TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/12 L530 2178805-2

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Entscheidungsdatum

12.01.2022

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §39 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


L530 2178805-1/26E

L530 2178805-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Guinea, vertreten durch die Bundesbetreuungsagentur GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, 1. gegen die Spruchpunkte I bis IV des erstangefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. November 2017, ZI. 1086035909-151289869, sowie 2. gegen die Spruchpunkte I bis IV des zweitangefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. April 2018, ZI. 1086035909/180202597, zu Recht anerkannt:

A)

Der Spruchpunkt IV des erstangefochtenen Bescheides sowie die Spruchpunkte I bis III des zweitangefochtenen Bescheides werden behoben.

Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Guineas, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 7. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er unter der Rubrik „Fluchtgrund“ Folgendes an:

„Ich habe eine meiner großen Schwestern durch Beschneidung verloren, als ich erfuhr, dass auch meine kleine Schwester beschnitten werden sollte, habe ich mich dagegen gewehrt und habe gesagt, dass ich das nicht zulassen werde. Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, habe ich erfahren, dass meine Schwester in ein Nachbardorf in ein Haus, das nur für Beschneidungen benutzt wird, gebracht wurde. Ich war wütend und mobilisierte meine Freunde und wir gingen zu dem Haus und als wir sahen, dass meine Schwester nicht mehr dort war, zündeten wir das Haus an. Die Bewohner des Nachbardorfes dachten, dass der Brandanschlag politisch motiviert war und suchten mich deswegen. Als sie mich nicht fanden, weil ich mich bei meinem Onkel versteckt hatte, zündeten sie 15 Häuser in meinem Dorf an und 50 meiner Dorfbewohner wurden verhaftet. Auch die Sicherheitskräfte in Guinea suchten nach mir, fanden mich aber auch nicht. Da mich alle suchten und ich Angst um mein Leben hatte, beschloss mein Onkel, dass ich das Land verlassen müsste.“

Am 3. April 2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er Folgendes an:

„F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

A: Ich bin wegen meiner jüngeren Schwester aus Guinea weggegangen. Meine Familie wollte sie beschneiden lassen und ich habe mich dagegen gestellt. Eines Tages bin ich zur Schule, um sie abzuholen, aber sie haben sie versteckt. Dann habe ich einen jugendlichen Freund getroffen, der sich gefreut hat und mir erzählt hat, dass sie beschnitten wurde. Er hat mir den Aufenthaltsort von ihr genannt, Bantankountou ein Nachbardorf. Dann habe ich Freunde und weitere Leute gesammelt und sind dort hin und haben das Haus, wo die Schwester beschnitten wurde, angezündet. Die Bewohner von Bantankountou sind aus Rache zu uns gekommen, mit der Polizei. Die Bewohner sind Malinke, sie gehören einer anderen ethnischen Gruppe an. Sie haben meinen Vater und meine Mutter verhaftet, sie haben nach mir gefragt und meine Eltern haben gesagt, dass sie nicht wissen wo ich mich aufhalte. Sie haben alle Wertgegenstände mitgenommen und das Haus angezündet. Ich habe bei einer Tante in einem Nachbardorf Zuflucht gefunden, das Dorf heißt Koumbawi. Ich habe mich dort aufgehalten, bis mich meiner Onkel mütterlicherseits aus Conakry, mich dann nach Conakry mitnahm. Ich war getarnt als Soldat, so konnte ich in Sicherheit nach Conakry. Ich habe dort ca. einen Monat verbracht und dann hat mein Onkel gemeint, meine Anwesenheit gefährde auch seine Sicherheit, weil man nach mir sucht. Mein Onkel gab mir Geld um das Land zu verlassen.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.“

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. November 2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 7. September 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Guinea abgewiesen (Spruchpunkt II). Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ wurde ihm gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 nach Guinea zulässig ist (Spruchpunkt III) und dass gemäß § 55 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde überdies gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Gegen den erstangefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 Asylgesetz 2005“ nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß „§ 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt II) und es wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Guinea zulässig ist (Spruchpunkt III). Zudem wurde gegen ihn gemäß „§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG“ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde „gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG“ mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt V).

Gegen den zweitangefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. Mai 2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit dem mündlich verkündeten Teilerkenntnis vom 8. Jänner 2021 wurde der Spruchpunkt V des erstangefochtenen Bescheides, mit dem die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt worden war, behoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide

A) 1. Feststellungen

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, unbescholtene und ledige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Guinea und gehört der Volksgruppe der Fulla an; er bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Seine Familie, insbesondere sein 2012 geborener Sohn, lebt in Guinea.

Der Beschwerdeführer stellte bereits im Jahr 2013 in Portugal einen Asylantrag, der noch im gleichen Jahr abgelehnt wurde. Er reiste damals nach Portugal, weil es sein „Traum war, Fußballer zu werden“ und „eine bessere Ausbildung“ zu erhalten.

In Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und er weist auch keine maßgebliche Integration auf, obwohl er sich seit dem 7. September 2015 in Österreich befindet.

Nach dem psychiatrischen Gutachten vom 16. November 2021 weist der Beschwerdeführer eine Posttraumatische Belastungsstörung, einen schädlichen „Gebrauch von Alkohol (DD: Abhängigkeitssyndrom)“ und ein rezidivierendes depressives Syndrom auf, wobei eine Besserung des Zustandsbildes bei Fortsetzung der psychiatrisch psychopharmakologischen Behandlung und der Alkoholabstinenz möglich ist.

