TE Vwgh Beschluss 2022/1/12 Ra 2020/07/0060

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Index

L66202 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Kärnten
L66205 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSLG Krnt 1998 §21 Abs3
GSLG Slbg §20 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des H E in T, vertreten durch Mag. Sebastian Michael Kinberger, Rechtsanwalt in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. Juni 2020, 405-1/515/1/7-2020, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einem Verfahren nach dem Salzburger Güter- und Seilwegegesetz 1970 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Agrarbehörde Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der Agrarbehörde Salzburg vom 24. Februar 2020 wurden nach § 14 Abs. 2 und 3 Salzburger Güter- und Seilwegegesetz 1970 (GSG 1970) die Anteile näher genannter, in eine Bringungsgemeinschaft einbezogener Liegenschaften, darunter auch einer im Miteigentum des Revisionswerbers stehenden Liegenschaft, abgeändert und (weitere) Liegenschaften gemäß § 13 Abs. 3 GSG 1970 in die Bringungsgemeinschaft einbezogen.

2        Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung der Agrarbehörde Salzburg vom 30. Jänner 2020, wie der Niederschrift zu entnehmen sei, seine Zustimmung zur Neufestsetzung der Anteile erteilt. Dies habe unter Beachtung des § 20 Abs. 3 GSG 1970 zur Folge, dass keine stichhaltigen materiellen Gründe mehr gegen die Neubeanteilung vorgebracht werden könnten, was im Ergebnis einem Rechtsmittelverzicht gleichkomme (Hinweis auf VwGH 26.1.2006, 2004/07/0172). Die Beschwerde sei daher als unzulässig anzusehen.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, die Erhebung einer Beschwerde durch den Revisionswerber sei unzulässig, könne nicht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2006, 2004/07/0172, gestützt werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in dieser Entscheidung nämlich die Frage des Vorliegens eines „Rechtsmittelverzichtes“ offengelassen und sich (lediglich) auf eine „fallbezogen fehlende Rechtsmittellegitimation mangels Beschwer“ gestützt. Das Verwaltungsgericht sei daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Auch habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine Auseinandersetzung mit dem - gegen die Richtigkeit der Entscheidung der Agrarbehörde gerichteten - Vorbringen des Revisionswerbers in seiner Beschwerde unterlassen. Darüber hinaus wäre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Daraus, dass der im Beschwerdeverfahren unvertretene Revisionswerber keine mündliche Verhandlung beantragt habe, könne nämlich nicht auf einen Verzicht auf deren Durchführung geschlossen werden, zumal sich der Revisionswerber in der Beschwerde gegen die Annahmen der Agrarbehörde gewandt habe.

8        Nach § 20 Abs. 3 GSG 1970 bedürfen die während des Verfahrens vor der Agrarbehörde abgegebenen Erklärungen und die mit Genehmigung der Agrarbehörde abgeschlossenen Vergleiche keiner Genehmigung durch andere Behörden. Solche Erklärungen und Vergleiche können nur mit Zustimmung der Agrarbehörde widerrufen werden. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn durch den Widerruf der Erklärung der Zweck und das Ergebnis des Verfahrens nicht vereitelt oder gefährdet wird.

9        Das vom Verwaltungsgericht und der Revision zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2006, 2004/07/0172, betraf die im Wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmung des § 21 Abs. 3 Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetz. Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass eine im Sinn dieser Bestimmung gegenüber der Agrarbehörde abgegebene - nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Zustimmung der Agrarbehörde rücknehmbare - Erklärung des Einverständnisses mit der Neufeststellung der Anteile zur Folge hat, dass keine stichhaltigen materiellen Gründe mehr gegen die Neubeanteilung vorgebracht werden können, was im Ergebnis einem Rechtsmittelverzicht gleich kommt (vgl. idS auch zu § 75 Abs. 1 TFLG 1996 VwGH 29.3.2007, 2006/07/0024).

10       Nichts anderes kann im vorliegenden Fall im Sinn des § 20 Abs. 3 GSG 1970 für eine gegenüber der Agrarbehörde abgegebene Erklärung, der Neufestsetzung der Anteile zuzustimmen, gelten. Davon ausgehend stand dem Revisionswerber die Geltendmachung von gegen die Neubeanteilung sprechenden Gründen nicht offen. Es bedurfte daher auch keiner Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit dem diesbezüglich in der Beschwerde erstatteten Vorbringen.

11       Die Frage, ob durch eine im dargestellten Sinn abgegebene Erklärung des Einverständnisses die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid, mit dem eine Neufeststellung der Anteile erfolgt, unzulässig wird, ließ der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, 2004/07/0172, ausdrücklich offen und führte dazu aus, dass durch die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels jedenfalls keine Rechte des Rechtsmittelwerbers (dort: Beschwerdeführers) verletzt würden. Ausgehend von der Bindung an die gegenüber der Agrarbehörde abgegebene Erklärung könne dem gegen den Bescheid erhobenen Rechtsmittel (dort: Berufung) jedenfalls kein Erfolg beschieden sein. Wenn die Behörde bei einer solchen Sachlage mit einer Zurückweisung anstatt einer Abweisung vorgehe, könnte darin nur ein Vergreifen im Ausdruck liegen, das den Rechtsmittelwerber nicht in seinen Rechten verletzte.

12       In diesem Sinn konnte der Revisionswerber auch im vorliegenden Fall - ausgehend vom Vorliegen einer gegenüber der Agrarbehörde abgegebenen Erklärung des Einverständnisses mit der Neufestsetzung der Anteile an der Bringungsgemeinschaft - durch den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes nicht in Rechten verletzt werden. Damit hängt das Schicksal der Revision aber nicht von der aufgeworfenen Frage des Vorliegens eines „Rechtsmittelverzichtes“ ab.

13       Davon ausgehend vermag die Revision auch mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen; dies unabhängig davon, ob eine zurückweisende Entscheidung im Sinn des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG vorlag.

14       Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

15       Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist zwar durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. etwa VwGH 17.6.2021, Ra 2020/04/0047 bis 0071). Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten eines Verwaltungsgerichtes (§ 24 Abs. 4 VwGVG) aber nicht entgegen, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht und auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten können, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist. Auch das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände kann eine Ausnahme von der Verhandlungspflicht rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände etwa dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft (vgl. VwGH 2.4.2021, Ra 2018/07/0358, mwN).

16       Der Revisionswerber ist dem entscheidungswesentlichen Sachverhalt - der Abgabe seiner Erklärung des Einverständnisses gegenüber der Agrarbehörde - im Beschwerdeverfahren nicht konkret entgegengetreten, sodass keine entscheidungsrelevanten Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten. Es ist daher im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG nicht ersichtlich, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache hätte erwarten lassen. Schon deshalb vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020070060.L00

Im RIS seit

04.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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