TE Vwgh Beschluss 2021/12/21 Ra 2019/21/0411

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Veröffentlicht am 21.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §76 Abs3 Z1
FrPolG 2005 §76 Abs3 Z8
FrPolG 2005 §76 Abs3 Z9
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D G, vertreten durch Dr. Nikolaus Vavrovsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 1, gegen das am 21. November 2019 mündlich verkündete und mit 11. August 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W112 2225521-1/26E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein nepalesischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise am 19. August 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. September 2011 vollinhaltlich abgewiesen wurde; unter einem wies das Bundesasylamt den Revisionswerber aus dem Bundesgebiet nach Nepal aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2012 als unbegründet ab. Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet.

2        Am 30. Juni 2015 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung einer Karte für Geduldete, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Dezember 2015 abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis vom 7. April 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde ab.

3        Mit Mandatsbescheid vom 2. Oktober 2018 wurde gegenüber dem Revisionswerber eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG angeordnet. Der Revisionswerber wurde angewiesen, sich in eine bestimmte Betreuungseinrichtung zu begeben. Dieser Anordnung kam der Revisionswerber nicht nach.

4        Am 7. November 2019 wurde der Revisionswerber aus Anlass einer polizeilichen Kontrolle, bei welcher er keinen Ausweis bei sich hatte, festgenommen. Mit Bescheid vom 8. November 2019 erteilte das BFA dem Revisionswerber sodann (von Amts wegen) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung sowie wegen Mittellosigkeit ein fünfjähriges Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

5        Mit Mandatsbescheid vom 8. November 2019 verhängte das BFA über den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG auch die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

6        Am 18. November 2019 erhob der Revisionswerber eine Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG gegen den Schubhaftbescheid und gegen die Anhaltung in Schubhaft. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zum Aufwandersatz gegenüber dem Bund und wies seinen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG ab. Schließlich sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9        In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber geltend, im Hinblick auf seine „dauerhafte Meldung und Erreichbarkeit für die Behörden über Jahre hindurch“ sei das BVwG zu Unrecht von einer Fluchtgefahr ausgegangen und es hätte mit gelinderen Mitteln das Auslangen gefunden werden können.

10       Gemäß dem im vorliegenden Fall als Rechtsgrundlage herangezogenen § 76 Abs. 2 Z 2 FPG darf Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies (u.a.) zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, sofern Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

11       Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf bzw. von Fluchtgefahr auszugehen ist, der nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2020/21/0518, Rn. 7, mwN). Das gilt auch für die Frage der Verhältnismäßigkeit (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0212, Rn. 8/9, mwN).

12       Das BVwG stützte die Annahme einer Fluchtgefahr darauf, dass der Revisionswerber durch die Nichtvorlage von Dokumenten seine Abschiebung zu verhindern suchte und bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 7. November 2019 nicht an der Ausstellung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt hatte. Weiters sei er der auferlegten Wohnsitzauflage nicht nachgekommen und gemäß dem Polizeibericht vom 25. Juli 2019 an seiner Meldeadresse unbekannt gewesen, mit 2. September 2019 an dieser Adresse amtlich abgemeldet worden und für die Behörden nicht erreichbar gewesen. Im Übrigen sei der auch sonst nicht integrierte Revisionswerber nur als „Gelegenheitsarbeiter“ unerlaubt beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf dieses vor allem in der Zeit unmittelbar vor seiner Festnahme gezeigte Verhalten des Revisionswerbers ist die vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber getroffene Beurteilung zum Vorliegen einer Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 Z 1, 8 und 9 FPG zumindest vertretbar. Zudem hat sich das BVwG mit der Frage näher auseinandergesetzt, ob im vorliegenden Fall die Anordnung gelinderer Mittel ausreiche und diese Frage - auch in vertretbarer Beurteilung - verneint.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019210411.L00

Im RIS seit

03.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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