TE Vwgh Erkenntnis 1964/6/15 2370/63

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Veröffentlicht am 15.06.1964
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Index

Verwaltungsverfahren - VStG
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §31 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Hofmann, über die Beschwerde der NS in W gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. September 1963, Zl. M.Abt. 62-III/355/63/Str., betreffend Vollstreckung eines Strafbescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit durch ihn die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. August 1963 abgewiesen wurde.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat im Sommer 1952 gemeinsam mit ihrem Gatten ein Bild aus Österreich ausgeführt, ohne es in der devisenrechtlich vorgeschriebenen Weise anzumelden. Wegen der dadurch begangenen Übertretung des § 17 des Devisengesetzes, BGBl. Nr. 162/1946, wurde über sie mit rechtskräftigem Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Jänner 1956 gemäß § 23 dieses Gesetzes eine Geldstrafe von 50.000 S verhängt; ferner wurde sie zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 5.000 S verpflichtet. Da die Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Einzahlung der Geldstrafe nicht Folge leistete, stellte die Bundespolizeidirektion Wien am 29. Februar 1956 beim Exekutionsgericht Wien gegen die Beschwerdeführerin als verpflichtete Partei den Antrag auf Pfändung und Verkauf beweglicher Sachen und auf Pfändung von Wertpapieren und Einlagebüchern. Dieser Antrag wurde mit Beschluß des genannten Gerichtes vom 5. März 1956 bewilligt. Laut Bericht dieses Gerichtes vom 8. März 1956 konnte die Pfändung nicht vollzogen werden, weil die Wohnung der Beschwerdeführerin am 6. März und am 7. März 1956 versperrt vorgefunden wurde.

Einem von der Beschwerdeführerin am 8. März 1956 eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des Devisenstrafverfahrens wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. April 1956 gemäß § 69 AVG 1950 keine Folge gegeben. Gleichzeitig wurde ihr ein Kostenbeitrag von 5.000 S auferlegt.

Da die Vollstreckungsbehörde inzwischen erhoben hatte, daß sich das Ehepaar S vorwiegend in W aufhalte, stellte sie am 25. Mai 1956 beim Bezirksgericht Klosterneuburg einen Exekutionsantrag gegen die Beschwerdeführerin wegen des nunmehr vollstreckbaren Gesamtbetrages von 60.000 S. Das Gericht bewilligte die Exekution am 30. Mai 1956. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rechtsmittel blieben im Endergebnis erfolglos. Am 16. Juni 1956 wurde vom Bezirksgericht Klosterneuburg die Pfändung von Fahrnissen (Wohnungseinrichtung und Nutzvieh) durchgeführt.

Nachdem die Beschwerdeführerin einen Eigenwechsel über den Betrag von 60.000 S ausgestellt und der betreibenden Partei übergeben hatte, räumte der Landeshauptmann von Wien der von der Beschwerdeführerin gegen den Berufungsbescheid in der Devisenstrafsache eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit Bescheid vom 28. Februar 1957 die aufschiebende Wirkung ein, worauf das vom Bezirksgericht Klosterneuburg für den 16. März 1957 angesetzte Versteigerungsverfahren hinsichtlich der gepfändeten Gegenstände gemäß § 42 EO mit Zustimmung der betreibenden Partei aufgeschoben wurde.

Nachdem die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mit dem hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1959 abgewiesen worden war, stellte die Bundespolizeidirektion Wien am 26. September 1959 beim Bezirksgericht Klosterneuburg den Antrag, die aufgeschobene Exekution fortzusetzen und die Versteigerung der gepfändeten Gegenstände durchzuführen. Dieser Antrag würde mit Beschluß vom 1. Oktober 1959 bewilligt und die Versteigerung für den 28. Oktober 1959 angeordnet. Einem von der Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs wurde vom Exekutionsgericht aufschiebende Wirkung zuerkannt. Nach Abweisung des Rekurses durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluß vom 22. Dezember 1959 wurde am 8. Jänner 1960 die Versteigerung der Gegenstände neuerlich, und zwar für den 29. Jänner 1960 angesetzt. Nunmehr erhob die Beschwerdeführerin bei der Bundespolizeidirektion Wien unter Berufung darauf, daß bereits die Vollstreckungsverjährung eingetreten sei, Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 Abs. 2 EO und erreichte damit neuerdings, daß das Bezirksgericht Klosterneuburg die Aufschiebung der Exekution mit Beschluß vom 26. Jänner 1960 bewilligt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. Mai 1960 würden die Einwendungen abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 10. Oktober 1960 keine Folge.