Nach dem psychologischen Gutachten vom 7. Jänner 2022 steht im Vordergrund des Erkrankungsbildes des Beschwerdeführers seit früher Kindheit eine Alkoholproblematik und in weiterer Folge auch ein Cannabisabusus, sodass unter Berücksichtigung der Vorbefunde ein Zustand nach Alkoholabhängigkeit und ein schädlicher Gebrauch von Cannabisprodukten feststeht. In Bezug auf den Cannabismissbrauch besteht offensichtlich Abstinenz, währenddessen in Bezug auf den Alkoholkonsum nach wie vor immer wieder ein unregelmäßiger Substanzmissbrauch vorliegt. Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, lässt sich aber nach der heutigen Befundaufnahme nicht feststellen. Die Beeinträchtigung der Merkfähigkeit und die Vergesslichkeit sind damit hier auch eher Teil einer sogenannten Dysthymie, eine Art einer chronischen Stimmungsschwankung, die sich durchaus mit der aktuellen Asylsituation des Beschwerdeführers in Einklang bringen lässt. Insgesamt wurden zahlreiche professionelle gesundheitsbezogenen Maßnahmen durchgeführt und zeigt sich heute durchaus ein stabiles psychisches Zustandsbild, sodass eine weitere konzentrierte Betreuung nicht mehr notwendig erscheint. Eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ist nicht zu erwarten und zeigt sich durchaus eine volle Erwerbsfähigkeit. Jede Art von beruflicher Tätigkeit würde zu einer dauerhaften Stabilisierung des Gesundheitszustandes führen. Nach der heutigen Befundaufnahme finden sich keine depressiven Symptome in der Art, dass eine Weiterbehandlung mit den verschriebenen Medikamenten zwingend notwendig wäre.

Entgegen seinen Angaben wird der Beschwerdeführer nicht aus politischen Gründen verfolgt. Es wird somit nicht festgestellt, dass er in Guinea aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Guinea also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Guinea:

Zur Lage in Guinea werden folgende Feststellungen getroffen:

„COVID-19

Guinea ist als Risikogebiet eingestuft (AA 19.7.2021). Seit 1.7.2021 gilt ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19). Mit Einschränkungen im Flug-und Reiseverkehr und weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist zu rechnen (BMEIA 19.7.2021; vgl. EDA 19.7.2021; AA 19.7.2021). Die Vorschriften ändern sich laufend (EDA 19.7.2021). Für EU-Staatsangehörige besteht grundsätzlich ein Einreiseverbot. Ausnahmen gelten für Personen mit Langzeitvisa zum Zwecke der Erwerbstätigkeit und des Familienbesuchs, Ehepartner guineischer Staatsangehöriger, Personen mit Wohnsitz in Guinea, Diplomaten sowie Personal von Institutionen der technischen Zusammenarbeit und humanitären Hilfe (AA 19.7.2021).

Bei Einreise muss ein negativer PCR-Test vorgelegt werden, der maximal 72 Stunden alt sein darf (AA 19.7.2021; vgl. FD 19.7.2021). Reisenden wird Fieber gemessen und bei Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung wird Quarantäne in einer staatlichen Einrichtung angeordnet (AA 19.7.2021). Bei Ausreise muss ein negativerCOVID-19-Test des Institut National de la Santé Publique (INSP) vorliegen (AA 19.7.2021). Eine Kontrolle des Testergebnisses am Flughafen Conakry erfolgt seitens der staatlichen Behörden (AA 19.7.2021; vgl. FD 19.7.2021).

Im öffentlichen Raum ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend. Dies gilt auch für öffentliche Verkehrsmittel, sowie private Fahrzeuge (AA 19.7.2021; vgl. FD 19.7.2021). Die nationale Ausgangssperre besteht von 23 Uhr bis 4 Uhr morgens (FD 19.7.2021).

Anm.: Diese Informationen zu COVID-19 sind zum Teil ebenfalls in den Kapiteln Allgemeine Menschenrechtslage, Bewegungsfreiheit, medizinische Versorgung und Grundversorgung eingepflegt.

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2021): Guinea: Reise-und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/guineasicherheit/206098, Zugriff 19.7.2021

- BMEIA -Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten(Österreich) (19.7.2021): Guinea: Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/,Zugriff 19.7.2021

- EDA-Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten(Schweiz) (19.7.2021): Aktuelles: Neues Coronavirus (COVID-19), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/guinea/reisehinweise-guinea.html, Zugriff 19.7.2021

- FD-FranceDiplomatie(Frankreich) (19.7.2021): Guinée: Infection pulmonaire –Coronavirus Covid-19, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff19.7.2021

Politische Lage

Guinea ist eine konstitutionelle demokratische Republik (USDOS 30.3.2021). Die politische Geschichte Guineas ist von zwei langjährigen autoritären Regimen geprägt. 2010 hatte Guinea jedoch einen Weg der Demokratisierung eingeschlagen mit ersten offenen Präsidentschaftswahlen 2010 und Parlamentswahlen 2013 (AA 7.4.2021). Nach einem Militärputsch im Jahr 2008 und jahrzehntelanger autoritärer Regierungsführung kehrte Guinea 2010 zu einer zivilen Regierung zurück. Seitdem hat das Land Mehrparteienwahlen abgehalten, die von Gewalt, Verzögerungen und anderen Mängeln geplagt waren (FH 3.3.2021). Der erste frei gewählte Präsident Guineas, Alpha Condé, wurde im Oktober 2015 für eine zweite und verfassungsmäßig letzte Amtszeit mit 58 % der Stimmen wiedergewählt (AA 7.4.2021).

Zuletzt hat es im Vorfeld der Verfassungsreform und Parlamentswahlen im März 2020 sowie der Präsidentschaftswahlen im Oktober 2020 jedoch Rückschritte gegeben. Die verfassungsmäßigen Strukturen sind schwach, die Exekutive dominiert das politische Leben, und die staatliche Verwaltung ist im Land schwach präsent. Spannungen zwischen stark durch ihre langjährigen Führungspersönlichkeiten personifizierter Regierung und Opposition entluden sich in den vergangenen Jahren immer wieder in Konfrontationen zwischen Parteianhängern bzw. zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, zuletzt von Oktober 2019 bis in den Herbst 2020 (AA 7.4.2021).

Am 22.3.2020 stimmten die Guineer in einem Verfassungsreferendum und bei Parlamentswahlen ab, die dem Präsidenten eine dritte Amtszeit ermöglichen würde, obwohl sowohl die neue Verfassung als auch der ursprüngliche Text von 2010 die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Jahre beschränken. Die umstrittene Abstimmung löste Gewalt in Conakry und mehreren anderen Städten aus, wobei mindestens 32 Menschen im Südosten Guineas getötet wurden (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021). Im März 2020 erhielt Präsident Alpha Condé, trotz der Einwände der Opposition die Zustimmung zu einer neuen Verfassung (FH 3.3.2021).

