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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Februar 1995, Zl. 4.316.589/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 1. Februar 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen "der ehemaligen UdSSR", die am 10. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den ihrem Asylantrag vom 11. Juni 1991 nicht stattgebenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. August 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin, habe nicht ergeben, daß sie Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Im Falle der Beschwerdeführerin liege kein Anlaß für eine Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor. Der von der Beschwerdeführerin in ihrer gegen den Erstbescheid gerichteten Berufung vom 3. Oktober 1991 vorgetragenen Rüge, es seien ihre Ausführungen beim "Erstinterview" ungenau bzw. unvollständig protokolliert worden, hielt die belangte Behörde entgegen, daß die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin unter Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers erfolgt sei und die Beschwerdeführerin überdies mit ihrer Unterschrift bestätigt habe, daß ihr der Inhalt der Niederschrift in ihrer Muttersprache vorgelesen worden sei, sie alles verstanden und zur Kenntnis genommen habe und sie der Niederschrift nichts hinzuzufügen gehabt habe.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihre Telefongespräche seien abgehört worden, hielt die belangte Behörde fest, daß derartige Vorgänge nicht eine Intensität erreichten, die der Beschwerdeführerin einen Verbleib in ihrem Heimatland in unzumutbarer Weise erschwert bzw. gänzlich unmöglich gemacht hätte. Durch die von der Beschwerdeführerin behauptete Kündigung bzw. das Unterbleiben der Verlängerung der ihr erteilten Konzession zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sei der Beschwerdeführerin nicht jegliche Existenzgrundlage entzogen worden. Es sei der Beschwerdeführerin durchaus zumutbar gewesen, sich um eine neue Arbeitsstelle in ihrem Heimatland zu bemühen; sie habe auch nicht behauptet, daß es ihr gänzlich unmöglich gewesen sei, einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrages geltend gemachten, gegen sie gerichteten Drohungen, der Beschädigung ihres Kraftfahrzeuges und ihres Briefkastens durch ihr unbekannte Personen qualifizierte die belangte Behörde deshalb nicht als asylrechtlich relevante Verfolgungen, da die Beschwerdeführerin keine konkreten Indizien habe glaubhaft machen können, daß diese Handlungen von staatlichen Organen bzw. auf deren Betreiben gesetzt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht ins Treffen geführt, daß ihr die für die Sicherheit zuständigen staatlichen Stellen Schutz verweigert hätten, bzw. daß die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen wäre, den Schutz dieser Behörden in Anspruch zu nehmen. Auch habe die Beschwerdeführerin keine Umstände glaubhaft machen können, denen eine Motivation staatlicher Organe, die Beschwerdeführerin aus asylrechtlich relevanten Gründen zu verfolgen, entnommen werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin rügt unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihrem Berufungseinwand, sie sei von dem bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme tätigen Dolmetsch nicht ausreichend verstanden worden, nachzugehen. Wie oben dargestellt, ist die belangte Behörde diesem Berufungsvorbringen im bekämpften Bescheid damit entgegengetreten, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift bestätigt habe, daß ihr der Inhalt der Niederschrift in ihrer Muttersprache vorgelesen worden sei, sie alles verstanden und zur Kenntnis genommen habe, und sie schließlich der Niederschrift nichts hinzuzufügen habe.
Es findet sich am Ende der mit der Beschwerdeführerin am 12. Juni 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erstellten Niederschrift folgende Feststellung:
"Mir wurde der Inhalt der Niederschrift in meiner Muttersprache vorgelesen, ich habe alles verstanden und zur Kenntnis genommen.
Ich habe der NS. nichts hinzuzufügen."
Das im Zusammenhang mit der Protokollierung der Angaben der Beschwerdeführerin erstattete Berufungsvorbringen lautet wörtlich wie folgt:
"Mein Vorbringen wurde beim Erstinterview ungenau bzw. unvollständig protokolliert. Da mir das Protokoll vor der Unterzeichnung nicht rückübersetzt wurde, konnte ich dieses erst jetzt bei der Rückübersetzung des Protokolls anläßlich des Berufungsantrages feststellen. Ich möchte daher das Protokollierte an dieser Stelle korrigieren und ergänzen:".
Daran schließen sich Schilderungen über Vorkommnisse im Heimatland der Beschwerdeführerin, aus denen nach Ansicht der Beschwerdeführerin sich etwas für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaften gewinnen ließe.
Die belangte Behörde war jedoch schon aus nachstehenden Gründen nicht gehalten, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens iS des § 20 Abs. 2 Asylgesetz anzuordnen, weil auch das (gegenüber der Erstvernehmung gesteigerte) Vorbringen der Berufungsschrift nicht geeignet war, die Anerkennung der Beschwerdeführerin als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides maßgeblichen Rechtslage nach den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention) zu bewirken. Tatsächlich fehlt nämlich dem Abhören von Telefonaten die notwendige Verfolgungsintensität. Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Briefgeheimnisses. Dies abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin auch in ihrer Berufungsschrift nicht behauptet hat, die Verletzungen des Fernmelde- bzw. Briefgeheimnisses seien aus einem in ihrer Person gelegenen asylrechtlich relevanten Grund erfolgt.
Dem von der Beschwerdeführerin behaupteter Weise aus religiösen Gründen erfolgten Verlust des Arbeitsplatzes konnte die belangte Behörde mangels diesbezüglichen begründeten Vorbringens nicht die Bedeutung zumessen, daß die Beschwerdeführerin dadurch einer massiven Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen ausgesetzt worden wäre.
Den von der Beschwerdeführerin behaupteten Drohungen und den Sachbeschädigungen konnte asylrechtlich bedeutsame Relevanz allein schon deshalb nicht zukommen, weil die Beschwerdeführerin nicht behauptet hat, diese seien von den Behörden ihres Heimatlandes veranlaßt oder geduldet worden. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht behauptet, sie habe versucht, von den Behörden ihres Heimatlandes Schutz zu erhalten bzw. auch nicht dargetan, ein solcher Schutz sei ihr verweigert worden. Die diesbezüglichen in der Beschwerde erstmals aufgestellten Behauptungen unterliegen gleichfalls dem Neuerungsverbot.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die belangte Behörde hätte im Hinblick auf die Tatsache, daß sie den Antrag auf Asylgewährung noch unter der Regentschaft des Asylgesetzes (1968) gestellt hat, die Vorschriften dieses Gesetzes anwenden müssen, ist ihr entgegenzuhalten, daß es nach der Übergangsbestimmung des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern darauf ankommt, ob ein Asylverfahren am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres (als Rechtsmittelbehörde - vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 1995, Zl. 94/19/0632) anhängig ist. Da dies auf die von der Beschwerdeführerin am 3. Oktober 1991 erhobene und bis zum 1. Juni 1992 noch nicht erledigte Berufung zutraf, ist die belangte Behörde zu Recht von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen.
Da sich die Beschwerde insgesamt als unberechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010167.X00Im RIS seit
20.11.2000