Am 31. Oktober 1960 stellte die Bundespolizeidirektion Wien beim Bezirksgericht Klosterneuburg den Antrag auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens. Bei der vom Gericht für den 14. Dezember 1960 anberaumten Versteigerung wurden jedoch keine Anbote gestellt. Da die betreibende Partei dem Auftrag des Gerichtes, innerhalb von 14 Tagen einen Käufer namhaft zumachen, nicht nachkam, wurde mit Beschluß vom 20. April 1961 das Verkaufsverfahren gemäß §§ 200 Z. 3 und 282 EO eingestellt.

Am 31. Oktober 1961 stellte die Bundespolizeidirektion Wien beim Bezirksgericht Klosterneuburg den Antrag auf neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution. Der gegen den Beschluß des Gerichtes vom 21. November 1961, mit dem die Pfändung, Verwahrung und der Verkauf der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen Sachen bewilligt worden war, von der Beschwerdeführerin erhobene Rekurs hatte keinen Erfolg. In der Begründung dieses vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Februar 1962 gefaßten Beschlusses wurde ausgeführt, daß das durch Pfändung am 16. Juni 1956 an den Fahrnissen begründete Pfandrecht durch Ablauf der im § 256 Abs. 2 EO vorgesehenen Frist erloschen sei, sodaß das Gericht die neuerliche Bewilligung des Vollzuges der Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf zu Recht erteilt habe.

Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz inzwischen wieder nach Wien verlegt hatte, stellte die Bundespolizeidirektion Wien am 19. April 1962 beim Exekutionsgericht Wien den Antrag auf neuerlichen Vollzug der mit Beschuß dieses Gerichtes vom 5. März 1956 und der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg von 30. Mai 1956 bewilligten Exekution. Diesen Anträgen gab das Exekutionsgericht Wien mit zwei getrennten Beschlüssen vom 2. Mai 1962 hinsichtlich des Betrages von 55.000 S und hinsichtlich des Betrages von 5.000 S Folge. Den von der Beschwerdeführerin erhobenen Rekursen erkannte das Gericht aufschiebende Wirkung zu. Das Rekursgericht hob den Beschluß, mit dem der neuerliche Vollzug der vom Bezirksgericht Klosterneuburg bewilligten Exekution angeordnet worden war, wegen Unzuständigkeit des Erstgerichtes auf, gab jedoch dem Rekurs gegen den Beschluß, soweit er sich auf den Vollzug der vom Exekutionsgericht Wien bewilligten Exekution bezog keine Folge. Ehe es zu der vom Gericht angesetzten Versteigerung der am 14. Juni 1962 in der Wiener Wohnung der Beschwerdeführerin gepfändeten Fahrnisse kam, brachte diese am 8. Februar 1963 neuerlich Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 Abs. 2 EO und § 36 EO bei der Bundespolizeidirektion Wien ein. In ihrem Antrag führte sie aus, daß es vor der am 14. Juni 1962 vorgenommenen Pfändung in ihrer Wiener Wohnung zu keinerlei Pfändungen gekommen sei, da die im Jahre 1956 angeordnete Pfändung nicht habe durchgeführt werden können; gemäß § 31 Abs. 3 VStG 1950 in Verbindung mit den Vorschriften des Devisengesetzes dürfe nach Ablauf von fünf Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der strafbaren Handlung, eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden. Die erstmalige Pfändung am 14. Juni 1962 sei bereits zehn Jahre nach Begehung der Tat und mehr als sechs Jahre nach Rechtskraft des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 10. August 1953 durchgeführt worden. Desgleichen erhob die Beschwerdeführerin gegen die vom Bezirksgericht Klosterneuburg am 12. Oktober 1962 vorgenommene Exekution durch Pfändung von Fahrnissen Einwendungen an die Bundespolizeidirektion Wien, in denen sie sich gleichfalls auf die Verjährungsbestimmungen berief. Die von ihr gestellten Anträge gingen dahin, das Erlöschen des Vollstreckungsanspruches aus dem Straferkenntnis und die Verpflichtung der Republik Österreich festzustellen, die Einstellung der beiden laufenden Exekutionsverfahren zu beantragen. Sowohl das Exekutionsgericht Wien als auch das Bezirksgericht Klosterneuburg schoben die bewilligten Exekutionen bis zur Entscheidung über die erhobenen Einwendungen auf.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion vom 1. August 1963 wurden die in den Einwendungen gestellten Anträge abgewiesen und die Verpflichtung der Beschwerdeführerin ausgesprochen, zusätzlich Verzugszinsen zu entrichten. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. September 1963 wurde der Berufung nur hinsichtlich des Ausspruches über die Verzugszinsen stattgegeben. Die Einwendungen gegen den Titel der beim Bezirksgericht Klosterneuburg anhängigen Exekution wurden gemäß § 3 Abs. 2 VVG 1950 in Verbindung mit § 35 und § 36 EO abgewiesen. (Die Anführung der beim Exekutionsgericht Wien anhängigen Exekution wurde offenbar übersehen.) Die Begründung des Bescheides stützt sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1950, Slg.N.F.Nr. 1809/A, und vertritt die Ansicht, daß eine Vollstreckungsverjährung nicht mehr eintreten könne, sobald der tatsächliche Vollzug einer Strafe noch innerhalb der Verjährungsfrist eingesetzt habe. Die Behörde sei in der im § 31 Abs. 3 VStG 1950 bezeichneten Weise vor Ablauf der Fallfrist tätig geworden. Wenn, wie im gegenständlichen Falle, noch vor Ablauf der Vollstreckungsverjährung der tatsächliche Vollzug der Strafe veranlaßt worden sei, so könne nicht von jeweils neuen Exekutionsschritten gegen neue Vermögenswerte gesprochen werden, wenn vorhergegangene Exekutionen etwa durch eine verschlossene Türe, wie dies am 6. und 7. März 1956 der Fall gewesen sei, verhindert worden seien. Die Exekution richte sich solange gegen das gesamte Vermögen des Verpflichteten, bis der gesamte aushaftende Betrag hereingebracht sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt und eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat, drei Jahre verstrichen sind. Für die nach dem Devisengesetz strafbaren Verwaltungsübertretungen gilt gemäß § 22 Abs. 4 dieses Gesetzes eine verlängerte, nämlich fünfjährige Strafbarkeits- bzw. Vollstreckungsverjährung. Im vorliegenden Falle steht fest, daß die Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretungen im Sommer 1952 ein genauerer Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden - begangen hat. Die Strafe wurde über sie mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Jänner 1956, also innerhalb der objektiven Verjährungsfrist, verhängt. Der Zeitraum, innerhalb dessen die Vollstreckung der Strafe zulässig war, endete nach den oben angeführten Bestimmungen im Sommer 1957.

Die belangte Behörde stützt sich bei ihrer Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1950, Slg. N. F. Nr. 1809/A, in dessen Begründung unter anderem ausgesprochen wurde, daß eine Vollstreckungsverjährung grundsätzlich nicht mehr eintreten könne, sobald der tatsächliche Vollzug einer Strafe, noch innerhalb der Verjährungsfrist eingesetzt habe. Diese Ansicht ist nicht unbestritten geblieben; so hat insbesondere Hellbling seinem Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, , II. Bd., S. 235, unter Berufung auf den Wortlaut des § 31 Abs. 3 VStG die Ansicht vertreten, daß zur Vollstreckung jeder behördliche Akt bis zur Verwirklichung des Vollstreckungstitels gerechnet werden müsse, ohne Rücksicht darauf, von wem er unternommen werde. Wenn es der Behörde im einzelnen Fall trotz Anwendung aller ihr zu Gebote stehenden Mittel nicht möglich sei, rechtzeitig mit der Vollstreckung zu Ende zu kommen, dann solle der Beschuldigte nach dem Willen des Gesetzgebers den Vorteil daraus ziehen.