Im März 2020 organisierte die Nationale Front zur Verteidigung der Verfassung (FNDC), eine Koalition aus politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Massenproteste gegen die Verfassungsreform und rief zum Boykott der Parlamentswahlen und des Verfassungsreferendums auf (AI 7.4.2021; vgl. HWR 13.1.2021; AA 7.4.2021), was dazu führte, dass die regierende Partei Rassemblement du peuple guinéen – RPG, eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung errang (USDOS 30.3.2021).

Im April 2020 gab das Verfassungsgericht bekannt, dass fast 90% für die Verfassungsreform gestimmt hatten (AI 7.4.2021; vgl. HWR 13.1.2021; AA 7.4.2021).

In Guinea fanden am 18.10.2020 Präsidentschaftswahlen statt (HRW 13.1.2021; vgl. BAMF 2.11.2020), die den Höhepunkt der einjährigen Bemühungen des amtierenden Präsidenten Alpha Condé um eine dritte Amtszeit darstellten (HRW 13.1.2021). Bereits im Bereits im Vorfeld war es zu Protesten gekommen, bei denen dutzende Menschen getötet worden waren (BAMF 2.11.2020). Die Sicherheitskräfte haben häufig exzessive und teilweise tödliche Gewalt angewendet, um die teilweise gewalttätigen Demonstrationen der Gegner einer neuen Verfassung zu unterdrücken, wobei mindestens 23 Menschen getötet wurden. Zudem verhaftete und inhaftierte die Regierung willkürlich zahlreiche Anführer und Mitglieder der Nationalen Front zur Verteidigung der Verfassung (FNDC), einer Koalition von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Oppositionsparteien, die gegen die neue Verfassung sind (HRW 13.1.2021).

Am 24.10.2020 gab die unabhängige nationale Wahlkommission bekannt, dass Amtsinhaber Alpha Condé (RPG), die Wahl mit 59,5% der Stimmen gewonnen hatte. Der Hauptkandidat der Oppositionspartei, Union des forces démocratiques de Guinée(UFDG), Cellou Dalein Diallo (HRW 13.1.202; vgl. AI 7.4.2021), der 33,5% der Stimmen erhalten hatte (BAMF 2.11.2020), beanspruchte am 19.10.2020 den Sieg und lehnte die offiziellen Ergebnisse ab und rief zu Massendemonstrationen auf (HRW 13.1.202; vgl. AI 7.4.2021). Nach der Wahl kam es erneut zu Unruhen und Gewalt, mindestens 14 Menschen sollen getötet worden sein, darunter 2 Kinder in Conakry (BAMF 2.11.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Den am Wahltag friedlich und unter großer Beteiligung der Bevölkerung abgehaltenen Wahlen (78,9 % Wahlbeteiligung) waren vereinzelte gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Regierungs-und Oppositionsanhängern, aber auch von Sicherheitskräften gewaltsam oder per Hausarrestunterbundene Proteste von Anhängern der Opposition vorausgegangen (AA 7.4.2021).

Internationale und einheimische Beobachter äußerten sich besorgt über weit verbreitete Gewalt bei den Wahlen, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, mangelnde Transparenz bei der Auszählung der Stimmen und Unstimmigkeiten bei der Stimmauszählung in den Wahllokalen. Zahlreiche Oppositionsparteien lehnten die Ergebnisse der Parlaments-und Präsidentschaftswahlen vom März und Oktober ab (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 20.7.2021

- AI -Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Guinea 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048692.html, Zugriff 20.7.2021

- BAMF -Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (2.11.2020): Briefing Notes: Guinea, Präsidentschaftswahl, www.www, Zugriff 20.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 -Guinea,https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 20.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 20.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 19.7.2021

Sicherheitslage

In Guinea bestehen soziale und politische Spannungen, die sich auch zu Sicherheitsrisiken aufbauen können. Eine rasche Verschlechterung der Sicherheitslage ist jederzeit möglich (EDA 20.7.2021; vgl. BMEIA 20.7.2021). Es kann jederzeit zu spontanen Demonstrationen kommen (BMEIA 20.7.2021; vgl. EDA 20.7.2021; FD 20.7.2021). Vor allem in Conakry hat sich die Sicherheitslage verschlechtert (FD 20.7.2021). Es kann auch zu Ausschreitungen und Gewaltanwendung zwischen ethnischen und politischen Gruppen sowie den Sicherheitskräften kommen (EDA 20.7.2021; vgl. BMEIA 20.7.2021). Immer wieder werden zahlreiche Menschen verletzt oder getötet (EDA 20.7.2021). So haben die Proteste im Zusammenhang mit dem Verfassungsreferendum im März 2020 und der Präsidentschaftswahlen im Oktober 2020 mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 20.7.2021). Die Kriminalitätsrate ist hoch (EDA 20.7.2021) und hat sowohl in Conakry als auch im Landesinnern stark zugenommen (AA 20.7.2021; vgl. FD 20.7.2021). Vor allem im städtischen Milieu sind nächtliche Überfälle auf Passanten, Wohnhäuser und Geschäfte verbreitet. Bewaffnete Überfälle auf Fahrzeuge nachts oder in der Dämmerung werden von einzelnen Überlandstraßen gemeldet. Besonders zu beachten ist, dass die Täter teilweise uniformiert sind (AA 20.7.2021; vgl. FD 20.7.2021). In den südlichen Grenzgebieten zu Liberia, Sierra Leone und Côte d'Ivoire können jederzeit lokale, politische und ethische Spannungen aufflammen (EDA 20.7.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (20.7.2021): Guinea: Reise-und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/guineasicherheit/206098, Zugriff 20.7.2021

- BMEIA -Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten (Österreich) (20.7.2021): https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/, Zugriff 20.7.2021

- EDA-Eidgenössisches Departement fürauswärtige Angelegenheiten (Schweiz) (20.7.2021): Reisehinweise für Guinea, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/guinea/reisehinweise-guinea.html, Zugriff 20.7.2021

