der Rechtsvertretung der Dienstgeberin beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 30.08.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung sowie die beiden Geschäftsführer der Dienstgeberin im Beisein ihrer Rechtsvertretung teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurde XXXX als Zeuge einvernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 31.08.2021 der ÖGK das Verhandlungsprotokoll vom 30.08.2021 übermittelt. In dem Schreiben wurden überdies Ausführungen zur Sach- und Rechtslage getätigt und wurde die ÖGK zu einer Äußerung aufgefordert.

Am 28.10.2021 langte eine Stellungnahme der ÖGK beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 08.11.2021 der Rechtsvertretung der Dienstgeberin den Schriftverkehr mit der ÖGK übermittelt.

Am 06.12.2021 langte eine mit 03.12.2021 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung der Dienstgeberin beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat ein Informatikstudium abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin stand ab 01.09.2009 als Softwareentwicklerin bei der Dienstgeberin XXXX GmbH in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis. Dies ist somit das Ausgangsdatum als Grundlage zur Berechnung der Vorrückung in die Erfahrungsstufe.

Im Dienstvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der Dienstgeberin, datiert mit 20.07.2009, ist die Einstufung der Beschwerdeführerin mit der Stufe ST2 niedergeschrieben. Konkret wird in diesem Vertrag unter dem Punkt Einstufung wie folgt ausgeführt: „Unter Anrechnung seiner einschlägigen Dienstzeiten wird der Dienstnehmer in die Tätigkeitsfamilie „Speziell 2“ des gültigen Kollektivvertrages eingestuft. Es erfolgt eine Zuordnung in das 1. Jahr der Regelstufe.“

Es ist festzustellen, dass es zu keiner einvernehmlichen Abänderung betreffend die Einstufung ST2 bis zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam.

Am 20.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin von der Dienstgeberin ein Dienstvertrag mit der Einstufung ST1 zur Unterschrift vorgelegt. Dieser Vertrag wurde von der Beschwerdeführerin nicht unterfertigt. Es kam auch zu keiner mündlichen oder konkludenten Abänderung, wie sogleich darzustellen sein wird.

Die Beschwerdeführerin hat die nicht gezahlten Lohndifferenzen ab September 2017 via AK im Vergleichswege geltend gemacht. Die Dienstgeberin bezahlte im Dezember 2017 den erhöhten Betrag rückwirkend ab September 2017 samt aliquoter Weihnachtsremuneration; die Beschwerdeführerin hat sohin die Entgeltdifferenzen rückwirkend bis September 2017 nachbezahlt erhalten. Weiters wurde das laufende Entgelt, beginnend mit der Auszahlung für Dezember 2017, monatlich auf EUR 2.454,08 netto (EUR 3.904,00 brutto) angepasst.

Der Beschwerdeführerin wurde am 11.01.2018 von der Dienstgeberin schriftlich gekündigt. Am 22.01.2018 brachte die Beschwerdeführerin eine Kündigungsanfechtungsklage ein. Mittels eines beiderseitigen, gerichtlichen Vergleiches, rechtwirksam und vollstreckbar seit 16.04.2018, wurde das Dienstverhältnis bis 31.08.2018 verlängert und auch die Entgeltfortzahlung in entsprechender Höhe der Fortzahlung ab September 2017 zur Auszahlung gebracht.

Zum Tätigkeitsfeld der Beschwerdeführerin bei der Dienstgeberin ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin für Datenbankarbeiten (Programmieren und Dokumentation) zuständig war. Sie hat an einem Großprojekt sowie an mehreren kleinen und mittleren Projekten gearbeitet. Im Zuge des Großprojekts hat sie insbesondere an Differenzabgleichen gearbeitet. Es ist festzustellen, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin an dem Großprojekt nie abgeschlossen wurde. Sie hat von Beginn bis zum Ende ihres Dienstverhältnisses eine durchgehende Tätigkeit ausgeübt und ist daher die Einstufung der Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in ST2 (zunächst in der ST2 Regelstufe sowie ab 01.09.2013 in der ST2 Erfahrungsstufe) gerechtfertigt.