Wenngleich sich der Verwaltungsgerichtshof dieser Ansicht nicht anschließt, vermag er doch auch der Argumentation der belangten Behörde im vorliegenden Beschwerdefall nicht zu folgen. Die belangte Behörde meint, daß im gegenständlichen Fall noch vor Ablauf der Vollstreckungsverjährung der tatsächliche Vollzug der Strafe veranlaßt worden sei und daß dadurch auch die später eingeleiteten weiteren Exekutionsschritte als zulässig angesehen werden müßten. Nun unterscheidet sich der vorliegende Fall schon im Sachverhalt von der Beschwerdesache, die dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde lag. Auch damals handelte es sich zwar um die Vollstreckung einer Geldstrafe, die auf Antrag der Verwaltungsbehörde durch das Gericht vorgenommen werden sollte. Jedoch war schon vor Ablauf der Verjährungsfrist die Pfändung der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen Fahrnisse vorgenommen worden. Der Verwaltungsgerichtshof trat im damaligen Erkenntnis der Ansicht des Beschwerdeführers entgegen, daß der Verkauf der gepfändeten Gegenstände und die Verteilung des Erlöses außerhalb der Verjährungsfrist nicht mehr zulässig sei, und sprach aus, daß der Abschluß des Exekutionsverfahrens nicht der Vollstreckung der Strafe gleichgesetzt werden könne. Im Hinblick darauf, daß der Exekutionsantrag innerhalb der Frist gestellt, die Exekution durch das Gericht bewilligt und das Versteigerungsedikt bereits erlassen worden sei, sei tatsächlich auf Veranlassung der Vollstreckungsbehörde mit dem Vollzug der Strafe vor Ablauf der Frist begonnen worden. „Sobald aber der tatsächliche Vollzug einer Strafe (gleichgültig, ob Geld- oder Arreststrafe) noch innerhalb der Verjährungsfrist eingesetzt hat, kann“ - so fährt das Erkenntnis fort - „eine Vollstreckungsverjährung, ausgenommen in den Fällen des § 53 Abs. 2 VStG, nicht mehr eintreten. In solchem Fall ist die Behörde in der im § 31 Abs. 3 VStG bezeichneten Weise bereits vor Ablauf der Fallfrist tätig geworden. Bei der weiteren Durchführung handelt es sich dann nur mehr um den mechanischen Ablauf des zeitgerecht begonnenen Strafvollzuges, z. B. durch Versilberung der gepfändeten Fahrnisse, durch Zeitablauf beim Absitzen der Arreststrafe, was für die Frage der Vollstreckungsverjährung nicht in Betracht kommen kann.“

Im vorliegenden Fall liegen, wie die einleitend gegebene Sachverhaltsdarstellung zeigt, die Dinge andere. Die Vollstreckungsbehörde hat zwar auch innerhalb der fünfjährigen Vollstreckungsverjährungsfrist sowohl beim Exekutionsgericht Wien als auch beim Bezirksgericht Klosterneuburg den Antrag auf Durchführung der Fahrnisexekution gegen die Beschwerdeführerin gestellt. Damit war zwar die Voraussetzung für das Anlaufen des gerichtlichen Eintreibungsverfahrens gegeben; allein von dem Einsetzen des tatsächlichen Vollzuges der Strafe im Sinne der Ausführungen des Vorerkenntnisses kann, wie übrigens die dort angeführten Beispiele zeigen, erst dann gesprochen werden, wenn es im Zuge des gerichtlichen Exekutionsverfahrens zu einem Eingriff in konkrete Rechte der verpflichteten Partei kommt, wenn also z. B. ihre Freiheit durch Verhaftung oder ihre Vermögensrechte durch Pfändung bestimmter Gegenstände beschränkt werden. Diese wesentliche Voraussetzung traf auch in den beiden weiteren einschlägigen Beschwerdefällen zu, die mit den hg. Erkenntnissen vom 22. Juni 1954, Zl. 473/52, und vom 4. Dezember 1958, Zl. 1264/57, unter ausdrücklicher Berufung auf die im hg. Erkenntnis Slg. N. F. Nr. 1809/A, ausgesprochene Rechtsansicht erledigt worden sind. Wenngleich in der Begründung dieser jüngeren Erkenntnisse die Tatsache, daß in beiden Fällen bereits innerhalb der Frist für die Vollstreckungsverjährung Vermögensbestandteile gepfändet worden waren, weniger in den Vordergrund gerückt, dagegen die im grundlegenden Erkenntnis Slg. 1809/A ausgesprochenen Grundsätze in einer bloß verallgemeinenden Form wiedergegeben wurden, so ist darin noch kein Abgehen von diesen Grundsätzen zu erblicken. Es kann daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein Antrag auf Fahrnisexekution, der vom Gericht zwar bewilligt wird, aber - aus welchem Grund immer - nicht zur Pfändung führt, das Vermögen der verpflichteten Partei somit nicht tangiert, nicht als Beginn des tatsächlichen Strafvollzuges angesehen werden.