- FD -France Diplomatie(Frankreich) (20.7.2021): Guinée: Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/guinee/#securite, Zugriff 20.7.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Obwohl die Verfassung und die Gesetze die Unabhängigkeit der Justiz vorsehen, fehlt es dem Justizsystem an Unabhängigkeit. Es herrscht Korruption (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Das Justizsystem ist gekennzeichnet von zahlreichen Problemen (HRW 13.1.2021) wie z.B. Ressourcenmangel, das Fehlen von qualifizierten Anwälten und Untersuchungsrichtern (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021; FH 3.3.2021) sowie einem veralteten und restriktiven Strafgesetzbuch (USDOS 30.3.2021). Während das Justizsystem seit 2010 ein begrenztes Maß an Unabhängigkeit bewiesen hat, bleibt es der politischen Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (FH 3.3.2021). Vetternwirtschaft und ethnische Voreingenommenheit schränkten die Wirksamkeit der Justiz ein (USDOS 30.3.2021). Aufgrund des korruptionsanfälligen formalen Justizsystems vertrauen viele Bürger auf das traditionelle Rechtssystem. Fälle, die dort nicht zur Zufriedenheit der Beteiligten gelöst werden können, werden an das formale Justizsystem übergeben. Die Stimme der Frau hat im traditionellen Rechtssystem weniger Gewicht als jene des Mannes (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 7.4.2021), die Unabhängigkeit der Richter, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, das Recht auf einen Verteidiger und das Recht der Berufung vor; jedoch werden diese Rechte in der Praxis nicht konsistent geachtet (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 20.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 -Guinea,https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 20.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 20.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 20.7.2021

Sicherheitsbehörden

Die dem Verteidigungsministerium unterstellte Gendarmerie und die nationale Polizei unter dem Ministerium für Sicherheit teilen sich die nur unzulänglich definierte Verantwortung für die innere Sicherheit. Die Armee ist für die Sicherheit nach außen verantwortlich, spielt jedoch auch im Bereich der inneren Sicherheit eine Rolle. Per Gesetz sind das Militär, die Gendarmerie und die Polizei dazu befugt, Verhaftungen durchzuführen (USDOS 30.3.2021). Gemäß dem französischen Modell ist die Gendarmerie dem Verteidigungsminister unterstellt, wird aber von der Armee getrennt (AA 7.4.2021). Gesetzlich ist allerdings nur die Gendarmerie dazu ermächtigt, Verhaftungen von Angehörigen des Militärs und der Polizeikräfte durchzuführen (USDOS 30.3.2021).

Angehörige der Sicherheitskräfte begingen zahlreiche Übergriffe, insbesondere während der Wahlen und der darauffolgenden Proteste (USDOS 30.3.2021). Regelmäßige Misshandlungen von Zivilisten durch Militär-und Polizeikräfte spiegelt eine tief verwurzelte Kultur der Straflosigkeit wider (FH 3.3.2021; vgl. AI 7.4.2021; HRW 13.1.2021). Die Zeit vor den Wahlen war von Verhaftungen und dem gewaltsamen Verschwindenlassen von Oppositionsmitgliedern geprägt. Am Wahltag setzten die Sicherheitskräfte in Conakry Tränengas und scharfe Munition ein, um Demonstranten zu vertreiben; dabei starben sechs Menschen. Berichten zufolge wurden landesweit mehrere Dutzend Menschen getötet (FH 3.3.2021). Die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen war ebenfalls geprägt von Gewalt. Zwischen 18.10. und 23.10.2020 wurden in Conakry mindestens zwölf Menschen und zwei Kinder von Sicherheitskräften getötet (HRW 13.1.2021). Dennoch behielten die zivilen Behörden im Allgemeinen wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021).

Straflosigkeit bleibt ein erhebliches Problem bei den Sicherheitskräften, insbesondere bei den Gendarmen, der Polizei und dem Militär. Korruption, mangelnde Ausbildung, Politisierung der Streitkräfte und mangelnde Transparenz bei den Ermittlungen trugen dazu bei (USDOS 30.3.2021). Trotz des2016 verabschiedeten neuen Strafgesetzbuch, wiesen Menschenrechtsverteidiger darauf hin, dass eine Reihe von Handlungen, nicht ausdrücklich mit Strafen belegt sind, sodass Sicherheitskräfte weiterhin ungestraft handeln (FH 3.3.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 20.7.2021

- AI -Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Guinea 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048692.html, Zugriff 27.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021-Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 27.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 20.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 20.7.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung und das Gesetz Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen verbieten, berichteten Menschenrechtsbeobachter, dass Regierungsbeamte solche Praktiken weiterhin ungestraft anwenden (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Mit dem 2016 verabschiedeten neuen Strafgesetzbuch wurde Folter zum ersten Mal ausdrücklich geächtet (FH 3.3.2021; vgl. AA 7.4.2021) und ist nach Artikel 6 der Verfassung Guineas gesondert erfasst und untersagt (AA 7.4.2021). Sicherheitskräfte wenden weiterhin ungestraft Folter und andere Formen körperlicher Gewalt an (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Im Zuge der Parlaments-und Verfassungswahlen, eskalierten die Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und Anhängern der Opposition sowie zwischen Oppositions-und Regierungsanhängern. Sicherheitskräfte erschossen neun Menschen. Zwei weitere wurden Berichten zufolge bei der Kollision mit Fahrzeugen der Sicherheitskräfte getötet (HRW 13.1.2021).

Berichten zufolge wurden in mehreren Fällen Gefangene misshandelt und gefoltert. Wachen foltern, verprügeln und vergewaltigen Häftlinge, darunter auch Kinder. Menschenrechtsaktivisten geben an, dass die schlimmsten Misshandlungen bei der Festnahme sowie in den Haftanstalten der Gendarmerie vorkommen (USDOS30.3.2021).

Das Justizsystem hat es weitgehend versäumt, die Täter für vergangene Gräueltaten unter der Militärherrschaft zur Rechenschaft zu ziehen (FH 3.3.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 28.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 27.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 28.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 28.7.2021

Korruption

Korruption ist in Guinea weit verbreitet und bleibt ein Problem (FH.3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Während das Gesetz strafrechtliche Folgen für die Korruption von Beamten vorsieht, wird es nicht wirksam umgesetzt. Beamte sind häufig ungestraft in korrupte Praktiken verwickelt, die nicht geahndet wurden. Im August 2020 gab die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse einer Untersuchung über die Veruntreuung von mehr als 51 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern durch zwei hohe Beamte der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation bekannt. Die beiden Beamten wurden verhaftet und befinden sich in Untersuchungshaft (USDOS 30.3.2021).

