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E6JNorm
KStG 1988 §8 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der K GmbH in W, vertreten durch MMag. Dr. Walter Mühlbacher, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Lampigasse 33/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. Mai 2019, Zl. RV/7105210/2015, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2013, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine GmbH, an der W zu 75% und seine Lebensgefährtin M zu 25% beteiligt sind. Im Jahr 2013 erwarb die Revisionswerberin ein Reihenhaus, für das sie einen Vorsteuerabzug geltend machte. Nach einer Außenprüfung erkannte das Finanzamt den Vorsteuerabzug nicht an, weil die Anschaffung des Reihenhauses durch die Revisionswerberin tatsächlich der privaten Wohnversorgung der beiden Gesellschafter gedient habe. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten seien nur für den betrieblich genutzten Teil iHv 33,33% zu gewähren gewesen.
2 Die Revisionswerberin erhob fristgerecht Beschwerde. Nach Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag erteilte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt den Auftrag, die tatsächliche betriebliche Nutzung des in Rede stehenden Reihenhauses zu erheben, woraufhin eine Besichtigung stattfand.
3 Das Bundesfinanzgericht gab in einem hier nicht relevanten Punkt der Beschwerde Folge. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
4 Gegenstand des Unternehmens sei der Warengroßhandel; die Revisionswerberin übernehme Fertigungsaufträge für Werkzeuge und Gussformen und gebe diese Aufträge an osteuropäische Werkzeugbauunternehmen weiter. Ihr Standort sei am 31. Dezember 2013 an die Anschrift des neu erworbenen Reihenhauses verlegt worden.
5 Mit Mietvertrag vom 26. Oktober 2013 (beginnend mit dem 1.11.2013) seien Teile des Reihenhauses (zunächst 67,37 m²) an die beiden Gesellschafter der Revisionswerberin zu Wohnzwecken überlassen worden. Vorerst sei ein Mietzins inklusive Heiz- und Warmwasserkosten in Höhe von 336,36 € netto und zusätzlich Betriebskosten iHv 271,82 € netto, somit insgesamt 669 € brutto vereinbart worden. Der Mietvertrag enthalte keine Beschreibung, wie sich die vermietete Wohnnutzfläche zusammensetze, sondern lediglich einen Verweis auf eine Beilage, mit welcher der Plan des Reihenhauses Nr. 8 gemeint gewesen sei und die vermieteten Räumlichkeiten mit „V“ gekennzeichnet worden seien. Punkt 4 des Mietvertrages regle, dass anteilige Heiz- und Warmwasserkosten Teil des Mietzinses seien. In Punkt 13 werde das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter nach Vertragsbeendigung, um die Einhaltung der Vertragspflichten des Mieters zu überwachen oder bei Gefahr in Verzug festgelegt. Es sei festgehalten worden, dass mündliche Nebenabreden zum Mietvertrag nicht bestünden, und dass jede Änderung oder Ergänzung des Vertrages schriftlich zu erfolgen habe. Der Mietvertrag sei seitens des Vermieters von der Geschäftsführerin M und seitens der Mieter von W (Gesellschafter) und von M (Gesellschafter-Geschäftsführerin) unterzeichnet worden. In einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 26.11.2013 sei die vermietete Nutzfläche auf 77,84 m² und das monatliche Mietentgelt auf brutto 848,69 € und Betriebskosten in Höhe von 299 €, somit insgesamt 1.147,69 € erhöht worden. Weiters sei festgehalten worden, dass es sich dabei um eine notwendige steuerrechtliche Maßnahme handle, die keinen zivilrechtlichen Hintergrund habe. In der Zusatzvereinbarung fehle jeglicher Hinweis darauf, welche überlassene Nutzfläche von der Erhöhung betroffen sei. Die Erhöhung des Mietzinses um mehr als das Doppelte sowie die Erhöhung des Betriebskostenpauschales seien nicht näher erläutert worden. Unterzeichnet sei die Zusatzvereinbarung durch die Mieter, M und W, seitens des Vermieters fehle die Unterschrift.
6 Es seien laut Mietvertrag 67,37 m² Nutzfläche des Reihenhauses vermietet worden, nämlich das Erdgeschoß und teilweise das Obergeschoß 1; eine genaue Beschreibung der vermieteten Fläche fehle, es seien keine schriftlichen Regelungen darüber getroffen worden, wie, wann und in welcher Weise der Garten und die an die gemieteten Wohnräume angrenzende Terrasse genutzt werden dürften und wer den Garten in Stand halte; es seien keine schriftlichen Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung und Reinigung der Gebäudeteile getroffen worden. Das Büro und das Obergeschoß 2 könnten nur über die vermieteten Gebäudeteile betreten werden. Es fehlten schriftliche Vereinbarungen, in welchem Verhältnis die Strom-, Wasser- oder Fernheizkosten aufgeteilt würden. Eigene Verbrauchszähler für die vermieteten Teile bestünden nicht.
