TE Vfgh Beschluss 1994/10/5 B1334/94

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Veröffentlicht am 05.10.1994
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art9a Abs3
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
ZivildienstG §2 Abs2 idF BGBl 187/1994
ZivildienstG §5 Abs4 idF BGBl 187/1994
ZPO §50 Abs2
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen einen nach Abgabe einer Zivildiensterklärung erlassenen Einberufungsbefehl als gegenstandslos infolge Erlassung eines Feststellungsbescheides über den Eintritt der Zivildienstpflicht; Kostenzuspruch

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 36.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Dem Beschwerdeführer, welcher mit Beschluß der Stellungskommission beim Militärkommando Kärnten vom 27. Jänner 1984 als tauglich zum Wehrdienst befunden worden war, wurde der Antritt des Grundwehrdienstes mehrmals, und zwar zuletzt mit Bescheid dieses Militärkommandos vom 23. Juli 1991 bis 15. August 1993, aufgeschoben.

§76a des Zivildienstgesetzes in der Fassung der am 10. März 1994 kundgemachten Zivildienstgesetz-Novelle 1994, BGBl. 187, bestimmt in seinem Abs2 Z1, daß taugliche Wehrpflichtige (abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) innerhalb eines Monats ab dem der Kundmachung der ZDG-Novelle 1994 folgenden Tag eine Zivildiensterklärung gemäß §§2 und 5 Abs2 einbringen können. Im Hinblick auf diese Befristung brachte der Beschwerdeführer eine Zivildiensterklärung beim Militärkommando Niederösterreich ein, die dort am 10. April 1994 einlangte. Er wählte deshalb dieses Militärkommando als Einbringungsbehörde, weil er - legt man den im Beschwerdeverfahren beigebrachten Meldezettel zugrunde - (unter Beibehaltung eines Wohnsitzes in Klagenfurt) einen ordentlichen Wohnsitz in einer niederösterreichischen Gemeinde

(St. Andrä-Wördern) begründet hatte. Das Militärkommando Niederösterreich leitete diese Erklärung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 13. April 1994 an das Militärkommando Kärnten weiter.

2. Das Militärkommando Kärnten erließ an den Beschwerdeführer einen mit 27. Mai 1994 datierten (an seine Anschrift in Niederösterreich adressierten) Einberufungsbefehl mit dem Einberufungstag 4. Juli 1994, der dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben am 31. Mai 1994 zugestellt wurde. Bei der Erlassung dieses Einberufungsbefehls ging das Militärkommando - wie in der Beschwerde unter Berufung auf ein Ferngespräch zwischen einem Bediensteten dieser Behörde und dem Beschwerdeführer vorgebracht wird - davon aus, daß die Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers verspätet und daher nicht zu berücksichtigen sei.

II. 1. Gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommandos richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art144 B-VG, die am 20. Juni 1994 beim Verfassungsgerichtshof einlangte.

2. Mit Bescheid vom 24. Juni 1994 stellte der Bundesminister für Inneres unter Bezugnahme auf §5 Abs4 ZDG fest, daß die Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers vom 10. April 1994 den gesetzlichen Anforderungen des §2 Abs1 ZDG entspreche; er sei mit diesem Tag gemäß §2 Abs2 ZDG zivildienstpflichtig.

3. Im Hinblick auf diesen Bescheid des Bundesministers für Inneres forderte der Verfassungsgerichtshof den Beschwerdeführer zur Äußerung auf, ob er sich im Beschwerdeverfahren als klaglos gestellt erachte. Der Beschwerdeführer verneinte dies und brachte - sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt - vor, daß der angefochtene Einberufungsbefehl weiterhin dem Rechtsbestand angehöre. Der die Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers feststellende Bescheid des Bundesministers für Inneres habe den Beschwerdegegenstand weder seinem Inhalt nach noch als Folge gesetzlicher Anordnung beseitigt. §5 Abs2 ZDG (wonach mit der fristgerechten Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung ein bestehender Einberufungsbefehl außer Kraft tritt) treffe nicht zu, weil die belangte Behörde den bekämpften Einberufungsbefehl erst nach Abgabe der mängelfreien Erklärung des Beschwerdeführers erlassen habe. Es könne weder unter kompetenzrechtlichem Aspekt noch nach Bestimmungen des ZivildienstG Sache des Bundesministers für Inneres sein, rechtswidrige Akte einer in Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung einschreitenden Behörde zu beseitigen; hiezu sei (abgesehen von der Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) ausschließlich die Behörde selbst berufen. Eine Bestimmung, wonach der Einberufungsbefehl mit der Feststellung der Zivildienstpflicht durch Bescheid des Bundesministers für Inneres außer Kraft trete, sei dem Gesetz nicht nur fremd, sondern es geriete eine solche Auffassung auch zu §5 Abs2 ZDG in Widerspruch.

