TE Vwgh Beschluss 2022/1/12 Ra 2021/14/0319

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der C E, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2021, I411 2168659-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 28. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihre Mutter Christin sei und ihr Vater Mitglied einer Sekte, in welcher es Tradition wäre, die erstgeborene Tochter der Sekte zu opfern. Aufgrund dessen habe ihre Mutter sie mit drei Monaten dem Vater weggenommen, weshalb die Familie des Vaters nun nach der Revisionswerberin suche und sie mit dem Tod bedroht habe.

2        Mit Bescheid vom 4. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und legte hierfür eine zweiwöchige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG aus, dass die Revisionswerberin in Nigeria nicht von einer Sekte und ihrem Vater verfolgt werde und sie bei einer Rückkehr keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem drohe der Revisionswerberin bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verletzung der ihr durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte und es überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes die privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Begründung ihrer Zulässigkeit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG und rügt Begründungsmängel im Hinblick auf die Situation alleinstehender Frauen in Nigeria.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.4.2021, Ra 2021/14/0004, mwN).

10       Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin legte das BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung nachvollziehbar und vertretbar dar, weshalb dem Fluchtvorbringen der Revisionswerberin keine Glaubwürdigkeit zukomme. Dabei stützte sich das BVwG auf die Angaben der Revisionswerberin im Verfahren, die bereits vor der belangten Behörde angegeben habe, niemals von ihrem - ihr persönlich nicht bekannten - Vater oder dessen Familie persönlich bedroht worden zu sein, und in ihren übrigen Angaben ebenso vage geblieben sei. Ihr Vorbringen habe sie vielmehr auf Erzählungen durch ihre Mutter bzw. vom Hörensagen gestützt. Auch in der mündlichen Verhandlung habe die Revisionswerberin keine überzeugenden Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Nigeria sprechen, darlegen können. Es gelingt der Revision, mit ihrem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen unter Hinweis auf vorgelegte Länderberichte nicht, eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung im Sinne der Rechtsprechung darzulegen. Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 23.6.2021, Ra 2021/18/0164, mwN).

11       Werden weiters Verfahrensmängel - wie hier - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 1.10.2021, Ra 2021/14/0236, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen nicht gerecht.

12       Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen hat sich das BVwG mit der Situation alleinstehender Frauen in Nigeria unter Zugrundelegung der Länderinformationen auseinandergesetzt. Diesen zufolge ist es der Revisionswerberin möglich, Arbeit und Wohnung in Nigeria zu finden. Weiters gründet sich die Annahme des Vorliegens eines familiären Netzes der Revisionswerberin auf deren eigene Aussagen in der mündlichen Verhandlung, wonach ihre Mutter, mit welcher die Revisionswerberin in wöchentlichem telefonischen Kontakt stehe, mit ihren Geschwistern in Nigeria lebe. Diesen Feststellungen tritt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht entgegen, eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung dazu wird dadurch nicht dargetan (zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vgl. etwa erneut VwGH 26.4.2021, Ra 2021/14/0004, mwN).

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140319.L00

Im RIS seit

04.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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