Zur Nachvollziehbarkeit der spruchmäßig festgestellten Höhe der Beitragsgrundlagen bildet die Beilage zum Schreiben der ÖGK, datierend auf 28.10.2021, „Stellungnahme“ samt Beilagen ./1, ./2 sowie ./4 einen integrierenden Bestandteil des Erkenntnisses. In der Beilage ./1 kommt es zusätzlich im Jahr 2013 in der 5. Tabellenzeile „IST-Lohn+1,9%“ zur Korrektur der Wert in den Spalten Jänner bis August auf 0, die Werte der 6. Tabellenzeile „Differenz GRLbrutto“ sind in den Spalten Jänner bis August ebenso auf 0 sowie in der Spalte „GRL lfd richtig“ auf 1.104 und in der Spalte „GRL lfd richtig“ auf 276 zu setzen, und die allgemeine Beitragsgrundlage auf € 41.424 sowie die Beitragsgrundlage Sonderzahlung auf € 7.996 zu setzen. Die letztgenannten, beiden Beitragsgrundlagenwerte ersetzen auch jene im Jahr 2013 in der Beilage „Stellungnahme“. Diese Änderungen wurden handschriftlich auf den Beilagen angebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Abschluss des Informatikstudiums ergibt sich aus der Niederschrift bei der ÖGK vom 13.06.2018 sowie aus den Angaben der BF in der Verhandlung. Dieses Faktum ist unbestritten.

Der Beginn des Dienstverhältnisses mit 01.09.2009 – und somit auch die Grundlage zur Berechnung der Vorrückung in die Erfahrungsstufe – wurde in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht außer Streit gestellt.

Der Dienstvertrag aus dem Jahr 2009 liegt im Akt ein. Die dort vorgenommene Einstufung der Beschwerdeführerin mit der Stufe ST2 ist nicht strittig und wurde dies in der Verhandlung sowohl von der Beschwerdeführerin als auch vom Geschäftsführer der Dienstgeberin bestätigt.

Zum Umstand, dass es zu keiner einvernehmlichen Abänderung betreffend die Einstufung ST2 bis zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam, ist beweiswürdigend auszuführen, dass die Beschwerdeführerin in der Verhandlung auf die entsprechende Frage angab: „Nein, das ist nie passiert. Es gab dafür keinen Grund und ich hätte da nie zugestimmt.“ Seitens der Dienstgeberin wurde vorgebracht, dass es im Dezember 2014 ein Gespräch gegeben habe, im Zuge dessen die Umstufung vorgenommen worden sei. Die Dienstgeberin konnte allerdings keine diesbezüglichen Nachweise/Unterlagen vorlegen und gab der Geschäftsführer der Dienstgeberin in der Verhandlung selbst an, dass diese Abänderung nicht schriftlich erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin und der Geschäftsführer der Dienstgeberin haben in der Verhandlung übereinstimmend ausgesagt, dass der Beschwerdeführerin am 20.11.2017 von der Dienstgeberin ein Dienstvertrag mit der Einstufung ST1 zur Unterschrift vorgelegt worden sei, welcher jedoch von der Beschwerdeführerin nicht unterfertigt worden sei.

Der Umstand, wonach die Beschwerdeführerin die nicht gezahlten Lohndifferenzen ab September 2017 via AK im Vergleichswege geltend gemacht hat, ist unstrittig; ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die Entgeltdifferenzen rückwirkend bis September 2017 (samt aliquoter Weihnachtsremuneration) nachbezahlt erhalten hat und ergibt sich dies auch aus der im Akt befindlichen diesbezüglichen Vereinbarung.

Die Feststellungen zur Kündigung, zur Kündigungsanfechtung sowie zum darauffolgenden Vergleich ergeben sich aus den diesbezüglichen Unterlagen und sind diese unstrittig.