7 Insgesamt umfasse der für eigene unternehmerische Zwecke genutzte Teil 63,13 m². Da auch der Garten und die Terrassen privat genutzt würden, seien von der Gesamtfläche des Reihenhauses im Ausmaß von 294,36 m², 21,45% betrieblich und 78,55% von den Gesellschaftern privat genutzt worden.
8 In Bezug auf die Fremdüblichkeit des Mietvertrages führte das Bundesfinanzgericht aus, dass ursprünglich die Miete vertraglich zwischen der Revisionswerberin und den Gesellschaftern in Höhe von 5 €/m² vereinbart und über eine Zusatzvereinbarung auf 10 €/m² erhöht worden sei, wobei nach dem Erhebungsergebnis des Prüfers die Gesellschafter die höhere Miete (1.147,69 €) tatsächlich monatlich entrichten. Die vertraglich vereinbarte „Vermietung“ sei dennoch nicht marktkonform und daher nicht fremdüblich, sondern als Gebrauchsüberlassung zu beurteilen. Der vorliegende Mietvertrag enthalte unklare Bestimmungen. Als Mietgegenstand sei „die Wohnung Nr. 15“ im genannten Haus bezeichnet und die Nutzfläche des Mietgegenstandes allgemein ausgewiesen, ohne die Räumlichkeiten zu benennen. Die vermieteten Räume seien unter Hinweis auf eine als Beilage ausgewiesene Wohnungsplanskizze feststellbar, in der diese lediglich mit „V“ gekennzeichnet worden seien. Der einen Monat später schriftlich verfasste Zusatzvertrag zum Mietvertrag sei zum einen nicht von allen Vertragsparteien unterzeichnet worden, zum anderen sei festgehalten worden, dass nachträglich aus steuerlichen Zwecken der Mietzins erhöht und das Ausmaß der vermieteten Räumlichkeiten erweitert worden sei, ohne diese genau zu bezeichnen. Selbst wenn die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag als fremdüblich zu beurteilen wäre, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein fremder Dritter Räumlichkeiten in einem Reihenhaus unter den dargestellten Bedingungen keineswegs mieten würde. Dabei sei entscheidungsrelevant, dass die Revisionswerberin ihr Büro im Obergeschoß (im 1. Stock) nicht über einen vom vermieteten Teil des Hauses separat benutzbaren Eingang, sondern allein über den vermieteten Teil im Erdgeschoß betreten könne.
9 Die Fremdunüblichkeit der gegenständlichen Vermietung werde überdies dadurch bekräftigt, dass Zutrittsregelungen nicht schriftlich vereinbart worden seien, Verbrauchszähler für die vermieteten Teile und Regelungen über die Benutzung und Pflege des Gartens sowie der an die gemieteten Wohnräume angrenzenden Terrasse fehlten, was von der Außenprüfung zutreffend durch den fehlenden Interessensgegensatz und der bestehenden Personenidentität zwischen dem Vermieter und den Mietern begründet worden sei. In der Beschwerde sei auf entsprechende mündliche Zutrittsregelungen verwiesen worden; desgleichen habe der Prüfer festgehalten, dass es zum Mietvertrag mündliche Nebenabsprachen gebe, die den Gesellschaftern der Revisionswerberin Mitbenutzungsrechte am Garten, der ebenerdigen Terrasse und eine private Mitbenützung der Kellerräumlichkeiten ermöglichten. Aus dieser Sicht seien die mietvertraglichen Vereinbarungen unklar und unvollständig. Vor diesem Hintergrund hätte ein fremder Dritter der in Rede stehenden Vermietung samt dem in der Zusatzvereinbarung festgelegten erhöhten Mietzins und den mündlichen Nebenabsprachen mit Sicherheit nicht zugestimmt. In diesem Zusammenhang müsse auch die tatsächlich von den Gesellschaftern monatlich bezahlte Miete in Höhe von 1.147,69 € angesichts der gegebenen Art und Weise der Nutzung der Immobilie als fremdunüblich hoch beurteilt werden. Fremde Dritte würden die festgestellte fehlende Trennung der betrieblichen Nutzung des Reihenhauses durch die Revisionswerberin von der privaten Nutzung der Gesellschafter nicht akzeptieren. Feststellungen, wonach bei schlechten Witterungsverhältnissen die Wäsche in den als betrieblich angegebenen Räumlichkeiten und im Garten getrocknet werde und Besprechungen mit der Revisionswerberin entgegen der vorgegebenen Aufteilung auch immer wieder im von den Gesellschaftern gemieteten Erdgeschoß stattfänden, zeigten deutlich den fehlenden Interessensgegensatz auf.