Im Beschwerdefall kam es auf Grund der beim Exekutionsgericht Wien im Februar 1956 beantragten und im März 1956 bewilligten Fahrnispfändung nur zu einem mißlungenen Pfändungsversuch. Erst auf Grund des am 19. April 1962 wiederholten Antrages wurde die Pfändung am 14. Juni 1962 vollzogen, also in einem Zeitpunkt, in dem die fünfjährige Frist für die Vollstreckungsverjährung bereits längst abgelaufen war. Was das beim Bezirksgericht Klosterneuburg laufende Exekutionsverfahren betrifft, so wurden zwar auf Grund des am 25. Mai 1956 gestellten Antrages am 16. Juni 1956 Fahrnisse der Beschwerdeführerin gepfändet, jedoch erloschen in der Folge diese exekutiv erworbenen Pfandrechte gemäß § 256 Abs. 2 EO, wie dies in der Rekursentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Februar 1962 dargelegt worden ist. Der rechtzeitig eingeleitete Exekutionsschritt führte somit nur zu einem vorübergehenden Eingriff in die Vermögensrechte der Beschwerdeführerin. Mit dem Erlöschen des exekutiven Pfandrechtes war wiederum die gleiche Rechtslage hergestellt, wie sie vor der Durchführung der gerichtlichen Pfändung bestanden hatte. Es bedurfte daher einer neuerlichen Begründung des Pfandrechtes, die aber erst am 12. Oktober 1962, also längst nach Ablauf der Verjährungsfrist, erfolgte,

Daß die im gerichtlichen Exekutionsverfahren eingetretenen Verzögerungen hauptsächlich durch die Beschwerdeführerin veranlaßt worden sind, die, wie die eingangs gegebene Sachverhaltsdarstellung zeigt, im Rahmen der ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten alles unternommen hat, um die rechtzeitige Vollstreckung der über sie verhängten Geldstrafe zu hintertreiben, mag zutreffen. Allein § 31 Abs. 3 VStG 1950 bietet keine Handhabe, um auf Umstände dieser Art Bedacht zu nehmen. Nebenbei erwähnt, hat auch die Vollstreckungsbehörde längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um den tatsächlichen Vollzug der Strafe zu beschleunigen. So hätte sie es nicht bei dem am 6. März und am 7. März 1956 vom Exekutionsgericht Wien erfolglos vorgenommenen Pfändungsversuch bewenden lassen müssen, sondern darauf dringen können, daß die Wohnung der verpflichteten Partei entsprechend der Bestimmung des § 26 Abs. 1 EO gewaltsam geöffnet werde. Ebensowenig wäre es notwendig gewesen, dem Antrag der Beschwerdeführerin Folge zugeben, die Vollstreckung des Strafbescheides bloß gegen Ausstellung eines Eigenwechsels seitens der Beschwerdeführerin bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuschieben. Alle diese Umstände sind aber für die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache ohne Belang.

Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, hätte bei der gegebenen Sach- und Rechtslage die gemäß § 3 Abs. 2 VStG 1950 und § 35 Abs. 2 EO zur Entscheidung zuständige Bundespolizeidirektion Wien den von der Beschwerdeführerin am 8. Februar 1963 bzw. am 11. März 1963 erhobenen Einwendungen gegen den Anspruch Folge geben müssen. Da die belangte Behörde die von einer anderen Rechtsansicht getragene abweisende Entscheidung der Bundespolizeidirektion Wien bestätigt hat, war der angefochtene Bescheid, soweit er der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gab, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 15. Juni 1964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1964:1963002370.X00

Im RIS seit

07.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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