Das staatliche Handeln ist jedoch in weiten Bereichen, insbesondere bei Sicherheitskräften und Justiz, von Korruption und Willkür geprägt (AA 7.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Polizei und Gendarmen erpressen Bürger in ihren Wohnungen, in Gefängnissen und in Haftanstalten. Der Justiz fehlt die finanzielle und rechtliche Unabhängigkeit und Korruption findet auch in Gerichtsverfahren statt (USDOS 30.3.2021).

Die direkt dem Präsidenten unterstellte Nationale Antikorruptionsbehörde (ANLC) ist unterfinanziert und personell unterbesetzt. Einige Beamte wurden in den letzten Jahren wegen Korruption strafrechtlich verfolgt, aber größere Fälle, in die hochrangige Politiker und die Bergbauindustrie verwickelt waren, wurden hauptsächlich vor ausländischen Gerichten weiterverfolgt (FH 3.3.2021).

Guinea belegte auf dem Korruptionsindex von Transparency International im Jahr 2020 Platz 137 von 180 (TI 2020).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 28.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html,Zugriff 28.7.2021

- TI -Transparency International (2020): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/countries/guinea, Zugriff 28.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 28.7.2021

Wehrdienst und Rekrutierungen

In Guinea besteht keine Wehrpflicht (CIA 10.7.2019). Nach anderen Angaben besteht formal für alle männlichen Guineer zwischen 18 und 30 Jahren die Pflicht zur Leistung eines Wehr-oder Zivildiensts (Artikel 145 der Verfassung). Wegen der großen Zahl von Freiwilligen werden aber seit 1990 keine Wehrpflichtigen mehr eingezogen (AA 5.7.2019).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019

- CIA -Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book -Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 31.7.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Seit Amtsantritt der Regierung Condé Ende 2010 kommt dem institutionalisierten Menschenrechtsschutz verstärkte Bedeutung zu. Die Bemühungen der Regierung werden insbesondere in der Schaffung eines eigenen Ministeriums für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten (seit 2016) deutlich, stoßen in der Praxis jedoch immer wieder an Grenzen, wie bei der weiterhin verbreiteten Kultur der Straflosigkeit deutlich wird, insbesondere im Bereich des Sicherheitsapparats (AA 7.4.2021). Die Regierung setzt restriktive Strafgesetze ein, um Andersdenkende zu entmutigen, und ethnische Spaltungen und die allgegenwärtige Korruption verschärfen oft die politischen Auseinandersetzungen. Regelmäßige Misshandlungen von Zivilisten durch Militär und Polizei spiegeln eine tief verwurzelte Kultur der Straflosigkeit wider (FH 3.3.2021).

Im Zusammenhang mit der umstrittenen Verfassungsänderung und den umstrittenen Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen kam es zu Menschenrechtsverletzungen. Dutzende von Menschen wurden bei Demonstrationen von Angehörigen der Verteidigungs-und Sicherheitskräftegetötet (AI 7.4.2021); Straflosigkeit vor allem staatlicher Übergriffe ist ein zentrales Manko in der Menschenrechtsbilanz Guineas (AA 7.4.2021) und die Regierung unternahm nur minimale Schritte zur strafrechtlichen Verfolgung oder Bestrafung von Beamten (USDOS 30.3.2021). Mitglieder von Oppositionsparteien und pro-demokratische Aktivisten wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert (AI 7.4.2021).

Die gravierendsten Menschenrechtsprobleme im Land sind u.a. rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen, Folter und Fälle grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, willkürliche Verhaftung oder Inhaftierung, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, schwerwiegende Korruptionsfälle, fehlende Untersuchung von und Rechenschaftspflicht für Gewalt gegen Frauen; Gesetze, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen unter Strafe stellen, obwohl sie nicht durchgesetzt werden, und die schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 30. 3.2021).

Die Verfassung und das Gesetz garantiert Pressefreiheit (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021) und bemüht sich, auch die Meinungsfreiheit in der Praxis zu wahren (FH 3.3.2021).

Ein 2016 verabschiedetes Strafgesetzbuch sah Strafen von bis zu fünf Jahren Gefängnis für Verleumdung oder Beleidigung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor und trug damit zur Selbstzensur von Journalisten bei (FH 3.3.2021). Es gab mehrere Berichte über Bemühungen der Regierung, die Presse einzuschüchtern und die Pressefreiheit einzuschränken (USDOS 30.3.2021). Dennoch hat sich das Klima für Journalisten in den letzten Jahren etwas verbessert, mit weniger gewalttätigen Angriffen und Verfolgungen wegen Verleumdung (FH 3.3.2021).

Ein im Jahr 2020 verabschiedetes Cybersicherheitsgesetz kriminalisierte ähnliche Straftaten im Internet sowie die Verbreitung von „falschen“ Informationen, aus Gründen der nationalen Sicherheit oder weil sie „Recht und Ordnung oder die öffentliche Sicherheit stören oder die Menschenwürde gefährden könnten“ (FH 3.3.2021). Es kommt auch zu Einschränkungen der Internetfreiheit (USDOS 30.3.2021). Die Nachrichtenseite Guineematin.com wurde für einen Monat gesperrt, nachdem sie während der Stimmauszählung live aus den Wahllokalen übertragen worden war (AI 7.4.2021) -jedoch wurde diese Anfang November 2020 wieder aufgehoben (FH 3.3.2021). Anschuldigungen oder Kritik an der Regierung oder Regierungspartei können zu Repressalien der Regierung führen, einschließlich Suspendierungen, Geldstrafen und Festnahmen. Es gab Berichte über willkürliche Festnahmen, Belästigungen und Einschüchterungen von Journalisten durch Regierungsbeamte. Es kommt zur Zensur, bzw. zur Beeinflussung der Berichterstattung. Zudem kam es auch zu Anschuldigungen der Verleumdung gegen das Staatsoberhaupt; diese können mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder hohen Geldstrafen belegt sein. Beamte nutzten diese Gesetze, um Oppositionsführer und Journalisten zu schikanieren. Journalisten behaupteten, die Klagen wegen Verleumdung zielten auf regierungskritische Personen ab, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung überwachte jedoch Social-Media-Plattformen und nutzte das Gesetz, um Journalisten für das Posten oder Teilen von regierungskritischen Informationen zu bestrafen. Auch im Zuge der Wahlen 2020, kam es zu weit verbreiteten Internetstörungen (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung sieht friedliche Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit vor, aber die Regierung verbot regelmäßig öffentliche Proteste (USDOS 30.3.2021; FH 3.3.2021). Die Regierung verlangt eine 72-Stunden-Voranmeldung für öffentliche Versammlungen (USDOS 30.3.2021). Versammlungen, die ohne vorherige Ankündigung abgehalten werden, gelten als nicht autorisiert und werden oft gewaltsam aufgelöst, was zu Todesfällen, Verletzten und Festnahmen führt. Im April 2020 wurden im Rahmen der Bemühungen der Regierung zur Begrenzung der Verbreitung von COVID-19 Beschränkungen für öffentliche Versammlungen eingeführt. Geänderte Beschränkungen blieben während eines Großteils des Jahres in Kraft, wurden aber im Dezember 2020 wieder gelockert. Weiters kam es auch zu Protesten gegen die Auferlegung von COVID-19-Beschränkungen und sahen sich mit gewaltsamen Reaktionen der Regierung konfrontiert. Im Mai 2020beispielsweise stießen Demonstranten in der Stadt Coyah mit Sicherheitskräften wegen Reisebeschränkungen und Vorwürfen der korrupten Durchsetzung zusammen. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben (FH 3.3.2021). Die Behörden zeigten nach dem Verbot großer Versammlungen im Ausnahmezustand im März 2020, um der Verbreitung von COVID-19 entgegenzuwirken, einen Mangel an Unparteilichkeit. Mit der Regierungspartei verbundene Organisationen versammelten sich und organisierten Treffen, um die Regierung zu unterstützen, während die Behörden Oppositionsproteste insbesondere in der Zeit nach den Wahlen von Oktober bis Dezember 2020 verboten (USDOS 30.3.2021).