III. 1. Der Verfassungsgerichtshof

vermag der eben dargelegten Rechtsansicht des Beschwerdeführers jedoch nicht beizupflichten.

Der Zivildienst ist von Verfassungs wegen als Ersatzdienst des Wehrdienstes eingerichtet (Art9a Abs3 B-VG); als Alternative zur Wehrpflicht setzt die Zivildienstpflicht daher die Wehrpflicht (des im Stellungsverfahren tauglich befundenen Wehrpflichtigen) einschließlich der Befreiung hievon voraus (vgl. Abs1 des als Verfassungsbestimmung erlassenen §2 ZDG). Diese Konzeption weiter verfolgend ist - ebenfalls auf Verfassungsebene (s. Abs2 im §2 ZDG) - festgelegt, daß (bereits) die Einbringung der Zivildiensterklärung die Rechtsposition des Wehrpflichtigen im erwähnten Sinn ändert, ihn also von der Wehrpflicht befreit und zugleich der Zivildienstpflicht unterwirft. Für den vom Bundesminister für Inneres nach §5 Abs4 ZDG zu erlassenden Feststellungsbescheid folgt aus dieser verfassungsrechtlich vorgegebenen Rechtslage, daß der normative Inhalt dieser Entscheidung sich nicht etwa auf die Feststellung des Eintritts der Zivildienstpflicht beschränkt, sondern notwendig auch die unter einem eingetretene Befreiung von der Wehrpflicht umfaßt. Da dieser Feststellungsbescheid vom Zeitpunkt seiner Erlassung auf den der Einbringung der (mängelfreien) Zivildiensterklärung zurückwirkt, erstreckt sich seine Wirkung auf alle in diesem Zeitraum ergangenen Rechtsakte, welche die Wehrpflicht des Bescheidadressaten zum Gegenstand haben, einschließlich solcher, mit denen seine Wehrpflicht aktualisiert wurde.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß der angefochtene Einberufungsbefehl zum Grundwehrdienst mit der Erlassung des Feststellungsbescheides über den Eintritt der Zivildienstpflicht seine Rechtswirkungen verloren hat. Hiezu sei noch angemerkt, daß entgegen der Meinung des Beschwerdeführers aus dem zweiten Satz des §5 Abs2 ZDG, demzufolge mit der fristgerechten Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung ein bestehender Einberufungsbefehl außer Kraft tritt, für die vorliegende Beschwerdesache nichts abzuleiten ist; ein Gegenschluß aus dieser Anordnung verbietet sich schon deshalb, weil der Gesetzgeber keinesfalls mit dem außergewöhnlichen Fall rechnen mußte, daß nach der Einbringung einer Zivildiensterklärung ein Einberufungsbefehl vor der Erlassung des Feststellungsbescheides nach §5 Abs4 ZDG ergeht. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf kompetenzrechtliche Aspekte geht fehl, weil es für die Entscheidung über den Eintritt der Zivildienstpflicht geradezu typisch ist, daß sie in den Vollziehungsbereich der Militärbehörden eingreift.

2. Das Beschwerdeverfahren ist sohin gegenstandslos geworden und in sinngemäßer Anwendung des §86 VerfGG einzustellen.

3. Gerechtfertigt erscheint dem Verfassungsgerichtshof hingegen das Verlangen des Beschwerdeführers auf Ersatz der Prozeßkosten. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß die Beschwerdeerhebung - von seiner Interessenposition her gesehen - unbedingt erforderlich war, ebenso sein ausführlicher Schriftsatz zur Frage der Klaglosstellung. Aus dem vorhin Gesagten folgt, daß der - erst nach Einbringung der Beschwerde wirkungslos gewordene - bekämpfte Bescheid zufolge der Rückwirkung des vom Bundesminister für Inneres erlassenen Feststellungsbescheides als zu Unrecht, nämlich in gesetzwidriger Handhabung der Zuständigkeit der Militärbehörde, ergangen betrachtet werden muß. Diese im Beschwerdeverfahren eingetretene Lage ist nach Ansicht des Gerichtshofs bei sinngmäßer Handhabung des §50 Abs2 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) dem nachträglichen Wegfall des Rechtsschutzinteresses gleichzuhalten, der bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen ist. Dem Beschwerdeführer war daher der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Prozeßkosten zuzusprechen.

Im Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 6.000 S enthalten.

IV. Dieser Beschluß wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z3 VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

Zivildienst, Militärrecht, Einberufungsbefehl, Wehrpflicht, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1334.1994

Dokumentnummer

JFT_10058995_94B01334_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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