10 Die Beschwerdeausführungen, wonach eine Fremdvermietung nachteilig sei, weil die Revisionswerberin nur bei ihren Gesellschaftern darauf vertrauen könne, dass die Nutzung auch unter Berücksichtigung des Werterhalts des Objekts schonend erfolgen würde, legten klar eine fremdunübliche Vorgehensweise dar. Demnach könne die vorliegende Nutzung des Reihenhauses keinen Leistungsaustausch zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern begründen, da eine Überlassung von Räumlichkeiten in dieser Art unter Fremden gar nicht denkbar sei. Vielmehr liege der Grund für die konkret erwiesene, nicht eindeutig trennbare Nutzung des Reihenhauses letztlich im fehlenden Interessensgegensatz zwischen der Revisionswerberin und ihren Gesellschaftern.
11 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, nach der Rechtsprechung des EuGH könne anhand eines Vergleichs mit Umständen, unter denen eine entsprechende Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt werde, geprüft werden, ob der betreffende Steuerpflichtige mit der Gebrauchsüberlassung eines körperlichen Gegenstandes gegen Entgelt auf eine nachhaltige Einnahmenerzielung abstelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe in Bezug auf die Anerkennung von Gebäudeüberlassungen als umsatzsteuerbare Vermietungstätigkeit ebenso auf das Vorliegen einer marktkonformen Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hingewiesen. Dazu gehöre auch, aber nicht nur, die Angemessenheit des Mietzinses. Daraus leite sich für den Revisionsfall ab, dass nach dem oben dargestellten und im Ergebnis als fremdunüblich beurteilten Gesamtbild der Verhältnisse selbst bei Vorliegen eines angemessenen Mietzinses eine unternehmerische Tätigkeit der Revisionswerberin zu verneinen sei. Dabei sei die Tatsache der mangelnden Abgrenzung der privaten von der betrieblichen Nutzung des Reihenhauses hervorzuheben, die ein Gesamtbild der Verhältnisse habe entstehen lassen, das die Annahme einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Gebrauchsüberlassung begründe. Die fremdunüblich hohe Miete könne daran nichts ändern, weil die Leistungsbeziehungen zwischen ihr und den Gesellschaftern die für Verträge zwischen nahen Angehörigen erforderlichen Anerkennungsvoraussetzungen nicht erfüllten.
12 Die Anschaffung des verfahrensgegenständlichen Reihenhauses durch die Revisionswerberin habe unstrittig im festgestellten Ausmaß von 21,45% unternehmerischen Zwecken gedient. Der Erwerb sei demnach nicht von vornherein nur aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und zu unternehmensfremden Zwecken erfolgt. Da das Reihenhaus seiner Erscheinung nach auch nicht speziell auf die Wohnbedürfnisse der Gesellschafter der Revisionswerberin abgestellt gewesen und nicht allein für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sei, liege kein außerbetriebliches Vermögen vor.
13 Umsatzsteuerrechtlich führe die nicht unternehmerische Überlassung des Reihenhauses an den Gesellschafter bzw. die Gesellschafter-Geschäftsführerin der Revisionswerberin im festgestelltem Ausmaß von 78,55% dazu, dass nur jene Vorsteuerbeträge abzugsfähig seien, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Revisionswerberin stünden. Die Revision wurde nicht zugelassen.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil nach dieser die Renditemiete eine anzuerkennende Methode zur Bestimmung der angemessenen Verzinsung sei, die wiederum zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts führe. Die Revisionswerberin habe die Miete so festgelegt, dass eine Nettomietrendite von mehr als 4% pro Jahr erzielt und bezahlt werde. In der Verneinung der wirtschaftlichen Tätigkeit für die Vermietung zu einer Rendite von 4,5% weiche das Bundesfinanzgericht somit von dieser Rechtsprechung ab. Nach der Rechtsprechung reiche sogar ein fremdunüblich niedriges Mietentgelt noch nicht aus, eine wirtschaftliche Tätigkeit zu verneinen, weil diese Beurteilung eine Gesamtbetrachtung erfordere. Die Miete sei hoch genug, dass eine verdeckte Ausschüttung jedenfalls ausgeschlossen sei. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine angemessene Renditemiete bei angeblich fremdunüblichen sonstigen Vertragsbedingungen als verdeckte Einlage gewertet werden könne. Ferner fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche Anforderungen an die Dokumentation der nur teilweisen Vermietung eines Einfamilienhauses an die Gesellschafter zu stellen seien, wenn Abgrenzungs- und Zutrittsregelungen nicht bis ins kleinste Detail getroffen worden seien. Im Fall einer angemessenen Miete dürften solche Dokumentationserfordernisse nicht überspannt werden. Das Erkenntnis weiche zudem von der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Lajvér ab.