Das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf friedliche Versammlung wurde eingeschränkt; mindestens sieben Demonstrationen -gegen das Verfassungsreferendum und die Kandidatur des Präsidenten für eine dritte Amtszeit -wurden ohne Angabe von legitimen Gründen untergraben (AI 7.4.2021). Trotz dieser Einschränkungen kam es im Laufe des Jahres zu Großdemonstrationen. Die Proteste gegen das 2019 begonnene Verfassungsprojekt von Präsident Conté wurden 2020 fortgesetzt, obwohl sie aufgrund von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie teilweise ausgesetzt wurden. Im Oktober 2020 kam es laut Amnesty International zu mindestens 50 Toten und 200 Verletzten, infolge der Niederschlagung der Proteste zwischen Oktober 2019 und Juli 2020. Proteste im Zusammenhang mit den Wahlen im März und Oktober 2020 wurden ebenfalls gewaltsam aufgelöst. Amnesty International berichtete, dass Sicherheitskräfte im Oktober scharfe Munition und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hätten (FH 3.3.2021).

Die Rechte der Gefangenen auf Gesundheit wurden durch chronische Überbelegung und schlechte Haftbedingungen untergraben (AI 7.4.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 28.7.2021

- AI -Amnesty International (7.4.2021): AI -Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Guinea 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048692.html, Zugriff 28.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 27.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 28.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 28.7.2021

Haftbedingungen

Kritisch sind auch die Bedingungen in den Gefängnissen. Menschen in Haft warten jahrelang auf ihren Prozess. Die Haftbedingungen in zivilen Gefängnissen, die dem Justizministerium unterstehen, sind hart und lebensbedrohlich (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus sind die Haftbedingungen aufgrund chronisch überfüllter Anlagen, fehlender gesundheitlicher Versorgung und Hygiene sowie Mangel an Nahrungsmitteln problematisch (AA 7.4.2021). Misshandlungen, schlechte sanitäre Einrichtungen, Unterernährung, Krankheiten, mangelnde medizinische Versorgungbleiben im gesamten Gefängnissystem allgegenwärtig. Die Bedingungen in Gendarmerie-und Polizeigefängnissen, die für eine kurzfristige Inhaftierung vorgesehen sind, waren angeblich noch schlechter (USDOS 30.3.2021). Eine grundlegende Reform des Gefängniswesens ist im Rahmen der allgemeinen Justizreform 2016 eingeleitet worden, ohne aber bisher zu sichtbaren Verbesserungen geführt zu haben. Grausame oder erniedrigende Strafen werden nicht verhängt (AA 7.4.2021).

Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes stellen Untersuchungshäftlinge weit über die Hälfte der Gefängnisinsassen in Guinea dar, obwohl laut Gesetzeslage die Untersuchungshaft grundsätzlich die Ausnahme darstellt. Sie ist grundsätzlich auf vier Monate begrenzt, allerdings mit zahlreichen Verlängerungsmöglichkeiten (Art. 235 ff. des Code de la Procedure Penale 2016). Bei Verdacht auf besonders gravierende Verbrechen, kann die Untersuchungshaft auf 24 Monate ausgeweitet werden. Dramatisch ist auch die Menschenrechtslage für Frauen im Strafvollzug. Es gibt keine Frauengefängnisse, es kommt täglich zu Gewaltakten von Mithäftlingen oder Gefängnispersonal (AA 7.4.2021).

Trotz des Risikos von Covid-19-Infektionen unternahmen die Behörden keine Schritte, um die starke Überbelegung in den guineischen Gefängnissen zu reduzieren (HRW 13.1.2021). Im Zentralgefängnis von Conakry, das für 300 Personen ausgelegt ist, sind weiterhin rund 1.500 Personen untergebracht (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021). Die Gefangenen mussten sich auf Familienmitglieder, Wohltätigkeitsorganisationen oder NGOs verlassen, um Medikamente zu erhalten. Besucher mussten oft Bestechungsgelder zahlen, um die Medikamente an die Gefangenen zu liefern (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung gestattet nationalen NGOs Zugang in das Zentralgefängnis Conakry. Die Haftbedingungen in Militärgefängnissen können nicht verifiziert werden, da die Regierung den Zutritt zu diesen generell verwehrt (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland)(7.4.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021),https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 16.7.2021

- AI -Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Guinea 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048692.html, Zugriff 26.7.2021

- HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 –Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043597.html, Zugriff 26.7.2021

- USDOS -US Department of State (USA) (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048158.html, Zugriff 26.7.2021

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist seit 2016 nicht mehr im Strafgesetzbuch vorgesehen (AA 7.4.2021; vgl. FH 3.3.2021). Sie wurde bereits zuvor aufgrund eines Moratoriums im Einklang mit den von Guinea ratifizierten Römischen Statuten des Internationalen Gerichtshofs seit Jahren nicht mehr vollstreckt (AA 7.4.2021).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (7.4.2021): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea (Stand: Januar 2021),https://www.ecoi.net/en/file/local/2050126/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Guinea_%28Stand_Januar_2021%29%2C_07.04.2021.pdf, Zugriff 16.7.2021

- FH -Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052763.html, Zugriff 26.7.2021

Religionsfreiheit

Ca. 89,1% der Bevölkerung sind Muslime, 6,8% Christen, und ca. 4% gehören anderen bzw. keinen Religionen an (CIA 10.7.2019).