Die Feststellungen zum Tätigkeitsfeld der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben in Zusammenschau mit den Angaben des Geschäftsführers der Dienstgeberin sowie des in der Verhandlung einvernommenen Zeugen. Zur Feststellung, wonach die Tätigkeit der Beschwerdeführerin am Großprojekt nie abgeschlossen wurde, ist beweiswürdigend ebenfalls auf die Aussagen des Geschäftsführers der Dienstgeberin sowie des Zeugen in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu verweisen. So gab der Zeuge an: „Sie hat relativ lange an einem sehr großen und sehr komplexen Projekt gearbeitet.“ Sowie: „Es gab ein Projekt, das über Jahre lief.“ Der Geschäftsführer der Dienstgeberin sagte aus: „Es gab, wie schon gehört, ein großes Projekt. Daneben liefen hunderte kleinere bzw. mittlere Projekte. Das große Projekt war sehr zeitaufwendig. Die BF hat nebenher dazu kleinere Projekte gemacht“. Auf die Frage, ob es im Laufe des Dienstverhältnisses zu einer deutlichen Änderung der Aufgaben der Beschwerdeführerin gekommen sei, gab der Geschäftsführer der Dienstgeberin an: „Eigentlich nicht“. Nachgefragt, wann das Projekt abgeschlossen gewesen sei, antwortete er: „Das Projekt wurde abgebrochen. Daher ist es bis heute nicht abgeschlossen.“ Auf Vorhalt, dass im Zuge der Verhandlung das Gefühl entstanden sei, dass von der Beschwerdeführerin an Differenzabgleichen noch lange Zeit von ihr gearbeitet wurde, gab der Geschäftsführer an, dass dies richtig sei und führte er aus, dass „sie da sehr lange dran war, da wir bis zum Ende dachten, dass wir es irgendwann umsetzen können“. Auf die Frage, wann das Projekt zeitlich beendet worden sei, führte er aus: „Die konkreten Arbeiten waren 2014 abgebrochen. Im Hintergrund lief die Arbeit hinsichtlich weiterer Differenzen in den Leerzeiten (bzgl. anderer Projekte) weiter bis zum Schluss.“ Das Vorbringen der Dienstgeberin in der Stellungnahme vom 03.12.2021, wonach eine durchgehende Tätigkeit der Beschwerdeführerin am Großprojekt nicht vorliege, geht daher ins Leere. Eine Umstufung der Beschwerdeführerin wäre daher auch inhaltlich nicht gerechtfertigt.

Zur Feststellung, wonach aufgrund der durchgehenden Tätigkeit der Beschwerdeführerin die Einstufung ihrer Tätigkeiten in ST2 gerechtfertigt ist, ist auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zum Anspruchslohnprinzip zu verweisen. Daneben ist darauf zu verweisen, dass die Tätigkeit am Großprojekt selbständiger Natur war, da dem Geschäftsführer nur alle 2 Wochen bis monatlich eine Rückmeldung gegeben wurde, was aus Sicht des Senates somit auch eine entsprechende Verantwortung der BF nahelegt. Eine spätere Verdichtung der Rückmeldefrequenz zeigt zwar eine gesteigerte Unzufriedenheit mit den Leistungen der Beschwerdeführerin, wie dies insbesondere durch den anderen Geschäftsführer in der Verhandlung dargestellt wurde. Diese Unzufriedenheit wurde aber nach Ansicht des Senats mit dem zusätzlichen Einsatz an kleineren Projekten - anstelle der angedachten Kündigung -, im Gespräch mit dem, für die Beschwerdeführerin zuständigen, Geschäftsführer abgefedert und daher kam es in diesem Gespräch gerade nicht zur einer Umstufung nach ST1 wie von den beiden anderen Geschäftsführern allenfalls erwünscht, immerhin wurde ja der Wunsch der beiden anderen Geschäftsführer nach Änderungen erfüllt.

Zur Nachvollziehbarkeit der spruchmäßig festgestellten Höhe der Beitragsgrundlagen wurde die Beilage ./3 zur Beilage „Stellungnahme“ der ÖGK, datierend auf 28.10.2021, nicht benötigt, weshalb diese keinen integrierenden Bestandteil des Erkenntnisses bildet. Im Erkenntnis geht es um die Feststellung der Beitragsgrundlagen, nicht um die Feststellung etwaiger Nachverrechnungen. Alle anderen Beilagen zur „Stellungnahme“ der ÖGK, datierend auf 28.10.2021, wurden samt Beilage „Stellungnahme“ zwecks Nachvollziehbarkeit der Berechnungen zum integrierenden Bestandteil erhoben. Zu den Korrekturen wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In der vorliegenden Angelegenheit wurde in der Beschwerde ein Antrag auf Entscheidung durch einen Senat gestellt. Mit Bekanntgabe der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 23.06.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 24.06.2021, wurde der Antrag auf Senatsbesetzung zurückgezogen.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass ein Senatsantrag auf Basis des § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG iVm § 414 Abs. 2 ASVG mit Ablauf der Beschwerdefrist bestandskräftig wird und daher nicht zurückgezogen werden kann. Ansonsten würde die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde vom bloßen Willen des Beschwerdeführers abhängen und im Belieben desselbigen stehen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen und wäre verfassungsrechtlich bedenklich. Eine Entscheidung als Einzelrichter würde somit gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen. Daher wurde diesem Begehren der Erfolg versagt und wurde die Verhandlung sowie Entscheidungsfindung in Senatsbesetzung durchgeführt.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zum Verfahrensgegenstand:

Seitens der ÖGK gibt es einen Vermerk vom 05.11.2019, dass die Beschwerde sich nicht gegen die Feststellung der Höhe von Sonderzahlungen richtet. Dem ist die Beschwerdeführerin mit der Begründung entgegengetreten, der Dienstgeber habe die Beschwerdeführerin zu niedrig entlohnt und damit ein zu niedriges Entgelt bei der ÖGK gemeldet. Entgelt umfasse auch die Sonderzahlungen.