15 Das Finanzamt hat bekanntgegeben, auf eine Revisionsbeantwortung zu verzichten.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann es im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung an eine der Körperschaft nahestehende Person in drei Fällen zu einer Versagung des Vorsteuerabzuges kommen. Beim ersten Fall handelt es sich um die bloße Gebrauchsüberlassung, bei der keine unternehmerische Betätigung vorliegt. Der zweite Fall erfasst die (nicht fremdübliche) Nutzungsüberlassung an besonders repräsentativen Wohngebäuden, welche schon ihrer Erscheinung nach bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind. Der dritte Fall betrifft die Vermietung von im betrieblichen Geschehen einsetzbaren Gebäuden um weniger als 50 % der Renditemiete (vgl. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0004).
20 Das Bundesfinanzgericht ist im Revisionsfall vom Vorliegen einer Gebrauchsüberlassung ausgegangen.
21 In solchen Fällen ist zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten finden sich im Urteil des EuGH vom 26. September 1996, Enkler, C-230/94, Rn 24 ff, insbesondere Rn 28. Demnach sind in Fällen, bei denen ein Gegenstand seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden kann, alle Umstände zu prüfen, unter denen der Betreffende den Gegenstand nutzt, um sie mit den Umständen zu vergleichen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird.
22 Für die Frage, ob eine bloße Gebrauchsüberlassung an den Gesellschafter oder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Umsatzsteuer vorliegt, muss somit ein Vergleich zwischen den Umständen, unter denen das Wohngebäude im gegenständlichen Fall den Gesellschaftern überlassen wurde, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit für gewöhnlich ausgeübt wird, vorgenommen werden. Dabei hat eine Berücksichtigung aller Gegebenheiten, die für einen Einzelfall charakteristisch sind, zu erfolgen (vgl. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0067, mwN).
23 Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung, dass im Revisionsfall eine Gebrauchsüberlassung vorliegt, sondern argumentiert mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur wirtschaftlichen Tätigkeit bei der Vermietung von jederzeit im betrieblichen Geschehen einsetzbaren Gebäuden, wonach zur Vermeidung einer verdeckten Ausschüttung eine Vermietung um mindestens 50% der Renditemiete erfolgen muss. Einen derartigen Fall hat das Bundesfinanzgericht aber nicht angenommen.
24 Bei der Prüfung, ob eine bloße Gebrauchsüberlassung vorliegt, ist das vereinbarte und tatsächlich gezahlte Mietentgelt nur einer der Faktoren, die zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284).
25 Das Bundesfinanzgericht hat die Bedingungen, unter denen eine Vermietung für gewöhnlich ausgeübt wird, mit jenen verglichen, unter denen sie tatsächlich stattfanden. Es hat die Vertragsbedingungen sowie die tatsächlich gelebte Vermietung als fremdunüblich angesehen und festgestellt, dass ein fremder Dritter Räumlichkeiten in einem Reihenhaus unter den dargestellten Bedingungen keineswegs mieten würde bzw. dass eine Überlassung von Räumlichkeiten in dieser Art und Weise unter Fremden gar nicht denkbar sei. Das bestreitet die Revision nicht; sie bringt lediglich vor, dass die Dokumentationserfordernisse nicht „überspannt“ werden dürften oder die praktische Handhabung den Beteiligten überlassen werden müsse.
26 Die Revision legt nicht dar, dass die Umstände, unter denen die Immobilie den beiden Gesellschaftern überlassen wurde, jenen entsprechen, unter denen eine solche wirtschaftliche Tätigkeit für gewöhnlich ausgeübt wird. Vor diesem Hintergrund und den getroffenen Feststellungen begegnet die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, dass die Vermietung nicht den fremdüblichen Gepflogenheiten entsprochen hätte, keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.
27 Soweit die Revisionswerberin darauf verweist, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer verdeckten Einlage bei überhöhten Mietzahlungen, ist darauf zu entgegnen, dass das Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuerbarkeit verneint hat, weil es eine nicht unternehmerische Gebrauchsüberlassung angenommen hat und nicht, weil eine verdeckte Einlage vorliegt.
28 Wenn die Revision einen Verstoß gegen die Rechtsprechung in der Rs Lavjér, C-265/15, moniert, ist darauf zu verweisen, dass es dort nicht - wie im Revisionsfall - um die Nutzung eines Gegenstandes, der seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden kann, geht.
29 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2021
Gerichtsentscheidung
EuGH 61994CJ0230 Renate Enkler VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130063.L00Im RIS seit
04.02.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022