Die Verfassung sieht einen säkularen Staat vor, verbietet religiöse Diskriminierung und gewährt Glaubens-und Religionsfreiheit (USDOS 21.6.2019). In der Regel werden die religiösen Rechte respektiert (FH 4.2.2019). Die aktive Ausübung des muslimischen Glaubens hat zugenommen. Es gibt eine gewisse Dominanz des Islam im öffentlichen und im Alltagsleben. Angehörige nicht-muslimischer Gruppen (christlichen und/oder animistischen Glaubens) können dadurch latent benachteiligt werden (AA 5.7.2019). Einige nicht-muslimische Regierungsangestellte haben von gelegentlicher Diskriminierung berichtet (FH 4.2.2019). So erfahren Nicht-Muslime, insbesondere im Staatsdienst, eine soziale Benachteiligung (AA 5.7.2019; vgl. FH 4.2.2019), die sich unter anderem durch deren Unterrepräsentation in Schlüsselpositionen und geringeren Zugriffsmöglichkeiten auf staatliche Finanzressourcen manifestiert (AA 5.7.2019). Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, stehen manchmal unter Druck ihrer Gemeinschaft (FH 4.2.2019).

Andererseits übt der Staat eine viel stärkere Kontrolle über die muslimischen Gemeinden als über die christlichen Kirchen aus, um vorhandene islamistische Strömungen im Keim zu ersticken. Aus Angst vor radikal-wahabistischen Bewegungen wurden in den letzten Jahren präventiv mehrere Moscheen geschlossen. Maßnahmen gegen Gläubige waren damit nicht verbunden (AA 5.7.2019).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019

- CIA -Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book -Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 31.7.2019

- FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2008159.html, Zugriff 31.7.2019

- USDOS -US Department of State (USA) (21.6.2019):2018 Report on International Religious Freedom -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011156.html, Zugriff31.7.2019

Ethnische Minderheiten

Guinea ist ein multiethnisches Land mit drei großen und mehreren kleineren Sprachgruppen, die sich mit bestimmten Regionen identifizierten (USDOS 13.3.2019). Die drei zahlenmäßig größten Ethnien sind die Peulh (Fulani) (32%-40%), die Malinké (ca. 30%) und die Sussu (ca. 20%) (AA 5.7.2019; vgl. CIA 10.7.2019).

Die Verfassung Guineas führt den Grundsatz der Gleichbehandlung auch hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit mehrfach auf (Gleichstellungs-bzw. Gleichbehandlungsgebot in Art. 8); eine ethnisch diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis besteht nicht. Eine das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben beherrschende Ethnie gibt es nicht. Alle drei großen Ethnien sind in Parlament, Kabinett und in hohen Verwaltungsämtern (wenn auch nicht immer proportional zu ihrer Bevölkerungsstärke) vertreten. Eine systematische Diskriminierung der über 20 kleineren Ethnien, insbesondere der zahlreichen, meist animistisch-christlichen Glaubens geprägten Ethnien Waldguineas (Guerzé, Toma, Kissi) ist nicht erkennbar (AA 5.7.2019). Während das Gesetz rassistische oder ethnische Diskriminierung verbietet, kommt es durch Angehörige aller großen Ethnien zu Diskriminierung, z.B. bei der Einstellung von Mitarbeitern im privaten Sektor; es kann auch die ethnische Trennung von Stadtvierteln attestiert werden (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). Die ethnische Diskriminierung erstreckt sich beispielsweise auch auf Gerichte. Obwohl Bürger über ethnische oder regionale Vetternwirtschaft klagen, die sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor praktiziert wird, gibt es insgesamt keine ausgeprägten ethnisch oder religiös konstituierten Hindernisse hinsichtlich der Chancengleichheit (BS 2018).

Im Laufe des Jahres 2018 kam es zu ethnisch motivierter Gewalt (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). In den letzten Jahren traten immer wieder inter-ethnische Spannungen auf, und die wichtigste politische Spaltung bleibt die ethnische. Trennungen sind v.a. zwischen ethnischen Maninka (Malinke, Mandingo) und Peulh/Fulani zu beobachten (BS 2018; vgl. AA 5.7.2019). Die politischen Eliten Guineas neigen nach wie vor dazu, ethnische Identität zu instrumentalisieren. Politische Loyalitäten und Parteien werden noch immer auch ethnisch konstituiert wahrgenommen (AA 5.7.2019). Die ethnische Spaltung ist auch mit der politischen Spaltung zwischen Regierung und Oppositionskräften verflochten; Konfrontationen zwischen Regierung und Opposition werden manchmal gewalttätig (BS 2018). So sehen sich Angehörige der Ethnie der Peulh, die mehrheitlich die Oppositionspartei UFDG wählen, politisch benachteiligt gegenüber den Malinké, die mehrheitlich für die Regierungspartei RPG stimmen. Eine systematische Diskriminierung der Peulh auf Basis ihrer ethnischen Zugehörigkeit ist damit jedoch nicht verbunden (AA 5.7.2019).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019

- BS -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 -Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf,Zugriff5.8.2019

- CIA -Central Intelligence Agency (USA) (10.7.2019): The World Fact Book -Guinea, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html, Zugriff 5.8.2019

- USDOS -US Department of State (USA) (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff 5.8.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Das Gesetz sieht nicht den gleichen Rechtsstatus und die gleichen Rechte für Frauen wie für Männer vor, einschließlich bei Erbschaft, Eigentum, Beschäftigung, Kredit und Scheidung (USDOS 13.3.2019; vgl. BS 2018). Das im Februar 2014 verabschiedete Arbeitsgesetzbuch verbietet geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Einstellung (BS 2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Dennoch werden Frauen in den Bereichen Beschäftigung, Bezahlung und Bildung routinemäßig diskriminiert (BS 2018). Obwohl das Prinzip gleiches Gehalt für gleiche Arbeit gilt, erhalten Frauen in der Praxis ein geringeres Gehalt als Männer (USDOS 13.3.2019). Traditionelle Praktiken diskriminieren Frauen und haben manchmal Vorrang vor dem Gesetz, insbesondere in ländlichen Gebieten (BS 2018; vgl. USDOS 13.3.2019).