Aufgrund der Textierung der Beschwerde auf Seite 2 (Seite nach dem Deckblatt) „Überprüfung Ihres Gehaltes“, „Gehaltsanpassung“, „Gehalt“, auf Seite 3 „nicht entsprechend der geltenden einzel- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen bezahlt. Die Beitragsgrundlagen für diesen Zeitraum wären daher – gemäß dem Anspruchslohnprinzip – seitens der belangten Behörde zu berichtigen gewesen.“ sowie letztlich auf Seite 4 im Antrag „dass die Beitragsgrundlagen der Jahre 2013-01.09.2017 gemäß jenem Entgelt, welches der Beschwerdeführerin unter richtiger Anwendung der einzel- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen (unter der Berücksichtigung der Erfahrungsstufe und jährlichen Erhöhungen) zugestanden hätte, berichtigt werden“ deutet die Beschwerde für den Senat in Richtung einer vollinhaltlichen Beschwerde gegen den gesamten Bescheidinhalt. Der äußerste Rahmen der Sache ist der Ausgangsbescheid (siehe z.B. VwGH vom 28.01.2020, Ra 2019/03/0076). Dieser Rahmen wird in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn in der Beschwerde von mehreren trennbaren Absprüchen nur ein Teil bekämpft wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die Behörde zur Erlassung eines der trennbaren Bescheidsprüche unzuständig war (vgl. VwGH 24.7.2014, 2013/07/0270). Innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 27.8.2014, Ro 2014/05/0062). Da der Senat derzeit von einer vollumfänglichen Beschwerde ausgeht, stellt sich die Frage der Trennbarkeit der Absprüche nach §§ 49 iVm 54 ASVG nicht. Auch hinsichtlich der Ausführungen in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 23.06.2021, dass eine Korrektur bis 31.12.2017 verlangt wird, wird seitens des Senates keine Ausdehnung über den Verfahrensgegenstand hinaus erkannt, da Jahresbeitragsgrundlagen zu bilden sind und die Jahresbeitragsgrundlagen 2017 (Allgemein und Sonderzahlungen) angefochten sind. Umgekehrt, ist jedoch sodann eine Beschwerdeeinschränkung wie in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 23.06.2021 zwecks Ausnahme der Beitragsgrundlagen Sonderzahlungen für bestimmte Jahre nicht zulässig.

Soweit in den Stellungnahmen der Dienstgeberin auf die Richtigkeit der Werte betreffend Nachverrechnungen eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, dass es im gegenständlichen Erkenntnis um die Feststellung der Beitragsgrundlagen, jedoch nicht um die Feststellung etwaiger Nachverrechnungen geht. Eine Nachverrechnung ist nicht vom spruchgemäßen Verfahrensgegenstand des Ausgangsbescheids gedeckt (siehe dazu die im vorigen Absatz zitierte VwGH Judikatur zur Sache des Verfahrens).

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte der im Beitragszeitraum gebührende auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6.

Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, sind gemäß § 49 Abs. 2 ASVG als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.

Im Bereich der Sozialversicherung findet das Anspruchslohnprinzip Anwendung und ist daher der Berechnung der Beitragsgrundlagen jenes Entgelt zugrunde zu legen, auf das die Beschwerdeführerin einen Anspruch hat.

Im gegenständlichen Fall ist – wie festgestellt - die Einstufung der Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in ST2 (zunächst in der ST2 Regelstufe sowie ab 01.09.2013 in der ST2 Erfahrungsstufe) gerechtfertigt.