Polygamie ist üblich (USDOS 13.3.2019) und bei traditionellen Eheschließungen weit verbreitet. Im Rahmen der Novellierung des Zivilgesetzbuches (Code Civil) wurde Polygamie als zulässige Form der Ehe wiedereingeführt; Bedingung ist eine ausdrückliche Erklärung des Mannes und der Frau vor dem Standesbeamten beim Eingehen der (ersten) Ehe (AA 5.7.2019). Scheidungsgesetze begünstigen im Allgemeinen Männer bei der Vergabe von Sorgerecht und der Güterteilung. Zeugenaussagen von Frauen haben weniger Gewicht als jene von Männern, in Übereinstimmung mit islamischen Vorschriften und traditionellem Recht (USDOS 13.3.2019).

Die Zahl an Gewaltanwendungen gegen Frauen und Mädchen bleibt hoch (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019). Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind in strafrechtlicher Hinsicht ein Verbrechen, kommen aber häufig vor und werden nur selten verfolgt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Vergewaltigung wird mit bis zu zwanzig Jahren Haft geahndet. Das Gesetz geht jedoch nicht auf eheliche Vergewaltigung ein (USDOS 13.3.2019). Aufgrund bestehender Sitten, aus Angst vor Stigmatisierung oder Vergeltung und wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft der Ermittler wird Vergewaltigung nur sehr selten angezeigt (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019). Körperverletzung ist ein Scheidungsgrund gemäß Zivilrecht; die Polizei interveniert aber nur selten bei häuslichen Konflikten, und Gerichte bestrafen Täter ebenfalls nur selten (USDOS 13.3.2019).

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist trotz eines gesetzlichen Verbots nahezu allgegenwärtig und betrifft bis zu 97 % der Mädchen und Frauen im Land, die zweithöchste Rate der Welt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Guinea gilt als einziges Land, in dem diese Praxis im Laufe der letzten Jahre tendenziell eher zu-denn abgenommen hat (AA 5.7.2019). Nach anderen Angaben ging die Quote auf ca. 50% zurück. Laut UNICEF sind Frauen und Mädchen unter allen religiösen und ethnischen Gruppen davon betroffen (USDOS 13.3.2019).Die Regierung kooperiert mit NGOs, um die Anwendung von FGM zu beseitigen und medizinisches Personal und Bürger über die Gefahren aufzuklären. Es gibt einen Trend, FGM unter besseren hygienischen Umständen und unter Mitwirkung medizinischen Personals durchzuführen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019

- BS -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 -Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf,Zugriff5.8.2019

- FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2008159.html, Zugriff 5.8.2019

- USDOS -US Department of State (USA) (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff5.8.2019

Kinder

Kinderehen stellen in Guinea ein Problem dar. Die Tradition ermöglicht Ehen ab vierzehn Jahren, obwohl Art. 280 des guineischen Zivilgesetzbuches für eine Eheschließung ein Alter von 21 Jahren für Männer und 17 Jahren für Frauen vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 5.7.2019). Es gab 2018 keine bekannten Strafverfolgungsmaßnahmen mit Bezug auf Kinderehen. Allerdings konnte eine lokale NGO (Young Girls Leaders Club of Guinea Against Early and Forced Eriages) erfolgreich die Eheschließung von 11Mädchen verhindern (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz verbietet Kinderarbeit im formellen Sektor und legt Strafen von drei bis zehn Jahren Freiheitsstrafe fest. Kinder, die im informellen Sektor arbeiten, sind nicht vom Gesetz geschützt. Das Mindestalter für Erwerbstätigkeit beträgt 16 Jahre (USDOS 13.3.2019). Kinder arbeiten aber in hoher Zahl im informellen Sektor, meist als Straßenverkäufer oder Haushaltshilfe, leiden häufig unter Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung und haben oft weder Zugang zu medizinischer Versorgung, noch zu Bildungsangeboten. Insbesondere in den goldreichen Regionen in Oberguinea werden Kinder unter Duldung des Staates als Goldgräber ausgebeutet. Nach jüngsten Schätzungen von UNICEF sind über 60% aller Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren von Kinderarbeit betroffen. Zudem sind Fälle bekannt, in denen Kinder als Arbeitssklaven nach Mali, Sierra Leone und Côte d'Ivoire „verkauft“ werden (AA 5.7.2019). Das Gesetz sieht Strafen von fünf bis zehn Jahren Haft für alle Formen des Kinderhandels vor, einschließlich der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern. Dieses Gesetz wird aber nicht durchgesetzt, und Kinderhandel bleibt ein ernstes Problem (USDOS 13.3.2019).

Der Staat kommt seiner Verantwortung zur Durchsetzung der Schulpflicht auch deshalb nur unzureichend nach, da noch immer weit über die Hälfte der im Landesinneren geborenen Kinder nach Geburt nicht registriert werden und somit fernab jeglicher staatlicher Infrastruktur aufwachsen (AA 5.7.2019). Die Behörden erlaubten Kindern ohne Geburtsurkunde nicht den Schulbesuch oder den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Regierungspolitik sieht eine obligatorische Grundschulbildung für alle Kinder bis 16 Jahre vor (USDOS 13.3.2019). Allerdings sehen sich sowohl Mädchen wie auch Buben durch das nicht funktionierende Bildungssystem beeinträchtigt, so dass die durchschnittliche Schulbildung nur 2,4 Jahre beträgt (BS 2018).

Quellen:

- AA -Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.7.2019): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf, Zugriff 14.8.2019

- BS -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 -Guinea Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427387/488291_en.pdf,Zugriff5.8.2019

- USDOS -US Department of State (USA)(13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 -Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004162.html, Zugriff

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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