Zur Nachvollziehbarkeit der spruchmäßig festgestellten Höhe der Beitragsgrundlagen bildet die Beilage zum Schreiben der ÖGK, datierend auf 28.10.2021, „Stellungnahme“ samt Beilagen ./1, ./2 sowie ./4 einen integrierenden Bestandteil des Erkenntnisses. Zur Beilage ./1: Die Einstufung der Tätigkeit ist in der ersten Tabellenzeile des jeweiligen Jahres angegeben. In der 3. Tabellenzeile „lt. KV soll“ des jeweiligen Jahres ergibt sich der Wert aus der jeweils anwendbaren KV Gehaltsordnung (siehe dazu Beilage ./2). In der 4. Tabellenzeile „lt. LK IST“ des jeweiligen Jahres ergibt sich der Wert aus dem jeweiligen Lohnkonto (siehe dazu Beilage ./4). Die Beitragsgrundlagen (allgemeine Beitragsrundlagen und Beitragsgrundlagen Sonderzahlungen) waren daher auf den summierten Jahreswert „lt. KV soll“, mit Ausnahme der Monate Jänner bis August 2013, in welchen „lt. LK IST“ zu summieren ist, anzupassen. Die Sonderzahlungsprämien 2013 und 2014 sind ebenfalls im jeweiligen Gesamtbetrag bei Beitragsgrundlagen Sonderzahlungen mit zu summieren.

Für das Jahr 2013 ist betreffend die Beitragsgrundlagen auszuführen, dass es zu keiner IST-Lohn Erhöhung von 1,9% bei der BF kommt. Deshalb kam es zur Streichung der entsprechenden Werte in den Beilagen und der Korrektur der allgemeinen Beitragsgrundlage auf € 41.424 sowie der Beitragsgrundlage Sonderzahlung auf € 7.996. Soweit die BF in der Niederschrift vom 13.06.2018 darauf verweist, dass Indexanpassungen erst bei Überzahlungen von 40% über dem KV erfolgen, so spielt sie auf Judikatur des OGH zu Aufsaugungsklauseln an (z.B. 40% im Sachverhalt von OGH 18.5.1999, 8 ObA 173/98v). Fallgegenständlich liegt jedoch keine Aufsaugungsklausel vor, sondern eine eigene Regelung in § 15 V (4) KV 2011, die es ermöglicht, 9 Angestellte von der Erhöhung des Monatsgrundgehalts auszunehmen. Welche Mitarbeiter ausgenommen werden, liegt aufgrund der Textierung des KV im Ermessen des Arbeitgebers. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass dies auch andere Mitarbeiter betraf, ist so unsubstantiiert und allgemein gehalten, dass dieses auf einen Erkundungsbeweis hinausläuft, welchem nicht zu folgen war (siehe dazu Rechtssatz 1 der VwGH Entscheidung vom 09.09.2016, Geschäftszahl Ra 2014/02/0059). Auch aus der, dem Akt inliegenden, Aktennotiz des AK Beratungsgesprächs vom 17.01.2018 ergeben sich zu diesem Thema keine weiteren Hinweise. Daher war dem Vorbringen der BF in diesem Punkt nicht zu folgen. Auf die Stellungnahme des Dienstgebers war nicht weiter einzugehen, der Berechnung des Dienstgebers war insoweit zu folgen.

Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Gebiet der Informatik und Einsichtnahme in die Code- und Datenbank wird mangels Relevanz abgewiesen, da die Zweckmäßigkeit eines solchen Gutachtens aus Sicht des Senates nicht erkennbar ist, zumal dieses keine Auswirkung auf die Einstufung der Tätigkeit und die Frage des Vorliegens einer Umstufung zeitigen kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es erstens an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob eine Zurückziehung des Senatsantrages nach Ablauf der Beschwerdefrist zulässig ist oder nicht und sich somit die Zuständigkeit des Entscheidungsgremiums je nach Ausgang der Beantwortung dieser Frage ändern kann. Der erkennende Richter orientierte sich bei der Entscheidungsfindung zwar an der Entscheidung des VwGH vom 26.09.2018, Ra 2017/17/0015, jedoch ist diese zu einem nicht einschlägigen Sachverhalt ergangen, nämlich der Vorlage eines bei der Behörde gestellten Wiedereinsetzungsantrages an ein Verwaltungsgericht. Somit fehlt Rechtsprechung zur fallgegenständlichen Konstellation.

Überdies hat sich die Frage der Trennbarkeit der Feststellung „Allgemeiner Beitragsgrundlage“ und „Beitragsgrundlage Sonderzahlungen“ (siehe obige Ausführungen zum Verfahrensgegenstand) bisher beim Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt und ist die Revision daher auch aus diesem Grund zulässig, da die Beschwerdeführerin eine Beschwerdeeinschränkung zwecks Ausnahme der Beitragsgrundlagen Sonderzahlungen für bestimmte Jahre begehrte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anpassung Beitragsgrundlagen Entgelt Entgeltfestlegung Kollektivvertrag Revision zulässig Sonderzahlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:W228.2225197.1.00

Im RIS seit

07.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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